| Titel: | Rückblicke auf Neuerungen in der Technik. | 
| Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 81 | 
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                        Rückblicke auf Neuerungen in der
                           								Technik.
                        [Rückblicke auf Neuerungen in der Technik.]
                        
                     
                        
                           Vom deutschen Schiffbau.
                           Von Konstruktionsingenieur C. Kielhorn
                              									in Zehlendorf.
                           Das abgelaufene Jahr ist, sowohl was die Zahl als auch den Gesamttonnengehalt der
                              									Schiffe betrifft, das günstigste gewesen, das die deutsche Schiffbauindustrie erlebt
                              									hat; ob es in wirtschaftlicher Hinsicht ebenso günstig gewesen, sei hier nicht näher
                              									untersucht. Indessen ist die angespannte Tätigkeit der Werften das sicherste Zeichen
                              									des Aufschwungs unseres deutschen Außenhandels, der sich ja in den glänzenden
                              									Jahresabschlüssen unserer großen Reedereien viel offensichtlicher zeigt.
                           Die Statistik des Germanischen Lloyd gibt für das Jahr 1912 nicht weniger als 1401
                              									Neubauten mit zusammen 1482731 B.-R.-T. an. Gegen das Vorjahr bedeutet das eine
                              									Zunahme der Beschäftigung um 388236 B.-R.-T. oder mehr als 35,5 v. H. An fertig
                              									gestellten Schiffen beträgt die Zunahme gegen das Vorjahr 73275 B.-R.-T. = 18 v. H.
                              									Noch günstiger ist der Ausblick auf das laufende Jahr, für welches in diesem Monat
                              									ein Auftragsbestand von 474 Schiffen mit 1002693 B.-R.-T. geblieben ist, gegen 454
                              									Schiffe mit zusammen 687705 B.-R.-T. zu Beginn des Jahres 1912. Es entspricht dies
                              									einer Steigerung in der Beschäftigung um 314988 B.-R.-T. oder rund 46 v. H.
                           Am günstigsten steht entsprechend dem Aufschwung des überseeischen Handels der
                              									Seeschiffbau da. Der Auftragsbestand der deutschen Werften an Seeschiffen über 100
                              									B.-R.-T. betrug rund 26 v. H. der ganzen zurzeit schwimmenden deutschen
                              									Seehandelsflotte. Von dem Seeschiffbau entfallen wieder mehr als ⅔ der
                              									Gesamt-Tonnage auf den Großschiffbau, soweit unter letzterem Schiffe von mehr als
                              									5000 B.-R.-T. verstanden werden.
                           Der Motorschiffbau hat weniger zugenommen als man hätte erwarten können. Man will
                              									offenbar erst längere Betriebsergebnisse der ersten größeren Motorschiffe des
                              										„Monte Penedo“ (vergl. D. p. J. 1912, Heft 46, S. 724) und des
                              										„Rolandseck“ (vergl. D. p. J. Heft 50, S. 791) abwarten, ehe man
                              									Motoranlagen von ähnlicher Größe weiter in Seeschiffe einbaut. Der einzige
                              									Auftrag auf einen größeren Diesel-Motor ist, abgesehen
                              									von zwei schon vor fast Jahresfrist bestellten Petroleumtankschiffen der Werft von
                              										Frerichs & Co., in
                              									jüngster Zeit an die durch den Bau des Rolandseck rümlichst bekannte Werft von Joh. C. Tecklenborg A. G. in
                              									Geestemünde gegangen, welche ein Schulschiff des deutschen Schulschiffs-Vereins als
                              									Vollschiff mit einem Tecklenborg-Carels Motor von 500 PS
                              									als Hilfsmotor baut.
                           Dieses Schiff ist zugleich das einzige Segelschiff, welches noch in Deutschland
                              									gebaut wird. Der Segelschiffbau ist im übrigen, soweit er Schiffe über 100 t
                              									betrifft, zum ersten Male im abgelaufenen Jahre von den deutschen Werften ganz
                              									verschwunden gewesen.
                           Was den Kleinschiffbau (Seeschiffe unter 100 B.-R.-T.) betrifft, der bis vor wenig
                              									Jahren noch eine große Zahl kleinerer Betriebe an den Küsten der Nord- und Ostsee
                              									beschäftigte, so ist derselbe in Folge der Tätigkeit der holländischen
                              									Schiffshypothekenbanken fast ganz nach Holland abgewandert. Von dem gesamten
                              									Kleinschiffbau für deutsche Rechnung, 97 Schiffe mit zusammen 6538 B.-R.-T.
                              									umfassend, sind 66 Schiffe mit 4333 B.-R.-T. in Holland gebaut, d. i. genau ⅔
                              									desselben.
                           Aehnlich liegt es mit dem Binnenschiffbau, der zwar nicht in dem gleichen Maße wie
                              									der Seeschiffbau an dem Aufschwung der deutschen Schiffbauindustrie teilgenommen
                              									hat, bei dem aber als hervorstehendes Merkmal die große Zahl der auf holländischen
                              									Werften und mit Hilfe der vorerwähnten holländischen Schiffshypothekenbanken
                              									gebauten Schiffe ins Auge fällt. Ein genauer Vergleich kann hier mangels
                              									zuverlässiger Daten aus dem Vorjahr nicht aufgestellt werden. Jedoch hat in diesem
                              									Jahre der Zentral-Verein für Deutsche Binnenschiffahrt zum ersten Male in
                              									dankenswerter Weise eine Statistik des deutschen Binnenschiffbaus aufgestellt, die
                              									bei weiterer Fortführung auch genauere Daten über die Bewegung in diesem wichtigen
                              									Industriezweig geben wird.
                           Ueber den deutschen Kriegsschiffbau sei bei der Eigenartigkeit des Themas an anderer
                              									Stelle berichtet.
                           
                           Was die technischen Neuerungen im Schiffbau betrifft, so ist zunächst der
                              									Einfluß der „Titanic“-Katastrophe bemerkbar durch die Vermehrung der
                              									Sicherheitsvorkehrungen, Verbesserungen in der Bootsaufstellung und den
                              									Bootsaussetzvorrichtungen, neue Rettungsboottypen, Längsschotten im Vorschiff zur
                              									Sicherung bei Unfällen wie bei der „Titanic“, Schottschließvorrichtungen usw.
                              									Da jedoch die einzelnen Seeuferstaaten mit ihren Sonderberatungen erst jetzt zum
                              									Abschluß gekommen sind und die internationale Konferenz noch nicht zusammengetreten
                              									ist, so wollen wir hier nicht vorgreifen.
                           Gleichen Schritt mit den Erfolgen der Motorenindustrie hat der Bau von kleinen
                              									Motorschiffen gehalten, Ueber die größeren Motoren müssen, wie erwähnt, die
                              									Ergebnisse einer längeren Betriebsperiode abgewartet werden. Ueber die Riesendampfer
                              									der Hamburg-Amerika-Linie sind wir auf die Mitteilungen über das im Mai dieses
                              									Jahres zur ersten Fahrt bereiten Vierschrauben-Turbinenschiff „Imperator“
                              									angewiesen; über die vergrößerten Schiffe dieser Klasse, welche bei Blohm & Voß im Bau sind,
                              									werden nicht einmal Angaben über die Größenabmessungen des Schiffskörpers
                              									gemacht.
                           Einen neuen deutschen Schiffstyp stellen die Passagierdampfer der
                              									Hamburg-Amerika-Linie für deren Südamerikadienst dar; es sind Dreischraubenschiffe
                              									mit zwei Kolbenmaschinen für die beiden äußeren und Abdampfturbine für die mittlere
                              									Schraube, eines bei Johann C. Tecklenborg A.-G. in
                              									Geestemünde. ein zweites bei der A.-G. Weser in Bremen im Bau. Ein drittes Schiff
                              									dieses Typs wird als Zweischrauben-Turbinenschiff bei der A.-G. Vulcan in Stettin gebaut. Auf der gleichen Werft ist ein
                              									Dampfer für den Bäderdienst der Hamburg-Amerika-Linie im Bau, der die praktische
                              									Einführung einer seit mehreren Jahren im kleinen erprobten Neuerung im
                              									Schiffsmaschinenbau darstellt. Es ist ein Schiff von 83,82 m Länge, 11,78 m Breite
                              									und 4,57 m Seitenhöhe. Es erhält Turbinen von 5400 PS mit einer Föttingerschen Transformatoranlage, welche die hohe
                              									Umdrehungszahl der Turbinen auf eine ökonomische der Schraubenwellen herabmindert.
                              									Das nähere über diese Neuerung finden unsere Leser in dem Aufsatz über den Föttinger-Transformator (Heft 5, S. 75).
                           
                        
                           Dampfmaschinenbau.
                           Von Dr.-Ing. Meuth in Stuttgart.
                           Der starke Wettbewerb unter den verschiedenen Arten von Wärmekraftmaschinen zeitigt
                              									auch in dem so hoch entwickelten Dampfmaschinenbau noch Fortschritte. Zu den
                              									wichtigsten Neuerungen der letzten Zeit gehört die Stumpfsche Gleichstromdampfmaschine, die durch die Einfachheit ihrer Bauart,
                              									die geringe Zahl ihrer beweglichen Teile und den geringen Raumbedarf der hierin
                              									nicht zu übertreffenden Dampfturbine schon recht nahe kommt. Dabei erreicht die
                              									Oekonomie – bei nur einstufiger Expansion die der besten
                              									Mehrfachexpansionsmaschinen, hauptsächlich durch die Verminderung der abkühlenden
                              									Flächen im Zylinder neben einer außerordentlich geschickt durchgeführten
                              									Konstruktion im einzelnen. Durch diese Vorzüge erobert sich die
                              									Gleichstromdampfmaschine, die heute schon von einer Reihe von Firmen gebaut wird,
                              									immer weitere Anwendungsgebiete. Abgesehen von ihrer Ausführung als reine
                              									Betriebsmaschine hat ihre Verwendung zum Lokomotivbetrieb günstige Resultate
                              									ergeben, und auch für Lokomobilbetrieb kommt sie schon zur Ausführung, desgleichen
                              									zum Antrieb von Maschinen des Berg- und Hüttenbetriebes. Auch als Schiffsmaschine
                              									soll sie ausgeführt werden. Auch für die Entnahme von Heizdampf, die bei der
                              									Verbundmaschine aus dem Aufnehmer erfolgt, wird die Gleichstromdampfmaschine
                              									neuerdings eingerichtet. So darf man annehmen, daß der alten Kolbendampfmaschine
                              									nach ihren vielen Entwicklungsstufen schließlich durch die Rückkehr zur einfachsten
                              									Form auch bei der starken Konkurrenz der jüngeren Kraftmaschinen noch auf längere
                              									Zeit eine Existenz gesichert ist. Auch auf die Mehrfachexpansionsmaschine hat die
                              									einfache Bauart der Gleichstromdampfmaschine entschieden vereinfachend eingewirkt.
                              									Es sind zwar keine umwälzenden Aenderungen, aber man sucht auch schon die kleinsten
                              									Vorteile durch die konstruktive Gestaltung auszunutzen.
                           Es ist eine allgemeine Erscheinung: je vollkommener die Einrichtungen werden, um so
                              									ähnlicher werden sie in ihren Ausführungsformen. Die Vielgestaltigkeit der früheren
                              									Dampfmaschinen ist bei neueren Maschinen nicht mehr zu beobachten. Das Zweckmäßigste
                              									wird eben bald Allgemeinheit der Konstruktion. Die gleiche Wahrnehmung der
                              									Vereinheitlichung der Ausführungsformen kann man auch bei den heutigen Dampfturbinen
                              									machen; äußerlich wenigstens unterscheiden sich die verschiedenen Bauarten kaum mehr
                              									voneinander, und durch den Uebergang zur kombinierten Bauart mit
                              									Geschwindigkeitsabstufung im Hochdruckteil und enger Druckabstufung im
                              									Niederdruckteil weisen auch im Arbeitsprinzip die Ausführungen der verschiedenen
                              									Firmen nur geringe Unterschiede mehr auf.
                           Im Anwendungsgebiet der Kolbendampfmaschine und Dampfturbine hat sich jetzt schon
                              									eine ziemlich feste Scheidung vollzogen. Die Dampfturbine nimmt die großen und
                              									größten Einheiten ganz für sich in Anspruch. Noch vor wenigen Jahren hätte niemand
                              									geahnt, bis zu welchen ungeheuren Leistungen die Aggregate gebaut werden können.
                              									Heute sind Einheiten von 30000 PS im Betrieb keine Seltenheit mehr, und schon werden
                              									Mitteilungen über die Ausführung von Maschinen mit 40000 PS Leistung bekannt. So ist
                              									der Firma Brown, Boveri & Cie. für das städtische
                              									Elektrizitätswerk in Hagen in Westfalen eine Turbine dieser Größe in Auftrag gegeben
                              									worden, und demnächst sollen in einem amerikanischen Elektrizitätswerk zwei
                              									Dampfturbinen von 40000 PS in Betrieb genommen werden. Diese Maschinen nach Parsons-System laufen mit 750 Umdrehungen i. d. Min.;
                              									jede Maschine nimmt nur eine Grundfläche von 5 × 22 m ein. Je größer die Leistung,
                              									um so besser die Uebersichtlichkeit, und umso leichter die Wartung einer größeren
                              									Kraftstation. Die Leistungsvergrößerung begegnet bei Dampfturbinen aber weit
                              									geringeren Schwierigkeiten als bei Kolbendampfmaschinen, da wegen der großen
                              									Dampfgeschwindigkeiten die Durchgangsquerschnitte der Schaufelkanäle auch bei sehr
                              									großen Dampfmengen in ausführbaren Grenzen bleiben.
                           Neben diesen großen und größten Einheiten kommt die Dampfturbine heule noch als
                              									Kleinturbine zum Antrieb von Hilfsmaschinen, namentlich von Pumpen und Kompressoren
                              									in Verbindung mit Abdampfverwertung vor. Wegen der großen Einfachheit und
                              									Anspruchslosigkeit im Raum gibt man hier trotz der schlechteren Dampfökonomie der
                              									Turbine den Vorzug vor der Kolbenmaschine, auch wegen des Vorteils, daß der zum
                              									Heizen usw. verwendete Abdampf aus der Turbine völlig ölfrei kommt. Für mittlere
                              									Leistungen, namentlich als reine Betriebsmaschine, wird die Kolbendampfmaschine ihre
                              									Bedeutung nach wie vor behaupten.
                           Die Bestrebungen im Dampfmaschinenbau – das gilt sowohl für die Kolbendampfmaschine
                              									wie für die Turbine – gehen heute mehr wie je in der Richtung einer möglichst hohen
                              									Dampfausnutzung. Die Mittel hierzu – hohe Ueberhitzung und hohes Vakuum – sind wohl
                              									schon bis aufs äußerste in Anspruch genommen, so daß hier Vorteile von Belang nicht
                              									mehr zu erreichen sind. Eine rationelle Dampfausnutzung ermöglichte erst die
                              									Zwischendampf- und Abdampfverwendung, die nach und nach in alle Betriebe, in denen
                              									Wärme zu Heiz-, Koch- und anderen Zwecken benötigt wird, eingeführt wird. Die
                              									Tatsache, daß zur Erzeugung der mechanischen Energie in der Dampfmaschine nur ein
                              									kleiner Bruchteil der im Dampf enthaltenen Energie ausgenutzt werden kann, der
                              									größte Teil aber mit dem Abdampf aus Kühlwasser oder bei Auspuffmaschinen ins Freie
                              									geht, veranlaßt doch allmählich jeden größeren Betrieb zur Verwendung des
                              									Abfallproduktes. Mit der Verwendung des Abdampfes erhält auch die Dampfmaschine vor
                              									den wärmetechnisch überlegeneren Gas- und Oelmaschinen einen bedeutenden
                              									wirtschaftlichen Vorsprung. Die Ausnutzung des Abdampfes nimmt die verschiedensten
                              									Formen an. Wo solcher mit höherem Druck gebraucht wird, wie in Brikettfabriken,
                              									rüstet man eine Anlage zweckmäßig mit Gegendruck- und Kondensationsmaschinen aus;
                              									der zum Heizen der Trockenöfen verwendete Abdampf aus der Gegendruckmaschine gibt
                              									nach dem Verlassen der Trockenöfen seine Wärme noch an das Speisewasser ab. Ist nur
                              									eine geringe Menge Heizdampf nötig, so ist eine Kolbenmaschine oder Turbine mit
                              									Anzapfung einer Zwischenstufe am Platze. Bei vorhandener Anlage mit Auspuff und
                              									nicht genügender Verwendung für den Abdampf empfiehlt sich die Angliederung einer
                              									Abdampfturbine, die den Restdampf mit hohem Vakuum ausnutzt; namentlich in Berg- und
                              									Hüttenbetrieben erweisen sich solche Anordnungen vorteilhaft. Fast alle führenden
                              									Dampfmaschinenbauanstalten bieten heute ihre Maschinen mit Einrichtungen für eine
                              									rationelle Abdampf Verwertung art; insbesondere kommen hier die verschiedenen,
                              									vielfach selbsttätigen Reguliereinrichtungen in Betracht, welche einen sparsamen
                              									Dampfverbrauch sichern, auch unter den hier besonders verschiedenartigen
                              									Betriebsverhältnissen (wechselnde Leistung bei gleichem Heizdampfbedarf, oder
                              									konstante Leistung bei verschiedenem Heizdampfbedarf oder schließlich auch
                              									Veränderung beider Faktoren).
                           Neben diesen Einrichtungen zur Verminderung des Dampfverbrauchs der Maschine selbst
                              									werden die Apparate zur Betriebskontrolle immer mehr verbessert. Wo es möglich ist,
                              									werden selbstregulierende und selbstregistrierende Vorrichtungen angewendet, die den
                              									Betrieb von der Gewissenhaftigkeit der Heizer und Maschinenführer unabhängiger
                              									machen. Solche Vorrichtungen machen sich durch die damit verbundene Dampfersparnis
                              									bald bezahlt. Es soll einem späteren Bericht vorbehalten bleiben, auf Einzelheiten
                              									solcher Neuerungen einzugehen.
                           
                        
                           Untergrundbahnbau.
                           Von Dipl.-Ing. H. Funck in Berlin.
                           In Straßen, wo der Tunnelkörper die ganze Breite zwischen den beiden Hausfronten
                              									einnimmt, besteht bei dem Bau von Untergrundbahnen in offener Baugrube die
                              									Schwierigkeit, die anliegenden Häuser vor Schäden zu bewahren. Diese werden meist
                              									durch Fundamentsackungen verursacht, die sich alsdann durch Risse in den Wänden
                              									bemerkbar machen. Deshalb kommt es darauf an, selbst die geringsten Erdbewegungen zu
                              									vermeiden und den Spannungszustand der Erde, der ohnehin durch die meist
                              									erforderliche Grundwasserabsenkung beeinflußt wird, niemals plötzlich zu ändern.
                           Bei der üblichen Bauweise wird die ganze Baugrube auf einmal ausgehoben. Sobald der
                              									Tunnelkörper aber in großer Breite und Tiefe eingebaut werden soll und ganz nahe an
                              									die Häuser heranrückt, bereitet diese Ausführung Schwierigkeiten. Man muß dann auf
                              									die Elastizität der Baugrubenwand und des Absteifungsmaterials Rücksicht nehmen.
                           Um eine Deformation der Baugrubenwand zu vermeiden, muß man die als Rammträger
                              									benutzten Doppel-I-Träger und die zwischen ihnen fest
                              									eingekeilten hölzernen Bohlen zweckentsprechend anordnen und in ihrer Stärke
                              									reichlich bemessen. Eine zwar kostspieligere, aber in statischer Hinsicht bedeutend
                              									günstigere Baugrubeneinfassung bildet eine eiserne Spundwand, z.B. aus
                              									Larssen-Bohlen, deren Querschnitt ein großes Trägheitsmoment hat, und deren Stärke
                              									dabei so gering ist, daß sie bei dem Rammen leicht in die Erde eindringen, ohne daß
                              									sie erhebliche Erschütterungen veranlassen. Außerdem hat die Larssenwand den
                              									Vorteil, daß sie dicht an dem abzufangenden Erdreich anliegt und dadurch eine
                              									Erdbewegung verhütet, während man bei den wagerecht zwischen den Rammträgern
                              									liegenden Holzbohlen, die erst mit fortschreitendem Erdaushub nach und nach
                              									eingebracht werden können, nicht mit einem festen Anliegen rechnen kann, da wohl
                              									meist mehr Erde entfernt wird, als es für das Einbringen der Bohlen erforderlich
                              									ist; bei ihnen muß man- sich durch nachträgliches Hinterstopfen mit Erde behelfen,
                              									nachdem man durch Beklopfen festgestellt hat, daß die Bohle noch etwas hohl
                              									anliegt.
                           Die Wirkung der Elastizität der Absteifungskonstruktion läßt sich nur durch einen
                              									zweckmäßigen Bauvorgang ausschalten, ist die Baugrube breiter als 15 bis 20 m, so kann man nur in
                              									ihrem oberen Teile, wo der Erddruck noch gering ist, von Außenwand zu Außenwand
                              									reichende Steifen einbauen, die man in der in Abb. 1
                              									angedeuteten Weise stoßen wird. In dem tiefer gelegenen Teile der Baugrube, wo man
                              									es mit größerem Erddrucke zu tun hat, muß man von einer solchen Anordnung absehen,
                              									wenn man nicht die anliegenden Häuser gefährden will: die Steifen würden infolge des
                              									hohen Druckes in Richtung ihrer Längsachse erheblich zusammengepreßt werden und auch
                              									eine Durchbiegung erleiden. Ein geringes Zusammendrücken der Absteifungskonstruktion
                              									würde aber schon genügen, um die Verschiebung des unteren Teiles der Baugrubenwand
                              									herbeizuführen, und ein Nachrutschen der Erde wäre die unmittelbare Folge. Dazu
                              									kommt, daß der Erddruck durch den Häuserdruck noch verstärkt wird und zwar wird dies
                              									um so mehr geschehen, je näher die Häuser der Baugrube stehen, je größer ihre Last
                              									ist, und vor allem je weniger tief sie fundiert sind; denn die Wirksamkeit des
                              									Hausdruckes beginnt von Unterkante Hausfundament an. Von den Verfahren, die man zur
                              									Verhütung von Häuserrissen angewandt hat, sind die von besonderem Interesse, die
                              									neuerdings von der Gesellschaft für den Bau von
                                 										Untergrundbahnen ausgeführt wurden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 84
                              Abb. 1.Bauzustand vor Aushub des mittleren Kernes.
                              a – Rammträger. b = Rundholzstütze
                                 										zum Tragen der Fahrdammkonstruktion. c = Dichtungsschicht aus Asphaltfilzpappe,
                                 										d = Deckenträger, e = Brunnenrohr für die Wassersenkungsanlage durch Rohr r mit
                                 										einer Kreiselpumpe verbunden, f = Theoretisch ermittelte Gleitlinie.
                              
                           Man hob den Boden auf die ganze Baugrubenbreite bis zu einer ungefährlichen Tiefe,
                              									etwa bis auf den Grundwasserstand aus. Darauf wurden unter dem Schütze einer
                              									Grundwasserabsenkungsanlage zu beiden Seiten schlitzartige, rechteckige Baugruben
                              									ausgeschachtet, wobei die inneren Baugrubenwände nicht mehr so hoch zu sein
                              									brauchten. Solche schmalen Gruben können sicherer abgesteift werden und eine
                              									Deformation infolge Zusammenpressung der Steifen kommt nicht zur Geltung. In diesen
                              									Schlitzen wurden die Tunnelseitenwände aus Eisenbeton ausgeführt, die nun wie
                              									Futtermauern gegen das Erdreich wirkten. Obenauf verlegte man die endgültigen
                              									Deckenträger und betonierte sie an den Enden ein; dadurch war eine vorzügliche
                              									Aussteifung der Baugrubenwände erzielt. Nach Aushub des mittleren Erdkernes bestand
                              									noch die Gefahr des Ausrutschens des Tunnelwandkörpers auf der schlüpfrigen
                              									Dichtungsschicht, einer geteerten Asphaltfilzpappe, die den Tunnel vollkommen
                              									wasserdicht halten soll Diese Gefahr wurde durch geschickte Einfügung der in Abb. 1 mit 5 bezeichneten Steife beseitigt. Alsdann
                              									konnte der Sohlenkörper einbetoniert werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 84
                              Abb. 2.Bauzustand nach Fertigstellung des mittleren Teiles.
                              d = Dichtungsschicht, r =
                                 										Rammträger, die gleichzeitig als Stützen für die Baugrubenabdeckung (a) dienen.
                                 										w = provisorische Wände
                              
                           In einem anderen Verfahren wurde zuerst mit dem mittleren Teile des Tunnels begonnen.
                              									Man stellte eine Baugrube her, deren Wände so weit von den Häusern entfernt waren,
                              									daß die von Unterkante Hausfundament abgehenden Gleitflächen nicht in die Baugrube
                              									fallen konnten. Somit hatte eine Bewegung der Erde über diesen Gleitflächen keinen
                              									Einfluß auf das Hausfundament. In dieser auf die erforderliche Tiefe ausgehobenen
                              									Baugrube wurden nun provisorische Wände aus Sparbeton nebst dem zwischenliegenden
                              									Sohlenstücke aus Eisenbeton und der endgültigen Tunneldecke aufgeführt. Erst jetzt
                              									wurde in den beiden seitlichen Schlitzen der Boden ausgehoben, indem die äußeren
                              									Baugrubenwände gegen das ein starres Widerlager bildende Mittelstück abgesteift
                              									werden konnten. Aus Abb. 2 ist ersichtlich, wie auch
                              									hier wieder der Deckenträger zur Aussteifung der Baugrube benutzt wurde. Nach
                              									Ausführung des seitlichen Tunnelkörpers wurden die provisorischen Zwischenwände
                              									entfernt.
                           Um den Hausdruck vollends von der Baugrubenwand ernzuhalten, hat obengenannte
                              									Gesellschaft ein drittes Verfahren versucht. Dieses Verfahren beruht darauf, die
                              									Baugrubenwand auf der dem Erdreich zugekehrten Seite durch eine künstliche
                              									Bodenversteinerung zu verstärken, und ist nur möglich, wenn die natürliche
                              									Bodenbeschaffenheit an der betreffenden Stelle sandig ist. Mittels Tellerbohrers
                              									bohrte man mehrere Reihen nebeneinander liegender Löcher, indem man bei jedesmaligem
                              									Herausdrehen des Bohrers in das Loch Zementmilch hineinpreßte. Der Zement erhärtete
                              									dann mit dem Sandboden zu einem festen Betonkörper. Auf diese Weise erhielt man eine
                              									Betonmauer, ohne daß vorher irgend ein Bodenaushub stattfand.