| Titel: | Die augenblickliche Verbreitung der Dampfüberhitzung und ihrer Anwendungsformen. | 
| Autor: | Berner | 
| Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 195 | 
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                        Die augenblickliche Verbreitung der
                           								Dampfüberhitzung und ihrer Anwendungsformen.
                        Von Dr.-Ing. Berner, Oberingenieur des
                           										Magdeburger Vereins für
                              									Dampfkesselbetrieb.
                        BERNER: Die augenblickliche Verbreitung der Dampfüberhitzung und
                           								ihrer Anwendungsformen
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Der Aufsatz befaßt sich auf Grund von eingehenden Erhebungen an
                              									rund 6000 Ueberhitzeranlagen mit folgenden Gesichtspunkten: Zahl der mit
                              									Ueberhitzern ausgerüsteten Kessel im Zusammenhang mit der Kesselbauart;
                              									durchschnittliche Größe von Kessel- und Ueberhitzerheizfläche; Ueberhitzer mit
                              									eigener Feuerung; Verwendung des überhitzten Dampfes für Maschinenbetrieb;
                              									Heizzwecke und gemischten Betrieb; Unterschiede in der Fortleitung des gesättigten
                              									und überhitzten Dampfes; durchschnittliche Spannung und Temperatur des überhitzten
                              									Dampfes bei Kolbenmaschinen und Turbinen; Baustoffe der Ueberhitzerrohre und
                              									Dampfkammern; Wärmedurchgang an der Ueberhitzerheizfläche; Bauformen der
                              									Ueberhitzer; Einbau in die Kesselzüge; Anordnung der Rohrheizfläche; Lage der
                              									Dampfkammern zum Mauerwerk; Entwässerung und Ausschaltbarkeit der Ueberhitzer;
                              									Regelung der Dampftemperatur; Verbreitung der Lokomotiv- und
                              									Schiffskesselüberhitzer.
                           ––––––––––
                           Der Magdburger Verein für Dampfkesselbetrieb hat über die Verbreitung und Anwendung
                              									der Dampfüberhitzung eingehende Erhebungen angestellt, über deren Ergebnisse im
                              									folgenden kurz berichtet werden soll.
                           Leider werden bis heute mit wenigen Ausnahmen über die Dampfüberhitzer vollständige
                              									Statistiken in ähnlicher Weise wie für Kessel nicht geführt, so daß es schwer ist,
                              									ohne großen Zeitaufwand zuverlässige Angaben zu erhalten. Immerhin gelang es, von 25
                              									deutschen und 3 russischen Kesselüberwachungsvereinen Mitteilungen über rund 6000
                              									Ueberhitzeranlagen zu erhalten, die schätzungsweise 25 bis 30 v. H. aller
                              									augenblicklichen deutschen Anlagen umfassen. Darunter befinden sich allerdings nur
                              									zehn Vereine mit Angaben für die ganze Zeit seit Einführung der Dampfüberhitzung.
                              									Die übrigen Erhebungen erstrecken sich nur auf die letzten zwei bis vier Jahre.
                           Ein ungefähres Bild über die heutige Verbreitung der Dampfüberhitzung gibt zunächst
                              										die Zahl der mit Ueberhitzern ausgerüsteten
                                 									Kessel.
                           Diese Zahl unterliegt in den verschiedenen Vereinsgebieten großen Schwankungen.
                              									Selbstverständlich hat das ganz bestimmte Gründe, die aber nicht von allgemeiner
                              									Bedeutung sind und auf die deshalb hier nicht näher eingegangen werden soll.
                              									Durchschnittlich hat die Zahl der Kessel mit Ueberhitzer, wie das ja in der Natur
                              									der Sache liegt, seit dem Beginn der Anwendung der Dampfüberhitzung ständig nicht
                              									bloß im ganzen, sondern auch verhältnismäßig zugenommen. So dürften beispielsweise
                              									von sämtlichen Kesseln augenblicklich etwa 11 v. H., von den in den letzten
                              									drei Jahren aufgestellten Kesseln dagegen mindestens 42 v. H., also nahezu die
                              									Hälfte, mit Ueberhitzern versehen sein. Vor etwa zehn Jahren sind von der Wiener Dampfkesseluntersuchungs- und
                                 										Versicherungs-Gesellschaft ähnliche Feststellungen gemacht worden, nach
                              									denen damals erst etwa 2 v. H. sämtlicher Kessel Ueberhitzer besaßen. Man erkennt
                              									daraus, in welch beträchtlichem Maße gerade in den letzten Jahren die Anwendung der
                              									Dampfüberhitzung zugenommen hat. Wenn die Zunahme in gleichem Maße fortschreitet, so
                              									dürfte im ganzen die Zahl 20 v. H. sämtlicher Kessel, die heute in einzelnen
                              									Vereinsgebieten nahezu erreicht wird, in kurzem überschritten werden.
                           An sich überrascht es vielleicht, daß gegenwärtig erst 11 v. H. sämtlicher Kessel
                              									Ueberhitzer besitzen. Es ist aber zu berücksichtigen, daß die große Zahl kleiner
                              									Kessel ohne Ueberhitzer stark mitspricht und daß auch der nachträgliche Einbau der
                              									Ueberhitzer in vorhandene Anlagen sich nur allmählich vollzieht. In den meisten
                              									Vereinsgebieten sind in den letzten Jahren sehr viele Ueberhitzer nachträglich
                              									eingebaut worden, was beweist, daß sich immer noch viele ältere Anlagen den Vorteil
                              									der Dampfüberhitzung entgehen lassen, obwohl erfahrungsgemäß gerade ältere Anlagen
                              									selbst von mäßiger Ueberhitzung schon großen Vorteil erwarten dürfen, weil der
                              									Kesselwirkungsgrad durch den nachträglichen Einbau in der Regel um so viel steigt,
                              									daß sie die Ueberhitzungswärme nahezu umsonst erzeugen.
                           Bestimmt man die Verbreitung nicht nach der Zahl der Kessel, sondern nach ihrer Heizfläche, so ergeben sich, wie zu erwarten, größere
                              									Werte, weil besonders die großen Kessel vorwiegend Ueberhitzer besitzen. Es arbeiten
                              									von diesem Gesichtspunkt aus im ganzen 25 v. H., für die letzten drei Jahre 63 v. H.
                              									der aufgestellten Kesselheizfläche mit Ueberhitzern zusammen.
                           Die Verbreitung nach der Kesselbauart unterliegt ebenfalls
                              									ziemlichen Schwankungen. Die Wasserrohrkessel werden am häufigsten mit Ueberhitzern
                              									versehen, von allen Kesseln 44 v. H., von denjenigen der letzten drei Jahre sogar 71
                              									v. H. Dann folgen die Flammrohrkessel mit 14 bzw. 46 v. H. und schließlich die
                              									Rauchrohr- und Lokomobilkessel mit 5 bzw. 30 v. H. Es folgt daraus, daß der
                              									Lokomobilkessel ursprünglich am wenigsten mit Ueberhitzern ausgerüstet wurde, daß
                              									aber dafür die Zunahme im Laufe der Jahre viel größer war wie bei den anderen
                              									Kesseln. Das hängt mit der raschen Entwicklung und häufigen Verwendung der
                              									neuzeitigen Heißdampflokomobile zusammen. Es ist ziemlich sicher, daß der
                              									Lokomobilkessel den Flammrohrkessel in dieser Beziehung bald überholen wird, weil er
                              									verhältnismäßig seltener für solche Zwecke Verwendung findet, bei denen die
                              									Ueberhitzung heute noch entbehrt werden kann, und weil selbst kleine fahrbare
                              									Lokomobilen durch den scharfen Wettbewerb mit den Ueberlandzentralen auf die
                              									Ueberhitzung nicht mehr verzichten können.
                           Die besonders starke Verbreitung beim Wasserrohrkessel hat verschiedene Gründe.
                              									Zunächst ist er der Entwicklung nach die letzte, neueste Kesselbauart. Außerdem wird
                              									er für Kraftzwecke, dem heute von der Dampfüberhitzung vollständig beherrschten
                              									Gebiete, besonders häufig und immer mehr dann angewendet, wenn es sich um
                              									leistungsfähige, billige Großkessel auf beschränktem Raume handelt, beispielsweise
                              									beim Bau großer Kraftzentralen. Ob auch die sogen. Dampfnässe der Wasserrohrkessel
                              									mitspricht, erscheint recht zweifelhaft. Es müßten dann in erster Linie alle
                              									Steilrohrkessel, bei denen man durchschnittlich sehr hohe Dampfleistungen verlangt,
                              									mit Ueberhitzern ausgerüstet sein, was durchaus nicht der Fall ist. Bei ihnen ist
                              									zwar die Anwendung der Ueberhitzer noch häufiger wie beim gewöhnlichen
                              									Wasserrohrkessel, 82 gegenüber 71 v. H., man ist aber nach den heutigen Erfahrungen
                              									sehr wohl in der Lage, Wasserrohrkessel für hohe Beanspruchungen zu bauen, die
                              									ausreichend trockenen Dampf erzeugen. Wo durch Bau- oder Bedienungsfehler oder durch
                              									ungünstige Wasserbeschaffenheit starkes Mitreißen von Wasser stattfindet, ist der
                              									Ueberhitzer bei der kurzen Zeit, die für das Verdampfen zur Verfügung steht, im
                              									allgemeinen gar nicht imstande, überhitzten oder wenigstens gleichmäßig überhitzten Dampf zu liefern.
                           Ueber die durchschnittliche Größe von Kessel-und
                                 										Ueberhitzerheizfläche ist zunächst zu sagen, daß die Kessel mit Ueberhitzer durchweg größer, im Gesamtdurchschnitt
                              									ziemlich zweimal so groß sind, wie ohne Ueberhitzer. Das Verhältnis von
                              									Ueberhitzer-zu Kesselheizfläche schwankt mit der Kesselbauart wesentlich, weil
                              									mit ihr die Lage des Ueberhitzers zur Feuerung mehr oder weniger gegeben ist. Die
                              									verhältnismäßig größten Ueberhitzer haben die Lokomobilkessel, die kleinsten die
                              									Doppelkessel, dazwischen liegen Flamm- und Wasserrohrkessel. Das mittlere Verhältnis
                              									von Ueberhitzer- zu Kesselheizfläche beträgt dementsprechend:
                           
                              
                                 beim Bruchrohr- bzw. Lokomobilkessel
                                 1 : 1,6,
                                 
                              
                                 beim Flammrohrkessel
                                 1 : 2,5,
                                 
                              
                                 beim Wasserrohrkessel 
                                 1 : 3,4,
                                 
                              
                                 beim Poppelkessel 
                                 1 : 4,5.
                                 
                              
                           Durchschnittlich beträgt die Ueberhitzerheizfläche rd. ⅓ der Kesselheizfläche.
                              									Bedenkt man hierbei, daß heute in Deutschland der Kesselzahl nach nahezu die Hälfte,
                              									der Kesselheizfläche nach weit über die Hälfte mit Ueberhitzern versehen wird und
                              									diese Verbreitung noch in der Zunahme begriffen ist, so erkennt man, welche
                              									bemerkenswerte Ausdehnung der Ueberhitzerbau heute schon angenommen hat und daß er
                              									namentlich die Röhrenindustrie stark beschäftigt.
                           Das bisherige bezog sich auf Ueberhitzer in den Kesselzügen. Ihnen gegenüber sind die
                              										Ueberhitzer mit eigener Feuerung sehr in der
                              									Minderzahl. Nur ganz ausnahmsweise betragen sie bei einzelnen Vereinen bis zu 13 v.
                              									H. sämtlicher Ueberhitzer; durchschnittlich übersteigen sie heute wohl kaum 1 v. H.
                              									Bei der nachträglichen Verwendung der Ueberhitzung spielten sie ursprünglich, wo man
                              									mit der Fortleitung des überhitzten Dampfes Schwierigkeiten hatte, namentlich in
                              									großen Anlagen mit weitverzweigten Rohrleitungen, eine gewisse Rolle. Auch heute
                              									findet man sie vielfach noch unter diesen Verhältnissen als sogen.
                              										„Zentralüberhitzer“ namentlich in Bergwerks- und Hüttenbetrieben. Durch
                              									ihre bekannten großen Nachteile sind sie aber stark im Rückgang begriffen und werden
                              									mit der Zeit ohne Zweifel fast ganz verschwinden, mit Ausnahme natürlich der meist
                              									kleinen Anlagen, die überhizten Dampf von ganz bestimmter Temperatur für gewisse
                              									Fabrikationszwecke, beispielsweise in Oel- und Zuckerfabriken, erzeugen.
                           Die Verwendung des überhitzten Dampfes erfolgt in der
                              									großen Mehrzahl der Fälle, und zwar bei 78 v. H. sämtlicher Anlagen zum
                              									Maschinenbetrieb. Wo gleichzeitig Fabrikations- (Koch- oder Heiz-) Dampf gebraucht
                              									wird, verfährt man in der verschiedensten Weise.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)