| Titel: | Rückblick auf den Prinz-Heinrich- und den Dreieck-Flug 1914. | 
| Autor: | Paul Béjeuhr | 
| Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 488 | 
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                        Rückblick auf den Prinz-Heinrich- und den
                           								Dreieck-Flug 1914.
                        Von Paul
                                 								Béjeuhr-Berlin.
                        (Schluß von S. 473 d. Bd.)
                        BEJEUHR: Rückblick auf den Prinz-Heinrich- und den Dreieck-Flug
                           								1914
                        
                     
                        
                           Ehe weiter auf das flugtechnische Ergebnis der jetzt folgenden
                              									Aufklärungsübungen näher eingegangen werden soll, möge die Gesamtanlage dieser
                              									Uebung dargestellt werden. Die Kriegslage ist, daß die rote Armee siegreich, von
                              									Südwesten kommend, vorgedrungen ist und den blauen Feind bei Hamburg über die Elbe
                              									zurückgeworfen hat, während die 3. Kavallerie-Division der roten 3. Armee schwächere
                              									blaue Truppen über die Weser bis nach Bückeburg abgedrängt hat. Noch aber sind
                              									stärkere feindliche Kräfte bei Hannover vorhanden, außerdem befindet sich südlich
                              									von Harburg eine von der Hauptarmee abgedrängte Kolonne ebenfalls diesseits der
                              									Elbe. Diese Gefechtslage ist aufzuklären.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 488
                              Abb. 1.
                              
                           Die Zahl der Teilnehmer wurde durch Offiziere des Fliegerbataillons Nr. 2 so
                              									verstärkt, daß 37 Flieger am Sonnabend früh auf die Reise gehen konnten. Dieser Tag
                              									war wohl der schlimmste, den unsere Flieger nicht nur bei diesem Flug, sondern
                              									überhaupt durchmachen mußten. Bereits gleich nach dem Start stürzte einer der
                              									ersten, Hauptmann v. Detten, mit Begleiter, Hauptmann v.
                              										Falkenhayn, aus geringer Höhe auf die in
                              									unmittelbarer Nähe des Flugplatzes liegende Groß-Borsteler Rennbahn. Der Apparat
                              									wurde stark beschädigt und mußte abmontiert werden. Viel schlimmer lief die schwere
                              									Katastrophe bei Borgloh aus, der die beiden Fliegeroffiziere von Boeder und Bernhardt zum
                              									Opfer fielen. Sie wurden zwischen Osnabrück und Bielefeld bei Georg Marienhütte von
                              									einem starken Gewittersturm überrascht. Der Führer des Flugzeuges Leutnant Boeder entschloß sich daher, kehrtzumachen und nach
                              									Bielefeld zurückzufliegen. Plötzlich konnte man beobachten, wie der Flugapparat, der
                              									sich in einer Höhe von etwa 1400 m befand, wie bei einem Sturzfluge abwärtsglitt.
                              									Das Flugzeug näherte sich mit rasender Schnelligkeit dem Erdboden und bohrte sich
                              									auf freiem Felde tief in die Erde ein. Die beiden Fliegeroffiziere waren sofort tot.
                              									Sie hatten schwere innere Verletzungen und unzählige Brüche erlitten, die ihren
                              									sofortigen Tod zur Folge hatten. Nach Ansicht der Fachleute scheint der Unfall
                              									geklärt, obwohl beide Insassen den Tod erlitten haben. Aus der Barographenkurve geht
                              									nämlich unzweifelhaft hervor, daß in 1450 m Höhe ein Gleitflug eingeleitet wurde.
                              									Der Gleitflug ist dann plötzlich sehr steil geworden, die Maschine streifte die
                              									Wipfel eines Baumes, rutschte nach der Seite ab und wurde völlig zertrümmert. In den
                              									Wipfeln blieben einige Fetzen des Apparates hängen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 488
                              Abb. 2.
                              
                           Nach der Ruhe des Sonntags fand am Montag die taktische Aufklärungsübung statt, und
                              									zwar wurde morgens friedensmäßig nach dem Exerzierplatz Hangelaar bei Bonn geflogen,
                              									von wo der kriegsmäßige Abflug zu den Aufklärungsobjekten bei Cöln stattfand. Bis 8
                              									¾ Uhr waren 28 Flugzeuge zum Fluge nach der Hangelaarer Heide bei Bonn gestartet. In
                              									kurzen Abständen folgten bis gegen 10 Uhr 14 weitere Flieger. Die Uebung zog sich über Dellbrück bei
                              									Mühlheim, wo sich die blaue 7. Armee befindet, nach Opladen, dem Versammlungsgelände
                              									der weiteren Truppen, hin.
                           Eine Neuerung bei dem diesjährigen Flug bildete die ärztliche Untersuchung der
                              									Flugzeugführer vor dem Aufstieg und nach dem Landen, die vom Kriegsministerium und
                              									von der Generalinspektion des Flugwesens angeordnet war. Die Untersuchung erstreckt
                              									sich nach den Vorschlägen von Hofrat Professor Dr. Friedländer und gemäß den Anregungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Luftfahrt auf die Gleichgewichtsorgane
                              									und die Herztätigkeit, auf die Prüfung des Nervensystems sowie des Blutes. Man
                              									hofft, auf diese Weise mit der Zeit einen Maßstab für die körperliche Qualifikation
                              									der Flugzeugführer zu bekommen, was eine erhöhte Sicherheit gewährleistet.
                           Die Preisverteilung ergab folgende Zeiten:
                           
                              1. Lt. Frhr. v. Thüna, Beobachter
                                 										Lt. v. Kleist (L.-V.-G.-D.-D.) 17 Std. 16 Min. 9
                                 										Sek.
                              2. Oberlt. v. Beaulieu, Hptm. Geerdtz (L.-V.-G.-D.-D.) 17 Std. 29 Min. 6
                                 										Sek.
                              3. Lt. v. Buttlar, Lt. v. Schröder (L.-V.-G.-D.-D.) 17 Std. 29 Min 8
                                 										Sek.
                              4. Sachs. Lt. Bonde, Lt. Müller (Albatros-D.-D.) 21 Std. 54 Min. 1 Sek.
                              5. Oberlt. Geyer, Lt. Kühn (Aviatik-D.-D.) 22 Std. 34 Min. 3 Sek.
                              6. Krumsiek, Lt. Plagemann (Gotha-Hansa-Taube) 23 Std. 14 Min. 4
                                 										Sek.
                              7. Th. Schauenburg, Lt. Hug (A.-E.-G.-Benz-D.-D.) 26 Std. 35 Min.
                              8. Bayer. Lt. Schlemmer, Oberlt. König (L.-V.-G.-E.) 26 Std. 52 Min. 8 Sek.
                              9. Dipl.-Ing. R. Thelen, Hptm. Geibel (Albatros-D.-D.) 27 Std. 34 Min. 5 Sek.
                              10. Oberlt. Joly, Oberlt. Felmy (Gotha-Taube) 28 Std. 40 Min. 8 Sek.
                              11. Oberlt. Ladewig, Lt. Trenkmann (Rumpler-Eindecker 1914) 29 Std. 50 Min. 7
                                 										Sek.
                              12. Oberlt. Hantelmann, Oberlt. Zimmer-Vorhaus (Albatros-Taube) 30 Std. 15 Min. 3
                                 										Sek.
                              13. Außer Konkurrenz: Lt. Mühlig-Hofmann, Oberlt. Nord
                                 										(Albatros-D.-D.) 25 Std. 56 Min 9 Sek.
                              
                           Beim Dreieckflug meldeten sich 43 Flieger, von denen
                              									jedoch nur 37 an den Start kamen; von diesen gingen wiederum 36 am 30. Mai
                              									nachmittags 4 Uhr auf die Reise, um die erste etwa 225 km lange Etappe
                              									Johannisthai-Leipzig-Dresden mit einer Zwangslandung in Leipzig zurückzulegen. Bis
                              									zum Kontrollschluß (Sonntag vormittag 10 Uhr) hatten 34 diese Leistung vollbracht,
                              									die sich dann bis auf zwei Ausnahmen an den lokalen Flügen in Dresden beteiligten.
                              									Am Montag starteten für die Strecke Dresden-Johannisthal-Leipzig (285 km) 35
                              									Flieger, von denen 26 ihr Ziel glücklich erreichten; die nächste Etappe von Leipzig
                              									über Dresden nach Johannisthai (240 km) wurde von 25 Fliegern aus 27 Startenden
                              									anstandslos bewältigt, und die letzte und schwerste Etappe
                              									Johannisthal-Leipzig-Dresden-Johannisthal (etwa 375 kmj erledigten von 26
                              									startbereiten Teilnehmern 16. Das sind außerordentlich bemerkenswerte Ergebnisse,
                              									zumal wenn man die ungewöhnlich schlechte Witterung berücksichtigt und außerdem
                              									bedenkt, daß der Start stets erst nachmittags um 4 Uhr erlaubt war, und daß die
                              									Flüge größtenteils bis 7 und 8 Uhr zurückgelegt wurden. Außerdem ist hinsichtlich
                              									der letzten Teilstrecke zu bemerken, daß für 375 km mit zwei Zwischenlandungen die
                              									Zeit von 4 bis 8 ½ Uhr entschieden zu kurz bemessen war. Hätte nur ½ Stunde mehr zur
                              									Verfügung gestanden, so wären von 26 gestarteten Fliegern bei dieser recht
                              									schwierigen Aufgabe 22 rechtzeitig angekommen; ein erfreuliches Ergebnis! – In wie
                              									gutem Zustand die Flieger ihre Maschinen durch den Wettbewerb brachten, zeigt, daß
                              									10 Teilnehmer zur weiteren Verbesserung ihrer Stellung nach glücklich absolviertem
                              									Fluge noch vor Kontrollschluß nochmals die Strecke Johannisthal-Leipzig
                              									abflogen!
                           Was haben nun die Flüge gezeigt? Die große Ueberzahl der Offiziersflieger unter den
                              									Preisträgern des Prinz-Heinrich-Fluges könnte auf den ersten Blick auf eine gewisse
                              									Ueberlegenheit dieser gegenüber den Zivilfliegern deuten. Das trifft keineswegs zu!
                              									Unsere Fliegeroffiziere tummeln sich tagaus tagein mit ihren Maschinen in der Luft,
                              									erledigen – von keinem Schulbetrieb geplagt – große Ueberlandflüge und verwachsen so
                              									allmählich mit ihren Apparaten, ständig ihre Leistungsfähigkeit erhöhend. Das ist
                              									ein vorzügliches Training! Unsere Zivilflieger dagegen müssen schulen, müssen
                              									Maschinen einfliegen, Neukonstruktionen erproben und kommen dann größtenteils mit
                              									einer im letzten Augenblick fertiggewordenen Maschine an den Start, deren
                              									Eigenheiten sie unmöglich beherrschen können. Der Offiziersflieger ringt um die
                              									Siegespalme ganz ohne jeden Nebengedanken, er sucht aus sich und seinem Material
                              									alles bis zum Letzten herauszuholen, er geht bis an die Grenze des Wagens!
                              									Schlimmstenfalls tritt für den Bruch das Bataillon, für Verletzungen der Staat ein.
                              									Anders der Zivilflieger. Er ist seiner Firma für den Apparat verantwortlich, er
                              									schuldet seiner Familie die nötige Rücksicht auf den Erhalt der Erwerbsfähigkeit des
                              									Ernährers. Das alles zwingt ihn zum Abwägen, zur Besonnenheit, das macht ihn aber
                              									auch zeitweise sportlich unterlegen!
                           Die exakte, regelmäßige, ebenfalls geschwaderweise erfolgte Zurücklegung des
                              									Dreieckfluges hat ja auch die absolute Verläßlichkeit der deutschen Zivilflieger,
                              									ihre Besonnenheit, Zähe und Energie zur Genüge bewiesen. Beide Flüge bedeuten aber
                              									auch einen vollen Erfolg des deutschen Flugzeugmaterials, haben doch z.B. beim
                              									Prinz-Heinrich-Flug von 13 Preisträgern 5 bzw. 4 dasselbe Flugzeugfabrikat benutzt,
                              									während 12 Motoren von der gleichen Firma waren. Ganz ähnlich beim Dreieckflug!
                              									Dabei muß berücksichtigt werden, daß kaum irgendwelche Neu- oder
                              									Extrakonstruktionen, sondern nur Serienapparate Verwendung fanden. Das sind
                              									Ergebnisse, die hoffentlich dem deutschen Absatz auf dem Auslandsmarkt dienlich sein
                              									werden.
                           
                           Der militärische Wert beider Flüge bestand im Gegensatz zu der Erzielung von
                              									Rekordleistungen darin, festzustellen, eine wie große Mehrzahl ausgesandter Flieger
                              									große und schwere Durchschnittsleistungen unabhängig von Wind und Wetter
                              									erfüllen, bzw. wie hoch diese Durchschnittsleistungen heute schon bemessen werden
                              									können. Und auch in dieser Beziehung können wir mit den Erfolgen recht zufrieden
                              									sein!