| Titel: | Zuschriften an die Redaktion. | 
| Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 766 | 
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                        Zuschriften an die Redaktion.
                        (Ohne Verantwortung der Redaktion.)
                        Zuschriften an die Redaktion.
                        
                     
                        
                           Sehr geehrte Redaktion!
                           In der letzten Zuschrift des Herrn Prof. Kammerer (Heft 43
                              									d. Bd.) ist auch auf meine Arbeit Bezug genommen worden. Zur Klarstellung der Sache
                              									möchte ich zunächst die Hauptzahlen des betreffenden Beispiels wiederholen:
                           Vorspannkraft Sv = 153 kg,
                           Durchmesser beider Scheiben D =
                              									2,5 m,
                           Riemengeschwindigkeit v = 20
                              									m/Sek.,
                           demnach Umdrehungszahl i. d. Min.
                              										n=\frac{60\,.\,20}{\pi\,.\,2,5}=153.
                           Ich zitiere ferner aus Kammerer, Versuche mit Riemen- und
                              									Seiltrieben 1908, S. 24:
                           „In dieser Form“ – nur mit Drosselung in den Manometerleitungen und ohne
                              									Zusatzfedern – „bewährte sich die Meßeinrichtung bei kleineren Drücken bis zu 300
                                 										und bei größeren bis zu 400 Uml./Min. Die Schwingungsbewegung (des Meßrahmens)
                                 										war bis dahin so klein, daß die Manometerzeiger ruhig standen, andererseits doch
                                 										groß genug, um die Reibung der auf Kugeln gelagerten Rahmen nahezu
                                 										auszuschalten“.
                           Nun sind sämtliche in dem angeführten Heft veranschaulichten Ergebnisse aus Versuchen
                              									erhalten worden, die vor der zweiten Eichung der Meßdosen
                              									angestellt wurden; mithin war damals die Unsicherheit der Meßdosenangaben in dem
                              									Intervall unter 500 bis 700 kg noch gar nicht bekannt. Es lag also die Annahme sehr
                              									nahe, daß die Versuche, um andere Unsicherheiten auszuschließen, nach Möglichkeit
                              									ohne die nach den zitierten Worten damals bei kleinen Umdrehungszahlen unnötig
                              									erscheinende und nur andere Fehlerquellen hineinbringende Zusatzbelastung ausgeführt
                              									worden sind.
                           Wenn jedoch immer mit den eine häufige Nacheichung erfordernden Zusatzfedern
                              									gearbeitet worden ist, dürfte in manchen Fällen die Unsicherheit der Messung noch
                              									größer geworden sein als bei der von mir vorausgesetzten Versuchsanordnung. Denn die
                              									Abb. 50 des Versuchsberichtes zeigt häufig genug Abweichungen einzelner
                              									Meßdosenangaben von der schließlich für steigende Belastung eingetragenen Eichkurve
                              									im Betrage von 2 bis 3 v. H., (wird die mittlere Eichkurve zugrunde gelegt, so sind
                              									die Abweichungen noch wesentlich höher). Außerdem dürfte die Genauigkeit der
                              									Federangaben wohl höchstens 1 v. H. betragen haben.
                           Sind nun etwa, um irgend ein beliebiges Beispiel zu bilden, die Federn nur mit ⅔
                              									ihrer Höchstbelastung angespannt worden – bleibt man darunter, so kommt man wieder
                              									in das jetzt von Herrn Kammerer ausgeschlossene Gebiet
                              									der Unsicherheit der Meßdosen – und beträgt die Vorspannung wie oben 153 kg, so
                              									sollen die Meßdosen 1400 + 2 . 153 = 1706 kg anzeigen. Möglich ist aber mit den oben
                              									genannten Fehlern jeder Wert zwischen [1400 (1 ± 0,01) + 306] (1 ± 0,02), also
                              									zwischen 1658 und 1754. Der größte Unterschied gegenüber dem wahren Wert ist 48
                              									kg = 15,7 v. H. des zu messenden Wertes. Da dem Beispiel ungefähr der Mittelwert der
                              									in der Veröffentlichung von 1908 aufgeführten Achsdrücke zugrunde gelegt wurde und
                              									mittlere Meßfehler in die Rechnung eingesetzt wurden, so entspricht der berechnete
                              									Fehler etwa der von Herrn Boesner statistisch ermittelten
                              									Streuung der Kammererschen Achsdruckangaben. Werden
                              									kleinere Achsdrücke nach diesem Verfahren gemessen – als niedrigste so festgestellte
                              									Werte werden 11, 14, 21 kg, und zwar bei der hohen Riemengeschwindigkeit von 39,5
                              									m/Sek. angegeben –, so steigt der Meßfehler ganz enorm an und kann leicht 100 bis
                              									300 v. H. erreichen.
                           Es bleibt somit, gleichgültig wie die Sache war, nur der auch von Herrn Boesner auf rein statistischem Wege schon nahegelegte
                              									Schluß, daß die in dem Forschungsheft 56/57 wiedergegebenen Versuche nur
                              									qualitativen, aber keinen quantitativen Wert haben.
                           Hochachtungsvoll
                                                               P. Stephan.
                           
                        
                           Beantwortung der Zuschrift des Herrn
                                 										Skutsch vom 7. Oktober (Heft 43).
                           Zu 1. und 2. Aus den axonometrischen Darstellungen im Versuchsbericht ist ohne
                              									weiteres zu entnehmen, daß bei sämtlichen Versuchen, die durch je eine
                              									Wirkungsgradlinie zusammengefaßt sind, die Spannung des Riemens so eingestellt
                              									wurde, daß der gemessene Achsdruck stets den gleichen Wert behielt. Diese Maßnahme
                              									war selbstverständlich, denn sonst hätte man nicht zusammenhängende
                              									Wirkungsgradkurven erhalten. Es ist also bei jedem Einzelversuch der Achsdruck im
                              									Betriebe gemessen und zur Ermittlung der Reibungsziffer μ benutzt worden. Es sind demgemäß alle
                                 										Reibungsziffern aus dem bei Belastung und nicht etwa bei Leerlauf gemessenen
                                 										Achsdruck ermittelt worden.
                           Zu 3. Herr Skutsch geht von der willkürlichen
                              									Unterstellung aus, daß ein Achsdruck von 21 kg mit einer Zusatzfederbelastung von 6
                              									. 350 = 2100 kg gemessen worden sei. Es wäre natürlich töricht
                                 										gewesen, die Zusatzfedern bei Umlaufzahlen unter 300 stärker zu spannen als es
                                 										die Rücksicht auf die Eichkurven zweckmäßig erscheinen ließ. Da die
                              									Federspannung vor Beginn und nach Schluß eines jeden Versuchs abgelesen werden
                              									konnte, so konnte man jeden beliebigen Wert der Federspannung einstellen und
                              									ablesen. Der Achsdruck lag übrigens bei den rund 1000 Versuchen zwischen 100 und
                              									1000 kg; nur bei 18 Versuchen betrug er weniger als 100 kg. Wenn Herr Skutsch sich ausgerechnet an diese 18 Versuche klammert,
                              									so beweist er
                              									damit, daß es ihm nicht um irgend eine „Klarstellung“, sondern lediglich um
                              									eine Splitterrichterei zu tun ist.
                           In dem Versuchsbericht ist Seite 30 bis 32 ausdrücklich dargestellt, in welcher Weise
                              									die Eichung der Meßdosen vorgenommen wurde. Wenn Herr Skutsch die auf Seite 32 erwähnte Prüfung der Meßdosen auf ihr Verhalten gegenüber Schwingungen als Eichung
                              									bezeichnet, so ist das eine irreführende Darstellung.
                           Zu 4. Der Zweck der Versuche von 1908 war die Ermittlung des Wirkungsgrades der Riemen- und Seiltriebe, nicht die Feststellung der zulässigen Spannung. Herr Skutsch weiß dies auch ganz genau, denn er sagt Seite 684 dieser
                              									Zeitschrift selbst: „Als Hauptteil des Berichtes darf man doch wohl die
                                 										gruppenweise axonometrisch zusammengestellten Schaulinien für die Abhängigkeit
                                 										des Wirkungsgrades, des Schlupfes und der Reibungsziffer von der Nutzspannung
                                 										ansehen.“ Seite 128 des Versuchsberichtes ist ausdrücklich erwähnt, daß die
                              									zulässige Spannung nur durch Dauerversuche ermittelt werden könne. Demgemäß kann
                              									Abb. 194 des Versuchsberichtes keineswegs als das Endziel dieser Versuche betrachtet
                              									werden, sondern lediglich als eine Zusammenstellung der
                                 										höchsten bei den Versuchen verwendeten Nutzspannungen. Es war ausdrücklich
                              									im Versuchsbericht bemerkt worden, daß bei Dauerversuchen, die bis zur Fließgrenze
                              									getrieben werden, höhere Nutzspannungen anwendbar sein würden, und die Versuche von
                              									1912 haben dies auch durchaus bestätigt. Wenn Herr Skutsch demgegenüber Abb. 194 als
                              									die „Quintessenz“ der Versuche darstellen will, so ist das eine
                              									Irreführung.
                           Charlottenburg, 2. November 1913.
                           Kammerer.
                           
                        
                           
                              Beantwortung der Zuschrift des Herrn Kammerer vom 2.
                                 										November
                              
                           Zu 1 und 2. In dem Bestreben, die 84 μ-Kurven zu
                              									rechtfertigen, gibt Herr Kammerer nunmehr eine völlig
                              									überraschende Erklärung von einschneidender Bedeutung ab. Danach sind die dreimal 84
                              									Kurven, die in den axonometrischen Schaubildern von 1908 als Linien gleichgehaltener
                              										Vorspannung hingestellt werden, in Wirklichkeit unter
                              									immer neuer Einstellung auf gleichen Achsdruck im Betrieb gewonnen worden. Die Tragweite dieser Erklärung
                              									ist kaum abzusehen, und eine schwerere Erschütterung des Vertrauens zu den
                              									Charlottenburger Versuchen war wohl kaum möglich.
                           Zu 3. Die niedrigsten Achsdrucke sind nun einmal die interessantesten, hat ja doch
                              									auch gerade bei ihnen Herrn Kammerers Forschung die
                              									Gleichung μ = ∞ gezeitigt. Nun lassen aber Herrn Stephans Bemerkung, wonach die beiden Meßdosen Kräfte
                              									unter 2 . 500 = 1000 kg nur ganz unzuverlässig anzeigten, und mein Hinweis auf
                              									den Verstoß gegen alle meßtechnischen Grundsätze, der in einer hohen Zusatzbelastung
                              									lag, zusammengenommen keine Hoffnung, daß die Achsdrucke unter 100 kg mit einer
                              									Genauigkeit auch nur von 50 v. H.. gemessen sein sollten. Wenn Herr Kammerer diese Messungen (ich zähle deren 28 auf 450,
                              									nicht 18 auf 1000) nunmehr ohne viel Aufhebens preisgibt, so beleuchtet das wieder
                              									die Verläßlichkeit seiner Forschungen.
                           Da „starke Drosselungen falsche Manometerangaben verursachten“
                              									(Versuchsbericht S. 32) und infolgedessen die Drosselung soweit ermäßigt wurde, „daß sich Uebereinstimmung zwischen den
                                 										berechneten und den beobachteten Achsdrucken ergab“ (ebenda S. 35), so ist
                              									die Meßvorrichtung (Abb. 54) nach dem Grashofschen Gesetz
                              									nachgeeicht worden.
                           Zu 4. Als Auszug aus den den Hauptteil bildenden axonometrischen Darstellungen
                              									besitzt die Fig. 194 ein wesentliches Merkmal einer „Quintessenz“, und daß
                              									die Entscheidung des langjährigen Streites, ob die zulässige Nutzspannung mit der
                              									Geschwindigkeit fällt oder steigt, die wichtigste Aufgabe der Charlottenburger
                              									Versuche sein mußte, kann wohl kaum zweifelhaft sein. Freilich aber war Herr Kammerer, wie ich ihm sehr gern bestätige, 1908 noch
                              									garnicht in der Lage, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. In der Tat war denn auch
                              									die Fig. 194 nur eine Zusammenstellung zufällig und willkürlich angewendeter
                              									Nutzspannungen, und mit dem Versuchsplan lag also auch die Formgebung dieser
                              										„Schaulinie“ völlig in Herrn Kammerers
                              									Belieben.
                           Um so unbegreiflicher ist es, daß Herr Kammerer einer
                              									solchen Figur die Unterschrift „zulässige Belastung“ zu geben wagte und daß
                              									er im zugehörigen Text gar behaupten konnte, das Problem im wesentlichen bereits im
                              									Sinne steigender Nutzspannung entschieden zu haben, derart, daß nur vielleicht eine
                              									spätere Höherlegung der ganzen Schaulinie in Frage kommen würde. Diese Behauptung
                              									fand, wie man sich denken kann, schnelle Verbreitung, sie wurde in einem bekannten
                              									Buch über Ledertreibriemen bereits zu einer „glänzenden Bestätigung“ und ging
                              									in zwei Auflagen des Taschenbuches der Hütte über, das doch von Forschungsarbeiten
                              									wahrlich nur Quintessenzen bringen kann und soll. Wenn Herr Kammerer die Fig. 194 wirklich nicht als Quintessenz gelten lassen wollte,
                              									so hätte er meines Erachtens dafür sorgen sollen, daß sie nicht in die Hütte
                              									gelangte oder wenigstens nicht darin blieb, anstatt sich jetzt zu beschweren, daß
                              									man ihr eine Bedeutung beilegt, die ihr nach ihrem inneren
                                 										Werte freilich nicht zukommt.
                           Gegen den Vorwurf der Splitterrichterei deckt mich das Votum des Wissenschaftlichen
                              									Beirates des Vereines Deutscher Ingenieure.
                           Dortmund, den 11. November 1913.
                           Rudolf Skutsch.