| Titel: | Ueber die Beurteilung der Wärmemaschinen. | 
| Autor: | G. Zerkowitz | 
| Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 755 | 
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                        Ueber die Beurteilung der
                           								Wärmemaschinen.
                        Von Privatdozent Dr.-Ing. G. Zerkowitz in
                           									Aachen.
                        ZERKOWITZ: Ueber die Beurteilung der Wärmemaschinen.
                        
                     
                        
                           Die Beurteilung der Vorgänge in den Wärmemaschinen wird durch zeichnerische
                              									Darstellungen sehr gefördert. Außer dem seit langem gebräuchlichen Arbeits- oder pv-Diagramm werden in neuerer Zeit die
                              									Entropiediagramme, insbesondere für die Prozesse der Dampfturbinen,
                              									Turbokompressoren und Verbrennungsmaschinen mit Vorteil benutzt. Bei der Verwendung
                              									der Diagramme muß man sich stets den physikalischen Zusammenhang der Vorgänge
                              									vergegenwärtigen, da andernfalls leicht eine zu einseitig-geometrische Auffassung
                              									Platz greifen kann. Insbesondere sind hierbei die Hauptsätze der Thermodynamik,
                              									Energie- und Entropiesatz, zu beachten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 755
                              Abb. 1.
                              
                           Wir betrachten zunächst die Vorgänge in einer Gasmaschine, deren Idealdiagramm durch
                              										Abb. 1 dargestellt wird. A1A2 bedeutet die Kompression, A3A4 die Expansion im Zylinder; die Verbrennung erfolgt
                              									bei konstantem Volumen längs A2A3. Bekanntlich entspricht die Fläche A1A2A3A4 der
                              										„indizierten“, das ist der auf den Kolben übertragenen Arbeit. Will man
                              									die bei diesem Kreisprozeß zugeführte, sowie die entzogene Wärme graphisch
                              									darstellen, so bedient man sich in der Regel des Wärme- oder Entropiediagramms.
                              									Man kann aber auch zu diesem Zwecke vom pv-Diagramm
                              									Gebrauch machen, wenn man sich hierbei einer Hilfskonstruktion bedientZerkowitz,
                                    											Thermodynamik der Turbomaschinen, München 1913.. In Abb. 2 stellt die Kurve 1
                                 										2 eine beliebige Zustandsänderung dar. Legt man durch die Punkte 1 und 2 je eine Adiabate
                              									und bringt diese mit einer beliebig gewählten Kurve konstanten Wärmeinhaltes zum
                              									Schnitt, so stellt die Fläche 1 2 4 8 7 3 die während
                              									des Vorganges 1 2 zugeführte Wärme dar. Der Beweis für
                              									die Richtigkeit dieser Darstellung ergibt sich in einfachster Weise, wenn man den
                              									ersten Hauptsatz der Thermodynamik heranzieht. Es ist bekanntlich
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 755
                              Abb. 2.
                              
                           dQ = du + Apdv . . . . . (1)
                           wobei Q die für 1 kg des
                              									strömenden Mediums zugeführte Wärme, u die innere
                              									Energie bedeutet. Führt man in (1) den Wärmeinhalt i =
                              										u + Apv ein, so erhält
                              									man
                           dQ = di – Avdp . . . . . (1a)
                           Für die Kurve 3 4 ist i konstant, und es läßt sich durch sinngemäße
                              									Berücksichtigung von (2) zeigen, daß die angegebene Konstruktion richtig ist.
                              									Bemerkt sei noch ausdrücklich, daß die Lage der Kurve konstanten Wärmeinhaltes
                              									belanglos ist; sie kann z.B. auch durch Punkt 1 oder
                              										2 gelegt werden. Da für den Idealvorgang der
                              									Gasmaschine (Abb. 1) A1A2 und A3A4 adiabatisch verlaufen, so verlängere man die
                              									Expansionslinie A3A4 bis zum Schnittpunkt
                              										X mit der durch A1 gelegten Kurve konstanten Wärmeinhaltes. Es stellt
                              									dann Fläche A1A2A3XYB1 die ganze
                              									zugeführte, Fläche A1A4XYB1 die entzogene
                              									Wärme dar. Der Unterschied beider Flächen entspricht wiederum der geleisteten
                              									Arbeit. Wenn sich auch namentlich infolge des schleichenden Schnittes der beiden
                              									Kurven A3X und A1X die praktische
                              									Durchführung dieses Verfahrens im pv-Diagramm kaum
                              									empfehlen dürfte, so ist es doch grundsätzlich von Interesse, daß man auch mittels
                              									des Arbeitsdiagrammes nicht allein die übertragene Arbeit, sondern auch die zu- und
                              									abgeführte Wärme darstellen kann. Damit läßt sich auch der thermische Wirkungsgrad
                              									aus dem pv-Diagramm entnehmen, obwohl hierfür das
                              									Verfahren von KutzbachKutzbach, Z. d. V.
                                    											d. I. 1907, S. 525. rascher zum Ziele führt. Im Wärmediagramm
                              									erhält man die zugeführte Wärme mit Rücksicht auf den zweiten Hauptsatz aus
                           Q = ∫TdS
                              									. . . . . . (2)
                           wobei S die Entropie bedeutet.
                              									Man kann die Gleichungen (1) und (2) in vielen Fällen nicht nur für die Bewertung
                              									des Idealvorganges, sondern auch für den wirklichen Vorgang benutzen. So weicht z.B.
                              									das mit Hilfe des Indikators gewonnene Diagramm einer Gasmaschine infolge
                              									zahlreicher Verlustquellen, so durch unvollkommene Verbrennung, Nachbrennen und
                              									insbesondere durch die Kühlung, vom Idealprozeß ab. Immerhin darf die auf den Kolben
                              									übertragene Arbeit durch Planimetrieren des Indikatordiagramms ermittelt werden.
                              									Physikalisch gesprochen bedeutet dies, daß man den Prozeß in einer derartigen
                              									Kolbengasmaschine für die Zwecke der praktischen Bewertung ebenso behandeln darf,
                              									als wäre er umkehrbar; denn die Gleichungen (1) und (2) gelten nur für umkehrbare Prozesse. Dasselbe gilt hinsichtlich des
                              									Indikatordiagramms der Kolbendampfmaschine. ZeunerZeuner, Techn.
                                    											Thermodydamik, Bd. II. hat schon darauf hingewiesen, daß z.B. die
                              									Expansion in der Dampfmaschine eigentlich keinen umkehrbaren Vorgang darstellt.
                              									Insbesondere ist die Bewegung des Dampfes im Zylinder während der Füllung und im
                              									ersten Teil der Expansion derart stürmisch, daß die vom Indikator angezeigte
                              									Druckkurve nicht mehr als eine Gleichgewichtsdruckkurve angesehen werden kann.
                              									Trotzdem werden die Vorgänge in den Kolbenmaschinen bis heute in den meisten Fällen
                              									als praktisch umkehrbar angesehen. Die wichtigste Verlustquelle besteht im
                              									Wärmeaustausch mit den Wandungen, in gewissen Fällen in einer Wärmeabgabe an das
                              									Kühlwasser.
                           Eine ganz andere Rolle spielen die Vorgänge in den Turbomaschinen. Bei
                              									derartigen Strömungsvorgängen nimmt das arbeitende Medium so hohe Geschwindigkeiten
                              									an, daß die an die umkehrbaren Vorgänge gestellte Hauptforderung, langsam und gleichförmig zu
                              									verlaufen, auch nicht annähernd erfüllt ist. Die Reibung des strömenden Mediums in
                              									den Leit- und Laufschaufeln der Turbinen und rotierenden Turbokompressoren spielt
                              									hierbei eine wesentliche Rolle. Die Gleichungen (1) und (2) dürfen hier nicht mehr
                              									benutzt werden, es treten die allgemeineren Beziehungen
                           dQ = du + AdLa . . . . . (3)
                           dQ = di + AdLt . . . . . (3a)
                           an die Stelle von (1), wobei La die „äußere“, Lt die „technische“ Arbeit für 1 kg
                              									des strömenden Mediums bedeutet. Die klassische Thermodynamik besagt für den nicht
                              									umkehrbaren Prozeß nur, daß dLa nicht gleich pdv, und
                              										dLt nicht gleich –
                              										vdp ist. Ebenso liefert uns der zweite Hauptsatz
                              									auch nur eine Ungleichung, nämlich
                           dQ < TdS . . . . . . (4)
                           Es erhebt sich nun die grundsätzliche Frage, welche
                              									physikalische Bedeutung bei derartigen Vorgängen die zeichnerischen Darstellungen
                              									besitzen, sowie, in welcher Weise diese benutzt werden dürfen. Wie schon Grashof gezeigt hat, gilt für Strömungsvorgänge die
                              									Beziehung
                           dQ + dW = du + Apdv . . . (5)
                           wobei W die durch Reibung
                              									entstehende Wärme bedeutet, Durch Einführung des Wärmeinhaltes i = u + Apv ergibt sich aus (5)
                           dQ + dW = di – Avdp . . . (5a)
                           Da für die Bestimmung der in einer Turbomaschine übertragenen – geleisteten oder
                              									aufgewandten – Arbeit infolge des Ueberschiebens des Mediums in den Leitungen nicht
                              									die äußere Arbeit La,
                              									sondern die technische Arbeit
                              									Lt maßgebend ist, so
                              									benutzen wir Gleichung (3a), deren Integration ergibt
                           ± Q = i2 – i1 ± AL . . . . (6)
                           Das doppelte Vorzeichen vor Q
                              									bedeutet, daß Q von außen zugeführt (+) oder nach außen
                              									abgegeben (–) wird. Wird von der Maschine nutzbare Arbeit geleistet, so gilt + AL (Turbine), dagegen gilt – AL für die Arbeitsmaschine (Kompressor), da hierbei die Arbeit L aufgewendet wird. Aus (5a) und (6) erhält man für die
                              									Kraftmaschine
                           A\,L=A\,\int_2^1\,v\,d\,p-W . . . . (7)
                           und für die Arbeitsmaschine
                           A\,L=A\,\int_1^2\,v\,d\,p+W . . . . (8)
                           wobei sich die Integrationsgrenze „1“ auf den Anfangszustand, die Grenze „2“ auf den Endzustand des. strömenden Mediums in der Maschine
                              									bezieht. Die Fläche zwischen der Zustandskurve und der Ordinatenachse ergibt somit
                              									nicht die Arbeit, sobald die Widerstandswärme W
                              									berücksichtigt wird. Man kann nun durch besondere Verfahren die Arbeit im pv-Diagramm darstellen, indem man von der
                              									Hilfskonstruktion nach Abb. 2 Gebrauch macht. Dabei
                              										ist jedoch zu
                              									beachten, daß sich nicht die von außen zugeführte Wärme allein ergibt, vielmehr die
                              									Summe aus dieser und der durch Reibung entstehenden, dem strömenden Medium sich
                              									mitteilenden Wärme. Man erhält also in diesem Falle Qtot
                              									= Q + W.
                           An dieser Stelle möge noch untersucht werden, welche Bedeutung der zweite Hauptsatz
                              									für Strömungsvorgänge besitzt, oder mit anderen Worten, wie das Entropiediagramm
                              									hierfür zu benutzen ist. Die Ungleichung (4) genügt zu diesem Zwecke nicht. Wie
                              									u.a.m. PlanckM. Planck, Vorlesungen über
                                    										Thermodynamik. bemerkt, hat die Entropie nicht allein für
                              									Gleichgewichtszustände Bedeutung, vielmehr gilt allgemein für physikalische Zustandsänderungen
                           d\,S=\frac{d\,u+A\,p\,d\,v}{7} . . . . (9)
                           Nur für Aenderungen der Masse und der chemischen
                              									Zusammensetzung eines Körpers gilt (9) nicht. Durch Heranziehung von (5) erhält man
                              									aus (9)
                           d\,S=\frac{d\,Q+d\,W}{7} . . . . . (10)
                           Die Fläche zwischen der Zustandskurve und der Abszissenachse
                              									im TS-Diagramm entspricht somit bei Strömungsvorgängen der von außen zugeführten Wärme vermehrt um
                                 										den Wärmewert der Reibungsarbeit.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 328, S. 757
                              Abb. 3.
                              
                           Es möge z.B. die Zustandsänderung des Dampfes in einer Turbine (Abb. 3) in dieser Richtung untersucht werden. Die
                              									Expansion würde, wenn keine Verluste auftreten, adiabatisch, also längs A1A'2 verlaufen, die
                              									wirkliche Expansion verlaufe dagegen längs A1A2. Mit Rücksicht auf (10) gilt W = TdS, d.h. die Fläche A1A2M2M1 entspricht dem Wärmewert der Reibungsarbeit.
                              									Indessen gilt dies nur mit der Einschränkung, daß während des Vorganges eine
                              									Wärmeabgabe nach außen nicht erfolgt. In Wirklichkeit findet aber eine, wenn auch
                              									nicht bedeutende, Wärmeabgabe an die Raumluft statt. Würde sich der Vorgang frei von
                              									Reibungswiderständen vollziehen können, so würde er längs A1(A2) verlaufen, und die Fläche A1(A2)(M)M1 entspräche der nach
                              									außen abgegebenen Wärme Qs. Für den wirklichen Vorgang A1A2
                              									entspricht mithin die Fläche zwischen der Zustandskurve und der Abszissenachse
                              									nicht W, sondern W – Qs.
                           Aehnlich liegen die Verhältnisse beim gekühlten TurbokompressorZerkowitz,
                                    											Zeitschr. für das gesamte Turbinen wesen 1911, sowie Thermodynamik der
                                    											Turbomaschinen, Abschnitt III h.. Auf Grund des Entropieprinzipes
                              									ist es auch ohne weiteres möglich, eine Definition für den thermodynamischen
                              									(inneren) Wirkungsgrad einer beliebigen Wärmemaschine zu liefern.
                           Man muß zu diesem Zwecke die Arbeit des wirklichen Vorganges (indizierte Arbeit der
                              									Kolbenmaschine, innere Arbeit der Turbomaschine), mit der Arbeit eines Ideal
                              									Vorganges vergleichen. Darüber, wie dieser zu wählen ist, liefert das
                              									Entropieprinzip eindeutigen Aufschluß. Bei jedem umkehrbaren, also idealen, Vorgang
                              									muß die Entropie für alle den Prozeß durchlaufenden Körper einen unveränderlichen
                              									Wert besitzen. Für den wirklichen Vorgang ist dagegen die Entropie aller beteiligten
                              									Körper am Ende größer als am Anfang. Bei denjenigen Vorgängen, bei denen nur ein Körper den eigentlichen Prozeß durchläuft – z.B. bei
                              									den Dampfmaschinen der arbeitende Dampf – kann daher als Idealvorgang nur die
                              									Adiabate in Frage kommen. Anders liegen die Verhältnisse, sobald außer dem
                              									arbeitenden Körper noch ein oder mehrere Körper am Prozeß beteiligt sind. So ist
                              									z.B. beim gekühlten Kompressor außer der Luft noch das Kühlwasser zu
                              									berücksichtigen. In diesem Falle muß der Vergleichsvorgang so gewählt werden, daß
                              									die Summe der Entropien beider Körper, also von Luft und Kühlwasser, konstant
                              									bleibt. Dieser Idealvorgang muß in den Diagrammen dargestellt werden, wenn man den
                              									Arbeitsbedarf für den gekühlten Turbokompressor graphisch zum Ausdruck bringen
                              									will.
                           Aus den vorstehenden Ausführungen erhellt, daß für die Beurteilung der Wärmemaschinen
                              									nicht allein das Energieprinzip, sondern auch das Entropieprinzip von großer Wichtigkeit ist. Vor wenigen Jahren ist zu den
                              									beiden Hauptsätzen der Thermodynamik das Nernstsche
                              									Wärmetheorem hinzugekommen, das sich vor allem mit der Ermittlung des absoluten
                              									Wertes der Entropie befaßt. In der Planckschen
                              										FassungPlanck, Ueber neuere thermodynamische Theorien,
                                    											Leipzig 1912. lautet das Theorem: Die Entropie eines
                              									kondensierten, d.h. festen oder flüssigen, chemisch homogenen Körpers hat beim
                              									Nullpunkt der absoluten Temperatur den Wert Null. Danach lautet der Ausdruck für die
                              									Entropie:
                           S=\int_0^T\,\frac{c_p\,d\,T}{T}.
                           Aus dieser Gleichung folgt, daß cp für T = 0
                              									verschwindet, d.h. die spezifische Wärme nähert sich für tiefe Temperaturen dem Wert
                              									Null. Diese Folgerung erklärt in gewissem Sinne die Tendenz
                                 										der spezifischen Wärme, mit steigender Temperatur – wenigstens bei tiefen
                              									Temperaturen – zuzunehmen. Für ideale Gase ist die
                              									Entropie bei T = 0 negativ logarithmisch unendlich.
                           
                           Bei technischen Vorgängen kommt es freilich immer nur auf Entropieunterschiede
                              									an, und die Beurteilung der Wärmemaschinen auf Grund der Diagramme ist ganz
                              									unabhängig davon, wie der Ursprung des Diagrammes gewählt wird. Immerhin dürfte
                              									das Nernstsche Theorem infolge seiner weitragenden
                              									Bedeutung nicht nur für den Physiker von Interesse sein.