| Titel: | Die Halbwattlampe, eine neue Glühlampe mit geringem Verbrauch. | 
| Autor: | Marcello v. Pirani | 
| Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 7 | 
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                        Die Halbwattlampe, eine neue Glühlampe mit
                           								geringem Verbrauch.
                        Von Dr. Marcello v. Pirani,
                           								Privatdozent an der Kgl. Techn. Hochschule in
                              										Charlottenburg.
                        v. PIRANI: Die Halbwattlampe, eine neue Glühlampe mit geringem
                           								Verbrauch
                        
                     
                        
                           Schon seit dem ersten Auftreten der Wolframglühlampen in der Oeffentlichkeit im
                              									Jahre 1906 hat man sich unablässig bemüht, den spezifischen Verbrauch der Lampen,
                              									der anfänglich 1,3 bis 1,4 W/K betrug, immer mehr zu reduzieren, ihre Oekonomie zu
                              									verbessern. Besondere Bedeutung erhielten die Bestrebungen von dem Augenblick an,
                              									als man es mit Erfolg versuchte, die Glühlampen in das Gebiet der Großbeleuchtung
                              									einzuführen, d.h. sie der Bogenlampe an die Seite zu stellen.
                           Die Oekonomie eines vermöge seiner hohen Temperatur strahlenden Körpers wird
                              									bekanntlich charakterisiert durch das Verhältnis der von ihm aufgenommenen
                              									Gesamtenergie zu der ausgesandten sichtbaren Strahlung. Steigert man die Temperatur
                              									des glühenden Körpers, so wird dieses Verhältnis kleiner. Der einfachste Weg, die
                              									Wirtschaftlichkeit einer Lichtquelle zu verbessern, besteht also darin, daß man die
                              									Temperatur des Leuchtkörpers erhöht. Eine natürliche Grenze für diese Steigerung
                              									bildet erklärlicherweise sein Schmelzpunkt.
                           Es zeigte sich aber in der Praxis, daß auch weit unter dem Schmelzpunkt der erwähnte
                              									Weg ungangbar wird, weil die Lichtabnahme der Lampen infolge von Schwärzung sehr
                              									bald derartig schnell erfolgte, daß man die durch die Temperatursteigerung
                              									gewonnenen wirtschaftlichen Vorteile infolge des häufiger notwendig werdenden
                              									Lampenersatzes wieder einbüßte.
                           Diese Tatsache gab die Anregung zu einer Reihe wichtiger Untersuchungen über die
                              									Ursachen, durch welche die Schwärzung hervorgerufen wird. Es ließ sich zunächst
                              									durch chemische Analyse leicht feststellen, daß der schwarze Beschlag ausschließlich
                              									aus dem Metall des Leuchtdrahtes bestand und daß die zunächst naheliegende
                              									Vermutung, daß der Draht durch die beim Pumpen übrig gelassenen Sauerstoffreste
                              									chemisch angegriffen worden sei, sich chemisch jedenfalls nicht bestätigen ließ.
                              									Trotzdem war die Idee nicht von der Hand zu weisen, daß die Zerstäubung in irgend
                              									einem Zusammenhang mit den Restgasen stände, besonders wenn man bedenkt, daß selbst
                              									nach denkbar bester Evakuierung noch immer etwa 30000 Millionen GasmoleküleNimmt man an, daß 3 . 1019 Moleküle f. d. cm3 in Luft von Atmosphärendruck enthalten
                                    											sind und daß die beste moderne Hochvakuumpumpe ein Vakuum von der
                                    											Größenordnung 10–9 at zu erzeugen vermag,
                                    											so ergibt sich die oben genannte Zahl. f. d. ccm in der
                              									Lampenbirne verbleiben.
                           Ein noch besseres Vakuum zu erzielen, war nicht möglich, jedoch war innerhalb
                              									ziemlich weiter Grenzen ein Einfluß der Höhe des Vakuums auf die Schwärzung nicht
                              									nachweisbar. Dagegen stellte es sich heraus, daß Wasserdampfspuren, deren Druck viel
                              									geringer war, als jener der übrig gelassenen Luft, schon einen sehr deutlich
                              									nachteiligen Einfluß hatten und ein Auftreten der Schwärzung in erheblich kürzerer
                              									Zeit bewirkten.
                           
                           Der amerikanische Physiker Langmuir machte daher den
                              									Versuch, den Wasserdampf vollkommen auszuschließen, indem er die Lampe bis zum
                              									Erweichungspunkt des Glases erwärmte und so auch die auf dem Glase haftende
                              									Wasserhaut vollkommen austriebProc. Am. Inst. of
                                    											Electr. Eng. 1913, S. 1902.. Das Einfallen des Glases bei der
                              									hohen Temperatur infolge der Wirkung des äußeren Luftdruckes wurde dadurch
                              									vermieden, daß der die Lampenglocke umschließende Ofen evakuiert wurde.
                           Das Resultat dieser Versuche war negativ. Die Lampen unterschieden sich in nichts von
                              									anderen sehr sorgfältig hergestellten Exemplaren, bei denen das Glas nicht von der
                              									Wasserhaut befreit war, ein Zeichen dafür, daß der Wasserhaut des Glases nur eine
                              									untergeordnete Bedeutung zukommt. Weitere Untersuchungen von Langmuir über den Gewichtsverlust von Wolframdrähten bei verschiedenen
                              									Glühtemperaturen führten zu der Ansicht, daß die Schwärzung der Lampen einfach
                              									dadurch bedingt wird, daß das Wolfram bei den in Betracht kommenden Temperaturen
                              									bereits in ganz geringem Maße verdampft, und zwar ergab sich als Dampfdruck des
                              									Wolframs bei 2050° (Betriebstemperatur der Fäden in normalen Wolframglühlampen) die
                              									Größenordnung 10–8 mm Quecksilbera. a. O. S. 1909.. Der Dampfdruck
                              									steigt dann ziemlich schnell an, um beim Schmelzpunkt des Wolframs (3000°) 0,08 mm
                              									zu erreichen. Hierdurch ist vollkommen erklärt, warum bei zunehmender Temperatur,
                              									auch wenn man relativ weit vom Schmelzpunkt entfernt ist, die Schwärzung der Lampe
                              									schnell wächst.
                           Es wurde nun versucht, die Schwärzung dadurch zu unterdrücken, daß in der
                              									Lampenglocke chemische Verbindungen, z.B. zersetzliche Chloride, untergebracht
                              									wurden, die infolge der Erwärmung beim Brennen der Lampen Chlor abspalteten. Da
                              									dieses mit dem Wolfram lichtdurchlässige Verbindungen bildet, gelang es tatsächlich
                              									auch, Lampen mit einem Verbrauch von 0,85 W/K (entsprechend einer Fadentemperatur
                              									von 2160° C) zu bauen, welche bezüglich der Lichtkonstanz die gleiche Qualität
                              									aufwiesen, wie die früheren, 1,1 W/K verbrauchenden Lampen.
                           Als man auch mit diesem Verfahren keine weiteren Fortschritte mehr machen zu können
                              									glaubte, griff man zu einem Auskunftsmittel, welches zunächst auf Grund einer großen
                              									Anzahl von früheren erfolglosen Versuchen als einigermaßen absurd erscheinen konnte.
                              									Man füllte nämlich die Lampe, statt sie zu evakuieren, mit einem indifferenten Gas,
                              									z.B. Stickstoff.
                           Dabei zeigte sich überraschenderweise, daß man, ohne eine erheblich größere
                              									Zerstäubung zu erhalten als sie unter normalen Verhältnissen stattfindet, die
                              									Temperatur des Fadens um mehrere 100° erhöhen konnte. Allerdings führt dieses
                              									Experiment zu keinem praktischen Erfolg bezüglich der Oekonomie der Lampen, denn
                              									infolge der starken Wirbelung des Gases wachsen die Wärmeverluste so außerordentlich
                              									an, daß man den durch die Temperaturerhöhung erzielten Vorteil wieder verliert.
                           Die Wärmeverluste können nun, wie experimentell festgestellt wurde, dadurch
                              									außerordentlich verkleinert werden, daß man die vom Gase bespülte wirksame
                              									Oberfläche des Drahtes möglichst klein macht im Verhältnis zu seinem Querschnitt,
                              									oder, da man bei Glühlampen bestimmter Spannung und Stromstärke an gewisse
                              									Drahtdimensionen gebunden ist, indem man die Fäden in Form von möglichst großen und
                              									eng gewickelten Spiralen anordnet, deren Weite allerdings durch die Abnahme der
                              									Festigkeit des Drahtes in weißglühendem Zustande begrenzt istJ. Langmuir und J. A.
                                    												Orange, Electr. World 62 (1913) S.
                                    										798.. Tatsächlich gelingt es, durch Verwendung eines indifferenten
                              									Gases, in Kombination mit der spiralförmigen Anordnung des Drahtes, hochkerzige
                              									Lampen herzustellen, deren spezifischer Verbrauch 0,5 W/HKDiese Angabe bezieht sich, da es sich um
                                    											Starklichtquellen handelt, welche mit den Bogenlampen in Vergleich zu ziehen
                                    											sind, auf die in der unteren Halbkugel ausgestrahlte mittlere Lichtstärke,
                                    											wenn die Lampen in der Armatur hängen. beträgt bei einer
                              									Temperatur des Leuchtdrahtes von rund 2600° C.
                           Die mittlere Lebensdauer dieser Lampen beträgt rund 800 Stunden, und die Lichtabnahme
                              									in dieser Zeit bleibt in der Regel unter 20 v. H.
                           Abb. 1 zeigt die Lichtveränderung einer 2000 kerzigen
                              									110 Volt-Wotan-Halbwattlampe während ihrer Brennzeit.Die Herstellerin der Wotan-Halbwattlampen ist
                                    											die Siemens & Halske A.-G. Außerdem werden
                                    											Halbwattlampen von der Deutschen
                                       												Gasglühlicht-Aktiengesellschaft (Auergesellschaft), von der A. E.
                                    											G. und von Bergmann auf den Markt
                                    										gebracht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 8
                              Abb. 1.
                              
                           Die neue Halbwattlampe wird für Energien von 300 bis 1500 Watt (entsprechend 600 bis
                              									3000 Kerzen) und von 1000 Watt ab bis zu Spannungen von 240 Volt hergestellt und hat
                              									sich bereits in der Praxis vorzüglich bewährt.
                           Infolge der hohen Temperatur ist die spezifische Strahlung des Leuchtdrahtes etwa
                              									sechs bis achtmal so groß als bei der normalen Wolframlampe; dies hat einerseits zur
                              									Folge, daß das Licht eine angenehme, klarweiße Färbung erhält, anderseits ist
                              									besonders bei Innenbeleuchtung natürlich darauf zu achten, daß das Auge nicht direkt
                              									von der blendenden Strahlung getroffen wird. Man schützt sich hiergegen durch
                              									geeignete Armaturen, die so angeordnet werden, daß das nackte Leuchtsystem von
                              									keiner Seite sichtbar ist, oder man wendet Opalglocken an, welche das Licht
                              									verteilen und mildern.
                           
                           Gleich nach dem Erscheinen der hochkerzigen Halbwattlampen in der
                              									Oeffentlichkeit ist die Frage laut geworden, ob es auch möglich sein wird, Lampen
                              									geringerer Kerzenstärke mit einem Verbrauch von ½ Watt für die Kerze
                              									herzustellen.
                           Hierüber läßt sich heute noch nichts Definitives sagen, da mit der Erfindung der
                              									Halbwattlampen eine Menge technischer Fragen in Fluß gekommen sind, welche
                              									wegen der Kürze der inzwischen verflossenen Zeit noch nicht zur Erledigung gelangen
                              									konnten, unter anderm z.B. auch die, ob es möglich sein wird, die Betriebstemperatur
                              									des Leuchtdrahtes noch näher an die Schmelztemperatur heranzubringen, um die
                              									Oekonomie weiter zu steigern.