| Titel: | Die technische Bedeutung von Entnebelungsanlagen. | 
| Autor: | Oscar Gerold | 
| Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 86 | 
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                        Die technische Bedeutung von
                           								Entnebelungsanlagen.
                        Von Oscar Gerold, beratender Ingenieur,
                           									Berlin.
                        GEROLD: Die technische Bedeutung von
                           								Entnebelungsanlagen.
                        
                     
                        
                           In Räumen, in denen sich viel Wasserdampf entwickelt, wie in Spinnereien,
                              									Färbereien und Papierfabriken bilden sich namentlich in kalten Jahreszeiten Nebel,
                              									welche nach verschiedenen Richtungen hin lästig empfunden werden. Diese Nebelbildung
                              									tritt ein, sobald die Luft mit Wasser übersättigt wird, d.h. sobald die Luft bei der
                              									im Saale herrschenden Temperatur nicht mehr imstande ist, die nach oben steigenden
                              									Wasserdämpfe aufzunehmen.
                           Zum besseren Verständnis dieser Tatsache einige Zahlen:
                           Es kann 1 m3 Luft maximal aufnehmen:
                           
                              
                                 bei
                                 –
                                 5°
                                 3,37
                                 g
                                 Wasserdampf,
                                 
                              
                                 „
                                 –
                                 0°
                                 4,38
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 +
                                 5°
                                 6,82
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 +
                                 10°
                                 9,37
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 +
                                 15°
                                 12,78
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 +
                                 20°
                                 17,18
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 +
                                 25°
                                 22,87
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 +
                                 30°
                                 30,13
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           d.h. solange z.B. 1 m3 Luft
                              									von + 20 ° nicht mehr als 17,18 g Wasserdampf enthält, ist die Luft noch klar und durchsichtig,
                              									sobald in dieser Luft sich aber noch weiter Wasserdampf entwickelt, ist sie nicht
                              									mehr imstande, diesen aufzunehmen. Das überschüssige Wasser schwebt dann sichtbar
                              									vor unsern Augen als „Nebel“.
                           Der gleiche Zustand tritt ein, wenn sich die mit Wasserdampf gesättigte Luft auch nur
                              									um 1 ° abkühlt. Wir sehen aus obiger Tabelle, daß die Luft um so mehr Wasserdampf
                              									aufnehmen kann, je wärmer sie ist, und zwar steigt die Aufnahmefähigkeit mit
                              									zunehmender Temperatur ganz bedeutend; so kann z.B. 1 m3 Luft von + 60° schon 129,28 g Wasserdampf
                              									aufnehmen, also das Vierfache der Luft von 30°.
                           Mit dieser Erkenntnis, wie Nebel entsteht, ist uns auch schon das Mittel gegeben,
                              									dagegen anzukämpfen. Wir müssen entweder das Emporsteigen von Wasserdämpfen
                              									verhindern, oder, wo dieses nicht angängig ist, die Temperatur der Raumluft so weit
                              									erhöhen, bis sie die Dämpfe aufnehmen kann, d.h. bis sie wieder klar und
                              									durchsichtig wird.
                           Da diese Temperatursteigerung aber schon wegen der in dem Raum beschäftigten Arbeiter
                              									bald die noch zulässige Grenze erreicht, muß man beide Methoden miteinander
                              									vereinigen. In welchem Verhältnis dieses geschehen kann, muß von Fall zu Fall
                              									entschieden werden, und es gehört große Erfahrung dazu, die Entnebelungsmethode
                              									jedesmal dem besonderen Falle anzupassen.
                           Um diesen Forderungen Genüge zu leisten, ist notwendig:
                           
                              1. die Menge der aufsteigenden Dämpfe im Raum genau zu
                                 										kennen,
                              2. die Temperatur der Luft im Raume zu beherrschen. Bei der
                                 										Bestimmung der zugeführten Feuchtigkeit sind zu unterscheiden:
                              
                           a) Verdunstung, b) Verdampfung. Die verdunstete Menge bestimmt man aus der
                              									Oberfläche, aus der Temperatur der Flüssigkeit und aus dem Bewegungszustande der
                              									darüber befindlichen Luftschicht. Die auf das Quadratmeter Oberfläche verdunstete
                              									Gewichtsmenge wird durch folgende Formel errechnet:
                           
                              G=\frac{c\,k\,(S_1-S_2)}{B}.
                              
                           In dieser Formel ist G die auf dem Quadratmeter
                              									Oberfläche stündlich verdunstete Menge in Kilo, c eine
                              									Konstante, abhängig von den Eigenschaften der verdampfenden Flüssigkeit, deren
                              									Sättigung usw., k ein Faktor, der den Einfluß der über
                              									die Oberfläche hinstreichenden Luftgeschwindigkeit ausdrückt, S1 die Spannung des der
                              									Temperatur der verdunsteten Flüssigkeit entsprechenden Dampfes, S2 die Spannung des in
                              									der darüber stehenden Luft enthaltenen Wasserdampfes und B der Barometerstand im Raum. (Die Spannungen in mm
                              									Quecksilbersäule.).
                           Ist die Verdampfung bereits im Gange, so ist die Dampf menge aus der zugeführten
                              									Wärmemenge, d.h. bei Vorhandensein von Heizröhren aus deren Oberfläche, der Spannung
                              									des Heizdampfes sowie aus dem Wärmeleitungskoeffizienten der Heizrohre zu
                              									ermitteln.
                           Nachdem auf diese Weise die in die Atmosphäre übergeführte Feuchtigkeitsmenge
                              									festgelegt ist, ist auf Grund der vorkommenden Außentemperaturen im Sommer und im
                              									Winter und nach Annahme der zulässigen Innentemperaturen die notwendige Luftmenge zu
                              									bestimmen. Die Luftmenge muß hinreichen, um die erzeugte Feuchtigkeit so
                              									aufzunehmen, daß keine vollständige Sättigung eintritt. So werden die Abmessungen
                              									der nötigen Lüftungseinrichtungen bestimmt. Für die Ausführungen ist es ratsam, die
                              									Luft in den zu entnebelnden Raum zu drücken. Auf diese Weise entsteht in dem Raum
                              									ein Ueberdruck, der verhindert, daß ungewollte Luftmengen durch Fenster, Türen und
                              									deren Spalten zuströmen und die Wirkung beeinflussen.
                           Die dritte für die Berechnung der Entnebelungsanlage notwendige Größe ist die
                              									Wärmemenge, die erforderlich ist, um die atmosphärische Luft so weit zu trocknen,
                              									daß sie für Feuchtigkeit aufnahmefähig ist, d.h. daß die Temperaturen erreicht
                              									werden, die als im äußersten Fall zulässig bei der Bestimmung der Luftmenge
                              									bezeichnet wurden. Die Berechnung geschieht in der für die Erhitzung von Luft
                              									üblichen Weise. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, ob eine besondere Heizung der
                              									zu entnebelnden Räumlichkeiten vorhanden ist, ob diese bei den erhöhten
                              									Innentemperaturen noch ausreicht, oder ob die Heizung durch die einströmende, zur
                              									Entnebelung dienende Luftmenge geleistet werden muß.
                           Nachdem auf diese Weise unter Berücksichtigung von erfahrungsgemäßen Zuschlägen für
                              									Wirkungsgrad usw. die Hauptgrößen bestimmt sind, ist es Sache der Ausführung, die
                              									Lufteinströmung so zu verteilen, daß nicht in Ecken des Raumes Luftstauungen und
                              									Schwadenbildungen entstehen. Deshalb ist auch die Abluftführung sorgfältig zu
                              									regeln. Bei richtiger Bemessung aller Größen ist es möglich, ohne Belästigung der
                              									Arbeiterschaft gut zu entnebeln.
                           Nicht erst die Uebersättigung der Luft, also der Nebel, wirkt lästig, sondern schon
                              									die volle Sättigung, bevor Nebel auftritt. Ist z.B. die Luft mit Wasserdampf
                              									annähernd, etwa zu 95 v. H. geschwängert, also wenn  1 m3 Luft von + 20° Temperatur
                              										\frac{17,18\,\times\,95}{100}=16,34\mbox{ g} Wasserdampf
                              									enthält, kann der menschliche Körper kein Wasser mehr verdunsten, es tritt eine
                              									Störung des Stoffwechsels ein, und es bemächtigt sich der Arbeiter eine große
                              									Unbehaglichkeit, die ihre Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und Aufmerksamkeit schädigt
                              									und schwächt. Wohl kann sich der Mensch stundenlang in trockener Wärme von + 40°
                              									verhältnismäßig wohl fühlen, da er dabei durch reichliches Schwitzen seinen Körper
                              									abkühlt, aber in dampfgesättigter Luft von + 20°, welche die Schweißbildung
                              									verhindert, empfindet er sehr bald Unbehagen. Aus diesem Grunde ist danach zu
                              									streben, den Wassergehalt der Luft nicht über 80 v. H. steigen zu lassen.
                           Für diesen Zweck ist die Luftheizung in letzter Zeit ziemlich vervollkommnet worden,
                              									ja sie kann unter Umständen gleichzeitig eine Lüftungsanlage ersetzen. Die
                              									Luftheizung beruht auf der Eigenschaft der Luft, Wärme aufzuspeichern und leicht
                              									von sich zu geben. Eine Luftheizung besteht im wesentlichen aus drei Teilen, nämlich
                              									dem Ventilator, der Heizvorrichtung und der Luftverteilung. Der Ventilator saugt die
                              									Luft an und drückt sie über die wärmeabgebenden Flächen der Heizvorrichtung, wo sie
                              									sich erwärmt, und die Luftrohrleitung übernimmt die gleichmäßige Verteilung der
                              									Wärme in den Räumen. Als Ventilatoren werden am besten Zentrifugalgebläse gewählt,
                              									da Schraubengebläse schlechten Wirkungsgrad haben. Die Wirkungsgrade der
                              									handelsüblichen Schraubenventilatoren liegen zwischen 10–30 v. H., die der
                              									Zentrifugalventilatoren aber zwischen 40 bis 70 v. H. Sie verdienen daher immer dort
                              									den Vorzug, wo geringe Anschaffungskosten nicht die Hauptrolle spielen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 88
                              Abb. 1.
                              
                           Als Heizvorrichtungen kommen neben Warmwasser- und (seltener noch)
                              									Gasheizvorrichtungen besonders Feuerluft- und Dampfluftvorrichtungen zur Anwendung.
                              									Wo es irgend angängig ist, wird man Dampfluftheizvorrichtungen verwenden, da diese
                              									die größten Annehmlichkeiten im Betriebe darbieten. Alle Vorkommenden
                              									Dampfarten. Niederdruckdampf oder Hochdruckdampf, können zur Beheizung benutzt
                              									werden, ebenso Zwischendampf oder Abdampf von Maschinen, ja sogar Vakuumdampf kann
                              									man noch mit Erfolg ausnutzen, ohne daß die Kondensation der Maschine beeinträchtigt
                              									wird; sie wird sogar verbessert, weil der Heizkörper einen Vorkondensator darstellt.
                              									Der Vakuumdampf ist ein kostenloses Heizmittel, hat aber den Nachteil niedriger
                              									Temperatur (nur 60 °C), aus welchem Grunde verhältnismäßig große Heizflächen zur
                              									Anwendung gelangen müssen, wodurch sich die Anlagekosten verteuern.
                           Als Heizkörper dienen glattwandige Dampfrohre, Plattenrohre und gerippte Dampfrohre.
                              									Das Bestreben geht dahin, auf möglichst kleinem Raum eine möglichst große Heizfläche
                              									unterzubringen, und hierzu sind alle drei Arten von Heizkörpern gut geeignet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 88
                              Abb. 2.
                              
                           Abb. 1 zeigt eine Heizvorrichtung in einer
                              									Papierfabrik, bei der es gelungen ist, außerordentlich an Platz zu sparen, und das
                              									ist wichtig, weil für die Unterbringung der Heizvorrichtungen häufig kein besonderer Raum zur
                              									Verfügung steht, und diese an der Wand oder der Decke flach angeordnet werden
                              									müssen. Man verwendet möglichst kleine wärmeaufnehmende, dagegen möglichst große
                              									wärmeabgebende Flächen und arbeitet mit möglichst großen Luftgeschwindigkeiten, was
                              									den Zweck hat, die Wärmeabgabe der Heizflächen zu steigern und Staubablagerungen in
                              									den Heizkörpern zu verhindern, welche zur Vergasung des Staubes und Verschlechterung
                              									der Luft führen könnten.
                           Es zeigt also die Abb. 1 einen Niederdruckventilator
                              									mit angebautem Heizapparat, der auf dem Bilde in der ausgebrochenen Oeffnung
                              									sichtbar ist. Der Ventilator saugt die Luft durch den Krümmer aus dem Freien an und
                              									drückt sie durch den Heizapparat in das Verteilungsrohrnetz.
                           Die Rohrleitung soll die Wärme im Raum gleichmäßig verteilen und möglichst auf den
                              									Fußboden des Raumes bringen, da warme Füße und kalter Kopf dem Wohlbefinden des
                              									Menschen am zuträglichsten sind. Die Rohrleitungen können meist unauffällig an der
                              									Decke oder in Oeffnungen der Eisenkonstruktionen verlegt werden. Die Auslaßöffnungen
                              									für die Luft müssen. regelbar sein und verhindern, daß die warme Luft in starkem
                              									Strom, der leicht zu Belästigungen führen kann, austritt.
                           Abb. 2 zeigt die Verteilungsleitung über einer
                              									Papiermaschine für eine Spezialpapiersorte. Die Heißluft tritt durch deutlich
                              									erkennbare Austrittskästen infolge eingebauter leicht verstellbarer Kulissen in
                              									dünner fächerartig verteilter Schicht unterhalb der Decke aus und verteilt sich über
                              									eine ganze Fläche derart, daß die Heißluft zwischen die Decke und den durch sein
                              									spezifisches Gewicht nach oben steigenden Wasserdampf gelangt. Dadurch wird die
                              									Decke warm gehalten, und der Wasserdampf findet die denkbar beste Aufnahme. Die
                              									Kulissen sind so eingestellt, daß die gesamte Luftbewegung, die sich an der Decke
                              									des Maschinensaales abspielt, einem Luftschacht zugerichtet ist, von dem freier
                              									Abzug in bester Weise Vorschub findet. Abb. 4
                              									zeigt eine Ansicht dieses Abluftschachtes vom Dach aus gesehen, Abb. 3 die Verteilungsleitung im Hochrohrraum. Man
                              									sieht hier wieder deutlich die Luftverteilungskästen zur gleichmäßigen Verteilung
                              									der austretenden Warmluft. Zur Verhütung der seitlichen Nebelbildung durch Wände und
                              									Fenster pflegt man den Leitungen noch schmale Schlitze zu geben, die den Austritt
                              									der Warmluft nach den Seiten gestattet. Die in den Abb.
                                 										1 bis 4 gezeigte Heizungs- und
                              										EntnebelungsanlageAusgeführt von der
                                    											Firma Simon Bühler & Baumann, Frankfurt a. M. läßt sich bequem regeln, z.B.
                              									kann man die Temperatur in dem Raum von jeder beliebigen Stelle aus durch Einstellen
                              									eines Zeigers auf die gewünschte Höhe bringen. Die Zeiger stehen mit einer
                              									Druckluftanlage durch eine Rohrleitung in Verbindung, von der aus die Dampfventile
                              									und Klappen der einzelnen Heizelemente, die sich in einem Gehäuse in großer Zahl
                              									befinden, beeinflußt werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 89
                              Abb. 3.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 89
                              Abb. 4.
                              
                           Vorteile der Luftheizung sind: Erstens ihre Einfachheit und Betriebssicherheit. Alle
                              									Dampfleitungen und Kondenswasserrückleitungen in den Räumen fallen fort, und damit
                              									lästige Reparaturen und sonstige Unannehmlichkeiten. Zweitens dient die Luftheizung
                              									gleichzeitig zur Lüftung.
                           Bei Berechnung einer Luftheizung muß wie bei jeder anderen Heizungsart zunächst der
                              									Wärmeverlust beim Durchgang durch das Heizrohr bei der kältestem Außentemperatur
                              									bestimmt werden. Hierzu tritt als weiterer Wärmebedarf die Wärme für die Lüftung,
                              									und für die sich ergebende Gesamtwärmemenge muß die Heizvorrichtung genügen. Jedes
                              									Kubikmeter in den Raum eingeführter Luft kann eine bestimmte Wärmemengeabgeben, die
                              									sich nach der spezifischen Wärme der Luft richtet, welche auf 1 kg bezogen 0,237 WE
                              									beträgt. Man muß also einem Kubikmeter Luft ungefähr 0,3 WE zuführen, um die
                              									Temperatur dieses Kubikmeters Luft um einen Grad zu erhöhen. Will man z.B. mit jedem
                              									Kubikmeter Luft dem Raum 10 WE zuführen, so muß man die einzuführende Luft um etwa
                              									33° höher erwärmen, als die Raumluft später Temperatur haben soll. Hat man in diesem
                              									Fall einen Gesamtwärmebedarf von 100000 WE zu decken, so muß man also 10000 m3 Luft von entsprechender Wärme in den Raum
                              									einführen. Je höher man die Luft erwärmt, desto geringere Luftmengen braucht
                              									man, und umgekehrt. Bei der Luftheizung hat man es in der Hand, das
                              									Lüftungsbedürfnis auszuschalten, indem man dem Exhaustor immer wieder die alte
                              									Raumluft zufließen läßt, in welchem Fall keine Wärme für die Lüftung verbraucht
                              									wird, sondern lediglich nur die Uebertragungswärme gedeckt werden muß.