| Titel: | Ein graphisches Schnellverfahren zur Berechnung von Kranträgern. | 
| Autor: | Zimmermann | 
| Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 434 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Ein graphisches Schnellverfahren zur Berechnung
                           								von Kranträgern.
                        Von Zimmermann in
                           									Berlin-Pankow.
                        ZIMMERMANN: Ein graphisches Schnellverfahren zur Berechnung von
                           								Kranträgern.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Es wird gezeigt, daß das Verfahren nach Bülz seine volle
                              									Ueberlegenheit hinsichtlich Zeitersparnis bei Berechnung von Kranträgern erst durch
                              									Einbeziehen auch der Eigengewichtslasten in das Diagramm für die Verkehrslasten
                              									entfaltet, ohne daß dadurch die Uebersicht über den Anteil von Verkehrslast und
                              									Eigenlast an der Stabkraft verwischt wird. Es wird dies an Hand eines praktischen
                              									Falles nachgewiesen.
                           Sodann wird das Verfahren auch auf Träger mit nichtparallelen Gurtungen anwendbar
                              									gemacht und auch hierfür die Kombination beider Diagramme gezeigt.
                           ––––––
                           Die Ermittlung der größten Stabkräfte in statisch bestimmten Gitterträgern, die außer
                              									ihrer Eigenlast eine Verkehrslast zu tragen haben, ist eine mit den Hilfsmitteln der
                              									elementaren Statik lösbare Aufgabe. Für den in der Praxis stehenden Statiker ist es
                              									nun aber nicht ausreichend, daß er die Aufgabe mit Hilfe irgend einer analytischen
                              									oder graphischen Methode zu lösen versteht. Für ihn kommt noch in Frage, welche Zeit
                              									die von ihm gewählte Methode erfordert, und er wird eine solche, die eine Lösung in
                              									kurzer Zeit ermöglicht, einer sachlich ebenso zuverlässigen aber zeitraubenden
                              									vorziehen müssen.
                           In der großen Mehrzahl der in der Praxis vorkommenden Fälle stellt sich der
                              									Kranträger als ein durch eine gleichmäßig verteilte Eigenlast und zwei wandernde
                              									Raddrücke belasteter Parallelträger oder Gitterträger mit zweifach gekröpftem
                              									Untergurt mit steigenden und fallenden Diagonalen dar. Parabelträger mit gekreuzten
                              									Diagonalen können als veraltet angesehen werden, da diese. Konstruktion infolge der
                              									sämtlich auf Zug beanspruchten Diagonalen eine größere Durchbiegung des Systems
                              									ergibt als die oben genannten Systeme mit teils gezogenen, teils gedrückten
                              									Diagonalen (bei gleicher Materialbeanspruchung), weil ferner die Anordnung
                              									gekreuzter Diagonalen den Träger schwerer macht und weil endlich die Herstellung
                              									eines Parabelträgers mit größeren Schwierigkeiten verknüpft ist als die eines
                              									Trägers mit geradlinigen Gurtungen und, wenigstens teilweise, gleichlangen
                              									Diagonalen, die Herstellungskosten eines Parabelträgers also beträchtlich höher
                              									sind.
                           Die nachfolgenden Ausführungen werden sich daher auf die Behandlung der
                              									erstgenannten Systeme beschränken. Ergänzend sei noch hinzugefügt, daß in der
                              									Mehrzahl der Fälle die Felder gleich lang gewählt werden und die Raddrücke gleich
                              									groß sind.
                           Für die Berechnung der durch die Verkehrslast hervorgerufenen größten Stabkräfte
                              									eines Parallelträgers hat Dipl.-Ing. Bülz in Nr. 35
                              									Jahrgang 1908 der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure ein Verfahren
                              									gegeben, das sich durch große Uebersichtlichkeit und ein äußerst geringes Aufgebot
                              									an Zeichenarbeit auszeichnet. Allerdings setzt es einen geübten Statiker insofern
                              									voraus, als diesem die Stellung der wandernden Last, bei der jeder Stab seine
                              									Maximalbeanspruchung erhält, bekannt sein muß. Wir dürfen hier wohl aber als bekannt
                              									voraussetzen, daß
                           
                              1. Obergurt und Untergurt die größte Stabkraft erhält bei
                                 										Stellung des Vorderrades über dem Knotenpunkte, den man bei dem Ritterschen Verfahren zur Berechnung des betr. Stabes
                                 										als Drehpunkt wählen müßte; daß ferner der Obergurt stets gedrückt, der
                                 										Untergurt stets gezogen wird;
                              2. die Diagonalen am stärksten belastet werden bei Stellung des
                                 										Vorderrades über dem dem Auflager des betrachteten Trägerteiles abgewendeten
                                 										Grenzknotenpunktes des betr. Feldes;
                              3. die nach der Vorderlast hin aufsteigenden Diagonalen des
                                 										betrachteten Trägerteiles stets Druck, die nach dieser hin fallenden stets Zug
                                 										erhalten.
                              
                           Setzt man diese Tatsachen als bekannt voraus, so stellt das Verfahren nach Bülz die schnellste und klarste rein graphische Methode
                              									zur Ermittlung der Stabkräfte dar.
                           Zur vollen Geltung kommt die Ueberlegenheit dieses Verfahrens aber erst durch
                              									Einbeziehen auch der Eigenlast in das Diagramm für die Verkehrslast. Bisher erfolgte
                              									die Ermittlung dieser Kräfte mit Hilfe eines Cremona-Planes und Addition der hieraus
                              									ermittelten Kräfte zu den aus der Verkehrslast resultierenden. Aber einerseits
                              									stellt dieses Verfahren keine rein graphische Methode dar, da eine, wenn auch
                              									elementare Rechnungsoperation, nämlich die Addition der aus den beiden Diagrammen
                              									ermittelten Stabkräfte, vorgenommen werden mußte; anderseits läßt sich die zur
                              									Vornahme der zeichnerischen und rechnerischen Sonderarbeit benötigte Zeit durch die
                              									im folgenden erläuterte Methode noch wesentlich herabsetzen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 434
                              Abb. 1.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 434
                              Abb. 2. Die Breite der Hilfsrechtecke zur Ermittlung der Obergurt- bzw.
                                 										Untergurtkräfte wurde im doppelten Systemmaßstabe aufgetragen, um das Diagramm
                                 										zu verkürzen; mithin Maßstab für diese Kräfte 0,75 mm = 200 kg.
                              
                           Behandeln wir zunächst den Parallelträger. Bei diesem wissen wir, daß die Kräfte im
                              									Ober- und Untergurt bedingt sind durch die Größe des an der betreffenden
                              									Trägerstelle herrschenden Biegungsmomentes, und daß die Kräfte in den
                              									Diagonalen gleich der Komponente in Diagonalrichtung der in dem betreffenden Felde
                              									herrschenden Querkraft sind. Bezüglich des Vorzeichens der Diagonalkräfte wissen
                              									wir, daß (bei symmetrischer Eigengewichtsverteilung) die nach der Mitte
                              									aufsteigenden Diagonalen Druck, die nach dieser hinfallenden Zug erhalten.
                              									Vergegenwärtigen wir uns dies, so kommen wir zunächt zu folgender Ermittlung der aus
                              									dem Eigengewicht resultierenden Stabkräfte (vgl. Abb.
                                 										1).
                           Wir zeichnen das Querkraftdiagramm für die Eigenlast, bestehend aus dem bekannten
                              									treppenförmig verlaufenden Linienzuge. Wollen wir z.B. die Kräfte feststellen, die
                              									durch Eigenlast in den dem fünften Felde von links angehörenden Stäben O5, D5 und U2 auftreten, so
                              									verfahren wir wie folgt:
                           1. Für den Obergurt gilt (Drehpunkt fu):
                           O5 ∙
                              										h = A ∙ 5 λ – P0 ∙ 5 λ – P (4 λ + 3 λ + 2 λ + λ)
                              = A 5λ – P0 ∙ 5 λ – P ∙ 10 λ
                           
                              P_0=\frac{P}{2}
                              
                           
                              Q_5\,.\,h=A\,.\,5\,\lambda-P\,.\,\frac{25}{2}\,.\,\lambda=(A-2,5\,P)\,.\,5\,\lambda.
                              
                           Ziehen wir die Diagonale a1
                              									n1, so finden wir, daß diese in ihrem fünften Schnittpunkte mit dem Querkraftlinienzuge eine
                              									Ordinate (von a1 aus
                              									gerechnet) von 2½ P erreicht, so daß die Strecke f1
                              									a den Ausdruck (A – 2,5
                              										P) repräsentiert. Das Rechteck a f1
                              									f' f stellt also den Ausdruck (A – 2,5 P) ∙ 5 λ dar, die nach bekanntem Verfahren gezogene
                              									Diagonale f o5
                              									schneidet auf der Ordinatenachse das Stück a o5
                              									= – O5 ab.
                           2. Analog findet man für U2 (Drehpunkt e0):
                           U2 ∙ h = A
                                 										– 4 λ – P0 ∙ 4
                              										λ – P (3 λ + 2 λ + λ)
                              U2
                              									h = (A – 2P) ∙ 4 λ.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 435
                              Abb. 3.
                              
                           Die Diagonale a1
                              									n1 erreicht in ihrem
                              										vierten Schnittpunkte mit dem Querkraftlinienzuge die
                              									Ordinate 2 P, die Strecke e1
                              									a repräsentiert den Ausdruck A
                                 										– 2 P und das Rechteck a e1 a' e das Produkt (A – 2 P) ∙ 4 λ. Man findet:
                           u2a = + U2.
                           3. Von jeder Parallelen zu D5 wird durch die Nullinie und die dem fünften Felde angehörende wagerechte
                              									Querkraftlinie ein Stück e e5 abgeschnitten, das gleich der im Stab D5 auftretenden Kraft ist. Die Diagonale fällt nach
                              									der Mitte zu, mithin:
                           e e1 =
                              									+ D5.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 435
                              Abb. 4. Die Breite Hilfsrechteckes zur Konstruktion von U2 wurde im doppelten Systemmaßstabe aufgetragen,
                                 										m das Diagramm zu verkürzen; mithin Kräftemaßstab für U2 0,75 mm = 200 kg.
                              
                           An und für sich wäre mit einer solchen Ermittlung der Eigengewichtskräfte nichts
                              									gewonnen. Bedenkt man aber, daß man mittels des Bü1zschen
                              									Verfahrens in analoger Weise die aus den Verkehrslasten resultierenden Kräfte
                              									ermittelt, indem man nämlich zwecks Ermittlung der Diagonalkräfte die A-Linie als Querkraftlinie auffaßt und aus dem
                              									jeweiligen graphischen Ausdruck für das Moment geometrisch die Ober- und
                              									Untergurtkräfte ermittelt, so wird man leicht einsehen, daß man diese beiden
                              									Konstruktionen so kombinieren kann, daß lediglich die Aufzeichnung des
                              									Querkraftdiagramms mit Diagonale a1
                              									n1 als zeichnerische
                              									Mehrarbeit gegenüber der bloßen Ermittlung der Verkehrskräfte erscheint. Und das
                              									nicht einmal ganz, denn die Vertikallinien dieses Diagramms sind als Projektionslote
                              									der Feldteilungspunkte auch für das Verkehrslastendiagramm notwendig, so daß, um das
                              									Diagramm gleichzeitig für die Ermittlung der Eigengewichtskräfte brauchbar zu
                              									machen, man lediglich bei n Feldern n wagerechte Parallele im Abstand P und die Diagonale a1
                              									n1 zu zeichnen hat,
                              									während bei getrennter Ermittlung der Eigengewichtskräfte ein Cremonaplan gezeichnet
                              									und ebensoviel Additionsrechnungen ausgeführt werden müssen, als Stabkräfte
                              									ermittelt werden sollen.
                           Abb. 2 zeigt die praktische Anwendung des
                              									kombinierten Diagramms für die Berechnung eines Parallelträgers für 10t Nutzlast und
                              									18 m Spannweite. Raddruck der Katze 3250 kg; Eigengewicht des Trägers + Zusatzlasten
                              									4800 kg, d. i. pro Knotenpunkt \frac{4800}{12}=400\mbox{ kg} bzw.
                              									je 200 kg für die Endknotenpunkte.
                           Das vorstehende Diagramm zeichnet sich durch die aufs äußerste reduzierte
                              									Zeichenarbeit aus. Wir erkennen aber trotz der Zusammenziehung von Verkehrslast- und
                              									Eigengewicht sehr deutlich den Anteil jeder dieser Belastungsgruppen an der
                              									Zusammensetzung der Stabkräfte und können besonders schön den entlastenden Einfluß
                              									des Eigengewichts auf die Diagonalen der rechten Kranhälfte bei entsprechender
                              									Stellung der Verkehrslasten verfolgen.
                           Bedenken wir, daß für die Ermittlung der Gurtkräfte nur die linke Hälfte des
                              									Diagramms und für die Dimensionierung der Diagonalen nur die Felder 1 bzw. 8 von
                              									Bedeutung sind, so wird man einsehen, daß die vorliegende Art der Kräfteermittlung
                              									den denkbar kürzesten Weg zum Ziele darstellt, und wer je das Lästige wenig
                              									anregender, weil teilweise nebensächlicher Zeichenarbeit empfunden hat, wird jeden
                              									Fortschritt im Sinne einer Arbeitsverkürzung begrüßen.
                           
                           
                              
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 436
                              Abb. 5. Die Breite der Hilfsrechtecke zur Konstruktion der Ober- und
                                 										Untergurtkräfte wurde im doppelten Systemmaßstabe aufgetragen, um das Diagramm
                                 										zu verkürzen; mithin Maßstab für diese Kräfte 0,75 mm = 200 kg.
                              
                           Wollen wir einen Gitterträger mit nur teilweise parallelen Gurtungen auf gleiche Art
                              									behandeln, so müssen wir einige Korrekturen eintreten lassen. Für den Teil mit
                              									geneigtem Untergurt gilt nämlich nicht mehr der Satz, daß die Diagonalkraft gleich
                              									der in Diagonalrichtung fallenden Komponente der (in dieser Richtung und parallel
                              									zum Obergurt zerlegten) Querkraft ist. Betrachten wir nämlich in Abb. 3 den Trägerteil links vom Schnitt x – y, so finden wir durch Aufstellen einer der
                              									fundamentalen Gleichgewichtsbedingungen:
                           Querkraft
                              										Q_3=A-(P_0+2\,P)=S_{\mbox{D}_3}\,\sin\,\beta+S_{\mbox{U}_2}\,.\,\sin\,\alpha
                              									und erkennen aus dem zweiten Gliede der rechten Seite der Gleichung, daß auch der
                              									Untergurt an der Uebertragung der Querkraft beteiligt ist. Anders geschrieben lautet
                              									diese Gleichung:
                           
                              S_{\mbox{D}_3}\,.\,\sin\,\beta=Q_3-S_{\mbox{U}_2}\,.\,\sin\,\alpha.
                              
                           Wir müssen also von der Querkraft d im Felde 3 den Betrag S_{\mbox{U}_2} sin α abziehen, um den Wert für die Vertikalkomponente
                              									der Diagonalkraft D3 und damit diese selbst zu erhalten. Diese Aufgabe läßt sich aber
                              									wiederum graphisch auf sehr einfache Weise lösen, indem wir – unter Berücksichtigung
                              									des im folgenden über die Ermittlung der Stabkräfte im geneigten Untergurt Gesagten
                              									– U2 bei Stellung des
                              									Vorderrades über Knotenpunkt d0 feststellen, diesen Wert auf der Systemlinie U2 abtragen, dessen
                              									Vertikalkomponente von der für D3 maßgebenden Ordinate der A-Linie abziehen (Strecke d1
                              									d2 im Diagramm Abb. 4) und dann vom Punkte d1 aus die Parallele zu D3 bis zum Schnittpunkt
                              										d3 ziehen (vgl.
                              									hierzu Abb. 4).
                           Bezüglich der Ermittlung der Gurtkräfte ist zu beobachten, daß die Breite des
                              									Hilfsrechteckes zur Konstruktion der Gurtkräfte für den abgeschrägten Kranteil
                              									gleich dem vom Drehpunkt auf die Kraftrichtung gefällten Lote (h' bzw. h'' in Abb. 5) sein muß. Für den parallelen Teil des Trägers
                              									bleiben die bei Berechnung des Parallelträgers gepflogenen Betrachtungen unverändert
                              									bestehen. Abb. 5 veranschaulicht die Berechnung des
                              									in Abb. 2 behandelten praktischen Falles für ein
                              									System mit zweifach gekröpftem Untergurt.
                           Es wird sich empfehlen, die zur Ermittlung der Ober- bzw. Untergurtkräfte benötigten
                              									Konstruktionsdiagonalen nicht durchzuziehen, sondern nur deren Schnittpunkte mit der
                              									Ordinatenachse festzulegen, da nur diese von Bedeutung sind. Selbstverständlich ist,
                              									daß die Diagramme für Eigenlast und Verkehrslast in demselben Kräftemaßstab
                              									aufzutragen sind.
                           Auch für Belastungsfälle mit mehr als zwei und verschieden großen Raddrücken lassen
                              									sich durch sinngemäße Anwendung der oben benutzten Methoden einfache und schnell zum
                              									Ziele führende Berechnungsarten finden, doch sollen diese den Gegenstand einer
                              									anderen Abhandlung bilden.