| Titel: | Die Luftfahrt im Kriege. | 
| Autor: | Paul Béjeuhr | 
| Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 694 | 
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                        Die Luftfahrt im Kriege.
                        Von Paul Béjeuhr in Charlottenburg.
                        BEJEUHR: Die Luftfahrt im Kriege.
                        
                     
                        
                           Die moderne Kriegführung läßt sich in ihrem Grundgedanken wie folgt
                              									charakterisieren: Den Feind schnell fassen und ihn schlagen. Dazu ist außer dem
                              									richtigen Stärkeverhältnis aber zweierlei erforderlich: Einmal den Feind sehen und
                              									dann genügend schnell an ihn herankommen. Ersteres sollte von Anfang an das
                              									Luftfahrtwesen vermitteln, das dann natürlich auch der zweiten Anforderung gewachsen
                              									sein mußte, nämlich die genügend schnelle Beweglichkeit zu besitzen.
                           Wenn wir jetzt nach drei langen Kriegsmonaten auf die Entwicklung der Kriegslage
                              									zurückblicken, so können wir wohl mit Recht sagen, daß die Luftfahrt den beiden oben
                              									gestellten Anforderungen gerecht geworden ist, ja wir Deutsche können von unserer
                              									heimischen Luftfahrt noch mit Stolz hinzufügen, daß sie alle, auch die kühnsten
                              									Erwartungen weit übertroffen hat und ohne Zweifel an der
                                 										Spitze der gesamten Militärluftfahrt steht. Daß dies neben dem persönlichen
                              									Können unserer Flieger, neben der Güte deutscher Erzeugnisse vor allen Dingen und in
                              									erster Linie eine Leistung der hervorragenden Organisation unserer deutschen
                              									Heeresverwaltung ist, das wird uns ein kurzer kritischer Vergleich mit anderen
                              									Organisationen ohne Weiteres lehren.
                           Gehen wir die unseren verbündeten österreichischdeutschen Heeren gegenüberstehenden
                              									Luftfahrteinrichtungen einmal schnell durch und sehen wir von den japanischen
                              									Luftschiffen und Flugzeugen ab, von denen doch wohl nur die letzteren an dem feigen
                              									Raubzug gegen Tsingtau sich beteiligen werden, so haben wir im Osten wohl nur mit
                              									Rußland zu rechnen, da Serbien bisher keinerlei Anschaffungen auf diesem Gebiete
                              									machen konnte. Rußland besitzt außer einem Parseval-Schiff und zwei französischen Clèment-Bayard- und Astra-Schiffen nichts fahrtbereites; es sind zwar eine
                              									Reihe Schiffe unter hochtönenden Namen an die russischen Werke Kostewitsch,
                              									Ischorowerke sowie an die Baltische Werft vergeben, sie sollten dort aber nur nach
                              									Lizenzen nachgebaut werden und waren betreffs der Rohmaterialien und Motoren
                              									gänzlich auf Frankreich und Deutschland angewiesen. Da von hier weder neue noch
                              									Ersatzteile zu erwarten sind, stehen die Schiffe einfach nur auf dem Papier, und man
                              									hat ja auch in der Tat noch nichts von irgend welchem Eingreifen der russischen
                              									Lenkballone gehört. Am gleichen Fehlen jeglicher Ersatz- und Nachschubmöglichkeit
                              									krankt das russische Flugwesen. Was flugfähig ist, ist französischen Ursprungs; wird
                              									es im Frontdienst beschädigt, so fällt es aus, weil die heimische Industrie in der
                              									vorangehenden Friedensperiode nicht so gestärkt wurde, um jetzt den gesteigerten
                              									Anforderungen zu genügen. Auch der erfolgreiche Konstrukteur Sijkorski wird jetzt nicht mehr helfen können, nahm er doch seine Motoren
                              									aus dem Ausland; sein großes Wasserflugzeug mit vier vierzehnzylindrigen
                              									150-pferdigen Gnome-Motoren wird vorläufig keine Nachfolger haben, wenn es selbst
                              									überhaupt noch flugfertig ist.
                           Die Ausbildung der Flieger auf dem Flugplatz Gatschina ist eine recht gute und
                              									wohlorganisierte; sind sie auch bei den Schlachten in Ostpreußen nicht in die
                              									Erscheinung getreten, so haben sie in der unmittelbar vorangehenden Zeit doch eine
                              									große Zahl Aufklärungsflüge über Ostpreußen unternommen, so daß wohl die Annahme
                              									berechtigt ist, daß sie (vielleicht mit Rücksicht auf das seenreiche zerrissene
                              									Gelände im Norden) zur Front nach Südwesten abkommandiert sind. Das beweist aber
                              									nur, daß die Organisation an Zahl verhältnismäßig schwach ist. In den
                              									Schlachten bei Lemberg herum scheinen die Erkundungsresultate russischer Flieger
                              									recht gute gewesen zu sein, wie man aus den verschiedenen taktischen Maßnahmen
                              									schließen kann, die sich zum Teil lediglich auf eine Aufklärung von oben stützen
                              									konnten.
                           Im Westen haben wir nach dem mit ungeheuerer Schnelligkeit ausgeführten Ueberrennen
                              									Belgiens durch unsere Heere nur mit englischer und französischer Luftfahrt zu
                              									rechnen. England hat es nach vielen vergeblichen
                              									Versuchen, im Luftschiffbau etwas Eigenes zu schaffen, endgültig angefangen,
                              									ausländische Schiffe nachzubauen; es hat ein Parseval-Schiff erworben, Vickers Sons & Maxim
                              									haben die Lizenzen gekauft und sollen drei weitere Schiffe im Bau haben. Ob sie
                              									jetzt ohne deutsche Hüllenstoffe und deutsche Motoren den Bau fertigstellen können,
                              									erscheint fraglich. Ganz ähnlich wird es mit der Zeppelin-Nachahmung derselben Werft gehen, die 23000 cbm groß werden sollte.
                              									Armstrong baut ebenfalls ein Starrschiff zu 23000 cbm und zwei halbstarre Schiffe
                              									von 12000 cbm nach dem italienischen Forlanini-Typ. Für
                              									alle diese Neukonstruktionen dürfte das Vorhergesagte zutreffen, außerdem muß man
                              									sich immer wieder vor Augen führen, daß es mit dem Lizenzerwerben und dem
                              									mechanischen Kopieren noch lange nicht getan ist. Damit schafft man eben noch kein
                              									fahrfähiges Schiff. Eine solche komplizierte Einheit, wie sie ein modernes
                              									Luftschiff darstellt, verlangt naturgemäß eine Menge Werkstatterfahrungen, die kann
                              									man nicht kaufen und auch nicht einmal immer erlernen, die muß man durchmachen. Und
                              									das kostet nun einmal Zeit und Schiffe, die als Lehrgeld draufgehen. Dies ist eine
                              									alte Binsenwahrheit, die sich aber jetzt in Kriegszeiten in ihrer ganzen
                              									erschrecklichen Größe geltend macht. Ist dann die Werkstatt fertig, ist das Schiff
                              									wirklich fahrfähig, so ist es noch lange keine „Waffe“ im militärtechnischen
                              									Sinne; denn jetzt beginnt erst die langwierige Ausbildungsperiode, in der Mannschaft
                              									und Schiff miteinander vertraut werden, und in welcher die Besatzung lernt, das
                              									Schiff bei allen Wetterlagen richtig und zweckmäßig zu führen und bei allen
                              									Verhältnissen das Höchste aus dem Schiff herauszuholen. Auch diese Fähigkeiten sind
                              									nur in langjähriger Fahrperiode zu erlernen, wie sie der Friedensverkehr mit passend
                              									eingeflochtenen militärischen Uebungen am vollendetsten ergibt, denn mehr noch als
                              									die Werkstattpraxis erfordert das richtige Erlernen des Fahrbetriebes Zeit und
                              									gelegentliche Opfer, das ist eine zwar betrübliche, aber keineswegs aus der Welt zu
                              									schaffende Tatsache. Daher lassen sich militärisch nutzbringende Luftschiffe nicht
                              									aus dem Boden stampfen, noch weniger aber die Führer, die mit den Schiffen etwas
                              									leisten sollen.
                           Englands Flugwesen, von Anfang an geteilt nach seiner Verwendung für Heer und Marine,
                              									muß auch nach diesen beiden Gesichtspunkten beurteilt werden. Das Heeresflugwesen
                              									ist recht dürftig und gänzlich unter französischem Einfluß. Um überhaupt etwas
                              									Brauchbares zu erlangen, erteilte man der Firma Blériot
                              									die Erlaubnis, in Hendon eine Fliegerschule zu errichten, was natürlich zur
                              									Folge hatte, daß die dort ausgebildeten Flieger nur Fabrikate dieser Firma fliegen.
                              									Wesentlich anders steht es mit dem Marineflugwesen. Die ausgedehnten Küsten mußten
                              									es der Admiralität schon frühzeitig nahelegen, für den Küstenschutz auch die
                              									Flugzeuge heranzuziehen. Die Industrie, gestützt auf ihre langjährigen Erfahrungen
                              									im Bootsbau, kam den Wünschen der Marineverwaltung weit entgegen, während diese
                              									wieder durch Bereitstellung großer Mittel (17 Millionen Mark für das laufende
                              									Etatsjahr!) für Stützpunkte und durch gute Beförderungsbestimmungen nach dem
                              									Springersystem für die Flieger sorgte. Ob alle Wünsche der Admiralität sich noch für
                              									diesen Feldzug verwirklichen ließen, ist nicht bekannt geworden, erscheint aber
                              									nicht wahrscheinlich. Trotzdem wird das Marineflugwesen (auch im Hinblick auf das
                              									auf der letzten Olympia-Ausstellung Gezeigte – siehe D. p. J. Heft 23 d. Bd.) als
                              									ernste Waffe anzusehen sein. Daß es noch nicht hervorgetreten ist, mag einerseits
                              									daran liegen, daß die englische Flotte noch zurückgehalten wird, kann aber auch
                              									seinen Grund darin haben, daß noch an seiner Fertigstellung gearbeitet wird. In den
                              									Küstenkämpfen bei Ostende und Nieuport haben die Aufklärungsflüge englischer Flieger
                              									dem Zusammenarbeiten von Heer und Flotte jedenfalls manchen offenkundigen Nutzen
                              									gebracht.
                           Und jetzt der wichtigste Gegner: die Franzosen. Groß ist
                              									die Zahl der französischen Luftschiffe, von denen nur eins dem starren System, die
                              									übrigen der halbstarren, einige wenige auch der Prallbauart angehören. Besieht man
                              									sich diese Zahl aber mit Rücksicht auf ihre Fahrbereitschaft, so schrumpft sie arg
                              									zusammen. Sie dürfte je ein Astra-, Lebaudy-, Zodiac- und zwei Clément-Bayard- Schiffe kaum wesentlich überschreiten. Da die
                              									Fassungsräume dieser Ballone sich zwischen 7000 und 9000 cbm bewegen, Deutschland
                              									aber in den letzten Jahren bei seinen Starrschiffen allmählich zu 22000 bis 23000
                              									cbm übergegangen war, so raffte sich Frankreich anfangs des Jahres zu dem
                              									riesenhaften Sprung auf, Prallschiffe vom gleichen Inhalt zu bauen. Es bestellte
                              									zwei Astra-Schiffe, die bei 23000 cbm Inhalt durch je
                              									vier Stück 250-pferdige Chenu-Motoren
                              									Eigengeschwindigkeiten von 97 km/Std. erlangen sollten, es bestellte zwei Clément-Bayard-Ballone von
                              									22000 cbm, zwei Lebaudy-Schiffe von 10000 und 17000 cbm
                              									und vier Zodiac-Schiffe von 10000 bis 17000 cbm. Es
                              									verlangte vom guten alten Spieß-Ballon, den es von 12000 cbm auf fast 17000 cbm
                              									vergrößern ließ, eine Eigengeschwindigkeit von 70 km/Std. (was dem etwas bejahrten
                              									alten Herrn sicher nicht gelingen wird), kurz, es wurde fieberhaft modernisiert. Was
                              									von diesen Wünschen Wirklichkeit geworden, was lediglich auf dem Papier stehen
                              									geblieben ist, bleibt abzuwarten. Viel bemerkbar gemacht hat sich die Luftflotte
                              									noch nicht, also scheint doch nicht alles zu klappen.
                           Beim französischen Flugwesen muß man das eigentliche Heeresflugwesen und das
                              										„Luftfreischärlertum“ scharf auseinanderhalten. (Von der
                              									Marineflugzeugabteilung kann man noch nicht sprechen, denn erst in diesem Etatsjahr
                              										waren 5
                              									Millionen Mark für ihren Ausbau vorgesehen, so daß wir es hier noch mit Anfängen zu
                              									tun haben.) Das Heeresflugwesen ist in der Hauptsache straff und einheitlich
                              									organisiert; die Esquadrillen bestehen aus Flugzeugen eines Systems (Henry- und Maurice-Farman-Apparate herrschen vor) und sind mit
                              									Werkstattautos und je einem Begleitauto pro Flugzeug ausgerüstet. Rechnet man hierzu
                              									noch die nötigen Mannschaftsautos und die für das Führer- und technische Personal
                              									nötigen Kraftwagen, so sieht man schon, daß einem so großen Apparat eine gewisse
                              									Schwerfälligkeit hinsichtlich der Beweglichkeit innewohnen muß. Neben diesen
                              									zweifellos gut organisierten Esquadrillen stehen der Heeresleitung nun noch eine
                              									große Anzahl Flugzeuge zur Verfügung, die bei Aufzählung des Stärkeverhältnisses
                              									immer als vollwertig mitgezählt wurden, über deren Wert man aber sehr geteilter
                              									Meinung sein kann. Hierunter sind unter andern auch die 400 Apparate, die aus den
                              									Mitteln der Nationalsubskription ganz wahllos zusammengekauft wurden, und die nun
                              									kein Mensch fliegen will, weil man kein Zutrauen zu ihnen hat. Seinerzeit haben sich
                              									in französischen Fachkreisen eine Reihe Leute gegen diese ganz unsinnigen Ankäufe
                              									gewehrt; es ist nicht auf sie gehört worden, und jetzt hat die Heeresleitung
                              									darunter zu leiden. Ist für einen dieser vielen Apparate wirklich jemand
                              									ausgebildet, so ist das Flugzeug an der Front doch nur von geringem Wert, denn die
                              									geringste Beschädigung, die nun einmal beim schweren Felddienst nicht zu vermeiden
                              									ist, bringt eine Kette Unzuträglichkeiten mit sich. Erstmal fällt der Apparat, der
                              									doch irgendwie in den Frontdienst eingeteilt ist, aus; manchmal oder fast stets für
                              									eine ungebührlich lange Zeit, weil für seine Reparatur keine Ersatzteile vorhanden
                              									sind, und jedes Stück neu angefertigt werden muß. Weiter wird aber auch sein Flieger
                              									zur Untätigkeit verdammt, weil er nur diesen einen Typ fliegen kann, und endlich
                              									stört der zurückzubefördernde Apparat die Arbeit der Nachschubkolonnen, was an der
                              									Front von erheblicher Bedeutung ist. Außerdem haftet den vielen kleinen mehr für
                              									Sportzwecke gebauten Flugzeugen der Nachteil an, daß sie bei der großen Tiefe der
                              									Staffel nicht mehr mit der nötigen Kraftreserve in der Front ankommen, so daß sie
                              									den deutschen Flugzeugen größtenteils aus dem Wege gehen, weil diese sie fast stets
                              									überhöhen und sie dann unschädlich machen können.
                           Wie schon vorhin erwähnt, sollte dem Heeresflugwesen die „Liga der
                                 										Luftfreischärler“ an die Seite treten, und ich möchte beinahe glauben, daß
                              									man sich in weitesten Kreisen mehr von deren Wirksamkeit als von der
                              									Militärluftfahrt versprochen hat. Und wie bitter ist man da enttäuscht worden!
                              									Natürlich müssen wir uns hüten, zu früh zu triumphieren; der Krieg ist noch nicht zu
                              									Ende, und es kann noch vieles sich ereignen; aber wenn man an die bombastischen
                              									Ankündigungen dieser Liga denkt, wenn man sich ihrer Drohungen erinnert, die sie zu
                              									Beginn dieses Jahres durch alle Zeitungen verkünden ließ, dann darf man doch sagen,
                              									daß die Franzosen uns hier etwas schuldig geblieben sind. Sie wollten nach
                              									ihren klippen, klaren Darlegungen nicht mehr und nicht weniger als unseren ganzen
                              									Aufmarsch zerstören durch Vernichtung der Kunstbauten, unser Volk demoralisieren
                              									durch die Zerstörung Berlins, unsere Mobilmachung verwirren durch Angriffe auf alle
                              									Truppen-, Sammlungsplätze, unsere Luftflotte vernichten durch Bombenwürfe auf Hallen
                              									und Fahrzeuge usw. Und das alles unmittelbar bei der
                                 										Kriegserklärung. Zweifellos wäre auch die Erfüllung nur eines Teiles dieses
                              									so freundlich ausgearbeiteten Programmes für uns von unheilbarer Wirkung gewesen;
                              									die besten französischen Fliegernamen standen hinter der Liga, Deutsch de la Meurthes Riesenkapital stützte sie, Depots in Reims,
                              									Versailles, Lyon waren mit 1,5 Millionen Franks Kosten eingerichtet, Jules Vedrines wollte persönlich alles leiten, und doch
                              									hat nichts unseren exakt erfolgenden Truppenaufmarsch, die bis zum letzten klappende
                              									Mobilmachung stören können. Welche Gründe liegen da vor?
                           Was schon vorher beim französischen Heeresflugwesen kritisch hervorgehoben wurde,
                              									trifft in noch viel höherem Maße auf die Liga zu: Der Mangel
                                 										an Einheitlichkeit im Material. Die große Zahl der Flieger und Flugapparate
                              									tut es nicht, die beste Ausrüstung der einzelnen Apparate nutzt gar nichts, wenn
                              									nicht genügende Austauschmöglichkeit und Ersatz vorhanden ist. Und damit kommen wir
                              									auf den eingangs erwähnten Satz über die deutsche Luftfahrt zurück: Nicht so sehr im absoluten Können der Flieger und in der Güte
                                 										deutschen Materials liegt unser Vorteil, sondern in der Organisation.
                           Tiefgehende Bewunderung vor dem weitschauenden Blick unserer Heeresleitung muß uns
                              									erfüllen, wenn man jetzt diese Organisation überblickt und ihre systematischen
                              									Anfänge weit zurückverfolgen kann. Im Gegensatz zum Vorgehen der
                              									Nationalsubskription mit dem wahllosen Ankauf von möglichst vielen Flugapparaten
                              									vergegenwärtige man sich die Richtlinien, denen unsere Nationalflugspende folgte.
                              									Sie verlangte viel von der Industrie und von den Fliegern, sie gab ihre Preise nicht
                              									leicht aus der Hand, aber sie gewöhnte dadurch die Flieger an Riesenflüge bei Tag
                              									und Nacht, sie machte sie vertraut mit ihren Apparaten und sie kräftigte die gesunde
                              									Industrie, leistungsfähige Flugzeuge, zuverlässige Motoren (besonders durch die
                              									Kaiserpreis-Wettbewerbe) hervorzubringen. Neben der Nationalflugspende standen die
                              									vielen Luftfahrtvereine des Deutschen Luftfahrer-Verbandes, die ebenfalls durch
                              									hochdotierte Wettbewerbe Flieger und Flugzeuge methodisch förderten und
                              									entwickelten. Aber - und das ist das Wichtigste - keiner von beiden arbeitete ohne
                              									die Mitwirkung der Heeresverwaltung, deren Wünsche im Gegenteil maßgebend waren (es
                              									sei hier nur an die Prinz-Heinrich-Flüge, die Ostmarkenflüge und andere erinnert).
                              									So kann sich jetzt, nach all der jahrelangen systematisch und methodisch
                              									durchgeführten Vorarbeit, die deutsche Heeresluftfahrt auf eine in sich gefestigte
                              									Industrie und auf eine wohltrainierte Fliegerschar stützen. In weiser Beschränkung
                              									auf wenige, erprobte Systeme liegt weiter der garnicht hoch genug einzuschätzende Vorteil, daß der
                              									Nachschub, der Ersatz, die Reparaturmöglichkeit in einfacher Weise durchgeführt
                              									werden kann.
                           Der deutschen Militärluftfahrt stehen außer den noch im
                              									Betriebe befindlichen halbstarren Groß-Basenach-Schiffen
                              									hauptsächlich die Erzeugnisse der großen Luftschiffwerften Zeppelin, Parseval und Schütte-Lanz zur
                              									Verfügung. Da außer den sich aus den Kriegserfahrungen ergebenden Abänderungen
                              									zurzeit keine grundsätzlichen Veränderungen in der Einrichtung der Schiffe getroffen
                              									werden, so ist jeder in den langen Friedensfahrperioden Ausgebildete ohne weiteres
                              									in der Lage, seinen Dienst auf irgend einem Schiff zu übernehmen. Die einheitliche
                              									Bauweise hat aber den weiteren Vorteil, mit einer geringen Anzahl Ersatzteile alle
                              									Reparaturen schnell ausführen zu können, weil die Teile passen und das Personal
                              									eingearbeitet ist.
                           Mehr noch als im Luftschiffbetrieb machen sich diese Vorzüge im deutschen Flugwesen
                              									geltend. Einheitliche Motoren und einheitliche Flugzeuge ermöglichen es jedem
                              									ausgebildeten Flieger, mit jedem Flugzeug sofort loszufliegen, sich sofort mit
                              									seinen Einrichtungen abzufinden. Ferner kann jede Flugzelle sofort mit jedem Motor
                              									versehen werden, da der Einheitstyp der gleichen Stücke nach derselben
                              									Befestigungsschablone montiert werden kann. Auf diese Weise ist es möglich,
                              									beliebige Zellen und Motoren untereinander auszutauschen, jeden reparaturbedürftigen
                              									Motor sofort gegen einen gerade vorrätigen Ersatzmotor auszuwechseln und alle diese
                              									Ersatzarbeiten bei den Fliegerabteilungen selbst, d.h. unmittelbar an der Front
                              									vorzunehmen. Die Beschränkung auf wenige Einheitstypen bringt aber den großen
                              									weiteren Vorzug mit sich, daß die nach Grenzlehren einer scharfen Kontrolle
                              									unterworfenen Einzelteile überall passen. Ein verhältnismäßig kleines Lager setzt
                              									daher schon in die Lage, viele Motoren und Flugzeuge dauernd selbst im
                              									angestrengtesten Felddienst flugbereit zu halten. Die Monteure, auf die
                              									Einheitstypen eingearbeitet, können durch ständige Kontrolle und kleine rechtzeitig
                              									vorgenommene Auswechselungen dem ihnen anvertrauten Material so viele kleine Hilfen
                              									geben, daß tatsächlich eine Flugbereitschaft jederzeit garantiert werden kann. Dabei
                              									muß man stets im Auge behalten, daß der Felddienst ungeheuere Anforderungen stellt.
                              									Irgendwelche Rücksichten auf die Tageszeit oder die Witterungsverhältnisse
                              									existieren nicht, was um so bedeutungsvoller ist, als die Landungsterrains natürlich
                              									nur den allerbescheidensten Ansprüchen genügen. Ist eine Meldung, eine Erkundung
                              									nötig, so muß eben geflogen werden, ob das Wetter es zulassen will oder nicht; kommt
                              									der Apparat nur hoch, dann wird die Aufgabe auch gelöst, selbst wenn die Maschine
                              									bei der Landung zu Bruch geht. Wie sehr haben wir in dieser Beziehung seit der
                              									Kriegszeit umgelernt!
                           Unterstützt wird der schwere Luftfahrtdienst durch reichen Nachschub. Dank der
                              									umfassenden Fürsorge der Behörden im Verein mit den industriellen Verbänden haben
                              									sämtlichen Industrien sowohl der Halb- als auch der Fertigfabrikate eine ganz
                              									außergewöhnliche Steigerung ihrer Erzeugungsfähigkeit vorgenommen. Auch hier hat die
                              									Heeresverwaltung gezeigt, wie ausbau- und erweiteterungsfähig eine Industrie sein
                              									kann, wenn sie in Friedenszeiten in einem gesunden Kern erstarkt ist. Durch
                              									zweckmäßige Zentralisierung der Leitung und passende Gliederung über stationäre Ersatzabteilungen, mobile, aber trotzdem noch
                              									bis zu einem gewissen Grade seßhafte Flugzeugparks und
                              										leichtbewegliche, allen Anforderungen der Front
                              									schnell genügende Feld-Fliegerabteilungen gelingt es,
                              									sowohl die Flugbereitschaft jederzeit zu gewährleisten als auch die Flieger stets in
                              									der Nähe des Stabes zu haben, so daß wirklich alle Ansprüche befriedigt werden
                              									können.
                           Ueber die Tätigkeit der Luftfahrtorganisation im Einzelnen soll ein folgender kurzer
                              									Bericht aufklären.