| Titel: | Matthäus Hipp, der größte Erfinder auf dem Gebiet der Uhrmacherkunst in Verbindung mit der Elektrotechnik. | 
| Autor: | Karl Bauder | 
| Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 724 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Matthäus Hipp, der größte Erfinder auf dem Gebiet
                           								der Uhrmacherkunst in Verbindung mit der Elektrotechnik.
                        Ein Gedenkblatt auf seinen 100. Geburtstag am 25.
                           								Oktober 1913.
                        Von Professor Karl Bauder in
                           									Stuttgart.
                        BAUDER: Matthäus Hipp, der größte Erfinder auf dem Gebiet der
                           								Uhrmacherkunst usw.
                        
                     
                        
                           Auf dem Gebiet der angewandten Elektrizität ist neben Werner Siemens sein Zeitgenosse Matthäus Hipp einer der hervorragendsten
                              									Erfinder des 19. Jahrhunderts. Zu seinen Erfolgen legte er den ersten Grund durch
                              									die gründliche Ausbildung in der Uhrmacherkunst, die er
                              									auch zeitlebens ausübte und zu deren Vervollkommnung er im höchsten Maße beitrug,
                              									indem er, als zu Anfang der 1840er Jahre die Elektrizität von sich reden zu machen
                              									begann, diese Wissenschaft sich aus eigener Kraft zu eigen machte und für seine
                              									Erfindungen verwertete. Im Laufe von 40 Jahren brachte er mehr als 20 Erfindungen
                              									zur vollständigen Reife, während beispielsweise Elias
                                 										Howe (1819 bis 1867) zu seiner Nähmaschine 14 Jahre und Joseph Jacquard (1752 bis 1834) zu seinem Webstuhle sogar
                              									18 Jahre brauchte. Hipps Vorgehen war schon in den ersten
                              									Anfängen ein synthetisches, d.h. er legte sich die Aufgabe klar, stellte alle
                              									Bedingungen des Gelingens fest und erfüllte eine nach der andern mit ungeschwächter
                              									Ausdauer, nichts dem Zufall überlassend. Seine Schöpfungen waren darum auch
                              									Erfindungen im wahren Sinne des Wortes und nicht, wie es so oft der Fall ist, bloß
                              									erfahrungsmäßige Ergebnisse einer langen Reihe von Fehlversuchen. Er schuf sich
                              									seine Theorie selbst. Dabei wußte er aber auch die Forderungen der bequemen
                              									Handhabung und billigen Herstellung zu erfüllen, und diesem Umstände ist es zu
                              									verdanken, daß seine Erfindungen großen praktischen Nutzen hatten. Eine große Anzahl
                              									wird heute noch in ausgedehntem Maße angewandt und industriell verwertet; auf die
                              									wichtigsten von ihnen wollen wir in dieser Abhandlung näher eingehen.
                           Matthäus Hipp wurde am 25. Oktober 1813 in der
                              									württembergischen Bezirksstadt Blaubeuren geboren. Des
                              									Vaters Mahl-, Oel- und Sägemühle weckte in dem Knaben frühzeitig den Sinn für die
                              									Mechanik. Im achten Jahre verletzte sich der lebhafte Junge durch einen Sturz bei
                              									allzukühnem Klettern das linke Bein derart, daß es für immer verkürzt blieb, und der
                              									Knabe vier Jahre lang am Schulbesuch gehindert war. Im Privatunterricht und in der
                              									bis zum 16. Lebensjahre verlängerten Schulzeit erwarb er sich jedoch einen
                              									Schulsack, der es ihm ermöglicht hätte, dem Wunsch der Eltern entsprechend Pfarrer
                              									oder Kanzleibeamter zu werden. Aber die Bewegung, die Mechanik hatte ihn so erfaßt,
                              									daß er schon im Alter von acht Jahren an Hand der Pläne, nach welchen sein Vater
                              									eine neue Oelmühle bauen wollte, ein kleines Modell herstellte und nicht ruhte, bis er
                              									den Handbetrieb durch die Wasserkraft eines gestauten Baches ersetzt hatte. Auch
                              									machte er eines Tages einen Baumeister darauf aufmerksam, daß ein im Bau begriffenes
                              									Haus keinen Eingang hatte. Ein solch praktischer, erfinderischer Kopf paßte weder
                              									auf die Kanzel noch in die Schreibstube. Darum trat der 16 jährige Matthäus Hipp bei einem Uhrmacher seiner Vaterstadt in die Lehre. Nach Beendigung der Lehrzeit im
                              									Jahre 1832 bildete er sich in Ulm, St. Gallen, St. Aubin (Kanton Neuchâtel) und
                              									andern Orten der Schweiz sieben Jahre lang in seinem Handwerk gründlich aus, das
                              									damals insofern größeres Geschick als heutzutage erforderte, als die Uhrmacher nur
                              									die einzelnen Teile der Werke roh vorgearbeitet beziehen konnten, sie also vor der
                              									Zusammenstellung vollends zurichten mußten.
                           Nach etwa einjährigem Aufenthalt in Blaubeuren ließ sich Hipp 1840 als Uhrmacher in Reutlingen (Württemberg) nieder, wo er im
                              									gleichen Jahre mit der Lehrerstochter Johanna Plieninger
                              									aus Massenbach o. A. Brackenheim sich verheiratete. In Reutlingen, wo er bis 1852
                              									seinen Wohnsitz hatte, war es eine seiner ersten Beschäftigungen, die schon während
                              									seiner Lehrzeit in der Theorie begonnene Erfindung einer Präzisionsuhr zur Reife zu
                              									bringen. Hipp hatte nämlich beobachtet, daß ein schweres
                              									Pendel ohne weiteren Antrieb mehrere Stunden lang schwingt. Hieraus folgerte er, daß
                              									durch wenige schwache Antriebe eine dauernde Schwingung zu erreichen sei, und daß
                              									die Wiederholungen des Antriebs erst erforderlich seien, wenn die Schwingungsweite
                              									auf ein gewisses Mindestmaß zurückgegangen sei. Die Antriebe auf mechanischem Wege
                              									herbeizuführen, das war sein Ziel. Jahre lang fand Hipp
                              									keine Lösung. Mit dem Gedanken an seine Aufgabe schlief er ein und wachte er auf.
                              									Endlich, im Jahre 1834, war dem Einundzwanzigjährigen in St. Gallen das Glück hold.
                              									Als der Grübler eines Sonntags um 4 Uhr erwachte, sah er ohne weiteres Nachdenken
                              									die Lösung urplötzlich vor sich. Hipp hatte aber als
                              									Arbeiter keine Gelegenheit, sie praktisch auszuführen, er mußte bis zu seiner
                              									Selbständigmachung warten. Der wichtigste Teil der Erfindung ist eine Palette, d.h.
                              									ein schaufelartiges Stahlstückchen, welches an der Uhrpendellinse frei aufgehängt
                              									ist und mit dem Uhrpendel schwingt. Unterhalb der Palette ist ein gerippter Kamm
                              									angebracht. Solange die Schwingungsweiten des Uhrpendels groß genug sind, gleitet
                              									die Palette über die Kammrippen weg; sobald aber die Schwingungsweiten auf ein
                              									gewisses Mindestmaß zurückgegangen sind, so gleitet die Palette nur noch eine
                              									gewisse Strecke weit über die Kammrippen hin und wird schließlich auf einem
                              									Niedergang des Uhrpendels von einer Kammrippe aufgehalten. Dadurch wird der Kamm
                              									hinabgedrückt, und diese Bewegung verursacht augenblicklich die Verbindung zu einem
                              									neuen elektromagnetischen Antrieb des Pendels. Obwohl dieser Antrieb schwach ist, so
                              									führt er doch eine Vergrößerung der Schwingungsweite herbei. So sinnreich und
                              									zuverlässig die Erfindung war, so wurde sie im Jahre 1843 auf der Berliner
                              									Ausstellung doch mit den geringschätzenden Worten abgetan: „Eine Uhr, welche
                                 										das Werk unten am Pendel hat“. Und doch war diese Erfindung die Grundlage
                              									für ein neues System von Uhren, welches eine bisher unübertroffene Genauigkeit
                              									gestattet. Das „Echappement électrique à palette“ von Hipp ist heute noch das Hauptorgan des am weitesten verbreiteten Typs der
                              									elektrischen Pendeluhren, die in Neuchâtel in der von Hipp gegründeten Fabrik verfertigt werden.
                           Im Jahre 1845 erfand Hipp einen Buchstabenschreibtelegraph, der bedeutend einfacher konstruiert, leichter
                              									zu handhaben und billiger war, sowie eine noch größere Geschwindigkeit gestattete
                              									als der Typendrucktelegraph von Hughes. Hätte es Hipp nicht an den nötigen Geldmitteln gefehlt, so hätte
                              									sein Schreibtelegraph ohne Zweifel den Typendrucktelegraph überflügelt und wäre
                              									vielleicht der allein gebrauchte Telegraphenapparat geworden. War dies einerseits
                              									nicht möglich, so führte Hipps Apparat andererseits zu
                              									einem großen Erfolge. Hipp hatte nämlich bei seinem
                              									Telegraphenapparat die Gleichzeitigkeit (den Synchronismus) zwischen dem Abgabe- und
                              									dem Empfangsapparat durch eine vibrierende Stahlfeder hergestellt, die als Regulator
                              									wirkte. Diesen Regulator bildete er 1850 zu einem besonderen Instrument aus, das
                              									unter dem Namen Chronoskop (Vorrichtung für sehr genaue
                              									Zeitbestimmungen) bekannt ist. Das Chronoskop besteht aus einem Räderwerk mit
                              									vibrierender Stahlfeder, einem davon getrennten Zeigerwerk mit je einem Zeiger auf
                              									zwei getrennten Zifferblättern, einem gemeinsamen Anker und zwei Elektromagneten.
                              									Die Feder des Räderwerks macht 1000 Schwingungen in der Sekunde und läßt bei jeder
                              									Schwingung einen Zahn des Steigrades passieren. Je nach der Lage des gemeinsamen
                              									Ankers befinden sich die Zeiger im Ruhezustande oder sie nehmen an der Bewegung des
                              									Räderwerks teil. Die verschiedenen Lagen des Ankers werden durch die Einwirkung der
                              									Elektromagneten bedingt. Auf den Zifferblättern kann man Zehntel- und
                              									Tausendstelsekunden ablesen. Von größter Bedeutung ist die Trennung der beiden
                              									Werke. Sie ermöglicht es, daß das Räderwerk vor dem Beginn der Zeitmessung in Gang
                              									gesetzt wird und seine anfängliche Trägheit überwindet. Das Zeigerwerk wird erst im
                              									entscheidenden Augenblick auf elektrischem Wege sehr rasch mit dem Räderwerk
                              									verkuppelt und auf gleichem Wege wieder zum Stehen gebracht. Erst seit der Erfindung
                              									des Hippschen Chronoskops kann man bis zur
                              									Tausendstelsekunde genau die Zeit beobachten, welche zwischen dem Oeffnen und
                              									Wiederschließen eines elektrischen Stromes verfließt. Die Chronoskope leisten der
                              									Artillerie große Dienste bei der Messung der Geschwindigkeit von Geschossen und der
                              									Entzündungsschnelligkeit des Pulvers; in der Astronomie dienen sie zur
                              									Zeitbestimmung, zur Aufstellung der Sternkataloge usw., in der Mechanik zum Studium
                              									der Bewegung der Organe einer Maschine, in der Physik zur Veranschaulichung der
                              									Gesetze vom Fall der Körper usw., beim Menschen zur Messung der Geschwindigkeit, mit
                              									welcher nervöse Empfindungen sich übertragen und noch in einer Menge von Fällen, deren
                              									Aufzählung hier zu weit führen würde.
                           Anfangs der 1850er Jahre erfuhr Hipp bei einem Besuche in
                              									London, daß der dortige berühmte Physiker Wheatstone sich
                              									vergeblich abmühe, bei einer Achse 1000 Umdrehungen in der Sekunde zu erreichen.
                              									Nachdem Wheatstone aus einem Tachenuhrwerk Spindel und
                              									Steigrad entfernt hatte, erreichte er beim Kronrad 300 Umdrehungen, und in Paris
                              									hatte man es mit einem vierpferdigen Motor zu einer nur unerheblich größeren
                              									Geschwindigkeit gebracht. Sogleich machte sich Hipp an
                              									die Lösung dieser Aufgabe. Zuerst lagerte er Stahlzapfen in Messing, aber bei 300
                              									bis 400 Umdrehungen schmolz das Messing; bei 500 Umdrehungen schmolz auch das
                              									Stahllager. Er entdeckte bald, daß die Erhitzung der Lager durch die heftigen
                              									Erschütterungen der Achse verursacht wurden. Er umgab deshalb die Achse mit einer
                              									runden dicken Scheibe aus Sohlleder. Durch diese elastische Zwischengliederung wurde
                              									die Erschütterung so gemildert, daß mit geringer Kraft und ohne Geräusch mehr als
                              									2000 Umdrehungen in der Sekunde erzielt wurden.
                           Derartige Leistungen lenkten die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf den talentvollen
                              									Mann. Im Jahre 1852 wurde er zum Direktor der staatlichen Telegraphenwerkstätte in
                              									Bern und des schweizerischen Telegraphenwesens ernannt. In Bern und von Bern aus
                              									entfaltete er eine ausgedehnte Tätigkeit, von der wir nur einiges berichten
                              									wollen:
                           Unter seiner Leitung wurden nicht nur sämtliche Telegraphen der Schweiz, sondern auch
                              									weiter, am Mittelmeer liegender Gebiete verfertigt. Man verdankt ihm außer der
                              									zweckmäßigen Einrichtung des technischen Betriebes im allgemeinen noch eine
                              									wesentliche Vervollkommnung des Telegraphenapparats von Morse, indem er das Relais und die Lokalbatterie in Wegfall brachte und
                              									dadurch eine große Vereinfachung, eine regelmäßigere Schrift, eine sicherere und
                              									genauere Uebertragung in den Zwischenstationen und eine bedeutende Kostenersparnis
                              									erreichte. Darum wurde der Apparat zu Tausenden eingeführt.
                           Schon 1853 beschäftigte sich Hipp mit einer elektrischen Signalvorrichtung für den Eisenbahnbetrieb,
                              									Kontrolluhr genannt, welche es ermöglichte, den Gang, die etwaigen
                              									Unregelmäßigkeiten und Unfälle eines Zuges von der Station aus genau zu
                              									verfolgen.
                           Eine neue Anwendung der Elektrizität ersann Hipp im Jahre
                              									1856. Er hatte nämlich ein 5400 m langes Eisendrahtkabel in den Vierwaldstättersee
                              									versenkt. Den Draht hatte er mit Guttapercha isoliert, mit geteertem Hanf umwickelt
                              									und mit zwei eisernen Bändern spiralförmig umbunden. Das Kabel funktionierte
                              									ungenügend. Die Untersuchung eines Stücks zeigte, daß die Guttaperchahülle spröde
                              									geworden war und Risse bekommen hatte. Das ganze Kabel zu heben, erschien untunlich,
                              									weil es so tief im Schlamm eingebettet war, daß es gerissen wäre. Hipp beschloß nun, einen starken elektrischen Strom
                              									durch das Kabel zu senden, in der Erwartung, daß der Strom das zum Draht dringende
                              									Wasser in seine beiden Bestandteile, Sauerstoff und Wasserstoff, zerlegen, der
                              									Sauerstoff den Draht oxydieren und die Rostschicht die Isolierung herbeiführen
                              									würde. Der Erfolg bestätigte vollkommen die Richtigkeit von Hipps Theorie: am dritten Tage war die zuverlässige Benutzung des Kabels
                              									gesichert.
                           Die erfolgreiche Tätigkeit Hipps als Direktor der
                              									staatlichen Telegraphenwerkstätte in Bern führte mit der Zeit zu einer Mißstimmung
                              									bei den Privatunternehmern. Darum erklärte die schweizerische Regierung im Jahre
                              									1860, es sei unstatthaft, daß sie als Konkurrentin der Privatpraxis erscheine, und
                              									reduzierte die Fabrik auf eine bloße Reparaturwerkstätte. Alsbald bildete sich eine
                              									Gesellschaft von Kapitalisten in Neuchâtel und beschloß die Weiterführung des
                              									Geschäfts, wenn Hipp die Direktion übernehme. Hipp sagte unter der Bedingung zu, daß der Fortsetzung
                              									seiner Studien kein Hindernis in den Weg gelegt werde. Der Vertrag kam zustande, und
                              										Hipp siedelte im Jahre 1860 nach Neuchâtel über.
                           Auf seiner neuen Wirkungsstätte nahmen seine Arbeiten einen noch mannigfaltigeren
                              									Charakter an. Unter anderem wandte er den elektrischen
                                 										Uhren seine Aufmerksamkeit zu. Der englische Philosoph und Naturforscher
                              										Alexander Bain (1819 bis 1877) scheint der erste
                              									gewesen zu sein, der 1840 eine Uhr konstruierte, welche durch elektromagnetische
                              									Wirkung in Gang gehalten wurde. Das Pendel dieser Uhr trug statt der Linse eine
                              									wagerecht angebrachte elektromagnetische Spule. Rechts und links davon war je ein
                              									stetig wirkender Magnet befestigt. Sobald der elektrische Strom durch die Spule
                              									geleitet wurde, übten die Magnete nacheinander abstoßende und anziehende Wirkung auf
                              									die Spule aus und brachten so das Pendel zum Schwingen. Diese Einrichtung hatte aber
                              									den großen Uebelstand, daß die elektrische Batterie, mit welcher die Spule in
                              									Verbindung stand, durch den dauernden Gebrauch rasch an Stärke verlor und daß
                              									dadurch die Pendelschwingungen und der Gang der Uhr unregelmäßig wurden. Trotz aller
                              									Anstrengungen gelang es nicht, diesen Uebelstand zu beseitigen. Da bemächtigte sich
                              									Hipp der Angelegenheit und unter Mitbenutzung seiner schon 1834 erdachten und 1842
                              									ausgeführten Erfindung gelang es ihm, die vollkommenste
                                 										elektrische Pendeluhr zu konstruieren. Die Palette sorgt dafür, daß die
                              									elektrische Batterie nicht dauernd, sondern erst, wenn die Schwingungsweiten des
                              									Pendels auf ein gewisses Mindestmaß zurückgegangen sind, dazu beansprucht wird, den
                              									elektrischen Strom durch den Elektromagneten, zu führen und dadurch den letzteren zu
                              									befähigen, dem Pendel einen neuen Antrieb zu geben. Der Verbrauch an Elektrizität
                              									ist also der kleinstmögliche, d.h. es wird nur genau soviel Elektrizität verbraucht,
                              									als zur Unterhaltung der Pendelschwingungen nötig ist. Die Sicherheit des Ganges ist
                              									so groß, daß eine elektrische Pendeluhr, ohne stehen zu bleiben, zehnmal größere
                              									Widerstände überwindet als andere Uhren. Das Mindestmaß und das Höchstmaß der
                              									Schwingungsweiten liegen einander stets sehr nahe und das Zeigerwerk wird nicht
                              									durch Räder, sondern durch das Pendel getrieben. Dadurch wird eine große
                              									Gleichförmigkeit des Ganges geschaffen. So schuf Hipp
                              									eine Präzisionsuhr, die in der Messung mikroskopisch
                              									kleiner Zeiten das höchste leistet, was von einem astronomischen Regulator bis jetzt
                              									geleistet worden ist. Die tägliche Abweichung des Regulators auf der Sternwarte zu
                              									Neuchâtel beträgt nur 0,04 Sekunden. Die ausgezeichnete Erfindung trug Hipp auf der Pariser Elektrizitätsausstellung im Jahre
                              									1881 die goldene Medaille ein.
                           Die Erfindung der elektrischen Pendeluhr führte noch zu einem weiteren großen
                              									Erfolge, zur Vereinheitlichung der Zeit durch die
                                 										Elektrizität, das heißt mehrere Uhren in übereinstimmendem Gang zu
                              									erhalten. Schon 1864 erhielt Neuchâtel sein Uhrnetz. Hipps Mutteruhren und seine Gangwerke für Sekundäruhren sind über die
                              									ganze Erde verbreitet.
                           Vorzugsweise beschäftigte sich Hipp mit der Aufgabe, einen
                              										Chronographen zu schaffen. Dieser ist ein
                              									elektrischer Registrierapparat, ein Selbstaufzeichner von Zeitpunkten und
                              									Zeitabschnitten, in welchem äußerst schnelle natürliche oder mechanische Vorgänge
                              									stattgefunden haben. Die Chronographen dienen also dem gleichen Zweck wie die
                              									Chronoskope. Die Chronographen werden in allen jenen Fällen benutzt, wo eine
                              									Aufzeichnung erforderlich ist, die Chronoskope genügen da, wo eine Aufzeichnung
                              									unterbleiben kann. Hipp erstellte zwei Typen von
                              									Chronographen, der eine macht die Aufzeichnungen auf einem Zylinder, der andere auf
                              									einem Papierband. Die aufgezeichneten Zeitmomente können mit besonderem, bequemem
                              									Meßapparate bis auf eine Zehntausendstelsekunde abgelesen werden.
                           Dauernde Aufmerksamkeit wandte Hipp den elektrischen Eisenbahnsignalen zu, die neben seinen Uhren seinen Ruf
                              									am meisten begründet haben. Er konstruierte Entfernungssignale, Anmeldungssignale,
                              									Läutewerke, Hilfssignale, Weichenkontrollen, Blocksignale und
                              									Zuggeschwindigkeitsmesser. An den Signalscheiben beseitigte er einen großen
                              									Uebelstand auf ebenso einfache als geistreiche Weise. Die um eine senkrechte Achse
                              									drehbaren Scheiben waren bei ruhiger Luft auf rein mechanischem Wege sehr leicht
                              									einzustellen. Störungen in der Leitung und Stürme verursachten häufig die Umstellung
                              									der Scheibe. Auf die Behebung des Mangels war schon viel Geist, Zeit und Geld
                              									vergeblich verwendet worden. Hipp wußte Rat. Er verband
                              									eine mechanische Einstellung mit elektrischer Auslösung: er befestigte an der Achse
                              									zwei gleiche Scheiben, die zueinander senkrecht stehen, und legte zwei elektrische
                              									Leitungen an, die nur durch einen Arm an der Scheibe
                              									verbunden sind. Die eine derselben ist mit der Batterie, die andere mit der
                              									Signalscheibe und mit dem Elektromagnet verbunden. Ist die Scheibe in Ruhe, so sind
                              									die Leitungen nicht verbunden und es kann sie kein Gewitterstrom durchlaufen;
                              									schließt man aber die Leitung in der Station durch einen Umschalter, so wendet sich
                              									die Scheibe und der Verbindungsarm; die Leitung ist also wieder offen und die
                              									Scheibe in Ruhe.
                           Zu erwähnen sind noch Hipps selbsttätige Flutmesser, selbstaufzeichnende Thermometer, Barometer, Wasserstandanzeiger und
                              										Wächterkontrolluhren.
                           Außerdem machte Hipp noch einige Erfindungen, die zwar
                              									sehr geistreich waren, aber zu keiner industriellen Verwendung führten: 1855 den
                              									elektrischen Webstuhl, 1867 das elektrische Klavier. Die Beobachtungen über
                              									Störungen der elektrischen Telegraphie während des Nordlichts sind 1860 wohl zuerst
                              									von Hipp gemacht worden, im Jahre 1862/63 beschäftigte er
                              									sich mit der Aufgabe, die menschliche Stimme durch den elektrischen Telegraphen zu
                              									übertragen, er fand aber die Schwierigkeiten noch unüberwindlich, ohne sie jedoch
                              									als unüberwindlich zu erklären.
                           Geschwächte Gesundheit zwang Hipp, 1889 sich ins
                              									Privatleben zurückzuziehen. Er nahm mit seiner Familie in Zürich-Fluntern seinen
                              									Wohnsitz. Am 3. Mai 1893 unterlag der geistreiche Erfinder, der gewaltige Arbeiter,
                              									der edle Mensch seiner langen schweren Krankheit.
                           Hipp hatte oft mit großen Schwierigkeiten aller Art zu
                              									kämpfen, aber die Früchte seiner Arbeiten blieben nicht aus. Auf allen großen
                              									Ausstellungen errang er sich die ersten Preise. Im Jahre 1873 wurde Hipp anläßlich der Wiener Weltausstellung mit dem Franz Joseph-Orden ausgezeichnet; die Universität Zürich
                              									verlieh ihm 1875 das Doktordiplom honoris causa. Sein Andenken wird geehrt sein und
                              									bleiben, nicht zum mindesten im Schwabenlande, wo seine Wiege stand, wo er den Grund
                              									zu seinen Erfolgen legte und seine ersten bedeutungsvollen Erfindungen machte.