| Titel: | Polytechnische Rundschau. | 
| Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 25 | 
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                        Polytechnische Rundschau.
                        Polytechnische Rundschau.
                        
                     
                        
                           Die Thomsonsche Schachtfördereinrichtung mit elektrisch
                                 										betätigten Senkbühnen am Juliusschacht bei Brüx. Während die Thomsonsche
                              									Fördereinrichtung bisher überall hydraulisch betrieben
                              									wurde, ist neuerdings in Oesterreich mit Rücksicht auf die Frostgefahr versucht
                              									worden, elektrische Energie zu verwenden, und zwar auf dem Juliusschacht der K. K.
                              									Bergdirektion Brüx. Es handelte sich hier darum, die vorhandene Schachtförderung
                              									derart leistungsfähiger zu gestalten, daß bei täglich zwei Förderschichten und
                              									zweietagigen Förderkörben mit je einem Wagen von 7 Centner Ladung aus dem 200 m
                              									tiefen Schachte 3600000 Centner Kohle im Jahre gefördert werden können. Die erhöhte
                              									Leistungsfähigkeit wird dadurch erzielt, daß 1.) ein gleichzeitiger
                              									Förderwagenwechsel auf allen Etagen ermöglicht wird, 2.) daß auf eigenen Senkbühnen
                              									erfolgende Förderwagenüberheben in die Zeit des nächsten Förderkorbaufzuges verlegt
                              									wird, und dadurch die Pausen zwischen den einzelnen Aufzügen auf ein Minimum
                              									verringert werden, 3.) daß auf allen Etagen die Fahrbahnen der Förderwagen geneigt
                              									sind, und somit ein automatischer Förderwageneinlauf besteht. – Der Wechsel des
                              									Energiemittels bedingte eine durchgreifende Abänderung der Anlage und den Einbau
                              									verschiedener Ergänzungseinrichtungen. Am Auslaufboden und im Füllorte ist vor und
                              									hinter jeder Förderschale eine zweietagige Senkbühne angeordnet. Je zwei
                              									nebeneinander liegende Senkbühnen sind durch eine Gliederkette mit einander
                              									verbunden. Die beiden Kettenscheiben sitzen auf einer gemeinsamen Welle, die an
                              									einem Ende eine Bandbremse besitzen. Auf diese wirkt ein Drehstrommotor von 8 PS.
                              									mittels Schneckengetriebes und Stirnzahnradvorgeleges ein. Die Neigung der
                              									Fahrbahnen beträgt 35 v. T. Durch den Fortfall des Druckwasserbetriebes war im
                              									Füllorte sowie am Auslaufboden der Einbau einer Unterkette erforderlich. Von den
                              									kleineren Veränderungen gegenüber den Druckwasseranlagen ist der Einbau einer Sperre
                              									bei dem Verriegelungsmechanismus bemerkenswert, wodurch dieses nur am Auslaufboden
                              									und im Füllort selbsttätig freigegeben wird, während des Schachtdurchganges aber
                              									gesperrt bleibt. Durch das Höhersetzen des Anschlages zur Begrenzung der
                              									Abwärtsbewegung des Verriegelungsmechanismus wird erreicht, daß herabfallende
                              									Kohlestücke den Mechanismus nicht stören können und die sonst bei heftigen
                              									Erschütterungen der Förderschale eintretende Entriegelung verhindert wird. Die
                              									Anlage, die bisher zufriedenstellend gearbeitet hat, gestattet bei normalem Betriebe
                              									eine Jahresförderung von 5 Mill. Centner. Die Kosten belaufen sich einschl. aller
                              									Umänderungen auf 110000 Kr. (Oesterr. Zeitschr. f. Berg- u. Hüttenwesen 1912 Nr.
                              									37.)
                           S.
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                           Die Treibmittel des Dieselmotors mit besonderer
                                 										Berücksichtigung der Schiffahrt. An dem Vortrag „Die Entstehung des
                                 										Dieselmotors“ (s. D. p. J. 1912 S. 820.) anläßlich der 14. ordentlichen
                              									Hauptversammlung der Schiffbautechnischen Gesellschaft schloß sich als
                              									Unterthema „Die Treibmittel des Dieselmotors“ an. In elementarer Weise wurde
                              									hier ausgeführt, welche erhöhte Bedeutung die Brennstofffrage in der weiteren
                              									Entwicklung des Dieselmotorenbetriebs hat.
                           Zur Zeit werden die meisten Dieselmotoren mit dem teueren Qualitätsbrennstoff, dem
                              									Gasöl, betrieben. Neuerdings versucht man immer mehr zwei andere Treibmittel zu
                              									verwenden, die in größerer Menge und billig zur Verfügung stehen: Das rohe Erdöl und
                              									das Teeröl.
                           Es gibt schon viele Motoren, die mit Erdöl oder Teeröl getrieben werden, doch scheint
                              									es, daß eine allgemeine Betriebssicherheit mit den verschiedenen Arten dieser beiden
                              									Treibmittel noch nicht gewährleistet ist. Aus diesem Grunde nimmt die Seeschiffahrt,
                              									soweit sie zum Motorbetrieb übergegangen ist, den billigen Treibmitteln gegenüber
                              									eine noch abwartende Haltung ein.
                           Die Treibmittel des Dieselmotors leiten sich von zwei Hauptsubstanzen her, vom Teer
                              									(Steinkohlenteer und Braunkohlenteer) und vom Erdöl. Durch Destillation werden die
                              									eigentlichen flüssigen Brennstoffe hergestellt, und zwar sind es die mittleren
                              									Destillate, welche als Dieselmotortreibmittel, die niedrig siedenden Anteile für
                              									Automobilbetrieb Verwendung finden, während die hochsiedenden Destillationsprodukte
                              									für die Verbrennungskraftmaschinen unbrauchbar sind.
                           Die Treibmittel sind Kohlenwasserstoffverbindungen, somit organische Körper, die
                              									Moleküle können hier, wie die organische Chemie, die Chemie des Kohlenstoffes lehrt,
                              									in unbegrenzter Mannigfaltigkeit in der Zusammensetzung entstehen.
                           Als Treibmittel ungeeignet sind vor allem solche flüssige Brennstoffe, die
                              									unverbrennliche Bestandteile, Asche und Wasser oder mechanische Beimengungen
                              									enthalten. Der Aschegehalt soll Zehntelprozente nicht übersteigen, beim Wassergehalt
                              									dagegen entscheidet nicht allein die Menge, sondern auch die Natur des Oeles. Freier
                              									Kohlenstoff darf auch nur in sehr geringen Mengen vorhanden sein, ebenso ist es mit
                              									Asphalt.
                           Das Wesentlichste des Treibmittels ist sein Wasserstoffgehalt; der Wasserstoff ist
                              									das leichteste, beweglichste und das reaktionsfähigste Element. Er bedingte die
                              									Leichtflüssigkeit, Vergasungsfähigkeit und die hohe Verbrennungswärme des
                              									Treibmittels. Von zwei Treibmitteln ist also stets dasjenige mit dem hohen
                              									Wasserstoffgehalt das bessere.
                           Die kettenförmigen oder aliphatischen Verbindungen
                              									(Methan, Aethan, Propan usw. nach der Gleichung C2H2n + 2) sind mit Wasserstoff gesättigt
                              									und sind darum für den Dieselmotor die bestgeeignetsten Kohlenwasserstoffe. Die
                              									kettenförmige, offene und einfache Bindung der Kohlenwasserstoffe übt außerdem auf
                              									die Einleitung und Schnelligkeit der Verbrennung einen günstigen Einfluß aus.
                           Fundamental verschieden davon sind jene Verbindungen, die nach dem Benzolring
                              									aufgebaut sind. Ihrem Wasserstoffgehalt nach sind sie ungesättigt. Die starke Bindung der
                              									Kohlenstoffatome innerhalb des Moleküls beeinflußt die Verbrennung ungünstig. Es
                              									kann hier der Fall eintreten, daß nicht alle freigewordenen Kohlenstoffatome wegen
                              									mangelhafter Wärmeentwicklung verbrennen, es tritt dann Rußbildung ein. Jede
                              									Verstärkung des Benzolcharakters wirkt ungünstig auf die Verbrennung ein.
                           Das rohe Erdöl könnte durch Ausfrieren, oder durch Fällen der hochsiedenden
                              									Oelanteile mittels Mineralsubstanzen, wie Kaolin, Fullererde usw. vorbehandelt
                              									werden, damit der widerspenstige Brennstoff zum Dieselmotorenbetrieb mehr geeignet
                              									wird. Die Qualität des Teeröls, das heute schon mit besonderen Sorgfalt für
                              									Motorzwecke hergestellt wird, kann wohl kaum noch erhebelich gesteigert werden.
                           Wie weit die Ansicht richtig ist, daß der Brennstoff bisher dem Motor sehr weit
                              									entgegengekommen ist, und es nun am Motor liegt, sich dem Brennstoff anzupassen,
                              									soll hier nicht entschieden werden.
                           Am Verbrennungsprozeß im Motor läßt sich nichts ändern. Wenn die Methode des
                              									Dieselverfahrens für gewisse Brennstoffe nicht vollkommen ausreicht, so müssen neue
                              									Mittel und Wege gefunden werden, um eine einwandfreie Verbrennung zu erhalten.
                              									Gewisse Stoffe, die mit der Verbrennung nichts zu tun haben, üben aber einen
                              									wesentlichen Einfluß auf die Verbrennung aus, z.B. Wasserdampf. Ebenso könnte durch
                              									Anwendung von Katalysatoren die chemische Reaktion der Verbrennung beschleunigt und
                              									vervollkommnet werden.
                           Dipl.-Ing. Wimplinger.
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                           Sandstrahlgebläse und ihre Anwendung. Sandstrahlgebläse
                              									sind heutigentags zu einem wichtigen, für manche Industrien geradezu unentbehrlichen
                              									Werkzeug geworden. Die stark angreifende Wirkung von feinen Sandkörnchen, die mit
                              									großer Geschwindigkeit auf feste Körper auftreffen, wurde durch Zufall entdeckt, und
                              									bereits im Jahre 1871 konstruierte der Amerikaner Benjamin
                                 										Chew Tilghman einen Apparat, durch welchen feiner Quarzsand einem
                              									Preßluftstrahl beigemischt und so gegen die zu behandelnden Körper geschleudert
                              									wurde. Der Apparat wurde dann im Laufe der Zeit in seinen Einzelheiten noch
                              									wesentlich verbessert, an dem Prinzip des Druckluftstrahles wurde jedoch im
                              									allgemeinen festgehalten, obwohl man auch teilweise mit Erfolg versuchte, dem
                              									Sandkörnchen durch einen Dampfstrahl oder durch Vakuumansaugung die Treibenergie
                              									mitzuteilen.
                           Eine normale Druckluftsandstrahl-Einrichtung – meist in fahrbarer Anordnung – besteht
                              									aus einem von einem Explosionsmotor oder von einem Elektromotor von 3–20 PS-Leistung
                              									angetriebenen Luftkompressor mit Windkessel. Ein weiterer Kessel enthält in seinem
                              									oberen Teil Quarzsand und mündet mit seinem unteren trichterförmig gestalteten Teil
                              									in ein Rohrstück, durch welches die bis auf 1–1½ at. komprimierte Druckluft geblasen
                              									wird, welche den aus dem oberen Behälter stetig nachrutschenden Sand mit sich
                              									reißt. Die mit Sand angereicherte Luft kann ohne weiteres durch Schläuche bis zu 30
                              									m Länge geleitet werden. Diese münden je nach Art und Menge der verlangten Arbeit in
                              									Stahlrohre von 6–16 mm Düsenöffnung. Anwendung finden die Sandstrahlgebläse
                              									vornehmlich in der Glas- und in der keramischen Industrie zum Mattieren oder zum
                              									Einarbeiten von Schriften und Mustern. Da man nämlich die Erfahrung gemacht hatte,
                              									daß harte Körper sehr stark, weiche aber fast garnicht angegriffen wurden, so war es
                              									ein leichtes, durch aufgelegte Schablonen aus Weichgummi bestimmte Flächen dem
                              									Einfluß des Sandstrahles zu entziehen. Durch passende Wahl von Korngröße, Zeitdauer
                              									und dem Druck der Luft lassen sich auf Glos oder Steinkörpern überraschende Effekte
                              									erzielen.
                           Eine nicht minder wichtige Rolle spielt das Sandstrahlgebläse zum Reinigen aller Art
                              									Metallteile. Der Strahl dringt auch in die feinsten Ritzen und schafft eine
                              									metallisch reine Oberfläche, auf der sowohl Farbe, als auch Metallüberzüge
                              									ausgezeichnet haften. Bei Eisenkonstruktionen, die den Witterungseinflüssen
                              									ausgesetzt sind, ist bekanntlich das Aufbringen eines haltbaren Farbenüberzuges fast
                              									eine Lebensfrage.
                           Die Ueberlegenheit des Sandstrahlgebläses gegenüber dem bekannten Reinigungsverfahren
                              									mittels Drahtbürste wurde durch Wägen von Blechstreifen von 0,5 und 2 mm Dicke vor
                              									und nach der Reinigung festgestellt, wie die Tabelle zeigt:
                           
                              
                                 Sandstrahl
                                    2 mm Blech
                                 = 1,33 v. H..
                                 Gewichtsabnah
                                 
                              
                                 „
                                 0,5   „       „
                                 = 3,5 v. H.
                                 „
                                 
                              
                                 Drahtbürste
                                    2   „       „
                                 = 0,0075 v. H.
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 0,5   „       „
                                 = 0,038 v. H.
                                 „
                                 
                              
                           Die Leistung bei Eisenkonstruktionsteilen beträgt unter normalen Verhältnissen in der
                              									Stunde bei einer Düse
                           
                              
                                 von
                                   6
                                 mm
                                 lichter
                                 Weite
                                 2-  3
                                 qm
                                 Oberfläche
                                 
                              
                                 
                                 10
                                 „
                                 „
                                 „
                                 4-  6
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 16
                                 „
                                 „
                                 „
                                 6-15
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           In gleicher Weise können verschmutzte Sandsteinfassaden etc.
                              									gereinigt werden. Der Sandstrahl greift auf der ganzen Oberfläche gleichmäßig an und
                              									gibt dem Stein sein früheres Aussehen wieder.
                           Eine sehr zweckmäßige Anwendung findet der beschriebene Drucklufterzeuger in
                              									Verbindung mit einem besonderen Zerstäuberapparat zum Aufbringen von Farbe, so daß
                              									nicht nur beispielsweile die Teile einer Brückenkonstruktion gereinigt, sondern auch
                              									gleich mit Anstrich versehen werden können.
                           (W. Eckler, Der Eisenbau, Okt. 1912.)
                           Rich. Müller.
                           ––––––––––
                           Die Briketterzeugung. Unter den briketterzeugenden Ländern
                              									steht in den letzten 10 Jahren das Deutsche Reich an der Spitze, während vorher
                              									Belgien und Frankreich hauptsächlich für die Brikettfabrikation in Betracht kamen.
                              									Während die Produktion dieser beiden Länder gleichmäßig und allmählich zugenommen
                              									hat, kann die deutsche Brikettindustrie auf eine schnell aufblühende Entwicklung zurückblicken
                              									und hat in kurzer Zeit die Konkurrenten im Ausland weit überholt.
                           Einen interessanten Ueberblick über diese Entwicklung und zugleich über den
                              									augenblicklichen Stand der Briketterzeugung gibt die nachstehende Tabelle.
                           Brikettproduktion in 1000 t.
                           
                              
                                 Jahr
                                 DeutschesReich
                                 Frankreich
                                 Groß-britannien
                                 Belgien
                                 Italien
                                 Oesterr.-Ungarn
                                 Ver. Staat.v. Amerika
                                 Zu-sammen
                                 
                              
                                 ins-gesamt
                                 davonStein-kohlen-briketts
                                 
                              
                                 1900
                                 –
                                 –
                                 1763
                                 –
                                 1396
                                 704
                                 191
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 1901
                                   9251
                                 –
                                 1883
                                 –
                                 1588
                                 738
                                 196
                                 –
                                 13656
                                 
                              
                                 1902
                                   9241
                                 –
                                 1959
                                 –
                                 1617
                                 645
                                 254
                                 –
                                 13739
                                 
                              
                                 1903
                                 10476
                                 –
                                 2168
                                 –
                                 1686
                                 704
                                 280
                                 –
                                 15314
                                 
                              
                                 1904
                                 10413
                                 –
                                 2259
                                 –
                                 1735
                                 888
                                 305
                                 –
                                 16600
                                 
                              
                                 1905
                                 13075
                                 –
                                 2268
                                 1239
                                 1712
                                 825
                                 364
                                 –
                                 19483
                                 
                              
                                 1906
                                 14501
                                 –
                                 2286
                                 1538
                                 1887
                                 812
                                 404
                                 –
                                 21426
                                 
                              
                                 1907
                                 16414
                                 3524
                                 2635
                                 –
                                 2041
                                 768
                                 450
                                   60
                                 23906Vorläufige
                                          													Zahlen.
                                 
                              
                                 1908
                                 18223
                                 3995
                                 2768
                                 1630
                                 2341
                                 805
                                 446
                                   82
                                 26295
                                 
                              
                                 1909
                                 18810
                                 3976
                                 3074
                                 1536
                                 2707
                                 904
                                 485
                                 127
                                 27643
                                 
                              
                                 1910Vorläufige
                                          													Zahlen.
                                 19567
                                 4441
                                 3102
                                 1633
                                 2651
                                 924
                                 443
                                 –
                                 32889Für
                                          													Großbritannien bezw. Vereinigte Staaten sind die Zahlen über das
                                          													Vorjahr wiederholt.
                                 
                              
                                 1911Für
                                          													Großbritannien bezw. Vereinigte Staaten sind die Zahlen über das
                                          													Vorjahr wiederholt.
                                 21828
                                 4991
                                 3344
                                 –
                                 2779
                                 794
                                 458
                                 198
                                 35981Für
                                          													Großbritannien bezw. Vereinigte Staaten sind die Zahlen über das
                                          													Vorjahr wiederholt.
                                 
                              
                           Die deutsche Jahresproduktion hat sich in diesem Dezennium von 9,25 Mill. t (1901)
                              									auf 21,8 Mill. t (1911) gehoben und sich also reichlich um das Doppelte vermehrt.
                              									Der Hauptanteil dieser Produktion entfällt auf den Braunkohlenbergbau, in dem – nach
                              									Ausweis der Statistik der Bergbehörden – im letzten Jahr 16,837 Mill. Tonnen
                              									Braunkohlenbriketts hergestellt wurden. Aber auch wenn man nur die Fabrikation von
                              									Steinkohlen betrachtet, so werden die 4,991 Mill. t – nach amtlichen Erhebungen –
                              									von keinem anderen Lande überboten.
                           In Wirklichkeit sind die als „vorläufige Zahlen“ charakterisierten Angaben der
                              									Tabelle für die letzten Jahre noch zu niedrig, da sie nur die Produktion der mit
                              									Bergwerk enverbundenen Brikettfabriken umfassen. Die selbständigen Brikettwerke
                              									unterstehen bekanntlich im Gegensatz zu den vorgenannten der Aufsicht der
                              									Gewerbebeamten und werden in der Statistik der Bergbehörden daher nicht
                              									berücksichtigt. Infolgedessen sind statt der vorläufigen Zahlen sogar noch
                              									wesentlich höhere Ziffern zu erwarten. Z.B. wurden von der Reichsmontanstatistik,
                              									die im Reichsamt des Innern aufgestellt wird und beide Zweige umfaßt, für das Jahr
                              									1910 insgesamt 15,02 Mill. t Braunkohlenbriketts und 5,6 Mill. t Steinkohlenbriketts
                              									nachgewiesen. Vergleicht man diese Zahlen mit den Angaben der Tabelle, so ergibt
                              									sich die beträchtliche Differenz von 1,18 Mill. t schon bei der Produktion der
                              									Steinkohlenbriketts.
                           Die Erzeugung guter Briketts ist natürlich abhängig von den Eigenschaften der Kohle.
                              									Besonders eignet sich hierfür die westfälische Steinkohle, und so kommt es, daß der
                              									Oberbergamtsbezirk Dortmund allein mit 4,2 Mill. an der Gesamtproduktion
                              									Deutschlands von 4,99 Mill. t (1911) beteiligt ist, und die Brikettherstellung in
                              									andern Bezirken Deutschlands hiergegen sehr zurückbleibt. An erster Stelle kommen im
                              									Dortmunder Bezirk von den 14 briketterzeugenden Revieren (1911) die Bergreviere
                              									Hattingen und Süessen mit je 0,7 Mill. t in Betracht.
                           Auch in Frankreich hat die Produktion sich im letzten Jahrzehnt annähernd verdoppelt,
                              									während die Entwicklung in dem industriereichen Belgien langsamer fortschreitet und
                              									in den übrigen Ländern auffallend zurückbleibt z.B. in Großbritannien, oder noch
                              									ganz in den Anfängen begriffen ist, wie in den Ver. Staaten von Nordamerika.
                           Die Weltproduktion hat sich im Laufe des fraglichen Jahrzehnts fast verdreifacht und
                              									ist von 13 auf 36 Mill. t gestiegen. An der Gesamtproduktion des letzten Jahres sind
                              									als Hauptproduzenten beteiligt:
                           
                              
                                 Deutschland
                                 mit
                                 60,67 v. H.
                                 
                              
                                 Frankreich
                                 „
                                   9,29 v. H.
                                 
                              
                                 Belgien
                                 „
                                   7,22 v. H.
                                 
                              
                           (Glückauf, Nr. 45, S. 1852, 1912.)
                           Rußwurm.
                           ––––––––––
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 27
                              Abb. 1.
                              
                           Entfernungsmesser mit im ganzen Gesichtsfeld scharf
                                 										abgebildeter Trennungslinie. Bei den jetzt gebräuchlichen
                              									Entfernungsmessern mit kurzer Basis am StandortNäheres
                                    											über die verschiedenen Arten von Entfernungsmessern findet sich in Chr. v.
                                    											Hofe Fernoptik St. 104 ff. Leipzig 1911., die fast ausschließlich
                              									für den militärischen Gebrauch in Frage kommen, wird bekanntlich die Messung in der
                              									Weise ausgeführt, daß die beiden oberhalb und unterhalb einer horizontal durch das
                              									Gesichtsfeld hindurchgehenden Trennungslinie erscheinenden Bilder vom Objekt so
                              									aufeinander eingestellt werden, daß sie in seitlicher Richtung vollkommen
                              									zusammenfallen. Bei den sog. Koinzidenztelemetern, deren beide Teilbilder aufrecht
                              									stehen, ergänzen sich diese dann zu einem vollständigen Bild (Abb. 1); bei den Inverttelemetern, deren oberes
                              									Teilbild auf dem Kopf steht, berühren sie sich mit den Spitzen (Abb. 2). Die Genauigkeit dieser Einstellung kann
                              									dadurch gesteigert werden, daß die Trennungslinie zwischen den beiden Bildern
                              									möglichst dünn hergestellt wird. Für die Herstellung dieser Trennungslinie werden
                              									drei Methoden angewandt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 27
                              Abb. 2.
                              
                           
                           1. wird sie durch eine möglichst scharf polierte Prismenkante gebildet, die sich
                              									in der Bildebene des Okulars befindet. Da diese Kante durch das Okular als Lupe mit
                              									einer ziemlich starken Vergrößerung (mit 10 bis 17 x Vergrößerung) betrachtet wird,
                              									so wird diese Trennungslinie immer noch eine gewisse Dicke besitzen und evt. auch
                              									kleine Aussprünge aufweisen. Auch ist es leicht möglich, daß Staubteilchen an der
                              									Prismenkante haften bleiben, die ebenfalls in störender Weise sichtbar werden. Im
                              									übrigen wird diese Trennungslinie im ganzen Gesichtsfelde mit gleichmäßiger Schärfe
                              									abgebildet (soweit das Okular überhaupt am Rande eine scharfe Abbildung
                              									aufweist).
                           2. Eine bessere Methode, die Trennungslinie möglichst dünn herzustellen, besteht
                              									darin, daß sie durch den scharf abgeschnittenen Rand einer Versilberung gebildet
                              									wird. Eine chemisch auf Glas niedergeschlagene Versilberung ist sehr dünn; wenn
                              									deren Rand scharf abgeschnitten wird, so wird infolgedessen die Trennungslinie fast
                              									eine mathematische Linie bilden und selbst bei starker Okularvergrößerung immer noch
                              									praktisch ohne Breitenausdehnung abgebildet werden. Die Versilberung ist bisher
                              									meistens so angebracht, daß die Trennungslinie die Okularachse unter 45° oder 22 ½°
                              									schneidet, so daß sie nur in der Mitte des Gesichtsfeldes scharf abgebildet wird;
                              									daß dagegen auf der einen Seite des Gesichtsfeldes die Trennungslinie dem Okular zu
                              									nahe, auf der anderen zu weit vom Okular entfernt ist und infolgedessen verschwommen
                              									dargestellt wird. Für den praktischen Gebrauch erscheint auf diese Weise die
                              									Trennungslinie nur etwa in dem mittleren Drittel des Gesichtsfeldes genügend scharf,
                              									jedoch hat sich allmählich herausgestellt, daß es z.B. bei Messung von beweglichen
                              									Zielen oder sonst bei schnell vorzunehmenden Messungen hinderlich ist, immer erst
                              									das Bild einigermaßen in die Mitte des Gesichtsfeldes bringen zu müssen, ehe man die
                              									Messungen ausführen kann.
                           3. Aus den vorhin angegebenen Gründen war es wünschenswert, die durch ihre besonders
                              									geringe Ausdehnung ausgezeichnete Trennungslinie, die durch den Rand einer
                              									Versilberung gebildet wird, so herzustellen, daß sie durch das ganze Gesichtsfeld
                              									scharf hindurchgeht. Die auf diese Weise gebildete Trennungslinie ist ganz allgemein
                              									der Firma Goerz durch das Patent Nr. 243135 geschützt.
                              									iSe stellt eine so ideale Trennungslinie vor, daß sie wohl nicht übertroffen werden
                              									kann.
                           Dr. v. Hofe.
                           ––––––––––
                           Kesselhaus-Reorganisation. Zur Beantwortung der Frage, ob
                              									es lohnend ist, eine Kesselhausanlage im modernen Sinne umzubauen, ist es in erster
                              									Linie notwendig, sich darüber klar zu werden, in welchem Zeitraum die Kosten des
                              									vorgenommenen Umbaues durch die erzielte Kohlenersparnis getilgt werden. Zu diesem
                              									Zweck stellt man die Kosten einer bestimmten Dampfmenge, z.B. von 1000 kg. dadurch
                              									fest, daß man den Preis von 1000 kg Kohle durch den Quotienten
                              										\frac{D}{B} teilt. Darin bedeutet D die erzeugte
                              									Dampfmenge in kg Stunde, B die verbrauchte Kohlenmenge in kg Stunde. Es wird sich
                              									ein Unterschied des Dampfpreises vor und nach dem Umbau ergeben. Stellt man nun noch
                              									die gesamte Dampf menge fest, so läßt sich leicht die durch den Umbau erzielte
                              									Ersparnis und somit die Tilgungszeit bestimmen.
                           Es wird vielfach von den Gesellschaften, denen der Umbau übertragen wurde, die
                              									Verpflichtung übernommen, die vereinbarte Entschädigung nur aus den nachgewiesenen
                              									Ersparnissen zu beanspruchen, wodurch jedes Risiko für den Besteller entfällt. Die
                              									Erfolge indessen, die durch eine praktisch durchgeführte Reorganisation erreicht
                              									werden können, sind, wie nachfolgendes Beispiel des Kesselhausumbaues eines
                              									Walzwerkes zeigt, nicht gering zu veranschlagen.
                           Die ursprüngliche Anlage bestand aus 16 Zweiflammrohrkesseln, die in 2 Gruppen zu je
                              									8 Kesseln geteilt waren. Für jede Gruppe war ein Rauchgasvorwärmer im Fuchs des
                              									gemeinsamen Schornsteines vorhanden. Auch der Abdampf der Speisepumpen wurde zur
                              									Vorwärmung ausgenutzt.
                           Die Voruntersuchung ergab einen Quotienten \frac{D}{B}=6,1. Unter
                              									Zugrundelegung eines Kohlenpreises von 22,44 M für 1000 kg ergab sich demnach der
                              									1000 kg-Dampfpreis zu \frac{22,44}{6,1}=3,67\mbox{ M}. Der
                              									anfängliche Wirkungsgrad war
                              										\eta=\frac{D\,.\,W}{B\,K}=6,1\,.\,\frac{615}{6800}=0,55,
                              									worin W und K die in 1 kg Dampf bezw. 1 kg Kohle enthaltene Wärmemenge bedeuten.
                           Zum Zwecke der Reorganisation wurden an den Feuertüren Sekundärluft-Automaten
                              									angebracht, um über den Rost Luft zu führen und dadurch diel ästige Rauchentwicklung
                              									beim Beschicken zu verhindern. Um das Eindringen kalter Luft beim Schlacken und
                              									Beschicken unmöglich zu machen, ordnete man beim Uebergang vom zweiten auf den
                              									dritten Zug Schieber an, die sich beim Oeffnen der Feuertür selbsttätig schließen.
                              									In den Fuchs wurden Rippenrohr-Rauchgasvorwärmer gehängt, und zwar für jede Gruppe 6
                              									Einheiten. Eine Dampfabblasevorrichtung sorgte für Reinigung der Rippenrohre von
                              									Asche, während der Kesselstein von Zeit zu Zeit durch einen elektrisch angetriebenen
                              									Fräser entfernt wurde. Der Abdampf der Pumpen und der anderen vorhandenen
                              									Betriebsmaschinen wurde in Vorwärmern ausgenutzt, bei denen das Wasser durch glatte
                              									Messingrohre floß, bevor es zum Rauchgasvorwärmer gelangte. Die verbrauchte
                              									Wassermenge wurde durch Kolbenwassermesser festgestellt. Zur Untersuchung dienten
                              									Gasanalysatoren, an deren Stelle für den Betrieb später Verbundzugmesser, ihrer
                              									größeren Billigkeit wegen traten. Diese ermöglichten die Feststellung des
                              									Luftüberschusses über dem Rost und des Zugunterschiedes zwischen Kesselende und
                              									Feuerraum, welche Aufgabe die Gasanalysatoren durch Anzeige des Kohlensäuregehaltes
                              									erfüllen. Pyrometer zum Messen der Abgastemperatur und Thermometer zum Messen der
                              									Wasserwärme vervollständigten die Modernisierung der Anlage.
                           
                           Die Gesellschaft zur Verbilligung der Dampferzeugungskosten, die den Umbau
                              									übernommen hatte, unterzog sich einer etwa 1 jährigen sehr eingehenden Prüfung der
                              									eingeführten Verbesserungen, die zu folgendem sehr günstigen Resultate führten. Der
                              									Wirkungsgrad stieg von 0,55 bis auf 0,724. Der Quotient
                              										\frac{D}{B} welcher anfangs = 6,1 war, wurde = 8,25.
                           Unter Zugrundelegung desselben Kohlenpreises wie oben, nämlich 22,4 M für 1000 kg,
                              									betrugen nunmehr die Kosten für 1000 kg Dampf \frac{24,8}{8,25}=2,72\mbox{
                                 										M}. Die Ersparnis betrug somit 26 v. H. oder in Berücksichtigung der
                              									verbrauchten Dampfmenge monatlich 6500 M.
                           Aehnliche Erfolge wurden beim Umbau eines städtischen Elektrizitätswerkes erzielt. In
                              									diesem Fall stieg der Wirkungsgrad von 57 v. H. bis 73 v. H. Der Preis für 1000 kg
                              									Dampf ermäßigte sich sogar fast um 27 v. H.
                           Die beschriebenen Umbauten zeigen als Resultat, daß eine Verbesserung der
                              									Kesselanlagen hauptsächlich auf 2 Gebieten angestrebt werden muß: Man beseitige die
                              									unvollkommene Verbrennung z.B. durch selbsttätige Feuerungen und man verringere die
                              									Abgasverluste durch möglichst vollkommene Ausnutzung der Gase zur Vorwärmung.
                              									Zuverlässige Dauerprüfgeräte sind zu diesem Zweck unerläßlich. (Zeitschr. d. Vereins
                              									deutscher Ingenieure Nr. 43.)
                           Schmolke.
                           ––––––––––
                           Die Materialprüfungsanstalt an der Technischen Hochschule zu
                                 										Darmstadt gab ihren V. Jahresbericht 1911-12 heraus. Die unter Leitung der
                              									Professoren Berndt und Wirtz
                              									und Dr. Ing. Preuß arbeitende Anstalt hat im
                              									Berichtsjahre eine Reihe wissenschaftlicher Versuche angestellt (u.a. Einfluß der
                              									Elektrizität auf Eisenbeton, Materialspannungen, Politurhaltigkeit des MarmorDing. J. 1912 B. 327 S. 634., die in
                              									verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht wurden. Außerdem führte die Anstalt gegen
                              									Entgelt auf Antrag von Behörden und Privaten Untersuchungen aus von Maschinenteilen,
                              									Baustoffen und ganzen Bauwerken auf Festigkeit, Abnutzung, Brandsicherheit, ebenso
                              									von Sprengstoffen und Blitzlichtpulver auf Explosionssicherheit. Es lagen dafür 190
                              									Anträge vor, gegen 171 im Vorjahre. Diese Prüfungsergebnisse werden von der Anstalt
                              									geheim gehalten und nur im Einverständnis mit den Antragstellern veröffentlicht.
                              									Eine Anzahl besonders interessanter Untersuchungen werden in dem Jahresberichte kurz
                              									skizziert.
                           ––––––––––
                           § 5 Abs. II, Pat.-Ges. Zur Begründung einer Entschädigungsklage
                                 										gegen das Reich oder gegen einen Bundesstaat wegen Patentverletzung genügt der
                                 										Nachweis der Benutzung des Patents. Zu prüfen ist, ob eine besondere
                              									Vorschrift des geltenden Rechts dem Reichs- oder Staatsfiskus die Pflicht auferlegt,
                              									für Eingriffe in Patentrechte, die in Ausübung von Hoheitsrechten begangen
                              									werden, Entschädigung zu leisten. Dies muß schon im Hinblick auf das Pat.-Ges.
                              									selber bejaht werden. Nach § 5 soll die Wirkung des Patents insoweit nicht
                              									eintreten, als die Erfindung nach Bestimmung des Reichskanzlers für das Heer oder
                              									für die Flotte oder sonst im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt benutzt werden
                              									soll. Doch hat der Patentinhaber in diesem Falle gegenüber dem Reich oder dem
                              									Staate, welcher in seinem besonderen Interesse die Beschränkung des Patents
                              									beantragt hat, Anspruch auf angemessene Vergütung, welche in Ermangelung einer
                              									Verständigung im Rechtswege festgesetzt wird. Durch diese Vorschrift ist der
                              									Grundsatz des Enteignungsrechtes für das Gebiet des Patentrechtes anerkannt. Wo es
                              									sich um das Wohl des Ganzen handelt, soll das private Recht keine unüberwindliche
                              									Schranke bilden. Darf das Reich einem Patentinhaber sein Recht auch nicht geradezu
                              									wegnehmen, so kann es doch ganz nach Bedarf in verschiedenem Umfange bis zur
                              									völligen Erschöpfung des Rechts Benutzungsrechte daran begründen. Nur wird dem
                              									Privaten, wie bei jeder Enteignung, das aufgezwungene Opfer nicht unentgeltlich
                              									zugemutet. In dem Maße, in dem sein Recht eine Schmälerung erleidet, hat er von dem
                              									Reiche oder dem Bundesstaate, dem die Enteignung zugute kommt, Entschädigung zu
                              									verlangen. Richtig ist nun freilich, daß § 5, II nach seinem Wortlaut den Eintritt
                              									einerseits der Rechtsschmälerung, andererseits des Anspruchs auf Wertersatz an eine
                              									Enteignungserklärung des Reichskanzlers knüpft. Weil im vorliegenden Falle eine
                              									solche Erklärung nicht ergangen ist, hat das P. G. die Vorschrift für unanwendbar
                              									angesehen. Damit ist es indes ihrer Bedeutung nicht gerecht geworden. Die
                              									Bestimmung, daß vor der Benutzung der geschützten Erfindung die Voraussetzungen des
                              									Enteignungsrechts bindend festgestellt werden sollen, entspricht der Art und Weise,
                              									wie in anderen Fällen die Enteignung geregelt ist. Sie bietet für die Behörden den
                              									Vorteil, die Frage, ob wirkliche Enteignung erforderlich ist und in welchem Umfange
                              									sie stattfinden soll, einer gründlichen Prüfung unterziehen zu können. Allein bei
                              									der einfachen Uebertragung dieser Einrichtung auf das Gebiet des Patentwesens ist
                              									die Besonderheit des gewerblichen Rechtsschutzes nicht genügend berücksichtigt.
                              									Patentrechte unterscheiden sich von den meisten anderen Privatrechten dadurch, daß
                              									ihre Grenzen überaus häufig nur mit Schwierigkeit ermittelt werden können. Handelt
                              									es sich z.B. um eine Erfindung, die für Heer oder Flotte von Bedeutung ist, so wird
                              									nicht selten die Sache so liegen, daß die technischen Beamten, die sich im Interesse
                              									der Kriegsbereitschaft des Reiches zur Benutzung eines dem patentierten ähnlichen
                              									Gegenstandes gezwungen sehen, im besten Glauben der Meinung sind, den Schutzbereich
                              									des Patents zu vermeiden, und daß sie deshalb davon Abstand nehmen, den
                              									Reichskanzler zur Enteignung zu veranlassen. Beruht ihre Ansicht über das Patent auf
                              									Irrtum, so ist der Patentinhaber in einer mißlichen Lage. Gegenüber der Ausübung der
                              									öffentlichen Gewalt kann er ein gerichtliches Verbot fernerer Patentverletzung nicht
                              									erlangen. Eine Klage gegen den Reichskanzler oder das Reich mit dem Antrage, die Enteignung zu verfügen,
                              									würde schon deshalb nicht durchdringen können, weil es dem Reichskanzler unter allen
                              									Umständen überlassen bleiben muß, für die Zukunft Inhalt und Umfang der Lizenz zu
                              									bestimmen, vor allem auch darüber zu befinden, ob sie als ausschließliche Lizenz zu
                              									begründen sei oder nicht. Soll daher die gesetzliche Bestimmung nicht wirkungslos
                              									bleiben, so muß die Auslegung die Lücke, die der Gesetzgeber gelassen hat,
                              									ausfüllen. Hierbei ist davon auszugehen, daß das Patentgesetz eine Abweichung von
                              									dem in allen deutschen Staaten geltenden großen Rechtsgrundsatz, wonach
                              									Privateigentum für öffentliche Zwecke nur gegen Entschädigung in Anspruch genommen
                              									werden darf, nicht beabsichtigt hat. Die Erklärung des Reichskanzlers kann deshalb
                              									nicht als einziger Fall der Enteignung anerkannt werden, die Benutzung der
                              									geschützten Erfindung ist ihr gleichzustellen. Der Patentinhaber muß befugt sein,
                              									geltend zu machen, daß die Enteignung seines Patents trotz fehlender
                              									Enteignungsverfügung doch tatsächlich stattgefunden hat. Nach dieser
                              									Rechtsauffassung ist zur Begründung einer Entschädigungsklage gegen das Reich oder
                              									den Bundesstaat, die in Ausübung der öffentlichen Gewalt eine Erfindung in Benutzung
                              									nehmen, irgend etwas weiteres als der Nachweis der Benutzung nicht zu erfordern. Auf
                              									den subjektiven Tatbestand kommt es nicht an. Der § 35, Pat.-Ges., wonach nur
                              									wissentliche oder grobfahrlässige Verletzung des Patentes zur Entschädigung
                              									verpflichtet, findet keine Anwendung. Der Darstellung Seligsohns (Pat.-Ges. 5. Aufl.
                              									S. 406), die im übrigen auf dem hier vertretenen Standpunkte steht, kann darin nicht
                              									beigetreten werden, daß eine Verurteilung zum Schadensersatz auf Grund
                              									entschuldbarer Patentverletzung eine Benachteiligung gegenüber anderen das Patent
                              									verletzenden Personen bedeutete. Es wird dabei nicht beachtet, daß das Reich
                              									insofern besser gestellt ist, als ihm der Eingriff in das Patent nicht verboten
                              									werden darf. Vor allem aber wird der durchgreifende Unterschied verkannt, der
                              									zwischen der Schadensersatzpflicht privater Patentverletzer und der Pflicht des
                              									Reichs oder eines Bundesstaates wegen Benutzung der Erfindung im öffentlichen
                              									Interesse besteht. Während der Anspruch nach § 35 Pat.-Ges. aus unerlaubter Handlung
                              									entspringt, hat die Enteignungsentschädigung mit dem Gedanken an ein Delikt nichts
                              									gemein. Allerdings haben die in der Reichs- oder Staatsverwaltung beschäftigten
                              									technischen Beamten sorgfältig zu prüfen, ob eine Vorrichtung oder ein Verfahren,
                              									das sie zur Förderung der öffentlichen Wohlfahrt anwenden wollen, in ein Patent
                              									eingreift. Aber diese Verpflichtung ist nur ein Ausfluß ihrer Dienstpflicht
                              									gegenüber dem Reiche oder dem Staate, denen daran gelegen sein muß, durch
                              									Entschädigungsansprüche nicht überrascht zu werden. Mit Bezug auf den Patentinhaber
                              									kann, soweit es sich um die Ausübung von Hoheitsrechten handelt, von einer
                              									Sorgfalspflicht nicht die Rede sein. Insoweit ist das Reich oder der Bundesstaat zu
                              									einem Eingriffe in das Patent schlechthin berechtigt. Die Begriffe der vorsätzlichen
                              									oder fahrlässigen Schadenszufügung, des Verschuldens, der unrechten Tat passen daher
                              									nicht, wie denn auch die ganze Frage, ob die Heranziehung einer Erfindung für
                              									öffentliche Zwecke mit dem Bewußtsein des Bestehens eines Patentschutzes erfolgt ist
                              									oder nicht, von dem Patentinhaber garnicht aufzuwerfen ist. Urteil vom 22. Juni
                              									1912. (Juristische Wochenschau: Vom Reichsgericht.)
                           W. D.