| Titel: | Berechnung einer statisch unbestimmten Dachkonstruktion. | 
| Autor: | Samter | 
| Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 625 | 
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                        Berechnung einer statisch unbestimmten
                           								Dachkonstruktion.
                        Von Regierungsbaumeister a. D. Samter, Zivilingenieur.
                        SAMTER: Berechnung einer statisch unbestimmten
                           								Dachkonstruktion.
                        
                     
                        
                           Konstruktionen aus Eisen sowohl wie Eisenbeton finden immer stärkere Verbreitung
                              									beim Dachausbau industrieller Werke und Geschäftshäuser. Die ersteren, weil sie die
                              									Ueberbrückung großer Spannweiten bei gleichzeitig geringem Konstruktionsgewicht
                              									gestatten, die letzteren wegen ihres vorzüglichen Anpassungsvermögens an die
                              									architektonische Gestaltung und insbesondere auch wegen der großen Sicherheit, die
                              									sie den Gewalten des Feuers gegenüber bieten. Hand in Hand hiermit wächst auch die
                              									Aufgabe des Ingenieurs, derartige Konstruktionen in einer technisch sowohl wie
                              									wirtschaftlich möglichst einwandfreien Weise zu berechnen, wobei er zu
                              									berücksichtigen haben wird, daß verwickelte Rechnungsaufstellungen dem Prüfenden die
                              									Uebersicht erschweren und ihn zu einem zeitraubenden und gründlichen Studium der
                              									vorhandenen Fachliteratur zwingen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 625
                              Abb. 1.
                              
                           Im folgenden soll an Hand eines der praktischen Tätigkeit des Verfassers entnommenen
                              									Beispiels die Berechnung der statisch unbestimmten Größe unter Berücksichtigung der
                              									verschiedensten Belastungsfälle in möglichst einfacher Weise zur Darstellung
                              									gebracht werden. Der Dachbinder ACDB, der noch ein
                              									Holzdach CED trägt, möge in den Punkten A und B eine gelenkartige
                              									Lagerung erhalten, die bekanntlich die Einführung einer statisch unbestimmten Größe
                              										X, hier beispielsweise des Horizontalschubes,
                              									notwendig macht (Abb. 1).
                           Unter der Annahme, daß Verschiebungen der Angriffspunkte der Auflagerkräfte
                              									unberücksichtigt bleiben dürfen und der Einfluß von Temperaturänderungen sowie von
                              									Normalkräften vernachlässigt werden kann, führt die sogenannte Arbeitsgleichung zu
                              									der Bedingung:
                           
                              \int\,\frac{M}{E\,J}\,.\,\frac{\partial\,M}{\partial\,X}\,.\,d\,s=0,
                              
                           worin M das wirkliche in irgend
                              									einem Punkte des Rahmens bei gegebener Belastung auftretende Moment bezeichnet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 625
                              Abb. 2.
                              
                           Wird das System, beispielsweise durch Anbringung eines beweglichen Auflagers bei B, statisch bestimmt gemacht (Abb. 2) und bezeichnet M0 das Biegungsmoment an der betrachteten
                              									Stelle lediglich unter dem Einfluß äußerer Kräfte unter Weglassung der Größe X, so ist
                           
                              M = M
                              0
                              – X ∙ y
                              
                           und
                           
                              \int\,(M_0-X\,.\,y)\,.\,\frac{\partial\,M}{\partial\,X}\,.\,\frac{d\,s}{E\,J}=0,
                              
                           woraus mit
                              										\frac{\partial\,M}{\partial\,X}=-y bei konstantem E sich ergibt:
                           
                           
                              
                              X=\frac{\int\,M_0\,y\,.\,\frac{d\,s}{J}}{\int\,y^2\,\frac{d\,s}{J}}=\frac{\int\,M_0\,y\,ds\,\frac{J_1}{J}}{\int\,y^2\,ds\,.\,\frac{J_1}{J}},
                              
                           sofern J1 ein beliebig gewähltes konstantes Trägheitsmoment, vielleicht
                              									das der Strebe A C bzw. B
                                 										D bezeichnet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 626
                              Abb. 3.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 626
                              Abb. 4.
                              
                           Was den Nenner anbelangt, so ist leicht zu erkennen, daß derselbe als Trägheitsmoment
                              									des Stabzuges ACDB bezogen auf die Achse A B aufgefaßt werden kann (siehe auch Müller-Breslau, Neuere Methoden der Festigkeitslehre),
                              									wenn man jedem Stabteilchen ds das elastische Gewicht
                              										d\,s\,.\,\frac{J_1}{J} zuschreibt. Der Zähler des obigen
                              									Ausdrucks für X führt zu folgender Deutung: Wenn man
                              									über dem Stabzug ACDB die zugehörigen Momentwerte für
                              									das statisch bestimmt gemachte System aufträgt (Abb.
                                 										3), so kann z.B. M_0\,.\,d\,s\,\frac{J_1}{J} als ein
                              									die Länge ds belastendes Gewicht aufgefaßt werden. Ist
                              									nun FM der Inhalt
                              									dieser Momentenfläche und S ihr Schwerpunkt, so stellt ∫M0 ds ∙ y nichts anderes dar, als das
                              									Produkt aus der mit \frac{J_1}{J} multiplizierten Momentenfläche
                              									und dem Abstand y0 des
                              									dem Schwerpunkt dieser Fläche entsprechenden Punkts der Stabachse A C von der Achse
                           
                              A\,B=F_M\,.\,y_0\,.\,\frac{J_1}{J}=S_a.
                              
                           Für alle im folgenden behandelten Belastungsfälle ergibt sich
                              									der Nenner
                           \int\,y^2\,.\,d\,s\,.\,\frac{J_1}{J} zu
                           2\,\int_0^h\,y^2\,d\,y\,\frac{1}{\mbox{sin}\,\alpha}\,\frac{J_1}{J_1}+h^2\,b\,.\,\frac{J_1}{J}=\frac{2}{3}\,h^2\,s+\frac{J_1}{J}\,h^2\,b,
                              									da \mbox{sin}\,\alpha=\frac{h}{s} ist, oder schließlich
                              										=h^2\,\left(\frac{2}{3}\,s+b\,.\,\frac{J_1}{J}\right).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 626
                              Abb. 5.
                              
                           Erster Belastungsfall (Abb.
                                 										4). Zwei gleiche Einzellasten P in den
                              									Punkten C und D.
                           S_a=P\,.\,a\,b\,.\,h\,.\,\frac{J_1}{J}+2\,Pa\,.\,\frac{s}{2}\,.\,\frac{2}{3}\,h\,.\,\frac{J_1}{J_1},
                               
                              										=P\,.\,a\,h\,\left(\frac{2}{3}\,s+b\,.\,\frac{J_1}{J}\right),
                           somit der Einfluß auf die Größe X:
                           
                              X_1=\frac{P\,.\,a\,.\,h\,\left[\frac{2}{3}\,s+b\,.\,\frac{J_1}{J}\right]}{h^2\,\left[\frac{2}{3}\,s+b\,.\,\frac{J_1}{J}\right]}=P\,.\,\frac{a}{h}.
                              
                           Für a = 0, d.h. bei senkrecht
                              									stehenden Stielen A C bzw. B
                                 										D ist X1 = 0,
                              									was auch einleuchtet, da dann die Kräfte P nur
                              									senkrechte Reaktionen hervorrufen können.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 626
                              Abb. 6.
                              
                           Für a = h, d.h. für a = 45
                              									° ist X1 = P.
                           Bei ungleichen Kräften P1 bzw. P2 ergibt sich
                           X_1=\frac{P_1+P_2}{2}\,.\,\frac{a}{h}..
                           Zweiter Belastungsfall (Abb.
                                 										5). Der Querriegel CD ist mit q1 kg/m belastet.
                           
                           
                              
                              S_a=q_1\,\frac{a\,b}{2}\,\frac{s}{2}\,.\,\frac{2}{3}\,h\,.\,2\,.\,\frac{J_1}{J_1}+q_1\,\frac{a\,b}{2}\,.\,b\,.\,h\,.\,\frac{J_1}{J}+\frac{2}{3}\,q_1\,\frac{b^2}{8}\,.\,b\,.\,h\,.\,\frac{J_1}{J}
                              
                               
                              										=q_1\,\frac{a\,b}{2}\,h\,\left(\frac{2}{3}\,s+b\,\frac{J_1}{J_1}\right)+\frac{q_1\,b^3}{12}\,h\,\frac{J_1}{J}
                           
                              X_2=q_1\,\frac{a\,b}{2\,h}+\frac{q_1\,\frac{b^3}{12}\,.\,\frac{J_1}{J}}{h\,\left(\frac{2}{3}\,s+b\,.\,\frac{J_1}{J}\right)}.
                              
                           Stehen die Stiele A C und BD senkrecht, so wird mit q1 = q:
                           X_2=\frac{\frac{q\,b^3}{12}\,.\,\frac{J_1}{J}}{\frac{2}{3}\,h^2+h\,b\,.\,\frac{J_1}{J}}.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 627
                              Abb. 7.
                              
                           Dritter Belastungsfall (Abb.
                                 										6). Die Stiele AC und BD sind mit q kg/m gleichmäßig belastet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 627
                              Abb. 8.
                              
                           
                              S_a=2\,\frac{2}{3}\,\frac{q\,a^2}{2}\,.\,s\,\frac{5}{8}\,h+\frac{q\,a^3}{2}\,.\,b\,.\,h\,.\,\frac{J}{J_1}
                              
                               
                              										=\frac{5}{12}\,q\,a^2\,h\,.\,s+\frac{q\,a^2\,h}{2}\,\frac{J}{J_1}=\frac{q\,a^2\,h}{2}\,\left(\frac{5}{6}\,s+b\,.\,\frac{J_1}{J}\right)
                           X_3=\frac{\frac{q\,a^2\,h}{2}\,\left(\frac{5}{6}\,s+b\,.\,\frac{J_1}{J}\right)}{h^2\,\left(\frac{2}{3}\,s+b\,.\,\frac{J_1}{J}\right)}=\frac{q\,a^2}{2\,h}\,.\,\frac{\left(\frac{5}{6}\,s+b\,.\,\frac{J_1}{J}\right)}{\left(\frac{2}{3}\,s+b\,.\,\frac{J_1}{J}\right)}.
                           Vierter Belastungsfall (Abb. 7). Nur ein Stiel, etwa AC, ist mit q kg/m belastet.
                           
                              S_a=\frac{q\,a^2}{2}\,\left(1-\frac{a}{l}\right)\,.\,s\,.\,\frac{2}{3}\,.\,\frac{5}{8}\,h+\left(\frac{q\,a^3}{2\,l}\,.\,\frac{b}{2}\,h+\frac{q\,a^2}{2}\,\left(1-\frac{a}{l}\right)\,.\,\frac{b}{2}\,h\right)\,\frac{J_1}{J}
                              
                           
                              +\frac{q\,a^3}{2\,l}\,\frac{s}{2}\,.\,\frac{2}{3}\,h=\frac{5}{24}\,q\,a^2\,h\,s-\frac{1}{24}\,\frac{q\,a^3\,h\,s}{l}+\frac{q\,a^2\,b\,h}{4}\,\frac{J_1}{J}=\frac{q\,a^2}{4}\,h\,\left(\frac{5}{6}\,s-\frac{1}{6}\,\frac{a}{l}+b\,\frac{J_1}{J}\right)
                              
                           
                              X_4=\frac{q\,a^2\,h\,\left(\frac{5}{6}\,s-\frac{1}{6}\,\frac{a}{l}+b\,.\,\frac{J_1}{J}\right)}{4\,h^2\,\left(\frac{2}{3}\,s+b\,.\,\frac{J_1}{J}\right)}=\frac{q\,a^2}{4\,h}\,.\,\frac{\left(\frac{5}{6}\,s-\frac{1}{6}\,\frac{a}{l}+b\,\frac{J_1}{J}\right)}{\left(\frac{2}{3}\,s+b\,.\,\frac{J_1}{J}\right)}
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 627
                              Abb. 9.
                              
                           Fünfter Belastungsfall (Abb.
                                 										8). Im Punkt C greift eine wagerechte Einzelkraft W an.
                           
                              S_a=\frac{W\,h}{l}\,(a+b)\,.\,\frac{s}{2}\,.\,\frac{2}{3}\,h+\frac{W\,h}{l}\,a\,.\,\frac{s}{2}\,.\,\frac{2}{3}\,h+\frac{W\,h}{l}\,(b+a)\,\frac{b}{2}\,h\,\frac{J_1}{J}+\frac{W\,.\,h}{l}\,a\,\frac{b}{2}\,.\,h\,.\,\frac{J_1}{J}
                              
                           
                              X_2=\frac{W}{2}.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 627
                              Abb. 10.
                              
                           Sechster Belastungsfall (Abb.
                                 										9). Belastung des Stiels A C durch eine
                              									wagerechte gleichmäßig verteilte Belastung w kg/m.
                           A=-\frac{w\,.\,h^2}{2\,l};
                              										B=+\frac{w\,.\,h^2}{2\,l}.
                           M_C=-\frac{w\,h^2}{2\,l}\,(a+b);
                              										M_D=\frac{w\,h^2}{2\,l}\,.\,a.
                           
                           
                              
                              S_a=\frac{w\,h^2}{2\,l}\,(a+b)\,\frac{2}{3}\,s\,.\,\frac{5}{8}\,h+\frac{w\,h^2}{2\,l}\,(a+b)\,\frac{b}{2}\,h\,.\,\frac{J_1}{J}+\frac{w\,.\,h^2}{2\,l}\,.\,a\,\frac{b}{2}\,\frac{J_1}{J}\,h+\frac{w\,h^2}{2\,l}\,a\,.\,\frac{s}{2}\,.\,\frac{2}{3}\,h
                              
                               
                              										=\frac{3}{8}\,w\,h^3\,\frac{a\,s}{l}+\frac{5}{24}\,w\,h^3\frac{b\,.\,s}{l}+w\,h^3\,\frac{b}{4}\,.\,\frac{J_1}{J}.
                           
                              X_6=w\,h^3\,\frac{\frac{3}{8}\,\frac{a\,s}{l}+\frac{5}{24}\,.\,\frac{b\,s}{l}+\frac{b}{4}\,\frac{J_1}{J}}{h^2\,\left(\frac{2}{3}\,s+b\,.\,\frac{J_1}{J}\right)}=w\,h\,\frac{\frac{s}{l}\,\left(\frac{3}{8}\,a+\frac{5}{24}\,b\right)+\frac{b}{4}\,\frac{J_1}{J}}{\frac{2}{3}\,s+b\,.\,\frac{J_1}{J}}.
                              
                           Bei Anordnung senkrechter Stiele wird
                           a = 0, s
                              									= h und b = l,
                           daher
                           
                              X_6=w\,.\,h\,\frac{\frac{h}{l}\,.\,\frac{5}{24}\,l+\frac{6}{24}\,l\,\frac{J_1}{J}}{16\,h+24\,l\,.\,\frac{J_1}{J}}=W\,h\,\frac{5\,h+6\,l\,.\,\frac{J_1}{J}}{16\,h+24\,l\,.\,\frac{J_1}{J}}.
                              
                           Die im Vorhergehenden entwickelten Werte zur Bestimmung der Größe X sollen nunmehr für einen Dachbinder von vorstehender
                              									Abmessung (Abb. 10) angewendet werden.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)