| Titel: | Moderne Fernsprechleitungen. | 
| Autor: | A. Ebeling | 
| Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 497 | 
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                        Moderne Fernsprechleitungen.
                        Von Oberingenieur Dr. A. Ebeling in
                           									Berlin-Charlottenburg.
                        EBELING: Moderne Fernsprechleitungen
                        
                     
                        
                           Wenn sich auf irgend einem Gebiete der Technik der gunstige Einfluß
                              									wissenschaftlichen Forschens in hellem Lichte gezeigt hat, so ist es das Gebiet der
                              									Fernleitung von Sprechströmen. Die Apparate zum Senden
                              									und Empfangen telephonischer Wechselströme, Mikrophon und Fernhörer, sind fast
                              									ausschließlich in der Praxis durchgebildet worden und unterscheiden sich im Wesen
                              									heute noch nur wenig von den ältesten Typen. Erst in neuester Zeit sind Schritte
                              									unternommen worden, die Sonde wissenschaftlicher Messung an diese Glieder des
                              									Fernsprechmechanismus zu legen, um ihre verbesserungsfähigen Stellen von Grund auf
                              									kennen zu lernen.K.W.Wagner, Ueber die Verbesserung des Telephons,
                                    											E.T.Z. 1911, S.83. F. Breisig, Ueber die
                                    											Energieverteilung in Fernsprechkreisen. E. T. Z. 1911, S. 558.Im
                              									Gegensatz hierzu hat sich mit den Leitungen für
                              									elektrische Nachrichtenübermittlung die Wissenschaft von vornherein rege beschäftigt
                              									und dabei schließlich um die Jahrhundertwende einen Erfolg gezeitigt, der die andern
                              									bisherigen Erfolge der Fernsprechtechnik weit in den Schatten stellt.
                           Dieser Erfolg geht aus von der Erfindung des amerikanischen Professors Pupin, welche zwar in den Arbeiten einiger Forscher vor
                              									ihm wurzelt, aber doch erst den entscheidenden Schritt enthält, der die vorliegenden
                              									Ergebnisse der Praxis nutzbar machte.
                           Ein kurzer Rückblick auf die Entwicklung der Theorie der Fernsprechleitungen wird am
                              									deutlichsten Pupins Verdienst erkennen lassen.
                           Im Beginn des Entstehens der Fernsprechtechnik, als man noch vollkommen am Bilde des
                              									gewöhnlichen Stromkreises haftete, zog man naturgemäß nur den Leitungswiderstand,
                              									und zwar den Gleichstromwiderstand der Leitung, als maßgebend für die
                              									Energieübertragung in Betracht. Für Stromunterbrechungen und Stromschluß,
                              									insbesondere in der Form, wie sie beim Telegraphieren vorkommen, traten dann
                              									allmählich auch die Begriffe Selbstinduktion und Kapazität in den. Gesichtskreis.
                              									Das weitere Studium der Wechselströme führte zur Erkenntnis, daß der
                              									Leitungswiderstand für Wechselstrom größer ist als für Gleichstrom, und zwar infolge
                              									der Verluste, die auf Vorgänge wie Skineffekt, Hysteresis, Wirbelströme
                              									zurückzuführen sind. Schließlich gelang es noch nachzuweisen, daß die scheinbare
                              									Isolation für Wechselstrom ein wesentlich anderer Begriff als die
                              									Gleichstromisolation, gleichwohl aber der exakten Messung zugänglich ist. Damit
                              									waren die heute als bestimmend für die Fernleitung elektrischer Wechselströme
                              									geltenden Begriffe: Leitungswiderstand, Kapazität, Selbstinduktion und Ableitung
                              									(der reziproke Wert der scheinbaren Wechselstromisolation) festgelegt.
                           Die wichtigste Erkenntnis aber war schon ziemlich früh gewonnen: daß die
                              									Fortpflanzung der Fernsprechströme in Form von elektrischen Wellen längs der Leitung
                              									erfolgt, deren Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Lichtgeschwindigkeit mehr oder
                              									weniger nahekommt, und deren Länge bei gewöhnlichen Leitungen hunderte von
                              									Kilometern beträgt.
                           Gemäß der verschiedenen Klangfarbe der einzelnen Laute setzen sich die Sprechwellen
                              									aus einzelnen Frequenzen zusammen. Man hat gefunden, daß unter normalen
                              									Verhältnissen die Frequenzen von ω  = 3000 Schwingungen
                              									in 2 π Sekunden bis ω =
                              									7000 Schwingungen in 2 π Sekunden für die Güte der
                              									Sprechübertragung ausschlaggebend sind, d.h. daß man eine gute Uebereinstimmung
                              									bekommt zwischen Sprechversuchen und Messungen, die mit sinusförmigem Wechselstrom
                              									mit Frequenzen aus dem Gebiete zwischen ω = 3000 und
                              										ω = 7000 ausgeführt sind.
                           Auf die Fortpflanzung dieser verschieden langen Wellen wirken nun die oben erwähnten
                              									Eigenschaften der Leitung: Widerstand, Kapazität, Ableitung und Selbstinduktion,
                              									deren kilometrische Werte man mit R, C, A und L bezeichnet, in bestimmter Weise ein.
                           Am meisten interessiert die „Dämpfung“, d.h. das Maß, in welchem die Energie
                              									vom Anfang der Leitung bis zum Ende geschwächt wird. Man bezeichnet sie mit dem
                              									Produkt β l, wo l die
                              									Länge der Leitung und β der Dämpfungskoeffizient ist.
                              									Er drückt sich durch die Eigenschaften der Leitung aus in der Form
                           
                              \beta=\sqrt{^1/_2\,[\sqrt{(A^2+\omega^2\,C^2)\,(R^2+\omega^2\,L^2)}+(A\,R-\omega^2\,C\,L)]}
                              
                           Die Bedeutung der Größe β für die Sprechübertragung
                              									erkennt man am leichtesten aus der Beziehung
                           
                              \frac{J_{\mbox{a}}}{J_{\mbox{e}}}=1/2\,e^{\beta\,l},
                              
                           wo Ja und Je den
                              									Anfangs- und Endstrom einer einigermaßen langen Leitung bezeichnen.
                           Nach dem Werte von β l kann man die Güte der
                              									Sprechverständigung beurteilen. Folgende Tabelles.u.a.
                                    											F. B reisig, E. T. Z. 1914, S. 649. gibt einige β l-Werte und den zu ihnen gehörigen Grad der
                              									Verständigung an:
                           
                              
                                 
                                    ß l
                                    
                                 Verständigung
                                 
                              
                                 3,0
                                 gut
                                 
                              
                                 3,8
                                 ausreichend
                                 
                              
                                 4,3
                                 dürftig
                                 
                              
                                 4,8
                                 kaum möglich
                                 
                              
                           Der Einfluß der vier Leitungskonstanten zeigt sich in folgender Weise:
                           Der Widerstand R wirkt der Uebertragung durch den
                              									Spannungsabfall entgegen, den er veranlaßt. Dieser Spannungsabfall wird
                              									hervorgerufen durch die Verwandlung von elektrischer Energie in Joulesche Wärme,
                              									sowie durch die Verluste infolge von Skineffekt, Wirbelströmen und Hysterese, Die
                              									Gesamtheit dieser Verlustquellen läßt sich als Ohm scher Widerstand darstellen und
                              									wird unter der Bezeichnung R zusammengefaßt.
                           Als Kapazität C ist diejenige aufzufassen, welche das
                              									elektrische Feld zwischen der Hin- und der Rückleitung bestimmt. Sie setzt sich
                              									zusammen aus der Teilkapazität zwischen den beiden Leitern und den Teilkapazitäten
                              									der einzelnen Leiter gegen Erde bzw. gegen die Umgebung. Ihren Einfluß kann man sich
                              									aus der Ueberlegung klar machen, daß die Kapazität für den Fernsprechwechselstrom
                              									endliche Widerstände darstellt, welche zu den Sende- und Empfangsapparaten im
                              									Nebenschluß liegen und ihnen so Energie entziehen.
                           Die Ableitung setzt sich aus zwei Teilen zusammen, von denen der eine der stets, wenn
                              									auch nur in geringem Grade, vorhandenen Leitfähigkeit des Dielektrikums
                              									zuzuschreiben ist, während der andere von Hystereseerscheinungen im Dielektrikum
                              									herrührt.
                           Im Gegensatz zu diesen drei Größen R, C und A wirkt die Selbstinduktion auf die Uebertragung der
                              									Sprechströme im allgemeinen nicht schwächend ein, da sie, wie auch schon aus ihrem
                              									Verhalten in Wechselstromkreisen bekannt, die Wirkung der Kapazität mehr oder
                              									weniger aufheben kann. Allerdings führte erst die Erkenntnis, daß man es bei
                              									Fernsprechleitungen mit wellenförmiger Ausbreitung der Energie zu tun hatte, zu der
                              									richtigen Beurteilung ihres fördernden Einflusses auf die Fortpflanzung von
                              									Sprechströmen.
                           Nachdem man erkannt hatte, daß eine Erhöhung der Selbstinduktion die
                              									Sprachübertragung verbessern konnte, versuchte man auf verschiedenen Wegen diese
                              									Erkenntnis in die Praxis umzusetzen. Zwei von diesen Methoden sind nur zur
                              									Bedeutung gelangt, das System nach BreisigE. T. Z. 1899, 842; 1901, 1046; 1902,
                                    										223. und KrarupE. T. Z. 1902, 344. und das Pupin-SystemPupin, Trans. Inst. El. Eng. 1899, 111 und 1900,
                                    											245. Dolezalek und Ebeling, E. T. Z. 1902, S. 1059..
                           Nach dem Breisig-Krarup-SystemVgl. auch F. Dolezalek und A. Ebeling, Ueber die
                                    											Leistungsfähigkeit von Fernsprechkabeln mit stetig verteilter
                                    											Selbstinduktion. E. T. Z. 1903 Heft 38., welches nur bei Kabeln
                              									anwendbar ist, wird der Kupferleiter mit einer oder mehreren Lagen von dünnem
                              									Weicheisendraht besponnen. Die Selbstinduktion wird also längs der ganzen Länge der
                              									Leitung erhöht. Der Erfolg dieser Methode ist immerhin achtenswert, wenn man auch
                              									mit der Höhe der eingefügten Selbstinduktion beschränkt ist, da mit dem Aufbringen
                              									der Eisenhülle auch die Kapazität C wächst. Dazu kommt,
                              									daß durch die Eisenbespinnung die Leiter und damit das Kabel sehr dick und teuer
                              									werden.
                           Die zweite Methode, die Pupin angegeben hat, unterscheidet
                              									sich grundsätzlich dadurch von der Breisig-Krarupschen, daß nach ihr die
                              									Selbstinduktion punktförmig in die Leitung eingefügt wird. Schon HeavisideHeaviside, Electromagnetic Theorie, vol. I, S.
                                    											409 bis 453, 1893. und S. P. ThompsonEngl. Patente Nr.
                                    											22304/1891, 13064 und 15217/1893, 13581/1894. hatten Vorschläge
                              									in dieser Richtung gemacht, aber erst Pupin erkannte, daß
                              									die Induktionsspulen in gleichen Abständen in die Leitung eingeschaltet werden
                              									müssen, deren Größe von der Wellenlänge der Sprechströme abhängt. Hiermit erst war
                              									der Schritt getan, der zu wirklichen Erfolgen in der Praxis führte und für das
                              									Fernsprechwesen von größter Bedeutung geworden ist.
                           Allerdings waren bei der Nutzbarmachung der Erfindung für die Praxis noch viele
                              									Schwierigkeiten zu überwinden. Diese Arbeit ist für das Gebiet, welches in der
                              									Hauptsache die europäischen Staaten umfaßt, von der Siemens
                                 										& Halske A.-G., für Nordamerika von der Western
                                 										Electric Co. übernommen und durchgeführt worden.
                           Zunächst ging man daran, die oberirdischen Freileitungen zu pupinisierenVgl. A. Ebeling,
                                    											Ueber Fernsprech-Freileitungslinien Pupinschen
                                    											Systems, E. T. Z. 1910.. Als Abstand für die Pupin-Spulen wählte
                              									man etwa 10 km. Natürlich mußten die Spulen in Gehäuse eingebaut werden, um sie
                              									gegen die Unbilden der Witterung zu schützen. Aber gerade solche
                              									Freileitungsapparate, wie die für oberirdische Leitungen in Gehäuse eingebauten
                              									Spulen heißen, herzustellen, erwies sich als ziemlich schwierig, da die Apparate
                              									vielen Anforderungen gerecht werden mußten: Sie sollten leicht sein, damit sie die
                              									Gestänge nicht zu stark belasteten; sie sollten den starken Temperaturschwankungen
                              									Widerstand leisten, gegen Gewitter unempfindlich sein und sollten die Isolation der
                              									Leitung nicht beeinträchtigen.
                           
                           Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen, bei denen man noch zudem allein auf
                              									die Erfahrungen aus dem Betriebe angewiesen war, entwickelte sich die jetzige Form
                              									der Freileitungsapparate, wie sie aus der Abb. 1 zu
                              									ersehen ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 499
                              Abb. 1. Pupinfreileitungsapparat am Gestänge
                              
                           Die im Innern eingebaute Spule besteht aus einem ringförmigen Kern aus möglichst
                              									verlustfreiem Eisen, auf welchen die beiden Wicklungen für die Hinleitung sowohl wie
                              									für die Rückleitung aufgebracht sind. Die Wicklungen, deren jede durch einen
                              									zwischen ihren Enden liegenden Luftleerblitzableiter geschützt ist, sind mittels
                              									Porzellanisolatoren aus dem Metallgehäuse, in welchem die Spule mit allem Zubehör
                              									untergebracht ist, ausgeführt. Der Apparat selbst ist gegen das Gestänge noch durch
                              									einen Isolator aus Spezialhartgummimasse isoliert.
                           Nachdem die mechanischen Unvollkommenheiten beseitigt waren, hat das Pupin-System für Freileitungen weitgehende Anwendung
                              									gefunden.
                           Die längste Linie, die in Europa gebaut worden ist, ist die 2000 km lange Linie
                              									Berlin-Mailand-Rom, welche zwischen Berlin und Mailand bereits dem Betriebe
                              									übergeben ist. Versuchsgespräche und Messungen an der ganzen Linie Berlin-Rom haben,
                              									wie in allen bisherigen Fällen, gezeigt, daß die gemessenen Eigenschaften der Linie,
                              									insbesondere die Dämpfung, vorzüglich mit den vorher berechneten Werten
                              									übereinstimmen.
                           Wesentlich anderer Natur waren die Schwierigkeiten, welche die Anwendung des Pupin-Systems bei Kabeln bot. Hier hatte man zuerst in
                              									Anlehnung an die Pupinschen Berechnungen angenommen, daß die Ableitung, der
                              									reziproke Wert der Isolation, zu vernachlässigen sei, da ja gut gebaute Kabel sehr
                              									hohe Isolationswerte haben. Im Jahre 1891 zeigte jedoch A. FrankeA. Franke, Die elektrischen Vorgänge in
                                    											Fernsprechleitungen und -Apparaten. E. T. Z. 1891 Heft 13., daß
                              									die mit Wechselstrom gemessene Ableitung einen wesentlich höheren Wert hatte, als
                              									sich aus den Isolationsmessungen mit Gleichspannung schließen ließ. Zu demselben
                              									Ergebnis führten Messungen, die Béla GatiBéla Gati, Die
                                    											Messung dielektrischer Widerstände mittels des Baretters. Elektrotechnik und
                                    											Maschinenbau 1908, Heft 13. anstellte. Der höhere Wert der
                              									Ableitung für Wechselstrom rührt daher, daß der dielektrische Verschiebungsstrom im
                              									Isolationsmaterial Verlusten unterworfen ist, welche dem zu übertragenden Strom
                              									Energie entziehen und so die Dämpfung erhöhen.
                           Der Ausdruck für die Dämpfung (s. o.) nimmt für Leitungen mit erhöhter
                              									Selbstinduktion die Form an:
                           
                              \beta=\frac{R}{2}\,\sqrt{\frac{C}{L}}+\frac{A}{2}\,\sqrt{\frac{L}{C}}.
                              
                           Bei den vorgenannten Untersuchungen stellte sich nun heraus,
                              									daß das zweite Glied auch bei Kabeln keineswegs zu vernachlässigen sei, insbesondere
                              									bei Kabeln mit größeren Leiterstärken, wie sie für den Verkehr zwischen entfernten
                              									Städten in Frage kommen. Neben der Aufgabe, die Pupinisierung entsprechend
                              									vorzusehen, daß der Wert von \frac{A}{2}\,\sqrt{\frac{L}{C}}
                              									nicht durch die Selbstinduktion zu groß würde, ergab sich die neue Aufgabe, die
                              									Kabel so zu bauen, daß sie eine möglichst kleine Ableitung haben.
                           Daß man Kabel herstellen kann, welche diesen Bedingungen genügen, habe ich in einer
                              									früheren ArbeitA. Ebeling, Lange interurbane Fernsprechkabel Pupinschen Systems. E. T. Z. 1910, Heft
                                    										17. gezeigt. Die Aufgabe der Unterbringung der Spulen wurde
                              									gleichfalls befriedigend gelöst. Man baut sie in sogenannte Spulenmuffen oder
                              									Spulenkästen ein, welche im wesentlichen aus einem Zinkkasten bestehen, in welchem
                              									die Pupin-Spulen in geeigneter Weise montiert sind. Der
                              									Kasten ist verlötet und mit Vergußmasse ausgegossen. Zum Schutz gegen mechanische
                              									Beschädigungen ist das Zinkgehäuse von einem gußeisernen Kasten umgeben. Der
                              									Zwischenraum zwischen beiden ist mit einer Füllmasse ausgegossen. Auf den Zinkkasten
                              									ist die mit einem Hals versehene Zinkmuffe aufgelötet; auch diese wird durch eine an
                              									den Eisenkasten angeschraubte gußeiserne Muffe gegen äußere Beschädigungen
                              									geschützt. Abb. 2 zeigt einen Spulenkasten für 52
                              									Spulen in das Kabel eingebaut.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 499
                              Abb. 2. Pupinspulenkasten in ein Röhrenkabel eingebaut (Fernkabel
                                 										Berlin-Magdeburg)
                              
                           
                           Man konnte somit daran gehen, Kabel für die Entfernungen zu bauen, die die
                              									Berechnungen als möglich in Aussicht stellten. Zunächst wurden einige Vorversuche
                              									angestellt, indem die Reichspost eine Reihe von kürzeren Kabeln verlegte, die aber
                              									eine möglichst geringe Dämpfung aufweisen mußten, da sie zur Einführung von
                              									Freileitungen in die größeren Städte wie Berlin, Hamburg, Frankfurt a. M. dienen
                              									sollten. Die Leiter in diesen Kabeln hatten den bis dahin größten Durchmesser von 2
                              									mm.
                           Nachdem die Messungen ergeben hatten, daß die elektrischen Größen dieser Leitungen
                              									den berechneten Werten entsprachen, ging die Reichspost daran, das erste große
                              									Fernkabel zu verlegen. Es soll eine Verbindung zwischen Berlin und dem Rheinland
                              									herstellen und wird eine Gesamtlänge von über 600 km erreichen. Zurzeit ist die
                              									Strecke von Berlin nach MagdeburgF. Breisig, Fernsprechkabel großer Reichweite,
                                    											insbesondere das Kabel „Berlin-Rheinland“. E. T. Z. 1914 Heft 23. A.
                                    												Ebeling, Erfahrungen bei der Fabrikation und
                                    											Verlegung des Fernkabels auf der Strecke Berlin-Magdeburg. E. T. Z. 1914
                                    											Heft 25. fertiggestellt, die Strecke von Magdeburg nach Hannover
                              									im Bau. Der wesentlichste Fortschritt, den dieses Kabel den früheren gegenüber
                              									aufweist, liegt darin, daß es auch 3 mm Leiter enthält, über deren elektrisches
                              									Verhalten man vorher noch keine Erfahrungen hatte. Daß auch mit ihnen ein voller
                              									Erfolg errungen worden ist, geht aus den beiden oben genannten ausführlichen
                              									Arbeiten hervor. Hier sei nur erwähnt, daß unter normalen Betriebsbedingungen
                              									ausgeführte Sprechversuche gezeigt haben, daß über 1000 km Entfernung mit einer 3 mm
                              									starken Leitung eine durchaus brauchbare Sprechverständigung erzielt wird.
                           Das Kabel setzt sich aus 28 Doppelleitungen von 2 mm und 24 Doppelleitungen von 3 mm
                              									Leiterstärke zusammen, welche derartig verseilt sind, daß man aus je zwei
                              									Doppelleitungen einen kombinierten Sprechkreis herstellen kann. In die
                              									Doppelleitungen sind in Abständen von 1,7 km (der gewöhnliche Spulenabstand bei
                              									Kabeln beträgt etwa 1,5 bis 3,5 km) die Pupinspulen eingeschaltet.
                           Von ähnlichen Fernkabeln im Auslande sind das etwa 700 km lange Kabel zwischen
                              									Washington und Boston und ein etwa halbsolanges Kabel in England zu erwähnen, welche
                              									auch noch im Bau begriffen sind.
                           Auf größere Schwierigkeiten, besonders was die Unterbringung der Spulen anbetrifft,
                              									stieß man bei Seekabeln, da die Spulen hierbei unter die Armierung gebracht werden
                              									mußten und den Durchmesser des Kabels doch nicht so sehr vergrößern durften, daß das
                              									Kabel nicht über die Trommel der Verlegungsmaschine laufen konnte.
                           Ein einziges Papierluftraumkabel mit Bleimantel, nach dem Pupinsystem ausgerüstet,
                              									ist unter Wasser verlegt worden. Es ist dies das im Jahre 1906 von der Siemens & Halske A.-G. im Bodensee zwischen
                              									Friedrichshafen und Romanshorn verlegte Kabel. Es enthält 7 Doppelleitungen,
                              									ist etwa 12 km lang und liegt in Tiefen bis zu 250 m.A. Ebeling, Ueber
                                    											das im Bodensee verlegte Fernsprechkabel mit Selbstinduktionsspulen nach dem
                                    												Pupinschen System. E. T. Z.
                                    									1907.Bei den andern Pupinseekabeln, welche sämtlich von der Londoner
                              									Firma Siemens Bros, verlegt worden sind, hielt man sich
                              									an das gewohnte Isolationsmaterial für Seekabel, die Guttapercha. Ein Beispiel dafür
                              									ist das zweipaarige Kabel zwischen Frankreich und England. Es ist im Jahre 1910
                              									verlegt worden und etwa 38 km lang. Abb. 3 zeigt die
                              									Unterbringung der Spulen in diesem Kabel.
                           Da jedoch die Guttapercha einen für Fernsprechkabel sehr ungünstigen Wert der
                              									Ableitung besitzt, wurden Versuche gemacht, welche zur Auffindung einer
                              									Spezial-guttapercha mit niedriger Ableitung führten. Mit ihr sind die weiteren
                              									Pupinseekabel isoliert, das 1911 verlegte Kabel zwischen England und Belgien (88 km
                              										lang)Electrical Review,
                                    											London, 6. Oktober 1911, S. 539., das 1913 verlegte Kabel
                              									zwischen England und IrlandThe Post Office
                                    											Electr. Eng. Journal, Januar 1914, S. 381, April 1914, S. 1.
                              									(118,6 km lang) und das demnächst zur Verlegung kommende Kabel zwischen England und
                              									Holland (etwa 150 km lang).Ueber Seekabel siehe
                                    											ferner: J. G. Hill, The Loading of Submarine
                                    											Telephone Cables. The Electrical Review London 1912 und F. Lüschen, Ueber Fernsprech-Unterwasserkabel,
                                    											Archiv für Elektrotechnik Bd. 1912, Heft 7.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 500
                              Abb. 3. Pupinspulenstück für Seekabel, Außenansicht und Querschnitt
                              
                           Wie schon oben erwähnt, haben die Versuche und Messungen an den fertiggestellten
                              									Pupinleitungen stets den gehegten Erwartungen entsprochen. Das ist ein Beweis dafür,
                              									daß man die Faktoren, welche auf die Energieübertragung Einfluß haben, zur Genüge in
                              									ihrer Wirkungsweise erkannt hat. Es gehört aber auch dazu, daß man in der Lage ist,
                              									die elektrischen Eigenschaften von Fernsprechleitungen durch Messung
                              									festzustellen.
                           Hier zeigt sich ein sekundär günstiger Einfluß der Pupinschen Erfindung. Denn bei der Lösung der vielen Aufgaben, welche die
                              									Einführung des Pupinsystems stellte, entstanden eine große Anzahl neuer Meßmethoden
                              									und Meßinstrumente. Erwähnt seien besonders die Arbeiten von F. Breisig, deren Ergebnisse er zum großen Teil in seinem
                              									Buch „Theoretische Telegraphie“Fr. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1910.
                              									niedergelegt hat, ferner die Arbeiten von K. W. Wagner
                              									und F. Lüschen, welche fast durchweg in der
                              									Elektrotechnischen Zeitschrift erschienen sind.
                           Von Meßinstrumenten sei besonders hingewiesen auf die Frankesche Maschinevgl.
                                    											Elektrotechn. Zeitschrift 1913, Heft 16 S. 433., welche zwei
                              									sinusförmige Wechselströme gleicher Periode liefert, die man in Amplitude und
                              									gegenseitiger Phase stetig und ablesbar ändern kann. Diese Maschine eignet sich
                              									außer zur Messung komplexer Widerstände bei Sprechfrequenzen insbesondere zur
                              									Bestimmung der Dämpfung von Fernsprechleitungen. Dem gleichen Zwecke dient der
                              									Kompensator von L. Larsen,Larsen, Elektrot.
                                    											Zeitschr. 13. Oktober 1910, S. 1039. und der Kompensationsapparat
                              									von K. Erlang.Erlang, Journal of the Institution Electrical
                                    											Engineers 1913, Part 222, vol. 51. Zu einer Reihe von Messungen
                              									eignet sich allerdings die Frankesche Maschine besonders
                              									gut.
                           Aus der großen Anzahl weiterer Apparate sei noch eine Anordnung herausgegriffen,
                              									welche es ermöglicht, sich ein Bild von der Sprechverständigung zu machen, die mit
                              									einer in Aussicht genommenen Linie erreichbar ist. Nach den Angaben von BreisigVerhandlungen der deutschen physikal. Gesellschaft 1910, S.
                                       												184. kann man sich eine „Eichleitung“, welche den
                              									für die Sprachgüte einer Fernsprechleitung maßgebenden Größen vollkommen entspricht,
                              									aus fünf Widerständen und einer Kapazität wie in Abb.
                                 										4 zusammensetzen.
                           Die Anordnung hat den Vorteil, daß man die in der Praxis vorkommenden Dämpfungen
                              									durch ein einziges solches Element darstellen kann, welches sehr kleine Abmessungen
                              									hat, während eine künstliche Leitung, bei der die Linie kilometerweise aus Elementen
                              									in Widerstand und Kapazität nachgebildet ist, schon bei kurzen Linien sehr viel Raum
                              									beansprucht.
                           Diese Eichleitungen, welche auch stufenförmig veränderlich hergestellt werden, haben
                              									einen großen praktischen Wert deshalb, weil die Dämpfung, das β l, heute fast durchweg als Maß für die Güte der
                              									Sprechverständigung gebraucht wird (vgl. die Tabelle auf S. 498). Man kann somit
                              									sagen, daß man sich heute bereits vor der Ausführung einer Fernsprechleitung im
                              									klaren ist, welches Ergebnis man erzielen wird, und das ist bei den großen Aufgaben,
                              									an welche die Fernsprechtechnik dank der Pupinschen
                              									Erfindung jetzt herangeht, natürlich von großer Wichtigkeit; denn Anlagen, wie die
                              									rd. 2000 km lange Pupin-Freileitung Berlin-Rom und das
                              									über 600 km lange Pupin-Kabel von Berlin nach dem
                              									Rheinland sind bedeutende Objekte. Und doch ist man mit diesen Linien noch nicht an
                              									die Grenze dessen gelangt, was mit den zurzeit zu Gebote stehenden Hilfsmitteln
                              									geleistet werden kann. Denn auf Grund der bisher angestellten Versuche kann man
                              									sagen, daß oberirdische Leitungen erst bei 3000 km, Kabel bei 1000 km an der Grenze
                              									ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sind. Damit dürfte den Ansprüchen der Gegenwart
                              									Genüge geschehen. Eine wesentliche Erweiterung des Fernsprechbereichs wird
                              									vermutlich mit Hilfe des Fernsprechrelais gelingen, wenn dasselbe auch heute noch
                              									nicht einen solchen Grad der Vollendung erreicht hat, daß man von einer ausgedehnten
                              									praktischen Anwendbarkeit sprechen kann.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 329, S. 501
                              Abb. 4.