| Titel: | Zur Theorie der Preßluftpumpe. | 
| Autor: | L. Darapsky | 
| Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 201 | 
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                        Zur Theorie der Preßluftpumpe.
                        Von Dr. L. Darapsky in
                           									Hamburg.
                        (Fortsetzung von S. 118 d. Bd.)
                        DARAPSKY: Zur Theorie der Preßluftpumpe
                        
                     
                        
                           IV. Die Wirkung des
                                 									Auftriebs.
                           Das Aufperlen der Kohlensäure in einer geöffneten Sauerbrunnen- oder
                              									Champagnerflasche erscheint als anmutiges, harmloses Spiel, besonders wenn die
                              									Bläschen langsam
                              									tastend umkreisen und sich am Glase gelegentlich festnisten, bis sie durch frischen
                              									Schwall oder Zuzug verstärkt ihren Weg aufwärts mit neuem Eifer wieder aufnehmen.
                              									Das Anheben eines Soolesprudels, der plötzliche Auswurf eines Geysirs läßt dagegen
                              									auf gewaltige Kräfte schließen. Denn wie wäre ein Aufpressen großer Wassermassen
                              									möglich ohne treibende Gewalten von unheimlicher Macht? Und doch ist die Ursache
                              									beidemal dieselbe. Ja, es macht keinen Unterschied, ob nur eine einzige große Blase
                              									oder eine ganze Kette kleinerer sich regt. Heben kann die Luft oder die Kohlensäure
                              									das Wasser überhaupt nicht, wie bereits oben dargelegt. Sie drängt sich nur mit
                              									einer von ihrer Menge bzw. der Weite der Wasserspalte abhängigen Leichtigkeit durch
                              									das Wasser durch. Und doch macht es den Eindruck als ob das Wasser hochkäme. Ja, das
                              									Wasser kommt wirklich. Wie käme sonst eine Pumpförderung mit Preßluft zustande?
                           Der scheinbare Widerspruch löst sich erst bei aufmerksamer Betrachtung des Verhaltens
                              									der einzelnen Blase. Denkt man sich eine solche von beliebiger Größe an irgend einer
                              									Stelle in eine ruhende Wassermasse eingeschaltet (Abb.
                                 										14 S. 117), so braucht es keine besondere Ueberlegung, um zu verstehen,
                              									daß der Wasserspiegel sich genau um soviel erheben muß, als die Blase an ihrem
                              									jeweiligen Ort Raum beansprucht. Für einen weiten Spiegel bringt eine selbst
                              									beträchtliche Blase keine merkliche Erhöhung; bei einem engen Rohr wird der
                              									Unterschied sofort deutlich.
                           Nicht ganz so einfach liegt die Sache für ein beiderseits offenes, zum Teil in Wasser
                              									getauchtes Rohr. Entsteht in seinem Innern eine Luftblase, (Abb. 15) so kann man zweifeln, ob die Spiegelerhöhung
                              									nur das Rohrinnere und nicht auch das umgebende Wasser trifft. Offenbar gibt hier
                              									das Eigengewicht der eingeschlossenen Luft den Ausschlag. Denn wäre diese Luft
                              									Wasser, so müßte der Spiegel innen und außen sich um gleichviel erhöhen. Dann
                              									verbliebe diese Wasserblase auch unverrückbar an ihrer Stelle. Mit dem Auftrieb erst
                              									gerät sie in Bewegung; und nun tritt im inneren Spiegel ein Gegensatz zum äußeren
                              									hervor. Je größer der Auftrieb, um so beträchtlicher die Erhöhung des inneren
                              									Spiegels. Um den Betrag des Gewichtes der Blase, ausgedrückt in Wassermenge, wachsen
                              									beide Spiegel (in Abb. 15 S. 117 durch die stärkere
                              									Kontur angedeutet, aber ohne Anspruch auf maßstäbliche Genauigkeit).
                           Wenn man indessen von dem (bei erheblicher Kompression keineswegs mehr zu
                              									vernachlässigenden) spezifischen Gewicht der Luft der Einfachheit wegen ganz absehen
                              									will, gilt auch hier die Regel, daß der Spiegel im (inneren) Rohr um ebensoviel
                              									ansteigt, als das Volumen der eingeschlossenen Luft ausmacht.
                           Aehnlichen Effekt hätte auch eine Glas- oder Bleikugel, nur daß von dem Augenblick
                              									ab, wo die Glas- oder Bleikugel ihrer Schwere folgend zu sinken beginnt, das
                              									Verhältnis sich umkehren, der äußere Spiegel somit ansteigen müßte.
                           Nimmt man nun eine Luftblase groß genug, um die Niveauverschiebung wahrzunehmen,
                              									und läßt sie unter dem Steigrohr frei, so bleibt dessen Spiegelerhebung
                              									notwendigerweise so lange konstant (abgesehen von der Expansion der Luft, die auf
                              									kurze Strecken ohnehin kaum in Rechnung zu stellen ist) bis die Luftblase oben
                              									auftaucht. In Wirklichkeit vollzieht sich das Einbringen einer Blase von irgend
                              									beträchtlichem Umfang nicht ohne einen Stoß, der den inneren Spiegel höher
                              									emporschnellt als der Volumenzunahme entspricht. Infolgedessen schwankt der
                              									Rohrinhalt so gut wie das umgebende Wasser ab und auf; eine Bewegung, die erst
                              									geraume Zeit, nachdem die Blase entwichen ist, ausklingt. Dieses Schwanken kann so
                              									heftig werden, daß in engen Brunnen ein direktes Messen des äußeren Wasserstandes
                              									zum Zwecke der Feststellung der Absenkung zweifelhafte oder geradezu widersprechende
                              									Daten gibt. Es greift in jedem Fall störend in die Abwickelung des Luftzutritts
                              									ein.
                           Denn die Größe der einzelnen aufeinander folgenden Blasen wechselt ja nach dem Druck,
                              									bei dem sie sich losreißen. Die im vorigen Abschnitt wiedergegebenen Zahlen sind mit
                              									ihrem durchaus nicht gleichmäßigen Verlauf ein Beweis dafür. Jedenfalls läßt sich
                              									eine rasche Folge von Luftblasen gar nicht denken ohne ein rhythmisches Auf- und
                              									Abwogen der Wassersäule. Schon das plötzliche Ablösen einer stetig angesammelten
                              									Luftmenge unter dem Rohr übt einen Stoß nach oben aus. Nur in dem Fall, daß sich die
                              									Luft oder das Gas allmählich aus der Flüssigkeit selbst entwickelt, wie bei der
                              									Bereitung des Wasserstoffs aus Zink und Schwefelsäure in dem früheren Beispiel,
                              									schwächt sich diese Wirkung zur Unmerkbarkeit ab.
                           In eine einfache, allgemeine Formel läßt sich eine solche Bewegung mithin nicht
                              									pressen. Anders steht es um die Erhöhung des Wasserspiegels im Innern des Rohres
                              									über den äußeren. Diese entspricht allemal dem Gesamtvolumen der gleichzeitig im
                              									Rohr vorhandenen Luftblasen, gleichgültig, welche Zahl, Form und Größe diese im
                              									einzelnen aufweisen. Diese Spiegelerhebung steht anscheinend im Widerspruch mit der
                              									Gleichgewichtsbedingung für Flüssigkeiten, wonach solche in kommunizierenden Gefäßen
                              									gleichhoch stehen müssen. Aber die Kommunikation wird faktisch aufgehoben durch die
                              									infolge ihres Auftriebs empordrängende Luftblase. Solange diese Aufwärtsbewegung
                              									(der Blase, nicht des Wassers, das völlig in Ruhe zu denken ist) anhält, besteht die
                              									Niveaudifferenz im bezeichneten Sinne und Maß. Sobald die Verschiebung der Blase
                              									aufhört, sei es, daß diese am oberen Wasserrand angelangt ist, oder daß man sie
                              									mitten auf ihrer Fahrt festhält, etwa unter einem Vorsprung auffängt oder sonst am
                              									Weiterschreiten hindert, verschwindet auch die Niveaudifferenz. Könnte man eine
                              									Schar beliebig großer Blasen an eben so vielen Zwirnsfäden in irgend einer Lage
                              									festhalten und in einem gegebenen Augenblick wieder loslassen, so würde im ersten
                              									Fall der gehobene Spiegel absinken, im zweiten sofort wieder zur früheren Höhe
                              									ansteigen.
                           Von einem spezifischen Gewicht einer solchen „Mischung“ zu reden geht schon um
                              									deswillen nicht an,
                              									weil ein bestimmtes Gewicht entweder völligen Stillstand oder gleichförmige Bewegung
                              									zur Voraussetzung hat, im gegebenen Fall aber der eine Bestandteil, die Luft, sich
                              									durch die Expansion beschleunigt bewegt, das Wasser um sie herum dagegen in sich
                              									stille steht bzw. um die Luft herum zurückfließt.
                           Eine hübsche, anschauliche Darstellung des dynamischen Verhältnisses der beiden
                              									Elemente hat Elmo G. HarrisEngineering News 1893 (XXIX), S.
                                    										542.) gegeben. „Wenn ein Körper M,
                                 										sagt er, infolge seiner spezifischen Leichtigkeit in einem mit Wasser gefüllten
                                 										Rohr emporsteigt, so muß das Wasser mit einer gewissen Geschwindigkeit v neben ihm herabfließen. Wer liefert nun diese
                                 										Geschwindigkeit?
                           Es sei
                           O das Volumen des Körpers,
                           S der von ihm in einer bestimmten Zeit
                              									zurückgelegte Weg,
                           W das spezifische Gewicht des
                              									Wassers,
                           A der Querschnitt des Rohres,
                           so leistet der Auftrieb W O auf
                              									der Strecke S die Arbeit W O
                                 										S. Die gleiche Arbeit verrichtet das mit v
                              									herabsinkende Wasser (vorausgesetzt, daß es nicht oben überfließt).
                           
                              „Dann muß also sein
                              
                           
                              
                                 W\,O\,S=W\,A\,S\,\frac{v^2}{2\,g},
                                 
                              
                           
                              
                                 \frac{v^2}{2\,g}=h=\frac{O}{A}.
                                 
                              
                           
                              Das besagt: der Druck des herabsinkenden Wassers, der in diesem Fall
                                 										gleichbedeutend ist mit der Spiegelerhebung im Rohr, ist gleich dem Rauminhalt
                                 										des aufsteigenden Körpers dividiert durch den Rohrquerschnitt.“
                              
                           Wie schnell oder wie langsam eine Blase ansteigt, hängt bei gleicher Größe von ihrer
                              									Gestalt ab, weil nach letzterer die Reibungswiderstände sich richten. Indem so die
                              									gesamte Spiegelerhebung zur Bestreitung des Bewegungsvorgangs aufgezehrt wird,
                              									scheidet sie für den Gleichgewichtszustand des Wassers selbst aus: das
                              									Paradoxon der ungleichen Schenkel findet hierin seine Lösung.
                           Es leuchtet hiernach auch ein, weshalb eine Vergrößerung der Blase, wenn diese einmal
                              									die Rohrwand berührt, keine Vermehrung ihrer Geschwindigkeit mehr zur Folge hat.
                              									Durch die Anlehnung an die Wand ist die Form hier bestimmt, der paraboloide Kopf und
                              									der zerschlissene Schwanz ändern sich ohnehin bei deren Verlängerung nicht. Ein
                              									Ausziehen auf das dreifache erhöht beispielsweise den Spiegel um das dreifache,
                              									verbraucht aber auch für die gleiche Auftriebsgeschwindigkeit den dreifachen Druck.
                              									Stets natürlich abgesehen von der Expansion in höheren Wasserschichten. Nur für
                              									solche Vollblasen läßt sich nach früher Gesagtem eigentlich eine bestimmte
                              									Geschwindigkeit berechnen; alle anderen tanzen und wirbeln und bringen durch die
                              									unvermeidliche Interferenz ihres Umtriebs mit der relativ nahen Wand äußerst
                              									komplizierte Schleifen hervor.
                           Wohl zu beachten ist Professor Harris' einschränkende
                              									Bemerkung „solange das Wasser nicht oben überfließt“. Denn bei dem von ihm
                              									betrachteten Vorgang verschiebt sich das Wasser nur in sich selbst, soweit dies
                              									geschehen muß, um einer Blase Platz zu machen.
                           Die Gesamtmenge des Wassers verläßt dabei ihren Ort ebensowenig als bei einer
                              									Erhöhung ihrer Temperatur, trotzdem auch bei einer solchen die Elementarteile in
                              									lebhafte Schwingung geraten. Das Spiel der Preßluftpumpe beginnt hingegen erst von
                              									dem Punkt ab, wo Wasser am oberen Ende des Rohres austritt.
                           Damit fällt das ganze, seither bestehende Gleichgewicht: die Wassersäule selbst gerät
                              									in Bewegung. Es ist darum nicht angängig, Harris'
                              									Darstellung, wie es an der angezogenen QuelleEngineering News 1893. geschieht, als eine Theorie der
                              									Preßluftpumpe zu bezeichnen. Die Einsicht in das Verhalten der Luftblasen im
                              									ruhenden Wasser ist vielmehr nur die Vorstufe zum Verständnis ihrer Rolle im
                              									bewegten Wasser, die im nächsten Abschnitt zu würdigen sein wird.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)