| Titel: | Die moderne Metalldrahtlampe und ihre Vorgeschichte. | 
| Autor: | Alfred R. Meyer | 
| Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 305 | 
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                        Die moderne Metalldrahtlampe und ihre
                           								Vorgeschichte.
                        Von Dr. Alfred R. Meyer in
                           									Berlin.
                        MEYER: Die moderne Metalldrahtlampe und ihre
                           								Vorgeschichte.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Es wird ein kurzer geschichtlicher Ueberblick über die Entwicklung
                              									der elektrischen Glühlampe gegeben; im Anschluß daran werden die wichtigsten
                              									Eigenschaften der modernen Wolfram-Drahtlampen besprochen.
                           ––––––––––
                           Ueberblicken wir die Entwicklungsgeschichte der elektrischen Glühlampen, so sehen
                              									wir, wie etappenweise von Zeit zu Zeit ein wichtiger und entscheidender Schritt der
                              									Glühlampenindustrie neue Anregungen gibt, und wie die folgenden Jahre der
                              									Durcharbeitung und Vertiefung der gewonnenen Erkenntnis gewidmet sind. Zu diesen
                              									Markpunkten gehört auch der letzte Erfolg, den wir zu verzeichnen haben, die
                              									Herstellung des gezogenen Wolfram – Drahtes, dessen Vorgeschichte und dessen
                              									Bedeutung die folgenden Zeilen behandeln sollen.
                           Das Problem der elektrischen Glühlampe, in den vierziger Jahren des vorigen
                              									Jahrhunderts zum ersten Male angeregt, datiert eigentlich erst vom Jahre 1881, in
                              									dem Edison seine vergeblichen Vorarbeiten, eine Platin-
                              									oder Iridiumdrahtlampe zu schaffen, aufgab, um sich dem Problem der Kohlefadenlampe
                              									zuzuwenden. Eingehende Untersuchungen auf diesem Gebiete führten dazu, die
                              									ursprünglich primitive Arbeitsmethode – man benutzte im Anfang Bambusfasern als
                              									Fadenmaterial – mehr und mehr zu vertiefen, und für die Herstellung der Kohlefäden
                              									einen genau erforschten Weg festzulegen. Er besteht darin, daß man
                              									Kollodiumwollelösungen durch Düsen in Wasser spritzt, dadurch die Lösung zum
                              									Koagulieren bringt, die Fäden gut auswäscht, durch Behandeln mit Schwefelwasserstoff
                              									die im Kollodium enthaltene Nitrogruppe entfernt und die so erhaltenen
                              									Cellulosefäden unter Luftabschluß verkohlt. Durch Glühen dieser Fäden in einer
                              									verdünnten Kohlenwasserstoffatmosphäre entfernt man dann etwa vorhandene
                              									Ungleichmäßigkeiten und erhält so zur Verwendung als Glühfäden geeignete
                              									gleichmäßige Kohlekörper. Die übliche Anordnung dieser Fäden in Form einer im Vakuum
                              									glühenden Spirale ist bekannt.
                           Den nächsten Fortschritt auf dem Gebiete der Glühlampe brachte die Osmiumlampe,
                              									in der ein Faden aus metallischem Osmium, gleichfalls im Vakuum, zum Glühen gebracht
                              									wurde. Der Vorteil dieser Lampe lag in ihrer erhöhten Wirtschaftlichkeit, etwa 1,5
                              									W/HK gegen 3,5 bis 4 W/HK bei der Kohlefadenlampe. Ihr Nachteil war der, daß man es
                              									noch nicht verstand, einen bei der Betriebstemperatur der Lampe erweichenden langen
                              									Metallfaden so in der Glocke unterzubringen, daß man die Lampe erstens in allen
                              									Lagen brennen, sie zweitens allen Gebrauchsspannungen anpassen konnte. In beiden
                              									Richtungen bedeutete also die Osmiumlampe einen gewissen Rückschritt.
                           Die durch sie angeregten Probleme traten in den Hintergrund, als die mit etwa der
                              									gleichen spezifischen Belastung arbeitende Nernst-Lampe
                              									auf dem Markte erschien. Ihr aus einem Leiter zweiter Klasse hergestellter, in Luft
                              									glühender Leuchtfaden besaß bei seinem hohen spezifischen Widerstände
                              									verhältnismäßig große Dicke und kurze Länge, so daß es keine Schwierigkeiten
                              									bereitete, Lampen herzustellen, die den normalen Spannungen angepaßt waren. Die
                              									Nachteile der Lampe lagen darin, daß das ziemlich zerbrechliche Leuchtfadenmaterial
                              									bei normaler Temperatur nicht leitend ist und daher einer Vorwärmevorrichtung
                              									bedarf, und daß wegen des negativen Temperaturkoeffizienten des Materials ein
                              									Vorschaltwiderstand nötig war, um etwa im Netze auftretende Spannungsschwankungen zu
                              									kompensieren.
                           Einen grundlegenden Fortschritt auf diesem Gebiete bedeutete daher das Erscheinen der
                              									Tantallampe (1905)v. Bolton und Feuerlein,
                                    											E. T. Z. 26 (1905) S. 105.. Mit ihrem aus einem Metalldraht
                              									bestehenden Leuchtsystem löste sich zum ersten Male das mit der Osmiumlampe
                              									aufgetauchte Problem, einen spezifisch schweren, verhältnismäßig langen, bei der
                              									Betriebstemperatur sich deformierenden Metallfaden so in einer Glasglocke von gegebener kleiner
                              									Dimension unterzubringen, daß schädliche Lageänderungen ausgeschlossen seien. Als
                              									Leuchtmaterial diente in ihr ein gezogener, im Vakuum glühender Tantaldraht, den
                              									seine große Festigkeit und sein hoher Schmelzpunkt (2770° C)v. Pirani und Meyer, Verh. der Deutschen Phys. Ges. 13 (1911)
                                    											S. 540; Zeitschrift für Elektrochemie 17 (1911) S. 908. für den
                              									vorliegenden Zweck besonders geeignet machte. Der spezifische Verbrauch der Lampe
                              									betrug etwa 1,5 W/HK; die Frage der Anpassung an alle vorhandenen Spannungen war
                              									durch das vorerwähnte Halterungsprinzip in der glänzendsten Weise gelöst. Die
                              									Bedeutung der Tantallampe ist wohl am besten durch die Tatsache wiedergegeben, daß
                              									von ihr trotz der Konkurrenz der bereits 1907 auf dem Markte erschienenen
                              									Wolfram-Lampe bis jetzt 150 Millionen Exemplare in der ganzen Welt verkauft
                              									wurden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 306
                              Abb. 1.
                              
                           Ihre Wichtigkeit für die Glühlampenindustrie ist dadurch charakterisiert, daß das in
                              									ihr angegebene Halterungsprinzip, von dem uns Abb. 1
                              									einige Beispiele zeigt, auch bestimmend für die Konstruktion der Wolfram-Lampe
                              									blieb. Die ersten Fäden aus diesem, ebenfalls im Vakuum zum Glühen gebrachten, bei
                              									3000° Cv. Pirani und Meyer,
                                    											Verh. der Deutschen Phys. Ges. 14 (1912) S. 426. schmelzenden
                              									Metall wurden in der Weise erhalten, daß man Wolfram auf Kohlefäden
                              										niederschlugJust und Hanamann, D.
                                    											R. P. 154262. und danach die Kohleseele durch Glühen der Fäden im
                              									Wasserstoff entfernte. Die späteren Arbeitsmethoden gingen dann dazu über, fein
                              									gepulvertes, metallisches Wolfram mit Hilfe eines organischen oder unorganischen
                              									Bindemittels, Tragant, Celloidin usw. mit einem Zusatz
                              									von etwas Rizinusöl oder dergl. zu einer Paste zu verarbeiten und aus dieser Paste
                              									Fäden herzustellen, indem man sie durch feine Diamantdüsen unter hohem Druck
                              									hindurchpreßte. Durch Entfernung des Kohlenstoffes aus den Fäden und darauf
                              									folgendes Zusammensintern der einzelnen Metallteilchen erhielt man dann
                              									zusammenhängende Wolfram-Leuchtkörper. Durch besonders feine Verteilung des Wolframs
                              									in kolloidaler FormKuzel, Brit. Patent 28154, 1904. war
                              									es sogar möglich, solche Fäden ohne Verwendung von Bindemitteln herzustellen.
                           Den Uebergang zu dem jetzt üblichen Ziehverfahren bildet die in der Firma
                              									Siemens & Halske ausgearbeitete Methode, das Wolfram durch einen geringen
                              									Nickelzusatz duktil zu machen, es dann durch Walzen und Ziehen weiter zu verarbeiten
                              									und erst nach Verlegen des Leuchtkörpers auf seinem Traggestell den Zusatz zu
                              									entfernen.
                           Der letzte Fortschritt endlich beruht auf der technischen Durchbildung der bereits
                              									1904 gewonnenen und ausgesprochenen Erkenntnis, daß das Ziehprinzip auch auf die
                              									Herstellung von reinen Wolfram – Drähten anwendbar wäre. Nach diesem 1910 in Amerika
                              									ausgebildeten Verfahren gelingt es, das Wolfram direkt ohne Zusatz zu walzen und zu
                              									ziehen. Diese sofort auch in Deutschland von den drei führenden Firmen ausgeübte
                              									Methode besteht darin, daß ein dichter Wolfram-Stab durch andauernde mechanische
                              									Bearbeitung bei geeigneter Temperatur nach und nach duktil gemacht wird und so ohne
                              									fremde Beimischungen zu den feinsten Dimensionen, bis 0,01 mm ⌀, verarbeitet werden
                              										kann.Ruff, Zeitschr. für angew. Chemie 25 (1912)
                                    											1889. Der Vorteil dieser Methode für den Fabrikanten ist eine
                              									wesentliche Vereinfachung, die viele früher notwendige Arbeitsoperationen
                              									überflüssig macht, und eine gesteigerte Zahl von Lampentypen, da es naturgemäß keine
                              									Schwierigkeiten bereitet, einen Draht, den man aus einem dicken Stück zieht, bei
                              									einer beliebigen Dimension stehen zu lassen. Der Vorteil für den Konsumenten war
                              									eine durch die Vereinfachung der Herstellung mögliche Verbilligung des Fabrikates,
                              									sowie eine gesteigerte Unempfindlichkeit des nunmehr aus einem homogenen, sehr
                              									dichten und festen Material bestehenden Fadens. Wie groß die Festigkeit ist, geht
                              									daraus hervor, daß ein 0,015 mm starker Faden, wie er zum Beispiel in den Lampen der
                              									Type 16 K 220 V Anwendung findet, nahezu mit 100 g belastet werden kann, ohne zu
                              									zerreißen. Diese Zahl entspricht einer Festigkeit von 60000 bis 70000 kg/qcm und
                              									übertrifft damit die Zerreißfestigkeit des besten Stahldrahtes.
                           Mit der Verbesserung der Materialeigenschaften ist eine Steigerung der Typenzahl, wie
                              									schon gesagt, Hand in Hand gegangen, so daß wir z.B. für 110 Volt alle Lichtstärken
                              									von 5 bis 1000 Kerzen, für 220 Volt alle Typen von 10 bis 2000 Kerzen erhalten
                              									können. Der mittlere spezifische Verbrauch dieser Typen beträgt 1,0 bis 1,1 W/K; für
                              									die ganz lichtschwachen Typen, 5 K 110 V zum Beispiel, ist er naturgemäß etwas
                              									höher, etwa 1,4 W/K, weil die dem Angriff etwa in der Glocke zurückgebliebener
                              									schädlicher Restgase ausgesetzte Oberfläche bei dünnem Faden im Verhältnis zur
                              									Gesamtmasse viel größer ist. Umgekehrt ist es der Glühlampentechnik dafür gelungen,
                              									bei den hochkerzigen Lampen, von 200 K aufwärts, die Wirtschaftlichkeit bis auf 0,8
                              									bis 0,9 W/K zu steigern und so dem Verbraucher einen weiteren Vorteil zu bieten.
                           Welcher starken Beanspruchung der Wolfram-Faden unterworfen ist, erkennt auch der
                              									Fernerstehende, wenn er hört, daß die Betriebstemperatur einer normalen Wolfram-Lampe nach den
                              									neuesten Messungen bei 2070 Grad Cv. Pirani und Meyer,
                                    											Verl. d. D. Phys. Ges. 14 (1912) S.213 und 681; E. T. Z. 33 (1912) S. 456
                                    											und 720. liegt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 307
                              Abb. 2.Veränderung der Lichtstärke in v. H. und der W/K mit der Brennzeit
                                 										bei Wotanlampen 16 Kerzen 110 Volt.
                              
                           Daß es trotzdem gelungen ist, Lampen herzustellen, die 1000
                              									Stunden und länger mit minimaler Lichtabnahme brennen, ist bekannt. Ein Bild von der
                              									Aenderung der Lichtstärke und der W/K mit der Brennzeit bietet das an einer größeren
                              									Zahl von normalen 16 K 110 V Wotanlampen (Herstellerin Siemens
                                 										& Halske A.-G.) aufgenommene Schaubild (Abb.
                                 										2). Den Vergleich mit einer normalen Kohlefadenlampe gibt Abb. 3 wieder. Man ersieht aus ihr, um wieviel die
                              									Wotanlampe der Kohlefadenlampe überlegen ist, und kann sich leicht errechnen, daß
                              									bei Annahme eines Lampenpreises von 65 Pf. für die 16-kerzige 110
                              									Volt-Kohlefadenlampe und eines Preises von M 1,30 für die 16-kerzige
                              									Metalldrahtlampe, beide inkl. Steuer gerechnet, und bei einem Strompreise von M 0,40
                              									für die Kilowattstunde die Wotanlampe schon in 44 Std. den Mehrpreis der Lampe an
                              									den Stromkosten wieder eingebracht hat.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 307
                              Abb. 3.Veränderung der Lichtstärke in v. H. bei Wotanlampen (1,1 W/K
                                 										Anfangsbelastung) und bei Kohlefadenlampen (3,5 W/K Anfangsbelastung) in
                                 										Abhängigkeit von der Brennzeit
                              
                           Wir ersehen aus dem Angeführten, wie die allgemeine Durchführung des Drahtprinzips in
                              									der Glühlampentechnik für den Fabrikanten einen wesentlichen Schritt bedeutet. Wir
                              									erkennen aber auch, daß dieser Fortschritt dem Verbraucher eine weitgehende
                              									Verbilligung und Verbesserung des ihm zugeführten Fabrikates gebracht hat.