| Titel: | Ueber die Reibung von Leder auf Eisen. | 
| Autor: | R. Skutsch | 
| Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 341 | 
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                        Ueber die Reibung von Leder auf
                           								Eisen.
                        Von Professor Dr.-Ing. R. Skutsch.
                        (Fortsetzung von S. 310 d. Bd.)
                        SKUTSCH: Ueber die Reibung von Leder auf Eisen
                        
                     
                        
                           Die Ergebnisse der beiden Versuchsreihen sind in den Abb. 6 bis 9 in verschiedenen
                              									Darstellungen aufgetragen, die wohl einer Erläuterung nicht bedürfen. Wie man sieht,
                              									ergab sich beide Male etwa derselbe Verlauf der Kurven, während die absoluten Werte
                              									der Reibungsziffer am 19. Dezember um einige Prozente kleiner ausfielen als am 15.
                              									Dezember. Die Reibungsziffer nimmt gemäß Abb. 7 und
                              										9 erst schnell und dann langsamer mit der
                              									Geschwindigkeit zu; auch der Einfluß des Flächendrucks ist in allen Schaulinien
                              									deutlich ausgeprägt, wenn auch die Versuche nicht sehr geeignet sind, ihn
                              									zahlenmäßig zu verfolgen. Zu diesem Behuf wären Versuchsreihen bei einer und
                              									derselben Geschwindigkeit zweckmäßiger gewesen, die freilich nicht ganz so leicht zu
                              									erhalten sind. Zufällig ergaben sich indessen am 19. Dezember von selbst bei drei
                              									verschiedenen Belastungen und Neigungen fast die gleichen Geschwindigkeiten, nämlich
                              									bei den Versuchen 1 bis 4 eine mittlere Geschwindigkeit von 2,11 cm/Sek., bei den
                              									Versuchen 20 und 21 eine solche von 2,25 cm/Sek. und bei den Versuchen
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 342
                              Abb. 6. Versuche vom 15. Dezember 1913
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 342
                              Abb. 7. Versuche vom 15. Dezember 1913
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 342
                              Abb. 8. Versuche vom 19. Dezember 1913
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 342
                              Abb. 9 Versuche vom 19. Dezember 1913
                              
                           
                           24 und 25 eine solche von 2,29 cm/Sek. Der Einfluß des
                              									Flächendruckes auf die Reibungsziffer läßt sich also aus diesen Versuchen wenigstens
                              									für eine Geschwindigkeit von rund 2,2 cm/Sek. ungefähr entnehmen; er ist keineswegs
                              									unbedeutend, sondern die Reibungsziffer steigt, wie dies in Abb. 10 dargestellt ist, fast auf das
                              									Anderthalbfache, wenn der Flächendruck auf ein Drittel sinkt. Man kann danach den
                              									oben erwähnten Fehler, der bei den Aprilversuchen dadurch entstand, daß der
                              									Flächendruck nicht konstant gehalten wurde, abschätzen; da der Flächendruck bei 45 °
                              									verhältnismäßig etwa rund 30 v. H. zu gering war, wird sich die Reibungsziffer in
                              									diesem Fall verhältnismäßig vielleicht um 15 v. H. höher ergeben haben, als es bei
                              									einer Versuchsreihe mit konstantem Flächendruck der Fall gewesen wäre.
                           Photographische Aufnahmen ergaben nunmehr einen sehr gleichmäßigen Verlauf der
                              									Bewegung. Die sechs Diagramme der Abb. 11 wurden am
                              									22. Januar 1914 mit trockener Lederscheibe auf ungefetteter Bahn erhalten; da die
                              									Platten nach jedem Versuch sofort entwickelt wurden, so konnte die Fallzeit
                              									schrittweise nach Wunsch geregelt werden, und zwar, da nur geringe Veränderungen
                              									nötig wurden, durch Aenderung der Belastung unter Beibehaltung einer Neigung von 40
                              									°. Die Regelung wurde aber dadurch erschwert, daß während der Versuche eine Tendenz
                              									zur Vergrößerung der Reibungsziffer bestand, die an und für sich nur durch ständiges
                              									Erhöhen des Flächendrucks ausgeglichen werden konnte. Zwei ausgebliebene Zeitmarken
                              									im Diagramm 4 lassen sich leicht und sicher interpolieren.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 343
                              Abb. 10. Versuche vom 19. Dezember 1913. a. Maßstab der Abszissen, b. Maßstab
                                 										der Ordinaten
                              
                           Die Diagramme stellen wohl gerade den interessantesten Teil der Bewegung dar. Sie
                              									zeigen in ihrer ersten Hälfte die sehr charakteristische Anlaufperiode, in der
                              									zweiten dagegen wo nicht einen Beharrungszustand, so doch auch keine ausgesprochene
                              									Beschleunigung mehr, jedes einzelne widerlegt also das Morin sehe Gesetz, nach welchem auch für Leder auf Eisen die Bewegung eine
                              									gleichförmig beschleunigte sein sollte. Um übrigens die Diagramme auszuwerten, mußte
                              									natürlich zunächst die Periode des Unterbrechers festgestellt werden, was
                              									folgendermaßen geschah.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 343
                              Abb. 11.
                              
                           Neben dem Unterbrecher wurde etwas tiefer eine zweite Feder von solcher
                              									Schwingungsdauer angebracht, daß man ihre Schwingungen im Gegensatz zu denen des
                              									Unterbrechers eben noch zählend verfolgen konnte. Ließ man nun beide Federn
                              									gleichzeitig ihre Schwingungen untereinander auf einen berußten Papierstreifen
                              									aufzeichnen, so konnte man mittelbar auch die Periode des Unterbrechers feststellen.
                              									So kann man z.B. an der Aufnahme in Abb. 12 leicht
                              									abzählen, daß ziemlich genau 29 Schwingungen des Unterbrechers auf 12 Schwingungen
                              									der andern Feder entfielen. Da nun die letztere auf viertel Sekunden abgestimmt war,
                              									so macht der Unterbrecher 29 Schwingungen in drei Sekunden, und seine
                              									Schwingungsdauer ist 3: 29 = 0,1034 Sekunden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 344
                              Abb. 12.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 344
                              Abb. 13. Versuche vom 22. Januar 1914
                              
                           Die sechs Wegzeitlinien sind in Abb. 13 übersichtlich
                              									aufgetragen; man sieht, daß sie im Charakter völlig übereinstimmen. Mit
                              									apollonischen Parabeln, die sie nach Morin sein sollten,
                              									haben sie wenig Aehnlichkeit; der Krümmungshalbmesser nimmt mit der Geschwindigkeit
                              									schnell zu und wird bald unendlich, d.h. eine Beschleunigung findet dann nicht mehr
                              									statt. Höchst auffällig ist aber, daß es sich dabei um einen Wendepunkt handelt und
                              									daß nachher die Geschwindigkeit sogar wieder abnimmt. Diese Erscheinung
                              									widerspricht, wie man leicht einsieht, den anscheinend so selbstverständlichen
                              									Voraus -Setzungen, die wir auf S. 275 d. Bd. über die Zuordnung der Reibungsziffern
                              									zu den Geschwindigkeiten gemacht hatten; sie läßt wohl auch nur die Wahl zwischen
                              									den Annahmen, daß der untere Teil der Bahn einen erheblich größeren
                              									Reibungswiderstand bietet als der obere, oder aber, daß Zeit und Weg der bereits erfolgten Gleitung die
                              									Reibungsziffer steigern. Gegen die erstere Annahme spricht die Herstellung und das
                              									Aussehen der Bahn, für die zweite die Beobachtung, daß die Reibung bei den sechs
                              									Aufnahmen von Versuch zu Versuch anstieg, ein Umstand, der sich ja bei den
                              									Dezemberversuchen mit gefetteten Flächen ebenfalls wiederholt bemerkbar gemacht
                              									hatte, dessen Ursachen wohl aber schwer zu erforschen sein werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 345
                              Abb. 14. Versuche vom 2. Februar 1914. a. Maßstab der Abszissen, b. Maßstab
                                 										der Ordinaten Flächendruck 0,369 at
                              
                           Abgesehen von dieser Erscheinung, die freilich auch den Anlauf schon etwas
                              									beeinflussen wird, scheint nichts entgegenzustehen, den photographisch analysierten
                              									Bewegungsverlauf aus Versuchsreihen abzuleiten, wie sie in den Tabellen S. 275, 309
                              									u. 310 wiedergegeben sind. Ein Anfang in dieser Richtung ist ja auch schon auf S.
                              									275 bis 277 gemacht und die Frage dort nur der Unvollkommenheit der Bahn und der
                              									ungleichen Flächendrucke wegen nicht weiter verfolgt worden. Es liegt aber nahe, die
                              									in solchen Versuchen zu Tage tretende Abhängigkeit der Reibung von der
                              									Geschwindigkeit in eine Formel zu bringen und so den Bewegungsvorgang beim Anlauf
                              									rechnerisch zu verfolgen. Zu diesem Zweck wurden am 2. Februar 1914 Versuche
                              									möglichst unter denselben Bedingungen angestellt, unter denen die photographisch
                              									aufgenommenen Bewegungen zustande gekommen waren, wobei sich allerdings bald
                              									herausstellte, daß die Reibung inzwischen noch weiter zugenommen hatte. So war ein
                              									Vergleich nur unter Anwendung verhältnismäßig höherer Flächendrucke möglich, welche
                              									ja die Reibungsziffer vermindern, und zwar ergab sich eine Beharrungsgeschwindigkeit
                              									von 1,11 m/Sek. auf 40° Neigung erst bei einem Flächendruck von 0,369 kg/cm2, während der Versuch 6 am 22. Januar 1914 auf
                              									eine solche Geschwindigkeit schon bei einem Flächendruck von 0,285 kg/cm2 führte.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 345
                              Abb. 15. Versuch 6 am 22. Januar 1914
                              
                           Bei dem genannten Flächendruck wurden am 2. Februar 1914 beobachtet
                           
                              
                                 bei einer Neigung von
                                 eine Geschwindigkeit von
                                 
                              
                                 20°
                                     0,005 m/Sek.
                                 
                              
                                 25°
                                 0,0382   „
                                 
                              
                                 30°
                                 0,144     „
                                 
                              
                                 35°
                                 0,522     „
                                 
                              
                                 40°
                                 1,0745   „
                                 
                              
                           Trägt man die trigonometrischen Tangenten der Neigungen als Funktion der
                              									Geschwindigkeiten auf, so liegen diese fünf Punkte nahezu auf einer kubischen
                              									Parabel, d.h. man kann die Reibungsziffer ziemlich genau durch die Formel
                           
                              \mu=\mu_0+a\,\sqrt[3]{v}
                              
                           ausdrücken, wo μ0 die Reibungsziffer bei ganz geringer
                              									Geschwindigkeit bedeuten würde. Wählt man dann die Konstanten μ0 und a zu 0,28 bzw. 0,54, sofern v in Metern gemessen wird, so ergibt sich nach Abb. 14 eine recht gute Uebereinstimmung der beobachteten und berechneten
                              									Werte
                           Nun ist bekanntlich
                           
                              \frac{d\,v}{d\,t}=g\,(\sin\,\alpha-\mu\,.\,\cos\,\alpha)=g\,.\,\cos\,\alpha\,(\mbox{tg}\,\alpha-\mu),
                              
                           also im vorliegenden Falle
                           
                              \frac{d\,v}{d\,t}=g\,.\,\cos\,\alpha\,(\mbox{tg}\,\alpha-\mu_0-a\,\sqrt[3]{v}),
                              
                           
                           oder, wenn \frac{\mbox{tg}\,\alpha-\mu_0}{a}=b gesetzt
                              									wird,
                           
                              \frac{d\,v}{d\,t}=g\,.\,a\,.\,\cos\,\alpha\,(b-\sqrt[3]{v}).
                              
                           Offenbar ist b3 der
                              									höchste Wert, den die Geschwindigkeit annehmen kann, da für
                              										b=\sqrt[3]{v} die Beschleunigung verschwindet und Beharrung
                              									eintritt. Im vorliegenden Fall ist
                              										b=\frac{0,839-0,280}{0,54}=1,035; die Geschwindigkeit würde
                              									also nicht über 1,0353= 1,109 m/Sek. steigen.
                           Trennung der Veränderlichen ergibt
                           
                              g\,.\,a\,.\,\cos\,\alpha\,d\,t=\frac{d\,v}{b-\sqrt[3]{v}},
                              
                           woraus nach leichter Integration folgt
                           
                              g\,.\,a\,.\,\cos\,\alpha\,.\,t=-\frac{3}{2}\,\sqrt[3]{v^2}-3\,b\,\sqrt[3]{v}-3\,b^2\,.\,\mbox{log
                                 										nat}\,(b-\sqrt[3]{v})+\mbox{konst.}
                              
                           oder insbesondere, wenn für t = 0 auch v = 0 werden soll,
                           
                              g\,.\,a\,.\,\cos\,\alpha\,.\,t=-\frac{3}{2}\,\sqrt[3]{v^2}-3\,b\,\sqrt[3]{v}-3\,b^2\,.\,\mbox{log
                                 										nat}\,\left(1-\frac{\sqrt[3]{v}}{b}\right).
                              
                           Man kann hiernach die Zeit angeben, zu welcher jede Geschwindigkeit erreicht wird,
                              									d.h. man kann die Zeit-Geschwindigkeitslinie punktweise konstruieren. In Abb. 15 ist diese Kurve gestrichelt gezeichnet,
                              									während die Zickzacklinie aus der Aufnahme 6 der Abb.
                                 										11 bzw. aus der Linie 6 der Zeitwegdiagramme in Abb. 13 in einfachster Weise abgeleitet werden konnte. Die
                              									Uebereinstimmung kann wohl, soweit es sich um den Anlaufvorgang handelt, als
                              									befriedigend bezeichnet werden, zumal wenn man Morins
                              									Lehre dagegen hält, nach dessen Theorie die Zeit-Geschwindigkeitslinie eine durch
                              									den Koordinatenanfang gehende Gerade hätte sein müssen.
                           
                              (Schluß folgt.)