| Titel: | Moderne Probleme der drahtlosen Telegraphie. | 
| Autor: | Paul Ludewig | 
| Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 326 | 
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                        Moderne Probleme der drahtlosen
                           								Telegraphie.
                        Von Dr. Paul Ludewig, Privatdozent an
                           								der Bergakademie Freiberg.
                        (Schluß von S. 295 d. Bd.)
                        LUDEWIG: Moderne Probleme der drahtlosen Telegraphie.
                        
                     
                        
                           III. Die Sendeseite. Ich habe mit den bisherigen
                              									Ausführungen den Problemen der Antennengestalt eine nähere Besprechung zuteil werden
                              									lassen, da sie heute im Vordergrund des Interesses stehen. Dies ist nicht immer so
                              									gewesen. Vielmehr hat sich das Hauptinteresse ganz wesentlich verschoben. Bisher war
                              									es auf andere Probleme gerichtet und zwar speziell darauf, eine Methode zu finden, nach der elektrische Wellen erzeugt werden können, die
                                 										bestimmte Eigenschaften haben. Insbesondere wurde eine möglichst scharfe
                              									Abstimmungsfähigkeit gefordert, um Störungen durch andere Stationen nach Möglichkeit
                              									auszuschließen. Diese Bestrebungen sind augenblicklich zu einem gewissen Stillstand
                              									gekommen. Man hat Methoden gefunden, die zwar noch nicht das Ideal in jeder
                              									Beziehung darstellen, denen vielmehr noch die eine oder andere Schwäche anhaftet,
                              									die aber doch für den praktischen Betrieb bei geeigneter Anwendung recht günstige
                              									Resultate zu liefern imstande sind.
                           Die primitivste Schaltung benutzte Marconi bei seinen
                              									ersten Versuchen. Er schaltete in die Antenne vor die Erdung eine Funkenstrecke ein,
                              									die mit den Sekundärpolen eines Induktors verbunden war. Dadurch wird bei jeder
                              									Unterbrechung des primären Induktorstromes die Kapazität der Antenne aufgeladen und
                              									damit der dann einsetzende Schwingungsverlauf eingeleitet. Die so zustande
                              									kommenden Schwingungen klingen sehr schnell ab, sind also sehr stark gedämpft. Die
                              									von ihnen erzeugten Wellen erregen nun infolge dieser starken Dämpfung nicht nur die
                              									Stationen, deren Empfangsschwingungskreis genau auf die ankommende Welle abgestimmt
                              									ist, sondern auch die Empfangsstationen, deren Abstimmung wesentlich davon abweicht.
                              									Es ging deshalb das Bestreben dahin, möglichst ungedämpfte Schwingungen zu erzeugen,
                              									um so eine möglichst große Störungsfreiheit zu erreichen. Der erste Schritt zu
                              									diesem Ziel stammt von Braun. Er koppelte mit der Antenne einen geschlossenen
                              									Schwingungskreis und legte die Funkenstrecke hier hinein. Die entstehenden
                              									Schwingungen waren wesentlich ungedämpfter. Es trat aber zu dem erreichten Vorteil
                              									ein nicht unwesentlicher Nachteil hinzu. In den gekoppelten Kreisen entstanden auch
                              									bei schärfster Abstimmung zwei Wellen verschiedener Schwingungszahl. Da eine
                              									Empfangsstation ihre Apparatur aber nur auf die eine abstimmen kann, so ging die
                              									Energie der zweiten nutzlos in den Raum hinaus. Trotzdem hat man sich lange mit
                              									dieser Schaltung begnügt.
                           Es erregte berechtigtes Aufsehen, als es im Jahre 1905 Poulson gelang, eine Methode zu finden, die vollkommen ungedämpfte Schwingungen
                              									zu erzeugen
                              									gestattete. Es war lange bekannt, daß ein gewöhnlicher Gleichstromlichtbogen
                              									imstande ist, in einem parallel zu ihm geschalteten Schwingungskreis aus
                              									Selbstinduktion und Kapazität kontinuierliche Schwingungen zu unterhalten. Es war
                              									aber nicht gelungen, die Frequenz dieser Schwingungen so zu steigern, daß sie für
                              									die Zwecke der drahtlosen Telegraphie zu verwenden waren. Dies gelang Poulson dadurch, daß er den Lichtbogen in Wasserstoff
                              									brennen ließ. Simon hat kurz darauf eine andere Methode angegeben, die von der
                              									Telefunken-Gesellschaft übernommen wurde. Er benutzt eine große Anzahl
                              									hintereinander geschalteter Lichtbogen. Damit schien das Problem gelöst. Es zeigte
                              									sich aber sofort eine neue Schwierigkeit, die den großen Vorteil der Ungedämpftheit
                              									der Schwingungen zum Teil illusorisch machte. Die Frequenz der entstehenden
                              									Schwingungen hängt nämlich bei der Poulsen – und
                              									Telefunkenlampe nicht nur von der Größe der Kapazität und Selbstinduktion ab,
                              									sondern auch von der Länge des Lichtbogens. Da der Lichtbogen seine Länge beim
                              									Brennen durch Hin- und Herspringen stark ändert, schwankt auch
                                 										die Frequenz der Schwingungen, und eine scharfe Abstimmung ist auch hier
                              									nicht zu erreichen. Diese Schwankungen sind bei geeigneter Wahl der
                              									Versuchsbedingungen auf ein relativ geringes Maß zu beschränken. Aber dies
                              									Gebundensein an spezielle Versuchsbedingungen ist ein nicht unwesentlicher
                              									Nachteil.
                           Den größten Fortschritt bedeutet in dieser Entwicklung unzweifelhaft die Erfindung
                              									von Max Wien, die unter dem Namen der Stoßerregung bekannt geworden ist. Auch Wien benutzt
                              									einen geschlossenen Schwingungskreis, mit dem er die Antenne koppelt. Dadurch, daß
                              									er dem geschlossenen Schwingungskreis eine sehr große Dämpfung gibt, erreicht er es,
                              									daß dieser den Antennenkreis nur anstößt und ihn dann mit relativ ungedämpfter
                              									Schwingung allein weiterschwingen läßt. Es treten bei dieser Anordnung nicht mehr
                              									wie früher bei der Braunschen Schaltung zwei Wellen auf,
                              									sondern nur eine, und diese eine ist so wenig gedämpft, daß ihre Amplitude kaum
                              									abgenommen hat, wenn der nächste Schwingungskomplex einsetzt. Die starke Dämpfung
                              									des geschlossenen Schwingungskreises erreicht Wien durch
                              									eine sehr kurze Funkenstrecke, und zwar beträgt der Abstand der relativ großen
                              									Elektroden nur Bruchteile eines Millimeters.
                           Der Wiensche Grundgedanke hat seine technische
                              									Durchbildung durch die Telefunken-Gesellschaft erfahren.
                              									Ihre erwähnten besonderen Erfolge hat sie gerade mit dieser Methode erreicht, die
                              									unter dem Namen der tönenden Funken bekannt geworden ist.
                              									Das eigentlich neue Grundprinzip ist in diesem Namen überhaupt nicht angedeutet;, in
                              									ihm wird vielmehr zur Hauptsache gestempelt, was im Grunde nur eine allerdings
                              									durchaus nicht unangenehme Begleiterscheinung der Wienschen Methode ist. Die bisherigen Methoden, die mit einem Funken
                              									arbeiteten, mußten sich mit geringer Funkenzahl begnügen, so daß im Telephon
                              									der Empfangsstation nur ein knarrendes Geräusch entstand, das man nur schwer
                              									von den häufig auftretenden, etwa durch ferne Blitzschläge veranlaßten
                              									atmosphärischen Störungen unterscheiden konnte. Bei den kurzen Wienschen Funkenstrecken war es möglich, die sekundliche Funkenzahl so zu
                              									steigern, daß im Empfangstelephon ein musikalischer Ton entsteht, den man sehr
                              									deutlich aus den knarrenden Geräuschen der atmosphärischen Störungen heraus
                              									hört.
                           Die neue Methode, die auch von Marconi, wenn auch in
                              									konstruktiv wesentlich veränderter Ausführungsform übernommen wurde, bezeichnet
                              									einen gewissen Abschluß in dieser Entwicklung. Obgleich die durch sie erzeugten
                              									Schwingungen nicht vollkommen ungedämpft sind, sind sie es praktisch doch in so
                              									hohem Maße, daß ein recht hoher Grad von Störungsfreiheit erreicht ist.
                           Ob man bei dieser Methode über ein gewisses Maß der zur Verfügung kommenden
                              									Energiemengen wird hinausgehen können, erscheint immerhin zweifelhaft. Hier setzt
                              									die allerneueste Entwicklung ein. Sie ist bestrebt, die
                                 										elektrischen Schwingungen auf maschinellem Wege zu erzeugen. Eine erste
                              									Maschine ist von Goldschmidt konstruiert und seit einiger
                              									Zeit auf einer Großstation probeweise in Betrieb. Im letzten Jahr ist eine andere
                              									Methode vom Grafen Arco ersonnen und dem internationalen
                              									Kongreß in London vorgeführt. Die erste Goldschmidtsche
                              									Maschine lieferte etwa 12 KW Hochfrequenzenergie mit einem Wirkungsgrad von 80 v. H.
                              									Beide Maschinen sind noch für höhere Leistungen gebaut worden, haben aber im Betrieb
                              									Eigenschaften, die ihrer allgemeinen Einführung wesentliche Schwierigkeiten in den
                              									Weg stellen. So wird z.B. für eine genaue Abstimmung eine Konstanz der von der
                              									Maschine gelieferten Perioden von ¼ v. H. verlangt. Bisher ist wohl noch kein
                              									Antriebsmotor imstande, bei der schwankenden Belastung beim Telegraphieren diese
                              									Konstanz zu verbürgen. Außerdem kann sie nur bis zu 150000 Perioden erzeugen.
                              									Derartig große Wellenlängen sind aber nur bei ganz großen Stationen und damit
                              									zweckmäßig nur für den transatlantischen Dienst zu verwenden.
                           IV. Die Empfangsseite. Die Entwicklung, die die Empfangsapparatur genommen hat, weist manche Parallele zu
                              									der eben besprochenen der Sendeseite auf. Das ist nur
                              									natürlich, da ja nach den physikalischen Eigenschaften der vom Sender erzeugten
                              									Wellen auch besondere Anforderungen an den Empfänger gestellt werden.
                           Marconi stellte seine ersten Versuche mit dem Kohärer an, der aus einem Glasröhrchen bestand, worin
                              									zwischen zwei Elektroden Eisenfeilicht eingefüllt war. Legt man an die Elektroden
                              									eine Gleichstromspannung, so verhält sich die Röhre zunächst wie ein unendlich
                              									großer Widerstand. Läßt man jedoch elektrische Wellen einwirken, so läßt sie den
                              									Strom durch. Durch Klopfen ist sie wieder inaktiv zu machen. Diese Anordnung hat in
                              									den ersten Jahren die Entwicklung der Sendestation beherrscht. Der Kohärer ist
                              									im wesentlichen nur spannungsempfindlich, d.h. um ihn zum
                              									Ansprechen zu bringen, mußte die ankommende Welle an seinen Elektroden eine genügend
                              									hohe Spannung erzeugen. Die Stärke des empfangenen Stromes war von nebensächlicher
                              									Bedeutung. Bei den stark gedämpften Wellenimpulsen der ersten
                              									Schwingungserzeugungsmethode wurde in der Empfangsapparatur speziell eine hohe
                              									Anfangsspannung erzeugt, während der Stromeffekt dagegen zurücktrat. Es war demnach
                              									der Kohärer der rechte Empfänger für diese primitiven Sendemethoden. Heute, wo sie
                              									allgemein durch die ungedämpften Schwingungen verdrängt sind, ist der Kohärer fast
                              									gänzlich verschwunden und hat fast nur noch historischen Wert.
                           Die Zahl der inzwischen gefundenen anderen Detektoren ist außerordentlich groß. Von
                              									ihnen hat sich nur eine beschränkte Zahl eine wirkliche Bedeutung in der Praxis zu
                              									erringen gewußt.
                           An erster Stelle steht wohl die Schlömilchzelle, ein mit
                              									Schwefelsäure gefülltes Gefäß, in das zwei Platinelektroden hineinragen. Die
                              									wirksame Oberfläche der Anode muß so gering wie möglich sein und besteht meist aus
                              									einem 1/100 mm
                              									dicken Platindraht, der in ein Glasröhrchen eingeschmolzen ist. Man schleift an der
                              									Austrittsstelle des Drahtes das Glasröhrchen blank, so daß nur der winzige
                              									Querschnitt des Drahtes wirksam ist. Die Wirkung des Detektors ist dadurch zu
                              									erklären, daß durch die Welle eine Depolarisation an der Anode eintritt, die einem
                              									Lokalstromkreis den Stromdurchgang ermöglicht und damit ein Telephon zum Ansprechen
                              									bringt.
                           Daneben sind in neuester Zeit besonders die Thermo- und Kontaktdetektoren in den
                              									Vordergrund getreten. Bringt man die Spitze eines Metallstiftes in Berührung mit
                              									einem Kristall, so entstehen bei der Einwirkung elektrischer Wellen in einem
                              									parallel geschalteten Telephon Ströme, die die Aufnahme der Telegramme ermöglichen.
                              										Schlömilchzelle und Kontaktdetektor reagieren im
                              									Gegensatz zum Kohärer nicht im wesentlichen auf eine möglichst hohe Spannung, sondern auf den Integralwert des empfangenen Wechselstromes; sie sind wie man sich
                              									ausdrückt: Integraldetektoren. Gerade durch diese
                              									Eigenschaft sind sie in den modernen Anlagen zu immer größerer Bedeutung gekommen.
                              									Denn mit der Einführung von möglichst ungedämpften Schwingungen wird der Kohärer bei
                              									seiner Spannungsempfindlichkeit immer weniger zu gebrauchen sein.
                           Die große Empfindlichkeit der modernen Detektoren ist nur bei ihrer Verwendung zum
                              										Hörempfang zu erreichen. Ein Empfang mit Relais und
                              									Ortstromkreis ist mit ihnen noch nicht so gelungen, daß eine für die Praxis
                              									brauchbare einfache Methode daraus geworden wäre. Die modernen Empfangsstationen
                              									können daher nicht durch ein Klingelzeichen oder dergleichen angerufen werden. Es
                              									muß daher immer jemand am Telephon in Hörbereitschaft sein. Erst diese Tatsache
                              									vermag manche Einzelheiten der Titanic-Katastrophe zu erklären. Eine einfache
                              									betriebssichere Anrufsmethode ist damit eines der Hauptprobleme der nächsten
                              									Jahre.
                           So weit die Verbreitung all dieser Detektoren ist und so sicher man in der
                              									Praxis mit ihnen zu arbeiten imstande ist, so gering ist andererseits die
                              									physikalische Erkenntnis ihrer Wirkungsweise. Selbst der alte Kohärer mit der über
                              									ihn vorhandenen außerordentlich umfangreichen Literatur hat noch nicht seine
                              									einwandfreie Erklärung gefunden. Die Spezialarbeit, die jetzt nach den ersten
                              									abschließenden Erfolgen in der drahtlosen Telegraphie einsetzt, wird gerade auf
                              									diesem Gebiet noch manches Rätsel zu lösen finden.
                           V. Der überbrückte Zwischenraum. Die von der Sendestation
                              									ausgehenden Wellen haben, um zur Empfangsstation zu gelangen, den
                              									dazwischenliegenden Raum zu durcheilen. Dabei erfahren sie in mancher Beziehung
                              									Veränderungen, die gerade in letzter Zeit Gegenstand eingehenden Studiums geworden
                              									sind. Zunächst zeigt sich, daß die Uebertragung über Meer besser gelingt als über
                              									Landstrecken, und weiter zeigt sich die für den praktischen Verkehr sehr wichtige
                              									Tatsache, daß bei Nacht die Lautstärke im Empfangstelephon
                                 										bedeutend steigt, ja oft das vierfache derjenigen am Tage annimmt. Es ist
                              									daher oft berichtet über Rekordentfernungen, die kleine Stationen bei Nacht erreicht
                              									haben. Marconi hat diese Tatsache damit zu erklären
                              									versucht, daß er annahm, die Sonnenstrahlen wirken auf die Antenne so, daß ein Teil
                              									der Energie verloren gehe; dies trifft jedoch nicht zu. Vielmehr ist gerade im
                              									letzten Jahre der strenge Beweis erbracht, daß die Schwächung der Signale am Tage
                              									dadurch entsteht, daß die Wellen in der durcheilten Luftstrecke, die von den
                              									Sonnenstrahlen ionisiert ist, bei Tage stärker absorbiert werden als bei Nacht. Der
                              									Beweis gelang bei Versuchen, die während der Sonnenfinsternis am 17. April des vorigen Jahres gemacht wurden. Eine
                              									große Anzahl von Stationen hat die Intensität der ankommenden Wellen in Abhängigkeit
                              									von der Stärke der Verfinsterungen gemessen, und zwar dienten als Gebestationen die
                              									Station in Norddeich und am Eiffelturm. Obgleich ein direkter Vergleich nicht
                              									zulässig ist. da von den beiden Stationen mit verschiedenen Wellenlängen gegeben und
                              									von den einzelnen Empfangsstationen mit verschiedener Empfangsmethode gemessen
                              									wurde, so geht doch aus den Resultaten mit Sicherheit hervor, einmal, daß die
                              									Einwirkung der Verfinsterung um so stärker war, je weiter die beiden verkehrenden
                              									Stationen voneinander entfernt waren, und zweitens, das Maximum der Empfangswirkung war dann vorhanden, wenn die stärkste Verfinsterung
                                 										gerade in der Mitte zwischen den beiden Stationen lag.
                           Ganz kürzlich ist zur Erklärung des Unterschiedes bei Tag und Nacht eine neue
                              									weitergehende Hypothese von Eccles aufgestellt, die ich
                              									ihrer Originalität wegen nicht umgehen möchte. Eccles
                              									nimmt an, daß in unserer Atmosphäre in großer Höhe eine dauernd ionisierte Schicht
                              									sich befindet, die die elektrischen Wellen reflektiert.
                              									Diese obere Schicht wirkt bei Nacht wie eine reflektierende Oberfläche, am Tage ist
                              									aber ihre Wirkung
                              									ausgeschaltet, weil sich dann zwischen Erde und sie eine durch die Sonnenstrahlen
                              									erzeugte ionisierte Zwischenschicht dazwischenschiebt. Er führt eine große Anzahl
                              									von Versuchsergebnissen für diese Hypothese an, so z.B., daß die zwischen Norddeich
                              									und dem Ligurischen Meer liegenden Alpen bei Tag ein großes, bei Nacht ein geringes
                              									Hindernis bieten. Ob weitere Tatsachen diese Hypothese stützen werden, muß die
                              									Zukunft lehren.
                           VI. Anwendungen der drahtlosen Telegraphie. Zum Schluß
                              									seien noch einige Probleme gestreift, bei denen die drahtlose Telegraphie nur ein
                              									Mittel zum Zwecke ist, während das eigentliche Hauptinteresse auf anderem Gebiete
                              									liegt. So sucht die Meteorologie, die Geographie und die Geologie
                              									die elektrischen Wellen in ihren Dienst zu stellen.
                           Die Meteorologie will mit ihrer Hilfe ihren Gesichtskreis
                              									erweitern. Die bisherigen Wetterkarten, auf Grund deren die tägliche Prognose
                              									gestellt wird, gründen sich auf die telegraphischen Berichte der mitteleuropäischen
                              									Stationen. Es ist nur möglich, den Verlauf der Tiefdruckgebiete in diesem relativ
                              									kleinen Bereich zu verfolgen. Da diese aber von Westen vom Meer her zu uns
                              									hereinziehen, so wäre gerade die Kenntnis des Barometerstandes über dem Atlantischen Ozean sehr erwünscht. Es sind in den letzten
                              									Jahren Versuche gemacht, die auf der Fahrt zwischen Europa und Amerika befindlichen
                              									Schiffe zu einer drahtlosen Berichterstattung zu benutzen. Diese Schiffe haben
                              									während der ersten Versuche jeden Morgen die um 8 Uhr gemachten Beobachtungen an die
                              									Hamburger Seewarte telegraphiert, so daß zur Zeichnung der Wetterkarte und damit für
                              									die Prognose die Kenntnis des Barometerstandes eines viel größeren Gebietes zur
                              									Verfügung stand. Die Versuche haben mancherlei Schwierigkeiten gezeigt. An erster
                              									Stelle stehen die außerordentlich großen Kosten, und zweitens trafen die Telegramme,
                              									die oft über einige Zwischenstationen telegraphiert werden mußten, so spät ein, daß
                              									sie für die Prognose nicht mehr verwendet werden konnten.
                           Weitere Verwendung findet die Telegraphie zur genauen Zeitangabe. Daran beteiligten sich bisher einige Stationen. So gibt z.B.
                              									die Eiffelturmstation mit einer Wellenlänge von 2000 m jeden Mittag und um
                              									Mitternacht nach einigen nach einem festen Plan verlaufende Zeichen, die zur
                              									Abstimmung dienen, ein kurzes Signal um 1145, ein
                              									zweites um 1147 und ein drittes um 1149, so daß, wenn eins übersehen ist, noch eins der
                              									anderen zu benutzen ist. Um 1 Uhr mittags und nachts gibt die Station in
                              									Norddeich ähnliche Zeichen. Diese Zeichen dienen besonders den Schiffen zur genauen
                              									Uhrenregulierung. Mat hat ferner noch erreicht, daß diese Zeitvergleichung so genau
                              									gemacht werden kann, daß sich darauf eine sehr exakte Bestimmung der geographischen
                              									Länge und Breite eines Ortes gründen läßt.
                           Inzwischen hat am Ende des vorigen Jahres eine internationale Zeitkonferenz getagt.
                              									Es ist dort der Beschluß gefaßt, in Paris eine internationale Zentralstelle für die
                              									regelmäßige Abgabe von Zeitsignalen zu gründen. Vom 1. Juli 1913 ist der Dienst
                              									vorläufig in der Weise geregelt, daß Zeitsignale gegeben werden von der Station
                              									in
                           
                              
                                 Paris
                                 0
                                 h
                                 Mitternacht
                                 
                              
                                 San Fernando (Brasilien)
                                 2
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 Arlington (Amerika)
                                 3
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 Mogadiscio (Somaliland)
                                 4
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 Manila
                                 4
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 Timbuktu
                                 6
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 Paris
                                 10
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 Norddeich
                                 12
                                 „
                                 Mittag
                                 
                              
                                 San Fernando
                                 16
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 Arlington
                                 17
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 Massanah
                                 18
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 San Francisco
                                 20
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 Norddeich
                                 22
                                 „
                                 
                                 
                              
                           Das dritte Problem, das der Benutzung der drahtlosen Telegraphie zur Erforschung des Erdinneren, steht unserer Hochschule am
                              									nächsten. In der Nähe von Göttingen sind von Loewy und
                              										Leimbach derartige Versuche unternommen. Sie haben
                              									den Zweck, einen etwa vorhandenen Wasserspiegel oder ein Erzlager dadurch
                              									festzustellen, daß man durch das Erdreich gehende Wellen an der aufzusuchenden, die
                              									Wellen zurückwerfenden Oberfläche reflektieren läßt und durch einen
                              									Interferenzversuch die Lage der reflektierenden Schicht bestimmt. Einige
                              									orientierende Versuche sind in Kalibergwerken bereits gemacht und haben zu
                              									beachtenswerten Resultaten geführt.
                           Aus einem Rückblick auf die Geschichte der drahtlosen Telegraphie geht recht deutlich
                              									hervor, wie außergewöhnlich der Siegeszug ist, den die von der Wissenschaft
                              									unterstützte moderne Technik in der heutigen Zeit nimmt. Mitten in der Entwicklung
                              									können wir heute mit Recht gespannt sein, welche neuen Ueberraschungen die nächsten
                              									Jahre auf diesem Gebiet bringen werden.