| Titel: | Technischer Rückblick auf den Prinz-Heinrich-Flug 1913. | 
| Autor: | Paul Béjeuhr | 
| Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 372 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Technischer Rückblick auf den Prinz-Heinrich-Flug
                           								1913.
                        Von Paul Béjeuhr in
                           									Berlin.
                        BEJEUHR: Technischer Rückblick auf den Prinz-Heinrich-Flug
                           								1913.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Es werden zunächst die für die Bewertung der Flugzeuge bei dieser
                              									Veranstaltung aufgestellten Formeln abgeleitet und ihrer Herleitung nach erläutert.
                              									Dann wird auf die Ergebnisse mit diesen Bewertungsformeln hingewiesen, endlich die
                              									einzelnen hauptsächlichsten Flugzeugkonstruktionen besprochen und zum Schluß auf die
                              									sonstwie interessanten Ergebnisse des Wettbewerbes und Schlußfolgerungen aus
                              									denselben eingegangen.
                           ––––––––––
                           Diese Flugveranstaltung nimmt nicht nur als die erste in diesem Jahr das
                              									Hauptinteresse in Anspruch, sondern vor allen Dingen deswegen, weil der
                              									Ueberlandflug, soweit überhaupt möglich, nach technischen Gesichtspunkten
                              									ausgeschrieben ist. Bereits in den Vorjahren war man bei den Deutschen
                              									Zuverlässigkeitsflügen am Oberrhein bemüht, die Flugtechnik durch die einzelnen
                              									Ausschreibungspunkte zu fördern, um eine zuverlässige Tourenmaschine zu züchten, die
                              									allen billigen Anforderungen an Sicherheit und Zuverlässigkeit des Betriebes genügt.
                              									Man war der Ansicht, daß man den Begriff „Zuverlässigkeit“ am besten dadurch treffen könnte, daß die
                              									Ergebnisse einfach nach der von den Apparaten zur Durchfliegung der einzelnen
                              									Etappen benötigten Zeit festgestellt wurden. Und es hat sich in den Vorjahren stets
                              									gezeigt, daß reine Rennmaschinen keinerlei Aussicht auf Erfolg vor dem gewöhnlichen
                              									Tourenapparat haben, da sie den Gewinn an effektiver Flugzeit durch Zeitverluste
                              									einbüßen, die ihnen durch Zwischenlandungen zur Betriebsstoffergänzung und durch
                              									Schäden erwachsen, die sie durch die infolge ihrer großen Geschwindigkeit hart
                              									ausfallenden Landungen erleiden. Die Bewertung hat jedoch einen Mangel, und dieser besteht in der großen Verschiedenartigkeit der
                              									Flugfähigkeiten der einzelnen Flieger. Ein gewandter, mit seiner Maschine
                              									vertrauter Flieger hatte nämlich auch mit einer Rennmaschine folgende Vorteile
                              									für sich: er befindet sich infolge der Eigengeschwindigkeit seiner Maschine kürzere
                              									Zeit in der Luft als seine Konkurrenten; die Unbilden der Witterung treffen ihn
                              									daher nicht so lange wie diese; versteht er weiter, dank seiner Geschicklichkeit,
                              									auch Landungsbeschädigungen zu vermeiden, so bestimmt letzten Endes nur die Stärke
                              									des Motors den Sieg. Das konnte man schon in den letzten Jahren rechnerisch
                              									nachweisen; wären alle Apparate ohne Zwischenlandungen durchgeflogen, was doch mehr
                              									oder weniger in Zukunft der Fall sein dürfte, so muß sich das Resultat zu Gunsten
                              									des starken Motors verschieben. Es widerspricht aber allem technischen Gefühl, eine
                              									Leistung ohne Rücksicht auf die Oekonomie zu bewerten. So sind denn in diesem Jahr
                              									besonders unter der eifrigen Mitarbeit von Professor Dr. von
                                 										Mises für die Bewertung besondere Reduktionsformeln aufgestellt, die ohne
                              									große Belastung der sportlichen Leitung doch eine gewisse Gleichstellung der
                              									Maschinen erzielen sollen.
                           Um die Flugleistungen in Einklang zu bringen mit der Motorstärke ist es zunächst
                              									notwendig, diese, d.h. die Leistung der Maschinenanlage im
                                 										Flugzeug, kennen zu lernen. Es ist bereits früher in dieser Zeitschrift von
                              									mir ausgeführt worden, daß es nicht so sehr auf die effektive Leistung des Motors
                              									bzw. den Wirkungsgrad des Propellers ankommt, sondern daß es für die Flugleistung
                              									wichtig ist, zu wissen, wieviel die Maschinenanlage des Apparates, also das Aggregat
                              										„Motor und Propeller zusammen“ leistet; denn ein nicht zusammengehöriger
                              									Maschinensatz kann selbst bei gutem Wirkungsgrad des Propellers bzw. erheblicher
                              									Motorstärke doch eine schlechte Gesamtleistung haben. Ganz umfassend ist die Gesamtleistung nur
                              									zu ermitteln, wenn die Maschinenanlage im Flugzeug abgebremst wird, eine Arbeit, die
                              									mit zwingender Notwendigkeit doch über kurz und lang bei allen Flugmaschinen einmal
                              									durchgeführt werden wird. Die Bremsung ließe sich vielleicht so durchführen, daß man
                              									die Tragflächen beiderseits symmetrisch von der Propellerachse aus durch
                              									Dezimalwagen unterstützt, z.B. an den Anlaufrädern, und nun einfach im Ruhezustand
                              									bzw. bei geöffneter Drossel durch Abwägen das Gleichgewicht herstellt Es muß
                              									allerdings der Einfluß der rotierenden Schraubenluft auf die Tragfläche durch eine
                              									Reihe Vorversuche eliminiert werden. Eine andere Möglichkeit, die allerdings nicht
                              									so gut ist, bestände darin, daß man den Motor mit geöffneter Drossel im Flugzeug
                              									laufen läßt und lediglich die Tourenzahl mißt. Dann montiert man den Propeller ab
                              									und bestimmt seine Leistungskurve an einem kontrollierbaren Vergleichsmotor (am
                              									einfachsten einem Elektromotor), wobei jedoch darauf zu achten ist, daß der
                              									Propeller am Vergleichsmotor gleiche Arbeitsverhältnisse wie im Flugzeug vorfindet,
                              									d.h. durch gewisse Vorbauten müßte die nähere Umgebung des Propellers im Flugzeug
                              									nachgeahmt werden. Durch Abgreifen aus der Leistungskurve läßt sich dann sehr
                              									einfach die Leistung der Maschinenanlage im Flugzeug bestimmen.
                           Leider ließen sich beide Methoden bei dieser Flugveranstaltung nicht durchführen und
                              									zwar besonders deswegen, weil von der Industrie erklärt wurde, daß es zu viele
                              									unkontrollierbare Mittel gäbe, durch welche der Flieger die Tourenzahl bei den
                              									Standversuchen verändern könne. Infolgedessen wurde auf die Berechnungsmethode
                              									zurückgegriffen und eine mittlere Tourenzahl bzw. ein mittlerer Kolbendruck eingeführt. Selbst bei genauester
                              									Berücksichtigung des Erfahrungsmaterials ist es zweifellos, daß man mit dieser
                              									Methode die weitaus größten Fehler in den Kauf nimmt. Der Mittelwert für die
                              									Tourenzahl n = 1300 i. d. Min. dürfte im allgemeinen
                              									stimmen. Ob dagegen der mittlere Kolbendruck p mit 7 at
                              									für den stehenden wassergekühlten Motor bzw. 4,5 at für den luftgekühlten
                              									Rotationsmotor oder 3,6 at für den stehenden Zweitaktmotor ohne Wasserkühlung
                              									zutreffend gewählt ist, erscheint recht zweifelhaft. Für den Viertaktmotor ergibt
                              									sich dann die Leistung zu L=\frac{p\,.\,V\,.\,n}{900}, für den
                              									Zweitaktmotor zu L=\frac{p\,.\,V\,.\,n}{450}, wobei V das Volumen sämtlicher Zylinder in Litern bedeutet.
                              									Bei Einsetzung oben angegebener Mittelwerte ergibt sich weiter die Leistung für den
                              									Viertaktmotor mit ruhenden Zylindern und Wasserkühlung zu 10 V, für den
                              									Viertaktmotor mit umlaufenden Zylindern ohne Wasserkühlung zu 6,5 V, für den
                              									Zweitaktmotor mit ruhenden Zylindern ohne Wasserkühlung zu 10,5 V.
                           War so die Motorenleistung festgelegt, so sollte die Reduktion der Flugzeiten unter
                              									der Annahme geschehen, daß bei Flugzeugen gleicher Bauart, die unter demselben
                              									Anstellwinkel fliegen, die Eigengeschwindigkeiten sich verhalten wie die dritten
                              									Wurzeln aus den Leistungen ihrer Motoren. Bei dieser Methode kann natürlich nur
                              									mit der Relativgeschwindigkeit der Maschine gegenüber der umgebenden Luft gerechnet
                              									werden; die verschiedenen Windverhältnisse lassen sich daher nicht berücksichtigen.
                              									Nun ist aber bei Gegenwind die stärkere Maschine im Vorteil, bei Rückenwind die
                              									schwächere, so daß bei einer Beurteilung des Gesamtfluges auch die Windverhältnisse
                              									hineingezogen werden müssen, bzw. die Flugstrecke muß so angelegt werden, daß die
                              									verschiedensten Windrichtungen mit einiger Sicherheit vorausgesetzt werden können,
                              									wie es sich ja auch bei dieser Veranstaltung herausgestellt hat.
                           Dieses Reduktionsverfahren für die Flugzeit ist nur so lange gerecht, als wirklich
                              									das dem Auftrieb entsprechende Gesamtgewicht mit der 2. Potenz der Geschwindigkeit
                              									bzw. mit der 2/3 Potenz der Leistung wächst. Für diesen Punkt hat man die
                              									gleichmäßige Basis dadurch zu schaffen versucht, daß man eine Normalbelastung für
                              									eine bestimmte Motorstärke angenommen und dieser Normalbelastung entsprechend eine
                              									Umrechnung für andere Motorstärken festgesetzt hat. Man hat das Gewicht des
                              										„Flugzeuges, Motors und der Betriebsstoffe“ getrennt von der sogen. Nutzlast, d.h. dem Gewicht des Führers, Passagiers und
                              									der Ladung, und hat sich gesagt, daß es Sache des Konstrukteurs ist, die ersten drei
                              									Teile in Einklang zu bringen mit der Stärke des Motors; ist hier eine
                              									Gewichtsersparnis durch die Geschicklichkeit des Konstrukteurs erzielt worden, so
                              									soll das unbedingt dem Flugzeug zugute kommen. Die Normalbelastung ist für den 100
                              									PS-Motor auf 200 kg festgesetzt, so daß für jeden Motor in anderer Stärke die
                              									Normalbelastung 200 mal dem Quadrat folgender Wertziffer beträgt, wie nachstehendes
                              									Beispiel erläutert.
                           Ein Umlaufmotor (Viertakt) habe sieben Zylinder von 130 mm Bohrung und 120 mm Hub.
                              									Sein Hubvolumen beträgt also:
                           
                              V=7\,.\,1,2\,.\,1,3^2\,.\,\frac{\pi}{4}=11,51\mbox{ l.}
                              
                           Es ergibt sich dann die Leistung zu:
                           L = 6,5 ∙ 11,15 = 72,5 PS.
                           Hieraus errechnet sich die Wertziffer, indem man die 3. Wurzel aus dem 100sten Teil
                              									der PS-Zahl bildet, also
                           ∛0,725 = 0,898.
                           Denn muß der Apparat eine Nutzlast tragen von 200 ∙ 0,8982 = 161,3 kg, d.h. wiegen die beiden Fahrer zusammen 136 kg, so ist ein
                              									Ballast von 25,3 kg mitzuführen.
                           Hat das Flugzeug nun zur Durchfliegung der drei Zuverlässigkeitsetappen rein 7 Std.
                              									20 Min., d.h. 440 Min. gebraucht, so wird nur in Rechnung gestellt:
                           0,898 × 440 = 395,12 Min.
                           Zu der so berechneten „reinen Flugzeit“ wird die Dauer der Zwischenlandungen
                              									usw. mit ihrem vollen Werte hinzugefügt.
                           In nachstehender Tabelle sind die teilnehmenden Apparate mit obigen Angaben
                              									aufgeführt:
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 374
                              Flugzeugführer; Beobachter;
                                 										Flugzeugtype; Motor; Motorstärke PS; Wertziffer; Normalbelastung kg; Blüthgen,
                                 										Leutnant; Frhr. v. Freyberg, Leutnant; D. F. W.-Doppeldecker; Mercedes; Canter,
                                 										Leutnant; Böhmer, Leutnant; Rumpler-Taube; Freiherr v. Thüna, Leutnant; v.
                                 										Falkenhayn, Leutnant; L. V. G.-Doppeldecker; v. Beaulieu, Oberleutnant Krause,
                                 										Leutnant Albatros-Doppeldecker; Kastner, Leutnant Niemöller, Oberleutnant
                                 										Rumpler-Taube; Sommer, Leutnant van Beers, Leutnant Euler-Doppeldecker; Gnome;
                                 										Weyer, Leutnant Burmeister, Oberleutnant Aviatik-Doppeldecker; Argus; Donnevert,
                                 										Oberleutnant Warsow, Leutnant Rumpler-Taube; Coerper, Leutnant v. Schröder,
                                 										Leutnant Jeannin-Taube; Hailer, Leutnant Leonhard, Oberleutnant Otto-Zweidecker,
                                 										Militärtyp;  Vierlinge Leutnant König, Oberleutnant; Freiherr v. Haller,
                                 										Leutnant Frhr. v. Könitz, Oberleutnant; v. Hiddessen, Leutnant Behm, Leutnant D.
                                 										F. W.-Eindecker; Zwickau, Leutnant Müller, Leutnant; Schlegel, Ingenieur
                                 										Prestien, Leutnant Militär-Eindecker Argus; Aviatik 1913; Linke Oberleutnant
                                 										Reichenbach, Oberleutnant Aviatik-Pfeil-Doppeldecker; Militärtyp 1913; Thelen,
                                 										Dipl.-Ing. Weiß, Kapitän-Leutnant Albatros-Zweidecker; Hirth, Techn. Direktor
                                 										Palmer, Oberleutnant Albatros-Hirth-Eindecker; Joly, Leutnant Felmy,
                                 										Oberleutnant G. W. F.-Eindecker; Engwer, Leutnant Zimmer, Leutnant Gothaer
                                 										Argus-Eindecker; Trautwein oder Schroeder Aumann, Leutnant Goedecker-Eindecker;
                                 										Suwelack, Ingenieur v. Ascheberg, Oberleutnant Kondor-Eindecker; Carganico,
                                 										Leutnant Koch, Leutnant L. V. G.-Doppeldecker; Argus; Außer Konkurrenz:; Grade,
                                 										Ingenieur Rapmund, Leutnant Eindecker Hans Grade; Nur für die
                                 										Aufklärungsübungen:; Taeufert, Oberleutnant Cleß, Leutnant Rumpler-Taube; Argus;
                                 										Geyer, Leutnant Prins, Leutnant Aviatik-Doppeldecker; Schmickaly, Leutnant
                                 										Genee, Hauptmann Aviatik-Rumpf-Pfeil-Doppeldecker; Wulff, Leutnant Baumbach,
                                 										Oberleutnant Aviatik-Doppeldecke; v. Beguelin, Leutnant; Schulz, Leutnant
                                 										Fürstenwert, Oberleutnant Albatros-Doppeldecker; Pretzell, Leutnant Reinhold,
                                 										Leutnant Rumpler-Taube; Schneider, Leutnant Körner, Leutnant L. V.
                                 										G.-Doppeldecker; Barends, Oberleutnant; Rumpler-Eindecker
                              
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)