| Titel: | Die Entwicklung der ortsfesten Riesenkrane in den letzten 25 Jahren. | 
| Autor: | L. Klein | 
| Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 244 | 
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                        Die Entwicklung der ortsfesten Riesenkrane in den
                           								letzten 25 Jahren.Festrede, gehalten bei
                                 										Kaisers Geburtstag in der Techn. Hochschule Hannover am 27. Januar
                                 									1913.
                        Von Professor L. Klein in
                           									Hannover.
                        (Fortsetzung von S. 193 d. Bd.)
                        KLEIN: Die Entwicklung der ortsfesten Riesenkrane in den letzten 25
                           								Jahren.
                        
                     
                        
                           Die Riesenkrane, welche ich besprechen will, dienen beim Bau und Beladen der
                              									Schiffe dazu, die schwersten Stücke vom Lande aufzuheben, frei an Lasthaken hängend
                              									an den Masten vorbei über das Schiff zu bringen und dort auf ihren Platz
                              									niederzulassen. Sie müssen große Tragfähigkeit mit großer Hubhöhe und großer
                              									Reichweite verbinden. Im Laufe der Zeit mußten sie immer größer und größer werden,
                              									damit größere Schiffe gebaut und ausgerüstet werden konnten. In der Absicht, für
                              									recht lange Zeit vorzusorgen, entschloß sich die Finanzdeputation Hamburgs in den
                              									achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, einen Kran von bis dahin unerhörten
                              									Abmessungen zu bauen (Abb. 3)Katalog der Firma L. Stuckenholz in Wetter a. R.. 150000 kg sollte er 25 m
                              									hoch heben und 17,3 m weit hinaus reichen können.
                           Die Firma L. Stuckenholz in Wetter a. d. R. entwarf
                              									hierfür einen sogen. Drehscheibenkran. Auf eine im Kreise drehbare runde Scheibe ist
                              									ein gewaltiges Dreieck aus Eisenkonstruktion mit einer Ecke aufgesetzt. Die Spitze,
                              									welche 31 m hoch und 17 m aus Kranmitte hinaus übers Wasser ragt, trägt die Rollen,
                              									über die die Lastketten zum Lasthaken laufen. An der dritten, ebenfalls in die Höhe
                              									ragende Ecke hängt das 250000 kg schwere Gegengewicht. Die in einem Häuschen auf der
                              									Drehscheibe aufgestellten Dampfmaschinen gestatten dem Kran die volle Last mit 0,25
                              									m i. d. Min. anzuheben und in 1 Min. 1/12 Kreisumdrehung zu machen. Auf dem nebenstehenden
                              									Bilde geben die Menschen und das eben zu verladende Kanonenrohr einen Anhaltspunkt
                              									über Größe und Tragfähigkeit des Kranes.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 245
                              Abb. 3.150 t-Kran im Hamburger Hafen, gebaut von Stuckenholz.
                              
                           Vielleicht erhalten wir aber davon noch eine bessere Vorstellung, wenn wir bedenken,
                              									daß der Kran imstande wäre, neun Eisenbahnwagen, die mit je 200 Zentner Kohle voll
                              									beladen sind, auf einmal hochzuheben und auf das Schiff zu stellen, und wenn wir
                              									seine Größe mit der unserer Hochschule (Abb. 4)
                              									vergleichen: seine Spitze ragt, wie Abb. 5 zeigt,
                              									über deren Mittelbau bis zum Gesims des Eckturmes hinauf.
                           Mit diesem 1887, also vor etwa 25 Jahren, in Betrieb genommenen ersten Riesenkrane
                              									hoffte man auf Jahrzehnte hinaus vorgesorgt zu haben. In der Tat ist er auch länger
                              									der größte Kran der Welt gewesen, als irgend einer seiner Nachfolger, trotzdem er
                              									das Recht auf diesen stolzen Namen schon nach zehn Jahren verlor.
                           Das Ende des vorigen und der Anfang dieses Jahrhunderts zeichnen sich im
                              									überseeischen Verkehr besonders durch den hartnäckigen Wettstreit unserer zwei
                              									großen Dampfschiffahrts-Gesellschaften, der Hamburg-Amerika-Paketfahrt-Aktiengesellschaft und des Norddeutschen Lloyd, aus, von denen jede das schnellste
                              									Schiff zwischen Europa und Amerika haben wollte, ein Wettstreit, bei dem – Dank der
                              									Tüchtigkeit der deutschen Schiffbauanstalten – die englischen Schiffe jahrelang
                              									zurückblieben.
                           Je schneller aber die Dampfer fahren sollten, um so größere Maschinen mußten sie
                              									erhalten, und um so größer und größer mußten sie selbst werden.
                           Diese etwa 1896 einsetzende, seitdem noch nicht zum Stillstand gekommene Steigerung
                              									der Größenverhältnisse unserer transatlantischen Fracht- und Passagierdampfer, sowie
                              									der Kriegsschiffe mit ihrer Armierung verlangte eine weitere Ausbildung der Anlagen
                              									sowohl der Geburtsstätten als der Verkehrsplätze dieser Ozeanriesen. Bald zeigte
                              									sich, daß die vorhandenen Schwerlastkrane nicht mehr genügten und in rascher Folge
                              									wurden immer größere und größere Riesenkrane aufgestellt.
                           Schon 1897 baute die Maschinenfabrik von Bechem & Keetman in Duisburg für die Werft von Blohm & Voß einen 150
                              									t-Kran, der den vorhin genannten zwar nicht an Lastgröße und Ausladung, wohl aber an
                              									Höhe und Arbeitsgeschwindigkeit übertrifft. Schematisch ist er in Abb. 5 an zweiter Stelle dargestellt.
                           Er ist als besondere Art der sogenannten Derrick-Krane
                              										ausgebildet,Michenfelder, Schwere Werftkrane für die
                                    											Schiffsausrüstung. Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft 1910, S.
                                    											244 bis 251 und 325. d.h. sein Lastarm ist nicht nur wagerecht
                              									drehbar, sondern auch senkrecht wippbar. Das Eisengerüst besteht der Hauptsache nach
                              									aus zwei großen Dreiecken, von denen das eine auf die Spitze gestellt und wagerecht
                              									drehbar ist, während das zweite mit einer Ecke an das erste gelenkig angeschlossen
                              									ist, so daß es senkrecht wippbar bleibt. An seiner am weitesten vorragenden Spitze
                              									trägt es die Rollen für die Lastseile, an der dritten Ecke eine lange sehr kräftige
                              									Schraubenspindel, die in eine zum ersten Dreieck gehörende Mutter eingreift. Durch
                              									Drehen dieser Mutter kann die Schraubenspindel verschoben und damit das zweite
                              									Dreieck mit der Last gewippt werden. Dieses Wippen hat den Vorteil, daß der
                              									Kranführer mit dem Haken und der daranhängenden Last den hohen Schiffsteilen, z.B.
                              									den Masten, Schornsteinen auswelchen kann, ohne daß das ganze Schiff verholt, d.h.
                              									verfahren werden muß.
                           Als weitere Verbesserung gegenüber seinem Vorganger besitzt er ein schneller
                              									arbeitendes Hilfshubwerk für kleinere Lasten, dessen Seilrollen auf einer
                              									Verlängerung der unteren Seite des wippenden Dreiecks liegen. Hierdurch wird der
                              									Kran wesentlich besser ausgenutzt, weil die ganz großen Lasten nur sehr selten
                              									vorkommen. Die Hub-, Schwenk- und Wippwerke werden durch Dampfmaschinen von zusammen
                              									230 PS angetrieben. Die Arbeitsgeschwindigkeiten sind gesteigert.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 246
                              Abb. 4.Königl. Technische Hochschule Hannover.
                              
                           Das dreibeinige Gerüst zum Tragen des oberen Lagers des ersten Dreiecks ist so
                              									aufgestellt, daß der Kran recht nahe an die Kaikante und damit an das Schiff
                              									herankommt, und daß andererseits zwischen den Gerüstbeinen Platz zur Durchführung
                              									von zwei Eisenbahngleisen bleibt, wodurch ein schnelles Verladen vom Schiff in die
                              									Eisenbahn oder umgekehrt ermöglicht wird. Im Bilde sind für die beiden Gleise die
                              									von den Eisenbahnverwaltungen vorgeschriebenen Durchfahrtsprofile eingezeichnet, die
                              									reichlich Platz bieten.
                           Das feststehende Gerüst bringt aber den Nachteil mit sich, daß der Ausleger nicht
                              									einen vollen, sondern nur etwa einen halben Kreis beschreiben kann, worunter die
                              									bedienbare Arbeitsfläche bedeutend leidet.
                           In der höchsten Auslegerstellung liegt die obere Rolle für die große Last 43 m
                              									und die für die kleinere Last sogar 47 m über Flur. Als Maßstab ist auf Abb. 5 der eine Eckturm unserer Hochschule, der bis
                              									in die Blitzableiterspitze hinein 43 m mißt, eingezeichnet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 246
                              Abb. 5.
                              
                           Abb. 6 zeigt die Ausführung des Kranes, der, wie der
                              									vorige, einen recht kräftigen, soliden Eindruck macht. Die Dreieckseiten sind, den
                              									großen durch sie zu übertragenden Kräften entsprechend, als Fachwerke, eisernen
                              									Brücken ähnlich, ausgebildet. Wir sehen ihn auf dem Bilde eine große Schiffskanone
                              									von etwa 50000 kg Gewicht spielend in ihren Stand hineinheben.
                           Auch in den anderen Schiffe bauenden Ländern machte sich das Bedürfnis nach größeren
                              									Kranen geltend. So sah sich die Newport New Shipbuilding and
                                 										Dry Dock Co. in Amerika,Siehe
                                    											Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1899, S. 531. – Engineering
                                    											News 1899, 23. Februar, S. 114. 1898 gezwungen, ihren 100 t-Kran
                              									durch einen stärkeren zu ersetzen. Sie entschloß sich zu dem in Abb. 5 an dritter Stelle gezeichneten
                              									Drehscheibenkran für 150000 kg größter Tragfähigkeit, ähnlich dem Kran Nr. I, nur
                              									mit größerer Höhe und größerer Ausladung und der Verbesserung, daß das große auf der
                              									Drehscheibe mit einer Ecke aufstehende Dreieck, das in seiner oberen Spitze die Rollen zur
                              									Aufnahme der Lastseile trägt, um die untere Ecke drehbar, wippbar gemacht wurde.
                              									Hierdurch kann die Last, wie beim vorigen Kran, an den hohen Schiffsteilen
                              									vorbeikommen und kann mit der Drehscheibe wie beim zuerst besprochenen Kran in einem
                              									ganzen Kreise gedreht werden, so daß dieser Kran die Vorzüge der beiden vorigen in
                              									sich vereinigt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 247
                              Abb. 6.150 t-Dampf-Derrickkran mit einziehbarem Ausleger von Bechern
                                 										& Keetman.
                              
                           Wenn wir bedenken, daß der große Ausleger mit der angehängten Last etwa 350000 kg
                              									wiegt, das ist soviel wie 20 vollbeladene Eisenbahnkohlenwagen zusammen, so können
                              									wir uns ein Bild von der Kühnheit dieser Konstruktion machen. 44 besonders dicke
                              									Stahldrahtseile aus bestem Material greifen an dem Ausleger an und schwingen ihn um
                              									250 mm dicke wagerechte Stahlzapfen.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 247
                              Abb. 7.150 t wippbarer Drehscheibenkran der Newport New Shipbuilding and
                                 										Dry Dock Co.
                              
                           Obwohl er in seinen Abmessungen nur wenig größer als der Kran Nr. I ist, reicht er
                              									höher hinauf, weil sein Fundament 7 m über Werftflur erhöht ist. Die Ausbildung des
                              									Kranes ersehen wir aus Abb. 7. Die Druckstreben sind
                              									als Fachwerksträger, die Zugstreben aus vielen Flacheisen gebildet. Die Konstruktion
                              									macht nicht den klaren Eindruck der vorhergehenden Krane. Die Wippfähigkeit bedingt
                              									einen großen Mehraufwand an Material, sein Eigengewicht ist 775000 kg und damit 1½
                              									mal so groß wie das des Kranes Nr. I.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 247
                              Abb. 8.
                              
                           Selbst wenn wir den Kran Nr. II, der ihn an Höhe übertrifft,
                              									wegen seiner beschränkten Drehbarkeit ausschalten, erfreute er sich, trotzdem er
                              									Amerikaner ist, nur ein Jahr lang der Ehre, der größte Kran der Welt zu sein. Auf
                              									Vorschlag des Ingenieurs Günther von der Kgl.
                              									Hafenbauinspektion BremerhavenMitteilungen
                                    											des Unterweser Bezirksvereins deutscher Ingenieure. Zeitschrift des Vereines
                                    											deutscher Ingenieure 1899, S. 1481. Michenfelder,
                                    											Schwere Werftkrane für die Schiffsausrüstung. Jahrbuch der Schiffbautechn.
                                    											Gesellschaft 1910, S. 258, 260, 325. verwendeten von 1898 ab die
                              									großen deutschen Kranbaufirmen, die bis dahin nur für kleine Lasten und kleine
                              									Ausladungen gebauten Hammerkrane auch für die größten Lasten und Ausladungen. In der
                              									Form haben sie, wie ihr Name andeutet, Aehnlichkeit mit einem großen, auf den Stiel
                              									gestellten Hammer, der [unterhalb des Hammerkopfes nochmals drehbar gelagert ist;
                              									auf der oberen Fläche des Hammerkopfes läuft ein Wagen, die sogen. Laufkatze, an der
                              									der Lasthaken hängt. Mit dieser Kranform ist ein durchschlagender Erfolg erzielt
                              									worden.
                           Abb. 8 zeigt uns an erster Stelle eine schematische
                              									Darstellung des ersten 1899 am Kaiserdock zu Bremerhaven in Betrieb genommenen
                              									Hammerkranes.
                           Er ist ebenfalls, wie seine drei Vorgänger, für 150000 kg Nutzlast berechnet, die 35
                              									m hoch gehoben und 22,5 m weit hinausgereicht werden kann. Wie das Bild zeigt,
                              									liegt sein Ausleger so hoch, wie das Dach des Eckturmes unserer Hochschule, und
                              									übertrifft dadurch den Hamburger und den Newporter Kran an Höhe.
                           Wir unterscheiden an ihm ein äußeres, vierseitiges festes Stützgerüst mit darin
                              									stehender Kransäule, die sich auf das Fundament drehbar aufsetzt und oben im
                              									Stützgerüst gegen Rollen gelagert ist. Lastarm und Gegengewichtsarm sind gleich
                              									lang, damit nicht durch einseitigen Winddruck die Säule gedreht werden kann. Das
                              									(110000 kg) schwere Gegengewicht ist so bemessen, daß es den unbelasteten Kran mit
                              									demselben Moment nach links umzukippen versucht, wie die größte Last nach
                              									rechts.
                           Auf dem Obergurt des Lastarmes läuft die das ganze Hub- und Fahrwerk tragende
                              									Laufkatze von 50000 kg Eigengewicht. Der Antrieb erfolgt bei diesem und allen
                              									folgenden Kranen, den Fortschritten in der Energieübertragung entsprechend, nicht
                              									mehr durch Dampfmaschinen, sondern durch Elektromotoren. Dem Bedürfnis, kleinere
                              									Lasten schneller zu heben, ist hier durch Einbauen mehrerer Uebersetzungen Rechnung
                              									getragen, wodurch allerdings für kleinere Lasten ein schlechter Wirkungsgrad bedingt
                              									wird.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)