| Titel: | Vermeintliche und wirkliche Ueberspannungswirkungen in Hochspannungsanlagen. | 
| Autor: | Felix Finckh | 
| Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 18 | 
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                        Vermeintliche und wirkliche
                           								Ueberspannungswirkungen in Hochspannungsanlagen.Wegen der
                                 										Wichtigkeit des Gegenstandes für die weitesten technischen Kreise bringen wir
                                 										hier einen Abdruck aus „ETZ“ Heft 51 (1913) mit Zustimmung
                                 										von Verfasser und Schriftleitung der „ETZ“.Redaktion.
                        Von Felix Finckh,
                           									Halensee.
                        FINCKH: Vermeintliche und wirkliche Ueberspannungswirkungen in
                           								Hochspannungsanlagen
                        
                     
                        
                           Wer die Entstehung und die Entwicklung der Hochspannungsanlagen von den Anfängen
                              									der Wechselstrombetriebe an bis in die neueste Zeit verfolgt hat und in
                              									betriebstechnischer Hinsicht diese Anlagen näher kennen zu lernen Gelegenheit hatte,
                              									dem dürfte es aufgefallen sein, daß seit den letzten Jahren, und besonders in der
                              									allerneuesten Zeit den Ueberspannungen und den Einflüssen atmosphärischer Vorgänge
                              									ein größere Bedeutung zugeschrieben wird, als in früheren Jahren. In den Kreisen der
                              									Betriebsleiter neuerer Anlagen hat sogar im Gegensatz zu früher mitunter eine
                              									offensichtliche Beunruhigung angesichts der drohenden Ueberspannungen und ihrer
                              									angeblichen Folgen Platz gegriffen. Nicht selten herrscht Besorgnis wegen
                              									Ueberspannungen, die angeblich in einer solchen Größe aufgetreten sind, daß
                              									beispielsweise zwischen Sammelschienen oder Decken- und Wanddurchführungen, oder von
                              									diesen aus nach benachbarten in erheblichem Abstand von ihnen befindlichen geerdeten
                              									Metallteilen „Ueberschläge“ stattgefunden
                              									haben.
                           Wenn man zunächst von den neuerdings angewandten sehr hohen Betriebsspannungen
                              									absieht und nur mittelhohe Betriebsspannungen, etwa bis
                                 										zu 20 KV, berücksichtigt, so müßten, um derartige Ueberschläge zu erklären,
                              									die Ueberspannungen im Verhältnis zu der Betriebsspannung allerdings sehr
                              									beträchtlich gewesen sein. Man bedenke, daß zum Ueberschlag eines jeden Zentimeters
                              									Luftlänge angenähert 20 KV erforderlich sind, und daß die in solchen Anlagen
                              									gebräuchlichen, in einwandfreiem Zustand befindlichen Isolatoren,
                              									Leitungsdurchführungen usw. erst bei etwa dem fünf- bis sechsfachen Wert der
                              									Betriebsspannung überschlagen werden.
                           Nun ist es auffallend, daß denjenigen Betriebsleitern, die in früheren Jahren, etwa am Ende des vorletzten Dezenniums, den damaligen
                              									Hochspannungsanlagen vorgestanden haben, die geschilderten Erscheinungen unbekannt
                              									waren, sofern nicht direkte Blitzschläge in Betracht kamen. Ich kann aus eigener
                              									Erfahrung sagen, daß während meiner damaligen mehrjährigen Bau- und
                              									Betriebstätigkeit in sehr ausgedehnten Anlagen des In- und Auslandes Ueberspannungen
                              									sich niemals in bedenklicher Weise fühlbar gemacht haben, selbst bei solchen Anlagen
                              									nicht, deren Netze über gebirgige, gewitterreiche Gegenden führten. Es sei dazu
                              									bemerkt, daß diese Anlagen bezüglich ihrer Ausdehnung und der Höhe ihrer
                              									Betriebsspannung hinter vielen neuzeitlichen Anlagen nicht zurückstanden; nur die
                              									Zentralenleistungen waren damals im allgemeinem kleiner, und meistens waren zur
                              									Erzeugung der Hochspannung „Primärtransformatoren“
                              									angewendet. Betriebsstörungen sind naturgemäß ebenfalls vorgekommen, aber sie
                              									gehörten selbst während der Gewitterperioden zu den großen Ausnahmen. Ueberschläge
                              									aber, wie sie oben geschildert sind, waren meiner Erinnerung nach nie zu
                              									verzeichnen, und auch Transformatorenbeschädigungen kamen beinahe gar nicht vor,
                              									obgleich regelrechte Ueberspannungsschutzapparate, mit
                              									Ausnahme von sehr unempfindlich eingestellten, auf Masten montierten Blitzableitern,
                              									überhaupt nicht vorhanden waren. Die luftgekühlten
                              									Transformatoren waren noch obendrein in ziemlich primitiver Weise mit Preßspan- und
                              									Holzisolation ausgeführt.
                           Man ist daher unwillkürlich vor die Frage gestellt, womit es eigentlich zu begründen
                              									ist, daß in dieser Hinsicht gegen früher eine solche auffallende Aenderung eingetreten ist.
                              									Sind etwa die atmosphärischen Vorgänge und die betriebsmäßigen Ueberspannungen
                              									heftiger geworden als in früheren Zeiten?
                           Diese beiden Fragen lassen sich ohne weiteres verneinend
                              									beantworten, denn es wird einleuchtend sein, daß der Charakter der Gewitter heute
                              									wohl noch genau derselbe ist, wie damals, und wie er wohl durchschnittlich zu allen
                              									Zeiten gewesen sein wird. Auch für die Entstehung der betriebsmäßigen Ueberspannungen war damals der Boden genau so geebnet, wie
                              									heute, denn an den elektrischen Eigenschaften (Netzkapazität. Frequenz und
                              									Selbstinduktion der Leitungen), die für das Zustandekommen der betriebsmäßigen
                              									Ueberspannungen maßgebend sind, hat sich in der Zwischenzeit nichts Wesentliches
                              									geändert.
                           Es liegt also kein Grund zu der Annahme vor, daß etwa die Heftigkeit und Häufigkeit
                              									der Ueberspannungen im Vergleich zu den früheren Zeiten zugenommen haben könnte.
                              									Umgekehrt, man kann füglich das Gegenteil behaupten, denn einesteils wurde infolge
                              									des klareren Einblicks in das Wesen und die Natur der Ueberspannungen durch eine
                              									sinngemäßere Betriebsführung ihrer Entstehung nach Möglichkeit vorgebeugt, und
                              									andernteils ist seit der allgemeinen Einführung der Oelschalter, Oelschutzschalter,
                              									Ueberspannungsschutzapparate und dergleichen eine Verminderung, sowohl der
                              									Häufigkeit als auch der Heftigkeit der Ueberspannungen, fraglos herbeigeführt
                              									worden.
                           Mit der Mehrung der angeblich auf Ueberspannungen beruhenden Störungen und
                              									Beschädigungen gegenüber früherer Jahre muß es also eine andere Bewandtnis
                              									haben.
                           
                        
                           Vermeintliche
                                 									Ueberspannungen.
                           Um dem wirklichen Sachverhalt näher zu kommen, möchte ich auf Grund meiner
                              									zahlreichen und langjährigen Untersuchungen auf diesem Gebiete gleich von vornherein
                              									erklären, daß ein sehr erheblicher Teil der gegenwärtigen vermeintlichen
                              									Ueberspannungsfälle mit Ueberspannungen entweder garnichts oder nur indirekt zu tun hat, und daß
                              									es bei ihnen nur den Anschein hat, als ob Ueberspannungen im Spiele wären. Die
                              									eigentlichen Ursachen sind häufig in unliebsamen Nebeneigenschaften solcher Apparate
                              									begründet, die man in den damaligen Jahren noch nicht verwendet hat, wie
                              									Oeltransformatoren, Oelschalter, Hochspannungsmaschinen und dergleichen. Ich möchte
                              									in dieser Hinsicht von den sehr vielen darauf bezüglichen Fällen einige
                              									charakteristische Beispiele anführen und einige Erörterungen daran knüpfen.
                           a) In einem ausgedehnten mit 10 KV betriebenen Ueberlandkabelnetz, dessen in großer
                              									Anzahl angeschlossene Oeltransformatoren mehrere Jahre hindurch ohne nennenswerte
                              									Störungen arbeiteten, stellten sich von einem bestimmten Zeitpunkt ab
                              									Transformatorenbeschädigungen ein, deren Zahl in rascher Aufeinanderfolge von Tag zu
                              									Tag wuchs. Es wurde unwillkürlich vermutet, daß sich beim Betrieb des Netzes irgend
                              									welche anormalen Verhältnisse eingeschlichen haben, welche Ueberspannungen und
                              									dadurch die Transformatorenbeschädigungen bedingen. Die Untersuchung ergab
                              									zunächst, daß nur solche Transformatoren betroffen wurden, die tagsüber vollbelastet in Betrieb waren und während der Nacht vom
                              									Hochspannungsnetz abgeschaltet waren, während die dauernd
                              									eingeschalteten Transformatoren unbeschädigt blieben. Man neigte daher zuerst der
                              									Ansicht zu, daß die fortwährenden Schaltmanipulationen, die mehrmals täglich hochspannungsseitig vorgenommen wurden, die Ursache
                              									seien, indem sie Wellen auslösen, was allerdings für die Schutzschalter, mit denen
                              									die betreffenden Transformatoren geschaltet wurden, kein gutes Zeugnis gewesen wäre.
                              									Die innere Untersuchung mehrerer solcher, zum Teil unbeschädigter
                              										„Tagestransformatoren“ ergab indessen, daß sie im Gegensatz zu den
                              									dauernd eingeschalteten Transformatoren große Mengen von Wasser enthielten, so daß
                              									an der Ursache der Transformatorenbeschädigungen kein Zweifel mehr bestand.
                           Diese Erscheinung erklärte sich durch eine der unliebsamen Nebeneigenschaften der
                              									Oeltransformatoren, nämlich, daß ihr Oelvolumen sich mit der Temperatur ändert. Die
                              									Transformatoren verdrängen, da sie niemals völlig luftdicht verschlossen sind,
                              									während der Erwärmungsperiode des Oeles einen Teil ihrer Innenluft und saugen
                              									während der Abkühlungsperiode dieselbe Luftmenge aus der Umgebung wieder an (sogen.
                              									Atmen der Transformatoren), wobei sich während eines jeden solchen Atmungsvorgangs
                              									ein Teil der Feuchtigkeit der Frischluft im Transformator niederschlägt. Ich bemerke
                              									übrigens, daß diese schädlichen Vorgänge neuerdings durch besondere, keine besondere
                              									Bedienung erfordernde Vorrichtungen (Oelkonservatoren) vermieden werden.
                           b) Ein weiteres Beispiel betrifft eine neuzeitliche Großgasmaschinen – Zentrale. In
                              									dieser liefen mehrere 1500 KVA-Generatoren, 5000 V parallel, und ihre Erwärmung war
                              									im Dauervollbetrieb völlig belanglos. Nach mehrjährigem, anstandslosem Betrieb
                              									stellten sich an den Generatoren wiederholt Spulenverbrennungen
                              									(Kurzschlußwindungen) ein. Bei einem gelegentlich hinzukommenden Kurzschluß im Netz
                              									verbrannten alsdann bei mehreren Maschinen gleichzeitig eine große Anzahl von
                              									Spulen. Man zweifelte zunächst nicht daran, daß Ueberspannungen die Ursache seien,
                              									daß der vorhandene Ueberspannungsschutz nicht ausreiche und vervollkommnet werden
                              									müsse. Ich untersuchte zunächst an Hand der mir zur Verfügung gestellten
                              									Wicklungsdaten, ob die Maschinen zu Beschädigungen durch Ueberspannungen neigen,
                              									d.h., ob sie besonders überspannungsempfindlich seien
                              									(auf den Begriff der „Ueberspannungsempfindlichkeit“ komme ich später
                              									zurück). Diese Voruntersuchungen ergaben, daß als Ursache der Spulenverbrennungen
                              										unmöglich Ueberspannungen in Betracht kommen können,
                              									und eine daran anschließende Untersuchung an Ort und Stelle bestätigte dies auch.
                              									Als nämlich aus den Maschinen einige noch betriebsfähige Spulen ausgebaut und an
                              									ihnen durch Entfernung der Nutenisolation die Drähte freigelegt waren, zeigte es
                              									sich, daß die Drahtisolationen an denjenigen Stellen, wo die Drähte aneinanderlagen,
                              									also an den einander zugekehrten Seiten, völlig abgeschliffen und nahezu blank gescheuert
                              									waren. Die mechanische Erschütterung der Wicklung infolge des erwähnten
                              									Kurzschlusses hat dann vollends die Windungsschlüsse, und die dadurch bedingten
                              									Spulenverbrennungen herbeigeführt. Das Abschleifen der Drahtisolationen rührte
                              									daher, daß die rhythmischen Ausgleichströme des nicht sonderlich gut gehenden
                              									Parallelbetriebs kleine Dauerbewegungen der vielleicht nicht fest genug gelagerten
                              									Drähte zur Folge hatten.
                           Es ist natürlich einleuchtend, daß nach Klarstellung dieser Sachlage von
                              									Ueberspannungen nicht mehr die Rede sein konnte, und daß eine Vervollkommnung des
                              									bestehenden Ueberspannungsschutzes sich erübrigte.
                           c) Eine andere Vorbedingung, die genau in derselben Weise und unter denselben
                              									Umständen zu Kurzschlußwindungen an Hochspannungsmaschinen führt, ist dann gegeben,
                              									wenn die Maschinen zur Nitrierung neigen, und die
                              									Isolation der Spulendrähte infolge von Salpetersäurebildung durch die sogen, stille
                              									Entladung der Betriebsspannung allmählich zersetzt worden ist. Das äußere Bild
                              									derartiger Beschädigungen ist genau so, als ob diese durch Ueberspannungen
                              									eingeleitet worden wären, und in beinahe allen derartigen Fällen wurde als Ursache
                              									der Beschädigungen irrtümlicherweise zunächst „Ueberspannungen“ angenommen.
                              									Auch hier gibt, wie in obigem Falle, die innere Untersuchung einiger noch
                              									betriebsfähiger und möglichst nahe an den Ausführungsklemmen gelegener Spulen sofort
                              									Aufschluß über den wahren Sachverhalt und zugleich die beste Widerlegung etwaiger
                              									irrtümlicher Anschauungen.
                           Es sei übrigens bemerkt, daß die Gefahr der Nitrierung von Maschinenwicklungen in
                              									neuerer Zeit dadurch vollkommen vermieden ist, daß von einer bestimmten Höhe der
                              									Betriebsspannung ab als Isolation der Nutenleiter entweder glimmerisolierte
                              									Stabwicklung verwendet wird oder bei Draht- und Litzenwicklung die Statorspulen
                              									zwecks Verhinderung des Lufteintritts mittels Compoundmasse durchtränkt werden.
                           d) Man hört häufig von Ueberschlägen zwischen
                                 										Oelschalterklemmen infolge von Ueberspannungen, vorherrschend an solchen
                              									Schaltern, die mit selbsttätigen Maximalauslöserrelais versehen sind. Meist werden
                              									die Spulen dieser Relais für die Schalterüberschläge verantwortlich gemacht, weil
                              									sie für die Ueberspannungen, die bei der Betätigung des Schalters auftreten,
                              									drosselnd wirken.
                           Diese Spulen sind indessen nur für die betriebsmäßig an ihnen auftretende geringe
                              									Spannung isoliert, es können sich daher gefährliche Spannungen an ihnen nicht
                              									entwickeln. Gewöhnlich treten bei Schalterbetätigungen „Funken“ zwischen einzelnen Windungen dieser Spulen auf, die aber
                              									in den meisten Fällen völlig harmloser Natur sind und keine weiteren Folgen haben.
                              									Ich habe schon vor Jahren diesem Punkt meine Aufmerksamkeit zugewandt und in dieser
                              									Hinsicht in Hochspannungsanlagen Versuche angestellt. Dabei ist es mir aber, selbst
                              									bei Anlagen mit sehr hohen Betriebsspannungen, trotz vielfacher, unter sehr
                              									ungünstigen Bedingungen ausgeführter Schalterbetätigungen nicht ein einziges
                              									Mal gelungen, einen Schalterüberschlag künstlich herbeizuführen, oder
                              									Ueberspannungen von gefahrbringender Größe zu erzielen. In besonders ausgeprägten
                              									Fällen, in denen die Spulen gefährdet erschienen, half zu ihrem Schütze die
                              									nachträgliche Anbringung einer empfindlich eingestellten Parallelfunkenstrecke
                              									vollkommen und dauernd.
                           Die Ursache der Ueberschläge zwischen den Schalterklemmen
                              									hat mit Ueberspannungen nichts zu tun, sondern beruht
                              									beinahe ausschließlich auf einer Ueberbrückung der außenliegenden
                              									hochspannungführenden Teile durch leitende Gase oder durch Fremdkörper.
                              									Beispielsweise sind die Verbrennungsprodukte, die bei Vorhandensein eines
                              									Hochspannungslichtbogens unter Oel aus dem letzteren entweichen, unter bestimmten
                              									Umständen für Hochspannung leitend und besitzende
                              									Fähigkeit, hochspannungführende blanke Metallteile verschiedener Phasen zu
                              									überbrücken.
                           Solche Vorgänge liegen beinahe ausnahmslos den Schalterüberschlägen zugrunde, wenn
                              									der Schalter unter schweren Bedingungen, etwa bei Netzkurzschlüssen, auslöst und
                              									dabei den Kurzschlußstrom nicht rasch genug unterbricht.
                           Dieser Gefahr sind hauptsächlich solche Oelschalter ausgesetzt, deren unter Oel
                              									befindliche Kontakte bereits infolge vorangegangener häufiger Schaltvorgänge in
                              									Mitleidenschaft gezogen sind, und bei denen es verabsäumt wird, die Kontakte
                              									rechtzeitig nachzuarbeiten oder zu erneuern. Die Gefahr der Ueberschläge wird noch
                              									besonders erhöht, wenn die Oelkessel nicht genügend mit Oel gefüllt sind.
                           Die Oelschalter mit selbsttätiger Auslösung sind im Vergleich zu den Schaltern für
                              									Handbetätigung in obiger Hinsicht viel ungünstiger daran, weil die Auslöserelais
                              									stets in Bereitschaft stehen, „Netzkurzschlüsse“ sozusagen „in
                                 										flagranti“ zu unterbrechen, während dies bei Schaltern für Handbetätigung
                              									nicht oder höchst selten vorkommt.
                           Eine ebensolche überbrückende Wirkung, wie leitende Gase, üben bekanntlich auch
                              									Metalldämpfe aus, welche beispielsweise dann entstehen, wenn eine
                              									Porzellandurchführung mechanisch beschädigt ist und aus irgend einem äußeren Anlaß
                              									(z.B. Erdschluß) an der schadhaften Stelle ein Stromübergang stattfindet. Solche
                              									schadhafte Stellen an Porzellandurchführungen sind nicht selten, besonders wenn mit
                              									unzweckmäßigen, treibenden Kittmitteln gearbeitet wurde. Die Durchführungsklemmen
                              									und Porzellanteile der Oelschalter sind in dieser Hinsicht besonders ungünstig
                              									daran, weil bei ihnen noch die Erschütterungen bei der Betätigung der Schalter
                              									hinzukommen.
                           Auch infolge von gelockerten Schraubverbindungen oder sonstigen schlechten
                              									Kontaktstellen bilden sich beim Stromdurchgang Metalldämpfe, die ebenfalls zu
                              									Ueberbrückungen führen können.
                           Bei kleinen Oelschaltertypen, bei denen die Klemmen verhältnismäßig nahe beieinander
                              									liegen, habe ich häufig gefunden, daß die Ueberschläge vorherrschend durch zwischen
                              									die Schalterklemmen fliegende Insekten (Nachtfalter usw.) eingeleitet wurden. Die
                              									Ueberreste solcher Tiere konnte man in solchen Fällen meistens noch auf der Grundplatte des
                              									Schalters oder in seiner nächsten Nähe vorfinden.
                           Weniger bei Oelschaltern, ala bei andern Hochspannungsapparaten, können auch „Mäuse“ solche überspannungsähnliche Erscheinungen
                              									hervorrufen. Ich habe in dieser Hinsicht einen Stromwandler in Erinnerung, welcher
                              									in die Fabrik zur Reparatur eingesandt worden war, mit dem Hinweis, daß er infolge
                              									von Ueberspannungen durchgeschlagen sei. Nach Abnahme der Kappe dieses Stromwandlers
                              									kamen alsdann diese „Ueberspannungen“ in Form von sieben verbrannten Mäusen,
                              									die sich in seinem Innern eingenistet hatten, zum Vorschein.
                           e) In engem Zusammenhang mit solchen Ueberbrückungen durch leitende Gase oder
                              									Fremdkörper stehen die eingangs angeführten Ueberschläge großer Luftabstände, also die Ueberschläge zwischen
                                 										Sammelschienen und dergleichen. Zur Beruhigung der interessierten Kreise
                              									sei erwähnt, daß es bei den mittelhohen Betriebsspannungen solche Ueberspannungen,
                              									die imstande wären, derartig große Abstände zu
                              									überschlagen, meines Erachtens heutigentags ebensowenig gibt,
                                 										wie in früheren Zeiten, sofern man wieder von direkten Blitzschlägen oder
                              									Blitzverästelungen oder von sehr unwahrscheinlichen Ausnahmefällen (vergl. nächstes
                              									Kapitel) absieht.
                           In allen Fällen, in denen solche Ueberschläge auf große Entfernungen gemeldet wurden,
                              									konnte ich nachweisen, daß es sich nicht um Ueberspannungen handelte, sondern
                              									einfach um verschleppte Kurzschlußlichtbogen. Dieselben waren an irgend einer
                              									Stelle, etwa an den Klemmen eines Oelschalters auf unter c) beschriebene Weise,
                              									entstanden und wurden alsdann durch Wärmeauftrieb und magnetische Blaswirkung nach
                              									andern Stellen der Schaltanlage getrieben. Bisweilen geschah auch die Einleitung
                              									solcher Kurzschlüsse durch unsachgemäß oder sinnwidrig montierte Hörnerableiter in
                              									der Weise, daß die bei ihrem Ansprechen entstehenden Lichtbogen mit geerdeten
                              									Metallteilen oder spannungführenden Leitungen in Berührung kamen und Kurzschluß
                              									herbeiführten. Solche Kurzschlüsse können naturgemäß dann besonders leicht
                              									vorkommen, wenn zufälligerweise im Netz ein Erdschluß vorhanden ist, oder wenn die
                              									Dämpfungswiderstände der Hörnerableiter unbeständig sind und dadurch für die
                              									Raumverhältnisse zu hohe Hörnerlichtbogen aufkommen lassen.
                           Diese hierdurch eingeleiteten Kurzschlußlichtbogen wandern von ihrem
                              									Entstehungsort aus mit ziemlicher Geschwindigkeit an den Leitungen entlang, meist
                              									bis zu den obersten Stellen der Schaltanlage, wo sie alsdann hängen bleiben,
                              									beängstigend aussehende Brandspuren hinterlassen und den Eindruck von dort
                              									entstandenen Ueberschlägen erwecken. Auf ihrem Wege bis dorthin hinterlassen sie an
                              									den Leitungen meist nur winzige Brandspuren in Form von kleinen spärlich gesäten
                              									Schmelzperlen, die nur bei genauem Absuchen der zuvor spannungslos gemachten
                              									Leitungen vorgefunden werden können und daher dem Auge der Betriebsleitung leicht
                              									entgehen können, besonders, wenn sie, wie dies auch vorkommt, auf der dem Beschauer
                              									abgewandten Seite der Leitungen liegen.
                           In ähnlicher Weise, wie diese vermeintlichen Ueberschläge an Sammelschienen, können
                              									auch meistens Ueberschläge zwischen Wanddurchführungen und Ueberschläge an
                              									Schalttafel- und Freileitungsisolatoren erklärt werden. Bei den letzteren spielen
                              									die auf die Traversen sich niederlassenden Vögel eine große Rolle und besonders die
                              									in diesem Jahre zu Millionen auftretenden Stare haben in dieser Hinsicht viel auf
                              									dem Gewissen. Ich stehe den Befunden zufolge grundsätzlich schon seit einigen Jahren
                              									auf dem Standpunkt, daß bei mittelhohen Betriebsspannungen, von ganz vereinzelten
                              									Ausnahmen abgesehen, alle derartigen Ueberschläge und Durchschläge auf andere Ursachen, als auf betriebsmäßige Ueberspannungen, zurückzuführen sind. Dasselbe gilt auch
                              									für Durchschläge von Hochspannungskabeln, sofern die Kabel nach modernen
                              									Gesichtspunkten und für die dabei übliche sehr hohe Durchschlagsspannung konstruiert
                              									sind.
                           Wenn es sich nicht um mittelhohe, sondern um die höchsten
                              									heutigentags angewandten Betriebsspannungen handelt, so liegen in dieser Hinsicht
                              									die Verhältnisse naturgemäß anders, weil hierbei im Gegensatz zu den mittelhohen
                              									Betriebsspannungen die Durchschlags- und Ueberschlagsgrenze der verwendeten
                              									Isolatoren und Isoliermaterialien näher an der normalen Betriebsspannung liegt, und
                              									daher schon bei verhältnismäßig geringen Spannungserhöhungen Ueberschläge oder
                              									Durchschläge möglich sind.
                           
                              (Schluß folgt.)