| Titel: | Von der niederländischen Schiffahrtsausstellung zu Amsterdam. | 
| Autor: | C. Kielhorn | 
| Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 662 | 
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                        Von der niederländischen Schiffahrtsausstellung
                           								zu Amsterdam.
                        Von Konstruktionsingenieur C. Kielhorn in
                           									Zehlendorf.
                        (Schluß von S. 646 d. Bd.)
                        KIELHORN: Von der niederländischen Schiffahrtsausstellung zu
                           								Amsterdam.
                        
                     
                        
                           D. Die britische
                                 									Abteilung.
                           Der für den Techniker sehenswerteste Teil der holländischen Schiffahrtsausstellung
                              									ist die britische Abteilung. Sie ist in einer 3000 qm überdeckenden besonderen Halle
                              									untergebracht.
                           Gleich beim Betreten der Halle stehen wir vor der Ausstellung der Union Castle Mail Steamship Co. Ltd. London E. C., die
                              									den Verkehr nach Süd- und Ostafrika vermittelt. Sie zeigt eine Anzahl prächtiger
                              									Modelle ihrer neuesten Dampfer, darunter dasjenige des am 29. v. Mts. beider Fairfield Shipbuilding and Engineering Co. Ltd. Glasgow
                              									vom Stapel gegangenen Doppelschrauben-Dampfers „Lianstephen Castle“, eines
                              									Passagierdampfers von 11500 B.-R.-T. Die weiten luftigen Gänge der beiden
                              									Aufbaudecks kennzeichnen das Schiff auch für den Laien als Tropenschiff. Die unter
                              									Welindavits in doppelten Reihen übereinander stehenden Boote nach den neuesten
                              									Vorschriften des Board of Trade geben für den Beschauer ein eindrucksvolles Bild
                              									davon, in wie hohem Maße für die Sicherheit der Passagiere Sorge getragen ist.
                           Neben der Castle Line hat die Werft von Archibald Mc. Millan & Son Ltd. in
                              									Dumbarton außer anderen Modellen das des Dampfers „Riouw“ für die Stoomvaart Maatschappij Nederland in Amsterdam
                              									ausgestellt, eines Einschraubendampfers von 7580 B.-R.-T., bei welchem die
                              									Anordnung der Lösch- und Ladeeinrichtungen eine Anzahl praktischer Neuerungen
                              									aufweist.
                           Die wie Mc. Millan gleichfalls in Dumbarton domizilierende
                              									Werft von Wm. Denny & Bros, hat den neuesten Allan Liner „Bavarian“ einen
                              									Zweischraubendampfer von 17½ Meilen, in einem bis ins kleinste genau nachgebildeten
                              									Modell ausgestellt. Auch hier sehen wir in den in drei Reihen übereinander
                              									angeordneten Booten die Wirkung der neuen englischen Unfallverhütungsvorschriften.
                              									Die Ladeeinrichtungen zeigen insofern Neuerungen, als statt an den bisher üblichen
                              									Konsolen am Lademast oder an Ventilatoren die Ladebäume an den Wänden eines rund um
                              									den Mast gebauten Hauses von etwa 3 m ⌀ angeordnet sind. Neben älteren Torpedobooten
                              									finden wir hier ferner die Modelle der neuen Dreischrauben-Turbinendampfer
                              										„Riviera“ und „Engadine“ der South-Eastern & Chatham Railway Co., der
                              									Raddampfer „Nepaul“ und „Kasimir“, eines eigentümlichen Typs von
                              									Tropenschiffen mit zwei Sonnendecks übereinander für die Jrrawaddy Flotilla Co. Ltd. und schließlich des im Frühjahr dieses Jahres
                              									in Fahrt gesetzten Dreischrauben-Passagierdampfers „Infanta Isabel de Borbon“
                              									für die Compania Trasatlantica de Barcelona, eines der
                              									großen Dampfer der Südamerikafahrt von 10000 B.-R.-T. und Abdampfturbinen. Allerdings reicht
                              									er nicht an die großen Dampfer unserer Hamburg-Südamerikanischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft wie „Cap
                                 										Finisterre“ mit seinen 14500 B.-R.-T. heran.
                           Von bekannteren Werften haben Yarrow & Co. Ltd. in Scotstown Glasgow ein altes Torpedoboot und
                              									ein Nildampfermodell ausgestellt, die bekannten Yarrow-Wasserrohrkessel sind nur in
                              									Photographien ausgehängt. Neben Yarrow hat eine Londoner
                              									Reederei das Modell eines neuen Westindienfahrers „Santaren“ eingeschickt.
                              									Die bekannte Weltreisefirma Thos. Cook & Son zeigt hier das Modell des
                              									Nildampfers „Egypt“, eines Typs, den man bei unseren Passagierdampfern auf
                              									dem Teltowkanal nachahmen wollte.
                           Die Mitte der Querwand nimmt die Liftanlage einer englischen Firma ein, neben welcher
                              									die Ailsa Shipbuilding Co. Ltd. Troon & Ayr in
                              									Schottland das Modell der noch in diesem Jahre in Fahrt zu setzenden Dampfer
                              										„Asturiano“ und „Argentino“ für die Sociedad
                                 										Anonyma Ymportadoray Exportadora de la Patagonia ausgestellt hat. Die
                              									Schiffe sehen aus wie die bisherigen kleineren Dampfer der Hamburg-Südamerikanischen
                              									Dampfschiffahrtsgesellschaft, nur daß beide Masten für besonders schwere Ladungen
                              									noch Bäume aus starken I-Profilen auf besonderen Blechkonsolen haben.
                           Einen ziemlich großen Raum nimmt die Historical Collection arranged by the Society
                              									for Nautical Research ein, welche an Modellen von Schiffen, Leuchttürmen, an
                              									Instrumenten, Büchern und Abbildungen, im ganzen 75 Nummern, die historische
                              									Entwicklung des britischen Handelsschiffbaues und der Schiffahrt darstellt. Es sei
                              									hier von dieser interessanten Abteilung nur die Sammlung von Vollmodellen englischer
                              									Leuchtschiffe erwähnt, darunter ein selbsttätiges unbemanntes Feuerschiff, wie sie
                              									neuestens auch bei den deutschen Flußmündungen z.B. an der Emsmündung ausgelegt
                              									sind, sowie die Modelle der verschiedenen Leuchttürme von Eddystone.
                           Während die Ausstellung „Australien“ nur durch Bilder und Schaustellung der
                              									Landesprodukte lockt, entwickelt in der Nähe die Canadian Pacific eine noch regere
                              									Agitation. Ein Riesenkranz goldgelber Aehren umgibt die Ausstellung dieser größten
                              									Eisenbahngesellschaft der Welt, deren überseeische Dampferflotte besonders in der
                              									letzten Zeit zu einer beträchtlichen Größe angewachsen ist. Es mag sein, daß die
                              									bevorstehende Konkurrenz nach Eröffnung des Panamakanals die Gesellschaft zu
                              									besonderer Rührigkeit veranlaßt hat.
                           Für den Laien imponierend ist die von Granaten aller Kaliber umrahmte
                              									Kriegsschiffsausstellung der Firma John Brown & Co. Ltd. Clydebank, der Erbauerin der „Lusitania“,
                              									einer der größten schottischen Schiffbaufirmen. Sie nimmt den unteren Teil der
                              									Längsseite ein. Die Schlachtschiffe „Hindostan“ und „Asahi“, der
                              									Kreuzer 1-Klasse „Inflexible“, die sie zur Schau stellt, gehören nach Typ,
                              									Abmessungen und Bewaffnung der Vergangenheit an.
                           Neben John Brown hat N. Hingley
                              									& Sons Ltd., Netherton Ironworks, Dudley,
                              									Deutschlands schärfster Konkurrent in der Fabrikation schwerer Schiffsketten, der
                              									über ein Jahrzehnt und zum Teil sogar jetzt noch die deutsche Kettenindustrie
                              									daniedergehalten hat, einige Glieder von Stegketten von 104 mm ⌀, ausgerechnet für
                              									die deutschen Dampfer „Imperator“ und
                              										„Vaterland“, nebst einem Anker für ein holländisches Schiff und seinem
                              									Lion-Schweißeisen ausgestellt. Man könnte an der Hingleyschen Ausstellung vorübergehen, benutzte er nicht gerade seinen Sieg
                              									über die deutsche Kettenindustrie, welche ihm doch gewiß im letzten Jahrzehnt mehr
                              									als ebenbürtig geworden ist, zur Reklame in Holland. In dreisprachigen Prospekten
                              									wird diese Tatsache, daß die Ketten der größten deutschen Schiffe aus England
                              									bezogen werden, dem Besucher zur Kenntnis gebracht.
                           Bei der neben Hingley aufgebauten Ausstellung der Great Eastern Railway gelangen wir wieder zum Eingang
                              									zurück. Die letztgenannte Reederei hat das Modell einer großen Lokomotive
                              									aufgestellt, deren Räder bei Einwurf eines 2½ Centstücks sich drehen und einen
                              									Hauptanziehungspunkt für die Besucher bildet, die jedoch den dahinter liegenden Teil
                              									des Standes dieser Gesellschaft, in welchem sie Dampfermodelle usw. ausgestellt hat,
                              									vernachlässigen.
                           Wenden wir uns nun nach der Innenseite der Halle, wo vorn Parsons Marine Steam Turbine Co. Ltd. das
                              									Modell der ersten „Turbinia“ ausgestellt hat, daneben die Modelle von
                              									Dampfturbinen, davon drei für Kriegsschiffe und ein Modell für Handelsschiffe. Es
                              									folgt weiter die bekannte Welin Davit & Engineering Co. Ltd. mit
                              									Modellen ihrer Quadrantdavits und Bootsblöcke.
                           Einen auch für die deutschen Reedereien beachtenswerten neueren Schiffstyp stellt die
                              										Monitor Shipping Corporation Ltd. in Newcastle upon
                              									Tyne mit dem Modell des Dampfers „Hyltonia“ aus, eines Frachtdampfers mit
                              									gewellter Außenhaut. Seine Vorzüge sollen sein: Größere Festigkeit, etwa 16 v. H.
                              									Ersparnis an Maschinenkraft und Feuerungsmaterial, 5 v. H. größerer Laderaum,
                              									erhöhte Stabilität und größere Seetüchtigkeit. Zurzeit sind sechs Schiffe dieses
                              									Typs in Fahrt und eine größere Anzahl im Bau. Wir fügen eine Abbildung bei, aus der
                              									die gewellte Form der Außenhaut ersichtlich ist.
                           Das Uebergewicht auf der Ausstellung haben indes die großen englischen
                              									Kriegsschiffswerften und Geschützfabriken. Da ist zunächst Wm. Beardmore & Co. Ltd. Naval Construction Works Dalmuir N. B. Glasgow mit dem ausführlichen
                              									Modell des 1911 erbauten englischen Schlachtschiffes „Conqueror“, daneben der
                              									im selben Jahre gebaute geschützte Kreuzer II. Klasse „Falmouth“.
                           Daneben stehen von der Fairfield Shipbuilding & Engineering Co. Glasgow die Modelle des englischen
                              									Kreuzers I. Klasse „Indomitable“ von 25 Meilen Geschwindigkeit, des
                              									geschützten Kreuzers II. Klasse „Glasgow“ von 26 Meilen und der
                              									Torpedobootszerstörer „Grashopper“, „Mosquito“ und „Scorpion“
                              									von 27¾ Meilen Geschwindigkeit.
                           
                           Sir W. G. Armstrong, Withworth & Co. Newcastle o. T. und Manchester hat das Modell des
                              									neuesten brasilianischen Schlachtschiffes „Rio de Janeiro“ von 28000 t
                              									Deplacement, mit sieben Türmen und 14 Stück 30,5 cm-Geschützen, ferner eine große
                              									Zahl Modelle älterer Kriegsschiffe, zumeist für Japan gelieferter, auf einem Tableau
                              									37 Modelle von Schiffen für diese Marine. Von Handelsdampfern interessiert das
                              									naturgetreue Modell eines Längsschnitts durch einen Petroleumtankdampfer, Modelle
                              									von Eisenbahnfähren für Rußland, vom Eisbrecher „Jermack“, von den neuesten
                              									Clan Line Dampfern und endlich das Modell des 1908 gebauten deutschen Frachtdampfers
                              										„Sebara“ der Kosmoslinie, eines gewöhnlichen Einschraubendampfers von
                              									4600 B.-R.-T. Vergeblich fragt man sich, was unter all diesen Eliteschiffen die
                              									Ausstellung des Modells der „Sebara“ soll. Oder soll es zeigen, daß es Armstrong gelungen ist, dem deutschen Handelsschiffbau
                              									selbst im Bau dieser Art Dampfer Konkurrenz zu machen?
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 664
                              
                           Den Hauptanziehungspunkt der englischen Abteilung bietet indessen unstreitig die
                              									Ausstellung von Vickers, Sons & Maxim Ltd., Barrow-in-Furness. Im Mittelpunkt der Halle steht auf einem
                              									mehrere Meter hohen Rundpodest eine 10 cm-Schnellfeuerkanone neuesten Modells nebst
                              									Munition, unten ein 15,2 cm-Schnellfeuergeschütz mit Schild, rechts daneben ein
                              									Maschinengewehr auf einem Dreifuß montiert mit einer Feuergeschwindigkeit von 500
                              									Schuß i. d. Min., Gebirgskanonen mit Schild, Gebirgskanonen mit Lafette und Protze
                              									in einzelne Teile zerlegt und für den Marsch auf lebensgroße angeschirrte
                              									Pferdemodelle verpackt, Maschinengewehre, eine 12 cm-Feldhaubitze mit einer Leistung
                              									von 10 Schuß i. d. Min., ein 75 mm-Feldgeschütz mit einer Leistung von 25 Schuß i.
                              									d. Min. endlich eine halbautomatische 75 mm-Kanone mit einer Feuergeschwindigkeit
                              									von 25 Schuß i. d. Min. Zu jedem Geschütz sind die verschiedenen Arten Munition mit
                              									ausgestellt. Sieht man von den beiden großen Schnellfeuergeschützen ab, welche auch
                              									auf Kriegsschiffen Verwendung finden könnten, so fragt man sich, was die Ausstellung
                              									von Feldartilleriematerial auf der Schiffahrtsausstellung soll. Indessen ist die
                              									Schiffbauausstellung der Firma Vickers Ltd. auch eine der
                              									bedeutendsten. Zunächst fällt das ausführliche Modell des in diesem Jahre zur
                              									Ablieferung kommenden großen Schlachtkreuzers „Kongo“ für die japanische
                              									Marine ins Auge, der mit einer Länge von 214,6 m und 70000 Pferdestärken kaum hinter
                              									unseren schnellsten Panzerkreuzern der Seydlitzklasse zurückbleiben dürfte. Seine
                              									schwere Artillerie ist mit acht Stück 35,6 cm-Geschützen jedenfalls unserer
                              									überlegen.
                           Größeres Interesse noch erregt für den Fachmann das von Vickers ausgestellte Modell eines projektierten Schlachtschiffes von 27000
                              									t und 22 Meilen Geschwindigkeit, welches ungefähr dem Typ der jetzt in England
                              									neuerdings in Bau gegebenen Linienschiffe entspricht. Daneben sind noch ältere
                              									Panzerschiffe für fremde Marinen ausgestellt. Den Beschluß macht das Modell des
                              									Schwimmdocks „Alfonso Penna“ für Rio de Janeiro von 22000 t Hebekraft mit dem
                              									Modell des gleichfalls von Vickers gebauten
                              									brasilianischen Linienschiffes „Sao Paulo“.
                           Die Kriegsschiffsausstellung der englischen Abteilung ist technisch die
                              									interessanteste der ganzen holländischen Ausstellung, dies ist um so
                              									bemerkenswerter, als der größte Teil der dort ausgestellten Typen für Holland
                              									niemals in Frage kommen kann, da dessen größte und modernste Linienschiffe noch
                              									nicht ein Fünftel des Deplacements der ausgestellten englischen Typen haben.
                           Ganz auffällig gering ist dagegen in der englischen Abteilung die Maschinen- und
                              									Motorenindustrie vertreten. An Maschinen hat nur die bekannte Firma J. & E. Hall Ltd., London und Dartford vier Typen von
                              									Kältemaschinen ausgestellt, alle für Kohlensäurekühlung, und zwar nicht in Modellen,
                              									sondern in richtiger Größe. Die erste ist eine komplette Anlage für Schiffszwecke,
                              									die zweite eine elektrisch angetriebene senkrechte CO2-Maschine, die dritte ein kleiner
                              									völlig eingekapselter Typ lediglich für Eisgewinnung, als vierter ist ein
                              									doppeltwirkender Kompressor aus Stahl geschmiedet, ausgestellt.
                           An Motoren sind nur zwei Typen von Djinn-Motoren
                              									ausgestellt und das auch Vickers gehörige große Motorboot
                              										„Ursula“, davor der Bootsmotor in natürlicher Größe.
                           Die englische Ausstellung bildet den besten und für den Fachmann sehenswertesten Teil
                              									der holländischen Ausstellung. Dabei ist zu beachten, daß der Großschiffbau für
                              									holländische Rechnung noch eine ausschließliche Domäne Englands ist; baut es doch
                              									noch dreiviertel aller größeren holländischen Schiffe. Es gab allerdings eine Zeit,
                              									es sind noch keine 15 Jahre her, wo Blohm & Voß in Hamburg die großen holländischen Dampfer bauten,
                              									heute hat sich Holland völlig England zugewandt. Mir aber will es scheinen, als
                              									hätte auf der holländischen Schiffahrtsausstellung, die Holland zur Feier der vor
                              									hundert Jahren durch Bülows preußisches Heer erfolgten Befreiung vom Franzosenjoch
                              									veranstaltet hat, die deutsche Industrie durch Beschickung der Ausstellung versuchen
                              									sollen, dem deutschen Handelsschiffbau ein dauerndes Absatzgebiet
                              									zurückzuerobern.