| Titel: | Wirtschaftliche Stahlerzeugung mittels neuer Vergasungsmethoden. | 
| Autor: | Schömburg | 
| Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 549 | 
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                        Wirtschaftliche Stahlerzeugung mittels neuer
                           								Vergasungsmethoden.
                        Von Ingenieur Schömburg in
                           									Essen.
                        SCHOEMBURG: Wirtschaftliche Stahlerzeugung mittels neuer
                           								Vergasungsmethoden
                        
                     
                        
                           Es ist heute eine Tatsache, daß vor allem die außerhalb der großen
                              									Industriebezirke liegenden Stahlformgießereien und Stahlwerke ohne ausreichende
                              									Verarbeitungs- und Verfeinerungsbetriebe nur dann dauernde Gewinnaussichten haben,
                              									wenn sie – außer einer gewissen Mindesterzeugung, sagen wir 50000 t jährlich – ihr
                              									Heil in der Herstellung eines Stahls von entweder hoher Festigkeit bei großer
                              									Dehnung oder von extraweichen Qualitäten suchen. Hierzu muß aber noch die
                              									wirtschaftlichste Ausnutzung des gegebenen Brennstoffs unter gleichzeitiger
                              									Gewinnung von Nebenprodukten kommen.
                           Zu diesen Bestrebungen gehören in erster Linie die Anwendung solcher Martin-Verfahren, welche bei hohem Ausbringen die
                              									Gewinnung einer wertvollen, hochprozentigen Schlacke (20 M bis 23 M 0/00 kg)
                              									ermöglichen, fernerhin diejenigen neuen Vergasungssysteme, welche auch bei
                              									minderwertiger Kohle, Koks usw. unter Ausnutzung der Ofenabhitze die nutzbare
                              									Abscheidung möglichst aller organisch gebundenen Bestandteile des Brennstoffs
                              									gestatten. Darin liegt für viele und besonders abseits liegende Stahlwerke, die nach
                              									dem Schrott-Roheisen-Verfahren arbeiten müssen, das zunächst noch einzige Mittel zur
                              									Verbilligung ihrer Gestehungskosten. Daß nicht immer die rein metallurgischen Zwecke
                              									des Prozesses mit solchen Nebenabsichten in Harmonie zu bringen sind, braucht wohl
                              									nicht näher erörtert zu werden; trotzdem aber sind wir in vereinzelten Fällen dem
                              									Ideal des Betriebsmannes: „Brennstoffverbrauch und
                                    											Betriebsgewinn sollten direkt proportional sein!“ ziemlich nahe.
                              									Allerdings erst in der Theorie!
                           Die gesonderte geographische Lage in Verbindung mit den örtlichen Brennstoffpreisen
                              									und den anfänglich meist fehlenden wirtschaftlichen Syndikatsverbindungen drängen
                              									heute in erster Linie „Outsider“ von selbst zu ähnlichen Bestrebungen.
                              									Trotz der scharfen Wettbewerbsverhältnisse auf dem ständig wachsenden Markt der
                              									Stahlerzeugung sind auch in den letzten Jahren eine Anzahl solcher isoliert
                              									stehender kleiner Werke geboren worden, die ihre Kinderkrankheiten nach der
                              									wirtschaftlichen Seite mit mehr oder weniger Glück überstanden haben. Hierher gehört
                              									z.B. das Torgauer Stahlwerk für Stahlformguß, das Eisen- und Stahlwerk Mark bei
                              									Witten/Wengern u.a., ferner die im Lauf d. J. in Betrieb kommende Oesterreichische Stahl-Industrie in Brüx für
                              									Walzfabrikate usw. – alles Werke, welche teils auf Wassergas-, teils auf
                              									Braunkohlengasbetrieb angewiesen sind. Aber auch für Hütten mit Steinkohlenvergasung
                              									kann speziell das hier am Schluß beschriebene Verfahren von größerer Bedeutung
                              									sein.
                           Wassergas läßt sich bekanntlich sowohl aus Hüttenkoks als
                              									auch aus Gaskoks herstellen. Letzterer ist, da die Gaswerke in ihrer Kokserzeugung
                              									nicht vom Koksmarkt, sondern von der Gaserzeugung abhängen, in vielen Fällen
                              									billiger als Zechenkoks; für den Generatorbetrieb ist seine Härte und Dichte
                              									vollkommen ausreichend. Bei 9 bis 11 v. H. Aschegehalt hat er einen Heizwert von rd.
                              									7000 WE. Der Betrieb des Torgauer Stahlwerks hat gezeigt,
                              									daß man bei 75 bis 80 v. H. Wirkungsgrad des Gaserzeugers auf eine Gasausbeute von 2
                              										m3 für 1 kg vergasten Koks rechnen kann. Der
                              									Heizwert des Gases beträgt bei 50 v. H. Wasserstoff und 40 v. H. Kohlenoxydgehalt
                              									rd. 2600 WE., für 1 m3, wobei sich der Betrieb
                              									durchaus einfach und gefahrlos gestaltet. Auch der Martin- Ofen wird einfacher, da –
                              									wie bei Heizung durch Koksofengas – die Gaskammern in Wegfall kommen können. Der
                              									große Wasserstoffgehalt, der naturgemäß ein sehr leichtes Gas bedingt, hat bei
                              									entsprechender Konstruktion der Luftkammern, Züge und des Herdgewölbes keine
                              									nachteiligen Folgen auf die Ofenhaltbarkeit, auch nicht auf die metallurgischen Reaktionen des
                              									Bades. Das Gas ist infolge seiner gleichmäßigen Beschaffenheit und Reinheit für den
                              										Martinbetrieb sehr geeignet; eine einfache Reinigung,
                              									gute Kühlung und ev. nachherige Trocknung ist natürlich erforderlich, schon um den
                              									mitgerissenen Wasserdampfgehalt usw. abzuscheiden. Der geringe Prozentsatz an
                              									Kohlensäure beeinflußt bei den Herdtemperaturen von 1800 bis 2000° den Abbrand in
                              									günstiger Weise und verringert durch die Intensität des Verbrennungsprozesses die
                              									Chargendauer. Letztere beträgt bei dem sauren 15 t-Ofen des Torgauer Werkes etwa vier bis fünf Stunden einschl. Vergießen, wobei der
                              									Einsatz etwa 80 bis 85 v. H. Roheisen und 10 bis 12 v. H. Schrott beträgt; der
                              									fertige Stahlguß bleibt hierbei dünnflüssig bis zum Ende der Charge. Hierbei soll
                              									sich der reine Brennstoffverbrauch an vergastem Koks auf nur 14 bis 15 v. H.
                              									belaufen, wozu allerdings noch der Koksbedarf für die Dampferzeugung kommt.
                              									Rechnerisch beträgt dieser rd. 4 kg Dampf für 1 kg vergasten Koks und ließe sich zum
                              									Teil durch die Abhitze des Ofens unter Verwendung künstlichen Zuges erzeugen.
                           Es muß hierzu bemerkt werden, daß auf Grund der dort vorliegenden Betriebsergebnisse
                              									die Herstellung von Wassergasstahl unter besonderen Verhältnissen größere Beachtung
                              									verdient. Man ist übrigens in Torgau auch dazu übergegangen, die Glüh- und
                              									Trockenöfen mit gutem betriebstechnischen Erfolg für die Gefügebildung des Materials
                              									durch Wassergas zu beheizen, wozu letzteres durch die Reinheit und Gleichmäßigkeit
                              									seiner Zusammensetzung, also der Erhaltung gleich hoher Temperatur, für die
                              									Glühzwecke besonders geeignet zu sein scheint. Mit Rücksicht darauf, daß die
                              									Gestehungskosten des Torgauer Werkes wegen der geringen
                              									Erzeugungsmenge heute noch nicht die endgültigen sein können, bedeutet jedenfalls
                              									der bis jetzt erzielte Erfolg einen weiteren, wirtschaftlichen Fortschritt in der
                              									heiztechnischen Durchführung des Martinprozesses. Die genannte Anlage ist daher auch
                              									inzwischen vergrößert worden.
                           Einschließlich des Koksverbrauches für die Dampferzeugung wird sich die
                              									Gesamtbrennstoffmenge auf rund 21 v. H. für die Tonne Ausbringen stellen, sich also
                              									in mindestens gleicher Höhe halten wie bei der Steinkohlenvergasung, wenn keine
                              									Abhitzeverwertung vorgesehen ist. Schon hierin liegt daher der wirtschaftliche
                              									Vorteil für das Werk, da sich natürlich mit Hinsicht auf die großen Frachtkosten der
                              									Preis der Gaserzeugersteinkohle ganz wesentlich teurer als Koks, auf etwa rd. 20 M,
                              									stellen wird. Bei Anlage eines Abhitzekessels dürfte man meines Erachtens in der
                              									Lage sein, den Gesamtdampfbedarf eines 15 t-Ofens, etwa 1600 bis 1800 kg stündlich,
                              									in beinahe ganzer Größe durch die Abgase zu erzeugen, sicherlich aber ¾ desselben in
                              									einem Kessel von 140 bis 160 m2 Heizfläche.
                              									Hiermit würde der Brennstoffverbrauch auf ~ 17 v. H. für die Tonne Ausbringen
                              									sinken, was bei 15 M Kokspreis einem Aufwand von ~ 2,60 M entspräche gegenüber 3,20
                              									M bis 3,40 M beim Steinkohlenbetrieb mit ungefähr demselben Kohlenpreis. Für
                              									die Betriebskosten des künstlichen Zuges sind alsdann an elektrischer Energie noch
                              									etwa 20 bis 25 Pf. für die Tonne Stahl aufzuwenden, so daß sich die Ersparnisse
                              									also, überschlägig gerechnet, auf 50 bis 60 Pf. belaufen würden.
                           Was die Braunkohlenvergasung anbelangt, so sind
                              									bekanntlich seit einigen Jahren verschiedene deutsche und österreichische Stahlwerke
                              									mit ebenfalls gutem Erfolg zu derselben übergegangen, und zwar werden fast durchweg
                              									Braunkohlenbriketts mit einem Wärmewert von 4500 bis 5100 WE und 10 bis 16 v. H.
                              									Wassergehalt vergast. Der Verbrauch stellt sich hierbei bei einem 30 bis 40 t-Ofen
                              									auf 35 bis 40 v. H., was bei einem Brikettpreis von 10 M einem Aufwand von 3,50 M
                              									bis 4 M für die Tonne Stahl entspricht. Die Gasausbeute beträgt 2,4 bis 3 m3 für 1 kg Brikettdurchsatz, der Heizwert des
                              									ziemlich wasserdampfhaltigen Gases 1200 bis 1400 WE für 1 m3. Verschiedene rheinische Hütten arbeiten der
                              									Preisverhältnisse halber auch mit gemischtem Kohleneinsatz, halb Steinkohle, halb
                              									Braunkohlenbriketts, so daß es mit Hilfe dieses Mischgases möglich ist, die
                              									Brennstoffkosten noch unter der vorangegangenen Höhe zu halten. Zu empfehlen ist es
                              									jedenfalls dann, den Durchmesser des Generators nicht zu groß zu wählen, damit die
                              									durch Kern- und Randgas bedingte Mischung nicht zu sehr in ihrer Zusammensetzung
                              									wechselt.
                           In neuester Zeit tritt nun hinzu, ebenso wie im Anschluß an die Vergasung
                              									minderwertiger Steinkohlen- und Koksabfälle, sowie von Rohbraunkohle, die Gewinnung von den Vergasungs-Nebenprodukten, insbesondere des im Brennmaterial organisch gebundenen
                              									Stickstoffes als Ammoniumsulfat und des Teers. Die Methoden hierfür fußen im
                              									Hauptgrundzug auf dem bekannten Gedanken des Mondgas –
                              										Verfahrenss. D. p. J. S. 41 d
                                    											Bandes. und bezwecken eine Verringerung des Gaspreises, also der
                              									Gestehungskosten des Stahles, durch Vergasung billiger Kohle und Verkauf namentlich
                              									des hochwertigen Sulfats. Der gewöhnlichen Wärme- oder Kraftanlage als solcher wird
                              									daher noch ein zweiter Betrieb für die Herstellung der Nebenprodukte angegliedert,
                              									derart, daß das Ganze wärme-technisch und wirtschaftlich auf das gemeinsame Konto
                              									des Stahlwerks bewertet werden muß.
                           Daß es hierbei auf ein paar Prozent Wirkungsgrad bei der Vergasung nicht ankommen
                              									kann, liegt auf der Hand; indessen muß man sich – soweit wir jetzt die Sache
                              									übersehen – vor Verallgemeinerungen hüten; um die Methode durch Mißerfolge nicht zu
                              									diskreditieren. Der Schlüssel zur Rentabilität liegt für einzelnstehende Werke in
                              									folgenden Punkten:
                           1. Art, Stickstoffgehalt und örtlicher Preis des Brennstoffs,
                           2. Grundbelastung der Anlage und Gleichmäßigkeit der Beanspruchung, d.h.
                              									Ausnutzungsfaktor der Heiz- bzw. Kraftgaszentrale,
                           3. Größe des Frischdampfzusatzes, bzw. wärmetechnische Ausbildung der Teile und
                              									Verwertung der Vergasungswärme des Generators und der Ofenabhitze bzw. der
                              									Kühlwasser- und Abgaswärme bei Maschinenbetrieb.
                           
                           Fast alle heute in Betrieb befindlichen Anlagen dieser Art in England, Böhmen
                              									und bei uns sind als Vergasungszentralen für Maschinengas, speziell für die
                              									chemische Industrie mit ihrer guten Dauerbelastung ausgeführt und erst in neuester
                              									Zeit ist man dem analogen Heizgasbetrieb für die Martin- und Wärmöfen der
                              									Hüttenwerke nähergetreten.
                           Für die gemischten Werke lag das System von vornherein in den meisten Fällen abseits;
                              									für solche, die organisch außerdem mit Zechenkokereien verbunden waren, ist die
                              									wirtschaftliche Anwendungsmöglichkeit der verschiedenen Nutzgase ihrer
                              									Verarbeitungsprozesse ohnedies kompliziert genug. Hierzu kamen auch die Bedenken
                              									über die Zweckmäßigkeit des Gases bei den metallurgischen Schmelzzwecken. Heute
                              									stößt man sich dabei weniger an dem Wasserstoffgehalt des Gases von 20 bis 28 v. H.,
                              									der ja beim Koksofen- und Wassergas noch weit größer, 50 v. H. und mehr, ist, als
                              									vor allen Dingen an dem höheren Wasserdampf- und Kohlensäuregehalt des Mondgases,
                              									wodurch infolge seines geringen Wärmewerts von 1300 bis 1450 WE für 1 m3 die Intensität des Verbrennungsprozesses
                              									geschwächt, die metallurgischen Reaktionen verzögert, der Abbrand vergrößert und die
                              									Stahlqualität als Produkt all dieser Faktoren verschlechtert werden würde. Der
                              									Verlauf des Prozesses bedingt es nun, daß der Gehalt an Wasserstoff, Wasserdampf und
                              									Kohlensäure (10 bis 16 v. H.) um so größer wird, je kleiner der Gehalt an Kohlenoxyd
                              									(20 bis 11 v. H.) ist; es wird also außer radikaler Trocknung des Gases auf die
                              									richtige Führung und Arbeitstemperatur im Gaserzeuger (etwa 500 bis 650 °) ankommen,
                              									um ein für Schmelzzwecke geeignetes Gas zu erhalten. Es liegen in dieser Hinsicht
                              									noch wenig für den praktischen Hüttenbetrieb brauchbare Betriebsangaben vor, da die
                              									Erfahrungen mit Koksofen- und Wassergas naturgemäß auf Mondgas nicht übertragbar
                              									sind. Im allgemeinen wird man auch bei gemischten Betrieben und Kohlenzechen eher
                              									dazu übergehen, die Koksöfen mit dem Mondgas der minderwertigen Kohlen und Abfälle
                              									zu vergasen, so daß das gesamte Destillationsgas, rd. 300 m3 für die Tonne Trockenkohle, zu Stahl- und
                              									Walzwerksheizzwecken, sowie für Maschinenbetrieb verfügbar wird.
                           Es ist nun kein Zweifel, daß es auch gelingen wird, für Schmelzprozesse ein
                              									geeignetes Gas im Dauerbetrieb bei Vergasung auf Nebenprodukte zu erzielen; für ein
                              									deutsches Hüttenwerk Baroper Walzwerk (Heizgasanlage für
                              									Martin- und Wärmöfen) ist bereits eine solche Anlage nach System Lymm in Ausführung. In dieser Betriebsweise liegt nun
                              									gerade für einzeln stehende Werke u. U. ein großer
                              									wirtschaftlicher Vorteil, der meines Erachtens nicht wegen der hohen Anlagekosten
                              									bei Seite geschoben werden darf, ähnlich wie es wohl mit der Anlage von
                              									Abdampfturbinen für Dynamo- oder Gebläseantrieb aus diesem Grunde leider geschieht.
                              									Man kann ja in zweifelhaften Fällen – und bei Abdampfanlagen ist es wiederholt in
                              									dieser Weise durchgeführt worden – der liefernden Firma den Bau einer
                              									Vergasungszentrale mit Nebenproduktengewinnung unter der Bedingung übertragen,
                              									daß diese Firma die Anlagekosten trägt und letztere ratenweise aus den
                              									Betriebsersparnissen durch die Nebenprodukte bezahlt werden. Bei vorsichtiger
                              									Rechnung und ev. sachgemäßer Trennung der Kostenanteile liegt hierin für beide Teile
                              									kein wirtschaftliches Risiko, auch nicht für den Betrieb, wenn man sich letzten
                              									Falles die Betriebsweise auf normales Generatorgas durch kleinere, technische
                              									Veränderungen vorbehält.
                           In den Drehrost-Generatoren lassen sich bei angepaßter Betriebsführung alle möglichen
                              									Kohlensorten auf Mondgas vergasen; es sind z.B. Anlagen für Mischungen von
                              									Steinkohlen- und Braunkohlenbriketts, minderwertige Sorten, für Koksabfälle und
                              									Rohbraunkohlen in Betrieb. Entsprechende Konstruktion des Gaserzeugers mit Hinsicht
                              									auf Querschnitt, Kühlung, Ascheförderung, Höhe des Winddrucks usw. ist natürlich
                              									Voraussetzung; Gaserzeuger für bituminöse Kohlen und Lignite erfordern andere
                              									Behandlung und Konstruktion als solche für gasarme Brennstoffe. Man hat z.B.
                              									Anlagen, welche bei einem Stickstoffgehalt des Brennstoffs von 0,8 bis 1,3 v. H.
                              									eine Ausbeute an Ammoniumsulfat von 68 bis 77 v. H. erzielen; das sind bei einem 20
                              									bis 25 prozentigen Salz also 20 bis 45 kg Sulfat für die Tonne Brennstoff, die nach
                              									Abzug der Schwefelsäurekosten bei dem heutigen Preis des Sulfats von 270 M 0/00 kg einen Wert
                              									von etwa 6 M bis 11 M darstellen. Man erkennt, daß dieser Betrag ungefähr ½ bis ¾
                              									des Kohlenpreises ausmacht unter der Voraussetzung, daß ein besonders großer
                              									Extraaufwand an Dampfkohle nicht erforderlich ist. In der Gleichmäßigkeit der
                              									Belastung würde alsdann der Schlüssel der Rentabilität liegen; eine gute Belastung
                              									aber ist ja im Martinbetrieb mit mehreren Oefen stets vorhanden. 1 m3 gewöhnliches Generatorgas aus Steinkohlen
                              									erzeugt kostet sonst 0,35 bis 0,40 Pf. an Brennstoff, während es sich bei Vergasung
                              									auf Nebenprodukte zu 0,18 bis 0,1 Pf. – ohne Berücksichtigung der Anlagekosten –
                              									erzeugen ließ. Dieser Umstand aber läßt diese Vergasungsweise von ganz allgemeiner
                              									Bedeutung für die Stahlerzeugung erscheinen!
                           Für ein kleineres Stahlwerk, wie etwa das eingangs genannte österreichische Stahlwerk
                              									in Brüx, mit einer täglichen Rohstahlerzeugung von 200 t durch zwei basische
                              									Martinöfen ä 25 t Fassung würden sich bei Verfeuerung einmal von einer Rohbraunkohle
                              									mit 30 v. H. Wassergehalt und 3000 WE bei 0,8 v. H. N =
                              									Gehalt und das andere Mal von einer Steinkohle mit 7200 WE und 1,2 v. H. N Verhältnisse ergeben, wie sie aus nachstehender
                              									Tabelle hervorgehen.
                           Bei Steinkohlen-Vergasung ohne Gewinnung der Nebenprodukte stellt sich heute der
                              									entsprechende Wert für Reihe 27 auf 4,40 M bis 4,75 M für die Tonne Stahl. Die
                              									beiden letzten Reihen geben also die eigentlichen Vergleichswerte zu den
                              									entsprechenden Zahlen bei gewöhnlicher Vergasungsweise; aus ihnen ersieht man z.B.
                              									für Steinkohle bei sonst gleichen Verhältnissen mit 20 bis 22 v. H. Kohlenverbrauch,
                              									daß die Ersparnisse in den Gestehungskosten des
                                 									Rohstahls
                           
                           
                              
                                 Reihe
                                 
                                 Braunkohle 5–M
                                 Steinkohle 14.–M
                                 
                              
                                   1
                                 Verbrauch an Schmelzkohle/1 t Stahl
                                 85 v. H. = 850 kg
                                 auf Rohkohle bezogen
                                 24 v. H. = 240 kg
                                 Durchschnitt
                                 
                              
                                   2
                                 Verbrauch an Dampf kohle/1 t Stahl
                                 50 v. H.= 500 kg
                                 60 v. H. der Schmelzkohle
                                 2,4 v. H. = 24 kg 10 v. H.
                                 der Schmelzkohle
                                 
                              
                                   3
                                 Gesamtverbrauch an Kohle/1 t Stahl
                                 135 v. H.
                                 –
                                 26.4 v. H
                                 –
                                 
                              
                                   4
                                 Gesamtverbrauch im Jahr (330 Tage)
                                 89000 t
                                 davon Schmelzgas 56100 t
                                 17430 t
                                 davon Schmelzgas 15840 t
                                 
                              
                                   5
                                 Kohlekosten für 1 t Stahl
                                 6,75 M
                                 –
                                 4,20 M
                                 –
                                 
                              
                                   6
                                 Gesamtkohlekosten im Jahr
                                 445000 M
                                 inkl. Dampfkohle
                                 244000 M
                                 inkl. Dampfkohle
                                 
                              
                                   7
                                 Gesamtstahlerzeugung im Jahr
                                 66000 t
                                 –
                                 66000 t
                                 –
                                 
                              
                                   8
                                 Generatoren in Betrieb
                                 5
                                 a 35 t Durchsatz/24 Std.
                                 4
                                 12 ÷ 15 t Durchs in 24 Std. jed.
                                 
                              
                                   9
                                 Gasausbeute für 1 kg Kohle
                                 1,4 m3
                                 auf Rohkohle bezogen
                                 4,1 m3
                                 –
                                 
                              
                                 10
                                 Wärmewert von 1 m3 Gas
                                 1400 WE
                                 ηg = 65 v. H.
                                 1370 WE
                                 ηg = 78 v. H.
                                 
                              
                                 11
                                 Gesamte Gasmenge im Jahr
                                 78500000 m3
                                 an Schmelzgas
                                 64944000 m3
                                 an Schmelzgas
                                 
                              
                                 12
                                 Wirkungsgrad der Gesamtanlage
                                 ~ 41 v. H.
                                 –
                                 ~ 70 v. H.
                                 aus Reihe 4 und 11
                                 
                              
                                 13
                                 Sulfatausbeute vom N-Gehalt der Kohle
                                 70 v. H.
                                 –
                                 75 v. H.
                                 –
                                 
                              
                                 14
                                 Sulfatausbeute für 1 t Kohle
                                 20 kg
                                 auf Rohkohle bezogen
                                 40 kg
                                 –
                                 
                              
                                 15
                                 Einnahme an Sulfat im Jahr
                                 302000 M
                                 1120 t ä 270 M
                                 171000 M
                                 633 t ä 270 M
                                 
                              
                                 16
                                 Teerausbeute für 1 t Kohle
                                 100 kg
                                 –
                                 50 kg
                                 –
                                 
                              
                                 17
                                 Einnahme an Teer im Jahr
                                 112000 M
                                 5600 t ä 20 M
                                 15800 M
                                 792 t ä 20 M
                                 
                              
                                 18
                                 Ausgabe für Schwefelsäure im Jahr
                                 38100 M
                                 1120 t ä 34 M
                                 21500 M
                                 633 t ä 34 M
                                 
                              
                                 19
                                 Summe der Rein-Einnahme im Jahr
                                 375 900 M
                                 –
                                 165 300 M
                                 Reihe (15 + 17 – 18)
                                 
                              
                                 20
                                 Ersparnisse nach Abzug der Dampfkohle
                                 211000 M
                                 –
                                 143000 M
                                 Reihe 19 – 2
                                 
                              
                                 21
                                 Anlagekosten der Generatorenanlage
                                 600000 M
                                 einschl. Nebenprodukten-anlage, Gebäude
                                    											usw.
                                 500000 M
                                 komplett
                                 
                              
                                 22
                                 Für Tilgung und Verzinsung
                                 84000 M
                                 –
                                 70000 M
                                 14 v. H.
                                 
                              
                                 23
                                 Reparaturen, Wasser, Licht usw.
                                 20000 M
                                 –
                                 18000 M
                                 –
                                 
                              
                                 24
                                 Löhne auf Doppelschicht
                                 37000 M
                                 24 Mann
                                 32000 M
                                 20 Mann
                                 
                              
                                 25
                                 Summe der Jahresausgaben
                                 210000 M
                                 Reihe 6+22+23+24–19
                                 198700 M
                                 Reihe 6+22+23+24–19
                                 
                              
                                 26
                                 Preis von 1 m3 Schmelzgas
                                 ~ 0,27 Pf.
                                 – 
                                 ~ 0,31 Pf.
                                 –
                                 
                              
                                 27
                                 Gesamte Brennstoffquote für 1 t Rohstahl
                                 ~ 3,20 M
                                 auf Gaspreis berechnet
                                 3,05 M
                                 auf Gaspreis berechnet
                                 
                              
                           mindestens 1,50 M für die Tonne betragen. In der
                              									Zahlenaufstellung ist Braunkohle zugrunde gelegt, obgleich man mit Hinsicht auf die
                              									umständlichere Trocknung und Generatorführung besser Braunkohlenbriketts anwenden
                              									wird; es ist also zu berücksichtigen, daß Betriebsergebnisse der Praxis, wonach z.B.
                              									die Gasausbeute 2 m3 für 1 kg Trockenkohle
                              									beträgt, auf Rohkohle ungerechnet werden müssen. Aus diesem Grund ist auch die
                              									zugrunde gelegte Zahl von 85 v. H. für den Ofenkohleverbrauch eine nur angenäherte.
                              									Zur Reihe 2, Dampfkohle für den Vergasungsprozeß und für
                              									die erforderliche Betriebskraft, ist zu bemerken, daß man bei dem kühl gehenden
                              									Braunkohlengenerator und dessen geringer Gastemperatur nicht mit Ausnutzung der
                              									Eigenwärme rechnen kann, höchstens mit der Ofenabhitze. Nach den mir zur Verfügung
                              									stehenden Unterlagen wird man bei 30 v. H. Wassergehalt mit etwa 2 kg Dampf für 1 kg
                              									Rohkohle bei etwa 72 v. H. Kesselwirkungsgrad rechnen müssen, was ungefähr 0,6 kg
                              									Zusatzkohle = 60 v. H. entspricht. Bei Steinkohle ist eine Zusatzkohlenmenge von 10
                              									v. H. = ~ 0,8 kg Dampf für 1 kg Kohle angenommen; der Rest von etwa 1,7 kg Dampf
                              									kann bei den hohen Vergasungstemperaturen durch Eigenwärme erzeugt werden; ev. steht
                              									ja auch hier die gesamte Ofenabhitze zur Verfügung. Der Dampf soll möglichst zuvor
                              									Gebläse und Wascher treiben und ist dann der erhitzten Luft beizumischen.
                           Für die Anlagekosten, Reihe 21, die sich für die
                              									vollständige Gaserzeugeranlage nebst Ueberhitzer, Sulfatwascher, Gaskühler, Gebläse,
                              									Pumpen, Rohrleitungen, Ascheförderung, Kesseln, Gebäude usw. verstehen, hatte ich
                              									nur wenig positives Material an Hand; sie dürften jedoch in der angegebenen Höhe dem
                              									billigeren Vergasungs- und Gewinnungssystem Lymm mit
                              									stehenden Apparaten ungefähr entsprechen (s. a. „Stahl und Eisen“ 1914, Nr.
                              									14). Für Braunkohlenbetrieb schätze ich die Kosten schon infolge der schwierigeren
                              									Trocknung etwas höher. Ein schwankender Posten im Betrieb wird im letzteren Fall die
                              										Teerausbeute bleiben; man kann übrigens auch den
                              									Rohteer auf Teeröl verarbeiten und letzteres für die Kesselheizung heranziehen. Wie
                              									wesentlich ferner die Wirtschaftlichkeit der Gesamtanlage bei Braunkohlenbetrieb von
                              									den Kosten der Rohkohle abhängt, zeigt vor allem der geringe Wirkungsgrad von 41 v.
                              									H.; lediglich der hohe Sulfatpreis bewirkt hier den Ausgleich bei großen, gut
                              									belasteten Anlagen.
                           Der Absatz an Sulfat wird aber aller Voraussicht nach ein
                              									sehr weitgehender bleiben, so daß der heutige Weltpreis – abgesehen von den üblichen
                              									periodisch-zeitlichen Schwankungen – auch in absehbarer Zeit nicht allzuviel
                              									nachgeben dürfte. Die Ergiebigkeit der natürlichen Salpetervorkommen nimmt
                              									bekanntlich ziemlich schnell ab, trotzdem steigt die Gesamterzeugung an Salpeter.
                              									Deutschland verbraucht allein rd. 800000 t im Werte von etwa 170 Mill. M, wovon die
                              									chemische Industrie allein rd. ⅕ für Säureherstellung benutzt. Seit 1910 ist der Preis und seit
                              									1907 die Erzeugung für die beiden Stickstoffträger, zu welchen in neuester Zeit noch
                              									der Luftstickstoff als Kalksalpeter getreten ist, ständig gestiegen. Aber auch durch
                              									letzteren wird schwerlich eine Preisbeeinflussung bzw. eine Beschränkung der
                              									landwirtschaftlichen Absatzmöglichkeiten eintreten. Auch der geplante Neubau einer
                              									Sulfatanlage der Badischen Anilin- und Sodafabriken nach
                              									dem Luftzersetzungsverfahren von Prof. Haber für 130000 t
                              									Jahresproduktion wird zunächst nur Einwirkung haben auf die Salpetereinfuhr. In
                              									dieser Hinsicht kann daher eine weit geringere Erzeugung am Gesamtbedarf des Sulfats
                              									durch Stahlwerke oder Kraftgaszentralen nicht von Einfluß sein, beträgt sie doch
                              									z.B. je nach Kohle nur 1 bis 1,8 v. H. der Stahlerzeugung eines größeren Werkes.
                           Im übrigen aber darf – das sei zum Schluß nochmals wiederholt – nicht nur der
                              									Wunsch nach Nebenprodukten der Vater des Grundgedankens solcher und ähnlicher
                              									Anlagen sein, insofern, als die Ausbeute daran gegenüber dem metallurgischen Prozeß
                              									in den Vordergrund geschoben wird. Grundgedanke muß die Stärkung unserer Industrie
                              									gegenüber dem Ausland bleiben, schon, um in solch trüben Zeiten wie heute, einen
                              									wirtschaftlichen Vorsprung zu haben am Auslandsmarkt. Zu dem Zwecke aber ist es – um
                              									die Worte des Geh. Baurats Beukenberg vom „Phönix“
                              									auf der letzten Hauptversammlung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute zu
                              									gebrauchen – nötig, daß gerade auf dem wärmetechnischen Gebiet
                                 										die Vertreter der Wissenschaft und der Praxis immer Hand in Hand
                                 									arbeiten.