| Titel: | Betrachtungen zum Neuentwurf des Patentgesetzes. | 
| Autor: | Gerhard Zeyen | 
| Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 129 | 
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                        Betrachtungen zum Neuentwurf des
                           								Patentgesetzes.
                        Von Ingenieur Gerhard Zeyen in
                           									Duisburg-Ruhrort.
                        ZEYEN: Betrachtungen zum Neuentwurf des Patentgesetzes.
                        
                     
                        
                           In Nr. 33 und 34 des vorigen Jahrganges unterzieht Patentanwalt Bierreht den von der Regierung veröffentlichten
                              									Neuentwurf des Patentgesetzes einer Kritik. Bei der Stellungnahme, die die
                              									Patentanwaltschaft bei den vorbereitenden Verhandlungen zu den verschiedenen Fragen
                              									einnahm, ist es nicht verwunderlich, wenn die beabsichtigten Aenderungen ihm
                              									teilweise nicht radikal genug ausgefallen sind. Es kann niemandem verdacht werden,
                              									wenn er bei einer Gesetzesänderung seine Interessen wahrnimmt. Es muß aber
                              									widersprochen werden, wenn das unter Betonung des sozialen Gefühls geschieht, indem
                              									man dem Gegner, der anderen Sinnes ist, derartige Gefühle abspricht. Dadurch, daß
                              									man die soziale Frage auch bei diesem Gesetz in den Vordergrund geschoben hat, hat
                              									man es verstanden, vermeintliche Interessengegensätze zwischen Unternehmern und
                              									Angestellten gegeneinander auszuspielen. Es erscheint daher berechtigt, den
                              									unverhältnismäßig großen Einfluß, den der kleine Kreis der Anwälte – klein im
                              									Gegensatz zu den unmittelbar Interessierten, den Erfindern – in dieser Frage erlangt
                              									hat, auf das richtige Maß zurückzuführen und die Dinge nüchtern zu betrachten.
                           Es sei mir gestattet, vom Standpunkt des praktischen Erfinders, des Technikers aus,
                              									die beabsichtigen Neuerungen zu würdigen, wobei ich einen Unterschied zwischen
                              									Angestellten und Unternehmer nicht zu erkennen vermag, da sich deren Interessen mehr
                              									decken, als es nach außen scheinen möchte. Wird nämlich der Entwurf Gesetz, so wird
                              									nicht nur Bresche gelegt in das gute Verhältnis zwischen Unternehmer und
                              									Angestellten, zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, auch das kollegiale Vertrauen
                              									zwischen Gleichgestellten wird schwinden, wenn jeder in seinem Nachbarn einen
                              									Wettbewerber zu erblicken hat, mit dem er bisher einen befruchtenden
                              									Gedankenaustausch gepflogen hat. Von diesem Standpunkt aus ist die Forderung nach
                              									einer gesetzlich zuzuerkennenden Entschädigung des Erfinders und die dadurch
                              									bedingte Nennung dieses selbst aufs tiefste zu bedauern. Das Billigkeitsgefühl
                              									und das eigene Interesse wird den Unternehmer außerordentliche Leistungen besser
                              									vergüten lassen, als gesetzlicher Zwang. Die Reichstagsabgeordneten Potthoff und Dr. Nacken sind
                              									jedenfalls bis heute den Beweis für ihre Behauptungen schuldig geblieben, als sie
                              									unter Hinweis auf die Ausbeutung des Erfinderangestellten ein neues, dem heutigen
                              									sozialen Empfinden angemessenes Patentgesetz forderten. Die technischen Angestellten
                              									aber sollten bedenken, daß ihre wirtschaftliche Stellung aufs engste mit der
                              									weltwirtschaftlichen Stellung der deutschen Industrie verquickt ist, die unter der
                              									Herrschaft des bestehenden Patentgesetzes erworben wurde, das nun Neuerungen welchen
                              									soll, deren Folgen unabsehbare sind. Es ist schwer zu verstehen, daß lediglich
                              									theoretische und akademische Erörterungen in Kreisen, die dem Stoff des Gesetzes
                              									fremd gegenüberstehen, die Regierung zu dem vorliegenden Entwurf bestimmt hat.
                              									Obwohl die Industrie sich mit aller Energie gegen die Aenderungen in der
                              									veröffentlichten Form ausgesprochen hat – man lese darüber das Verhandlungsprotokoll
                              									des Vereins deutscher Maschinenbauanstalten, wo auch die Vertreter der verwandten
                              									mechanischen Industrien, der elektrischen und chemischen Industrien zu Worte kommen
                              									– und obwohl bei dieser Verhandlung selbst jene, die bei der Stettiner Tagung des
                              									Vereins zum Schutz des gewerblichen Eigentums ihre Zustimmung bedingungsweise
                              									gegeben hatten, diese, erschreckt durch die maßlosen Forderungen einiger
                              									Angestelltenverbände, zurückzogen, ist man über die gewiß sachlichen Einwendungen
                              									zur Tagesordnung übergegangen. Selbst die bürgerlichen Parteien des Reichstags
                              									hatten trotz Einladung keine Vertreter entsandt. In dieser Versammlung der deutschen
                              									Industrievertreter waren ungefähr 70 bis 80 v. H. aller Patentnehmer vertreten, vor
                              									allen Dingen alle die, die wirtschaftlich wertvolle Patente nehmen. Ich führe das an
                              									gegenüber der Behauptung des Patentanwalts B., die Aenderungen würden allgemein als
                              									ein Fortschritt auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes begrüßt, sie entsprängen
                              									einem lang gehegten Bedürfnis. Die Stellung der Patentanwälte wird unter dem neuen
                              									Gesetz eine wesentliche Stärkung erfahren, und ihre Stellungnahme ist deshalb sehr
                              									verständlich: wichtiger scheinen mir indessen die Interessen der Patentnehmer, die
                              									unter der Herrschaft des alten Gesetzes sehr gut gefahren sind, die aber vor den
                              									unabsehbaren Folgen der beabsichtigten Aenderung begründete Furcht haben.
                           Da ist zunächst die Gebührenfrage. Die dazu geäußerten Wünsche gingen einmal auf die
                              									Herabsetzung der Gebühren überhaupt, während von anderer Seite die Zahlung einer
                              									einmaligen Pauschalsumme nach amerikanischem Muster vorgeschlagen wurde. Die
                              									letztere Lösung kann nicht als geeignet bezeichnet werden, man würde jedem Patent
                              									selbsttätig eine vollfristige Dauer verschaffen. Bei den rund 50000 jährlichen
                              									Anmeldungen würde man sich nach 15 Jahren dauernd durch einen Wust von 750000
                              									Patenten durchzufinden haben. Das mag in Amerika, wo die Kostspieligkeit des
                              									Zivilprozesses jegliche Verletzungsprozesse ausschließt, angängig erscheinen, doch
                              									würde das weder zur Hebung des sachlichen noch des ideellen Wertes der bestehenden
                              									Patente beitragen. Die Herabsetzung der Gebühren wird mit Rücksicht auf den
                              									wirtschaftlich Schwachen gefordert. Ein großer Teil der Patente werde mangels
                              									Zahlung der Gebühren vorzeitig gelöscht, wodurch ungeheure wirtschaftliche Werte
                              									verloren gingen. Demgegenüber kann wohl mit Recht behauptet werden, daß ein Patent,
                              									das in 15 Jahren nicht die Gebühren von 5300 M abwirft, überhaupt keinen
                              									wirtschaftlichen Wert hat. Bei einem Vergleich mit niedrigeren Gebühren des
                              									Auslandes ist zu berücksichtigen, daß das deutsche Patent dem ausländischen
                              									gegenüber sowohl höhere innere als auch äußere Werte besitzt, bei sorgfältiger
                              									Prüfung einen billigen Rechtsschutz (man berücksichtige demgegenüber die
                              									Kostspieligkeit des Zivilprozesses in anderen Staaten, die den Patentschutz fast
                              									illusorisch machen) und eine hochentwickelte kaufkräftige Bevölkerung von 65
                              									Millionen Menschen. Gerade hohe Gebühren, die den Anmelder zwingen, sich zunächst
                              									von der Verwertbarkeit und dem zu erwartenden Erträgnis der Erfindung zu überzeugen,
                              									wird die Ueberschwemmung des Patentamtes mit unreifen und minderwertigen Anmeldungen
                              									verhindern, wodurch am besten der Geschäftsverzögerung im Anmeldeverfahren
                              									vorgebeugt wird. Daß die Patentanwälte trotzdem für Gebührenherabsetzung eintreten,
                              									hat darin seinen Grund, daß gerade die kleinen Erfinder sich der Hilfe der
                              									Patentanwälte zu bedienen pflegen. Sie würden in verminderten Gebühren einen
                              									weiteren Ansporn zur Offenbarung erfinderischer Tätigkeit empfinden. Werden aber gar
                              									von den hohen Gebühren wirtschaftlich wertlose, sogenannte Sperr- oder
                              									Wegelagererpatente betroffen, so schadet es nichts, wenn ihre Inhaber die Knebelung
                              									des Wettbewerbes durch Leistungen an den Reichssäckel erkaufen müssen. Die
                              									Behauptung, daß in Deutschland mehr Patente frühzeitig verfielen, weil die Gebühren
                              									unerschwinglich seien, wird durch eine Zusammenstellung widerlegt, die der Verein
                              									deutscher Maschinenbauanstalten in seinem Verhandlungsprotokoll veröffentlicht
                              									hat. Danach liegen die Verhältnisse im allgemeinen günstiger als in Staaten mit
                              									wesentlich geringeren Gebühren. Es erreichten ein
                           
                              
                                 Alter von
                                 7
                                 8
                                 9
                                 10
                                 12
                                 14 Jahren in
                                 
                              
                                 Schweden
                                 25,5
                                 21
                                 19
                                 16
                                 11
                                  8
                                 
                              
                                 Deutschland
                                 20
                                 16,5
                                 14
                                 11,5
                                 8
                                 6,5
                                 
                              
                                 England
                                 18
                                 15
                                 12
                                 10
                                 8
                                  5
                                 
                              
                                 Schweiz
                                 14
                                 12
                                 10
                                 9
                                 7
                                  5
                                 
                              
                                 Italien
                                 12
                                 11
                                 10
                                 7
                                 6
                                  3 v. H. aller
                                 
                              
                           erteilten Patente, so daß sich Deutschland durch die
                              									Lebensdauer seiner Patente auszeichnet. Jedenfalls sollte man die erhöhte
                              									Anmeldegebühr zu erreichen suchen, da bei dem gesunkenen Geldwert die bisherige
                              									Gebühr von 20 M keine Gegenleistung für die Arbeit des Amtes ist, das vielfach nur
                              									durch eine Anmeldung zu einer gutachtlichen Aeußerung über einen Gegenstand
                              									angegangen wird. Man sollte doch endlich mit der Vorstellung vom dürftigen Erfinder
                              									in ungeheizter Dachstube bei Wasser und Brot aufräumen. Bei der heutigen Entwicklung
                              									der Technik, des Verkehrs und des Nachrichtenwesens ist die intuitive Erfindung
                              									gleichsam aus dem nichts heraus in gewerblich verwendbarer Gestalt, fertig wie
                              									Athene aus Zeus' Haupt unmöglich geworden. Die der Anmeldung voraufgehenden
                              									Versuche, Erprobungen und Veränderungen werden derartige Mittel in Anspruch nehmen,
                              									daß die Frage, ob 20 oder 30 M Anmeldegebühr dahinter zurücktritt. Die Anmeldung
                              									müßte ja dann vielmehr an den Anwaltskosten scheitern, die gewöhnlich ein Vielfaches
                              									davon betragen. Im Zusammenhang mit der Gebührenfrage sowohl im Anmelde- als auch im
                              									Berufungsverfahren sei hier auch gleich auf die Vorprüfung eingegangen. Wird nämlich
                              									der Einzelprüfer Gesetz, so wird das heute schon bestehende Bestreben, mündlich zu
                              									verhandeln, einen weiteren Anstoß erfahren, und dadurch wird selbst derjenige, der
                              									die Reise nach Berlin nicht scheuen würde, gegen den durch den Patentanwalt
                              									vertretenen Gegner den kürzeren ziehen. Es wird sich daraus ein faktischer
                              									Anwaltszwang entwickeln. Die Vertreter der Industrie haben ausnahmslos die Güte des
                              									bestehenden Prüfungsverfahrens anerkannt, und das Ansehen, das das deutsche Patent
                              									im Ausland genießt, wird darauf zurückgeführt. Die Wertschätzung geht so weit, daß
                              									ausländische Erfinder zunächst das deutsche Patent nachsuchen, um mit diesem Beweis
                              									der Neuheit ihrer Sache ausgerüstet erst das Patent ihres Heimatslandes
                              									nachzusuchen. Als Grund für die Aenderung wird die zu erwartende Beschleunigung des
                              									Anmeldeverfahrens angegeben, die dadurch erreicht wird, daß dem einzelnen Vorprüfer
                              									an Stelle des bisherigen dreigliedrigen Kollegiums die Befugnis zur Auslegung
                              									erteilt wird. Weist der Vorprüfer die Anmeldung zurück, so hat der Anmelder das
                              									Recht der Beschwerde, die zunächst einem Senat von drei Mitgliedern, endlich zur
                              									endgültigen Entscheidung einem solchen von fünf Mitgliedern unterbreitet wird. Wir
                              									hätten also für die Folge drei Instanzen, die wohl regelmäßig in Anspruch genommen
                              									würden, denn jeder Erfinder ist derart von der Güte seiner Erfindung überzeugt, daß
                              									er sicher bei einem ungünstigen Ausfall des zweitinstanzlichen Bescheides auch die dritte Instanz
                              									anrufen wird. Es ist also anstatt einer Beschleunigung eine weitere Verzögerung zu
                              									gewärtigen. Deshalb ist auch die Industrie ausnahmslos gegen die beabsichtigte
                              									Aenderung. Sie, die ihre Patentangelegenheiten meist durch eigene Angestellte
                              									besorgt, hat doch jedenfalls das dringendste Interesse an der schleunigen Erledigung
                              									ihrer Anmeldungen, sie ist mit den bestehenden Zuständen zufrieden. Kann das Amt
                              									nicht mehr den Ansprüchen folgen, so erhöhe man die Beamtenzahl, obwohl es nicht
                              									unbedenklich erscheint, vorübergehend ihre Zahl in einer Klasse zu erhöhen, die
                              									durch die Entwicklung der Technik in einer besonderen Richtung (zurzeit das
                              									Flugwesen) in erhöhtem Maße in Anspruch genommen wird. Zweifellos wird die Erhöhung
                              									der Anmeldegebühren ebenfalls dafür sorgen, daß die Belästigung mit unreifen und
                              									gewerblich nicht verwendbaren Erfindungen vermindert wird, so daß den Beamten die
                              									nötige Zeit bleibt, sich mit den wirtschaftlichen wertvollen zu befassen. Man hat
                              									die Berechtigung zur Forderung von Einzelprüfern damit begründet, daß im Zivilprozeß
                              									in erster Instanz auch der einzelne Richter das Urteil fälle. Jener spricht aber
                              									objektives Recht an Hand feststehender Gesetze und des Tatbestandes, die Tätigkeit
                              									des Vorprüfers ist jedoch in seiner rein subjektiven Auffassung der ihm vorliegenden
                              									Erfindung begründet. Im Zweifelsfalle bedarf sein Urteil der Berichtigung, die im
                              									Wesen der kollegialen Beratung liegt. Was uns Techniker ohne Unterschied gegen die
                              									beabsichtigte Aenderung auf den Plan rufen sollte, ist etwas anderes, das meines
                              									Wissens noch von keiner Seite betont wurde. Wir wollen und brauchen keinen
                              									privilegierten Vermittler zwischen uns und dem Patentamt! Wir wollen nicht dereinst
                              									unter Weltfremdheit der Patentrichter zu leiden haben, wir wollen in deren und
                              									unserm Interesse, daß ihnen durch die unmittelbaren wechselseitigen Beziehungen zu
                              									dem schaffenden Techniker der klare Blick für technische Leistungen und
                              									wirtschaftliche Werte erhalten bleibe, ungetrübt durch formalistisch-juristische
                              									Spitzfindigkeiten, wie sie leider begonnen haben, sich auch im Patentwesen breit zu
                              									machen. Dieser Entwicklung würde durch Anwaltszwang, wie er durch den Entwurf
                              									praktisch einträte, weiterer Vorschub geleistet. Berücksichtigt man das kleine Feld,
                              									welches infolge des ungeahnten technischen Aufschwungs der heutige Techniker
                              									übersehen kann, will er auf ihm wirklich zu Hause sein, so wird man mit Recht
                              									behaupten können, daß er auf diesem Gebiet unbedingt dem Patentrichter ebenbürtig
                              									sein kann, der auch nur ein kleines Feld beackert. Demgegenüber muß der Patentanwalt
                              									schon ein Universalgenie sein, der doch wahllos in allen Gebieten tätig sein
                              									muß.
                           Aus allen genannten Gründen kann es nur erwünscht sein, daß es bei der bewährten Art
                              									der Vorprüfung bleibe, daß man einer Belastung des Amtes lieber durch Vermehrung des
                              									Personals und durch Beibehaltung der Patentgebühren oder auch Erhöhung der
                              									Anmeldegebühren entgegenwirken sollte. Rechtfertigen ließe sich dagegen eine
                              									Herabsetzung der Gebühren bei Nichtigkeitsklagen vor dem Reichsgericht. Hier
                              									sorgt schon die Natur des Prozesses dafür, daß solche nicht leichtfertig eingeleitet
                              									werden. Dagegen kann es sich hier tatsächlich um eine in seinen finanziellen
                              									Grundlagen durch das anzufechtende Patent erschütterte Existenz handeln. Es handelt
                              									sich also um einen im Wesen des Patentgesetzes begründeten Notstand, dessen
                              									Beseitigung man dem schon wirtschaftlich Geschwächten nicht unnötig erschweren
                              									sollte.
                           Wir kommen nun zum umstrittensten Punkt des ganzen Entwurfs, der
                              									Erfinderentschädigung, die aufs engste mit der Erfinderehre verknüpft ist. Was ist
                              									Erfindung, wer ist Erfinder, und was ist angemessene Entschädigung? Hierzu ein
                              									praktisches Beispiel. Ein Konstrukteur einer Maschinenfabrik hat durch seine
                              									Tätigkeit die Idee zu einem Achsregler bekommen. Der Chef gestattet die Ausarbeitung
                              									und nach der Zeichnung wird in der Werkstatt der Regler angefertigt. Nach vielen
                              									Werkstattsversuchen ist die Erfindung patentreif, sie wird angemeldet und gelangt
                              									bei normalen Maschinen zur Anwendung. Als nun auch eine Maschine von besonders hoher
                              									Empfindlichkeit damit ausgerüstet wird, versagt er, und erst nach langen Versuchen,
                              									wodurch Kosten und Verzugsstrafen entstehen, ersetzt der Werkstattingenieur die
                              									Schwunggewichte durch Federn, wodurch der Regler jeglichen Anforderungen genügt.
                              									Durch Zusatzpatent wird nun auch diese Ausführung gesichert. Jeder, der den
                              									Werdegang einer Erfindung kennt, wird mir zugeben, daß das die alltägliche
                              									Entwicklung einer solchen ist. Wer ist nun der Erfinder, und was hat er angemessen
                              									zu beanspruchen? Der Konstrukteur würde ohne die Möglichkeiten seiner Stellung
                              									schwerlich die Idee haben entwickeln, ohne die Mittel seines Chefs jedenfalls aber
                              									nicht die notwendigen Versuche haben anstellen können. Der Betriebsingenieur ohne
                              									jene Idee hätte schwerlich die Verbesserung gefunden. Und endlich, hat der Fabrikant
                              									durch den Regler einen nachweislichen Nutzen? Denn nur dann könnte doch von einer
                              									Entschädigung die Rede sein. Wer die Verhältnisse kennt, wird mir zugeben, daß er
                              									des Reglers wegen keine Maschine mehr verkaufen wird, ebensowenig, daß er heute wo
                              									jeder sein Reklamepatent hat, deswegen höhere Preise erzielt. Es bliebe ihm nach dem
                              									neuen Gesetz der Vorteil, für seinen Angestellten Reklame zu machen, damit er ihm
                              									von der Konkurrenz möglichst bald wegengagiert wird, sowie die weitere
                              									Annehmlichkeit, seine intimsten Geschäftsgeheimnisse preiszugeben, um den Nachweis
                              									zu erbringen, daß er keine, oder welche Mehreinnahmen er durch das Patent gehabt
                              									hat, die eine angemessene Entschädigung rechtfertigen. Der Unternehmer hat schon
                              									heute ein genügendes Interesse, sich tüchtige Angestellte zu erhalten, wird man ihn
                              									aber zwingen wollen, gesetzlich Leistungen zu vergüten, von denen ihm allein das
                              									Risiko bleibt, so wird er überhaupt nicht mehr dafür zu haben sein, Angestellten die
                              									Mittel zur Erprobung und Vervollkommnung von Erfindungen zur Verfügung zu stellen.
                              									Der Angestellte, dem dadurch die Möglichkeit schürfender Geistestätigkeit, die
                              									Möglichkeit, durch besondere Leistungen die Aufmerksamkeit seines Vorgesetzten oder
                              									seines Chefs auf sich zu lenken, genommen ist, wird den Schaden haben. Man hat vielfach auf das
                              									Urheberrecht als analogen Vorgang in der Gesetzgebung hingewiesen, wo ebenfalls das
                              									persönliche Recht an der geistigen Arbeit anerkannt sei. Dort handelt es sich aber
                              									um Sicherung der individuellen geistigen Tätigkeit, um den Schutz der Person. Das
                              									Patent dient aber zum Schutz einer Sache, als Belohnung für deren Preisgabe an die
                              									Allgemeinheit, denn die Erfindungen liegen im Zuge der Zeit, es bedarf zu ihrer
                              									Verwirklichung nur der praktischen Unterlagen, wie sie Erfahrung und Erprobung
                              									bieten. Dadurch wird sie gewerblich verwendbar. Daher auch die häufige Duplizität
                              									der Erfindung. Gußstahl würden wir heute auch ohne Krupp
                              									haben, wie die Dampfmaschine ohne Watt und den Oelmotor
                              									ohne Diesel, es gäbe aber ohne Schiller keinen „Wilhelm Teil“, ohne Wagner keinen „Tannhäuser“. Aber selbst dort wird der Schutz des
                              									Urheberrechts nur denen zu Teil, die nicht auf den Verleger angewiesen sind,
                              									andernfalls ist der Verleger derjenige, den das Gesetz schützt. Insofern besteht
                              									sogar eine gewisse Aehnlichkeit zwischen dem vom Verleger abhängigen Künstler und
                              									dem erfindenden Angestellten. In beiden Fällen trägt, dort der Verleger, hier der
                              									Arbeitgeber Kosten und Risiko, sie ermöglichen erst die Verwirklichung, wobei die
                              									Stellung des Künstlers insofern noch eine andere ist, als er etwas Fertiges zu
                              									bieten hat.
                           Was ist überhaupt Erfindung? Wo beginnt der Begriff Erfindung, d.h. wo erlaubt die
                              									konstruktive Tätigkeit des am Zeichenbrett oder die beobachtende des Ingenieurs auf
                              									dem Probierstande die Anwendung der Bezeichnung erfinderische Tätigkeit. Jede
                              									geschickt angeordnete Verstärkungsrippe an einem Maschinenelement, die Material und
                              									Arbeitsersparnis bedeutet, entspringt erfinderischer Tätigkeit. Ist wirklich die
                              									Ehre so groß, Patentinhaber zu sein, daß die beteiligten Technikerkreise ihr das
                              									Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber opfern wollen? Wie verzwickt die ganze Sachlage
                              									ist, geht schon daraus hervor, daß das Patentamt gar nicht im Gesetz die Mittel und
                              									Wege findet, dem Erfinder zu seinem Ehrenrecht zu verhelfen. § 6 sagt, daß der
                              									Erfinder ein Recht darauf habe, als solcher genannt zu sein, doch müsse der Erfinder
                              									bzw. der Patentinhaber dazu sein Einverständnis geben. Da dem Patentamt nun der
                              									Anmelder als berechtigter gilt, so ist der Erfinder auf den Weg des Zivilprozesses
                              									verwiesen. Dann lasse man aber doch lieber überhaupt diese Frage aus dem
                              									Patentgesetz heraus, denn gegen die widerrechtliche Aneignung des Erfindergedankens
                              									oder Erfindung bietet das bürgerliche Recht und seine Handhabung durch die Gerichte
                              									genügende Handhaben. Sagt doch z.B. das Reichsgericht in seinem Urteil vom 28. Mai
                              									1902, daß der wirkliche Erfinder gegenüber dem Anmelder nicht nur auf die
                              									Nichtigkeitsklage beschränkt sei, sondern alle weitergehenden Ansprüche habe, die
                              									sich nach bürgerlichem Recht aus der widerrechtlichen Benutzung der Erfindung
                              									ergeben. Man schaffe lieber klares Recht, indem man von vornherein dem Anmelder
                              									auferlegt, durch seine Unterschrift zu erklären, daß er der Erfinder sei, oder
                              									dessen Rechte auf Grund eines in Abschrift beizufügenden Vertrags erworben
                              									habe, wodurch auch das Recht des erfindenden Angestellten gewahrt wird. Daß sich ein
                              									Unternehmer finden wird, der nur das Risiko der Erfindung trägt, ist schwer
                              									anzunehmen. Lieber verzichtet er überhaupt. Man muß staunen, mit welcher
                              									Leichtigkeit man sich über die Wünsche der Industrie hinweggesetzt hat. Die
                              									Erläuterungen zu §§ 6 und 10, Abs. 1, sagen, die neue Fassung entspräche den
                              									Wünschen von Rechtstheoretikern und Angestelltenvertretern, die Industrie, der
                              									Dienstgeber wird damit getröstet, daß die Prozeßkosten den Angestellten abhalten
                              									würden, „vermeintliche“ Rechte zu verfechten. Für die Prozeßkosten werden
                              									bereitwilligst jene Verbände aufkommen, deren Weizen am besten durch Uneinigkeit
                              									gedeiht. Wahrscheinlich wird aber Rücksichtslosigkeit des Unternehmers die Antwort
                              									sein, und der Angestellte wird sich zu fragen haben, ob er für die Behauptung seiner
                              									Forderung die Entlassung in den Kauf nehmen will. Er wird selbst unter Hinweis auf
                              									seine erfinderischen Leistungen sobald keinen Ersatz finden, denn jeder wird sich
                              									für einen prozeßlustigen Angestellten bedanken. Uebrigens sagt der Entwurf selbst in
                              									seinen Erläuterungen, gegen wucherische Ausbeutung seiner Arbeitskraft sei der
                              									Angestellte nicht nur durch das allgemeine bürgerliche Recht, sondern vor allen
                              									Dingen durch die eigenen Interessen der Arbeitgeber geschützt, deren Verhalten in
                              									diesem Punkte durch eigene und gegnerische Organisationen überwacht werde und in der
                              									öffentlichen Meinung einen empfindlichen Regler besitze. Deshalb fort mit den
                              									Paragraphen gegen die Vertragsfreiheit.
                           Von den sonstigen sachlichen Aenderungen, die das neue Gesetz bringt, sei nur noch
                              									auf den Ausführungszwang eingegangen, der trotz der sachlichen Einwände, die die
                              									Industrie gegen jede Schwächung erhoben hat, dennoch in weniger scharfe Form gefaßt
                              									ist als das früher der Fall war. Man begibt sich dadurch unnötiger Weise einer
                              									Waffe, die entgegen dem rigorosen Vorgehen des Auslandes namentlich Englands
                              									durchaus nötig ist. Ist es doch heute fast zur Unmöglichkeit geworden, in England
                              									Lizenzen zu verkaufen, da nach zwei Jahren jedes Patent dem Wettbewerb als
                              									kostenlose Beute in den Schoß fällt.
                           Eins aber verabsäumt der Neuentwurf gänzlich, eine den vielfach geäußerten Wünschen
                              									der Industrie entsprechende Patentgerichtsbarkeit als organischer Bestandteil des
                              									Patentgesetzes. Leider hat hier wieder der doktrinäre Jurist gesiegt, dem alle
                              										„Sondergerichte“ ein Einbruch in seine geheiligten Sphären bedeutet.
                              									Tatsächlich hat die Industrie gar keine Wünsche nach Sondergerichten geäußert, sie
                              									hat an den bestehenden genug, man hat nur nach Art der Zivilkammern für
                              									Handelssachen, solche für Patentsachen und technische Streitigkeiten überhaupt im
                              									Rahmen des Bestehenden verlangt, d.h. Senate mit technischen Mitgliedern. Nachdem
                              									die Justizverwaltung bereits in einigen wenigen Gerichtsbezirken solche Senate,
                              									allerdings aus Juristen bestehend, gebildet hat, wäre dieser weitere Schritt einfach
                              									folgerichtig gewesen. Denn, ob auch die dauernde Tätigkeit in derartigen Prozessen
                              										jenen Richtern
                              									eine gewisse Sicherheit in der Rechtsfindung verleihen wird, so wird doch das
                              									tiefere technische Verständnis dadurch niemals erworben werden können. Mit
                              									Sachverständigen vor der Barre allein ist der Technik nicht geholfen. Schon zur
                              									Befragung dieser bedarf es technischen Verständnisses. Ohne dieses wird es in den
                              									seltensten Fällen gelingen, den Kernpunkt zu erfassen. Das Gebiet der Technik ist
                              									heute so umfangreich, daß der Techniker selbst nur auf Einzelgebieten zu Hause sein
                              									kann, und da glaubt die Justizverwaltung, ihre Referendare zu fachkundigen Richtern
                              									durch einen mehrwöchentlichen Kursus machen zu können, denen die Entscheidung
                              									in den wichtigsten Fragen unserer technischen Entwicklung anvertraut ist. Mit
                              									mindestens demselben Recht, mit dem im Patentamt Juristen sitzen, gehören in die
                              									Gerichte, die über die Handhabung des Patentgesetzes urteilen, Techniker.
                           Ziehen wir das Fazit, so sehen wir, daß alle berechtigten Wünsche der deutschen
                              									Technik in den Wind geschlagen worden sind, daß Massensuggestion durch soziale
                              									Schlagwörter über sachliche Gründe den Sieg davon tragen werden, da selbst der
                              									Reichstag in ihrem Nebel befangen ist.