| Titel: | Die Röntgentechnik im Felde und im Lazarett. | 
| Autor: | Otto Friedrich | 
| Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 82 | 
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                        Die Röntgentechnik im Felde und im
                           								Lazarett.
                        Von Ingenieur Otto Friedrich,
                           									Siemensstadt.
                        FRIEDRICH: Die Röntgentechnik im Felde und im Lazarett.
                        
                     
                        
                           Bei Kriegsverletzungen ist die Röntgendiagnostik unersetzbar geworden. Handelt
                              									es sich doch in den meisten Fällen darum, Sitz und Form von Fremdkörpern – von
                              									Infanteriegeschossen (Abb. 1) und Granatsplittern –
                              									festzustellen, oder Art und Schwere von Knochenbrüchen – Schußfrakturen – zu
                              									untersuchen. Und eine Röntgendurchleuchtung oder -aufnähme gibt über beides
                              									sofort und erschöpfend Auskunft.
                           Man hat deshalb ein Röntgengerät ausgebildet, das an Gewicht und Umfang gering und
                              									infolgedessen leicht zu befördern ist, rasch gebrauchsfertig gemacht und ebenso
                              									rasch wieder verpackt werden kann, so daß die Verwundeten gleich hinter der Front,
                              									in den Etappenlazaretten schon, mit Röntgenstrahlen untersucht werden können. Es
                              									lassen sich dann viel besser zweckentsprechende Maßnahmen treffen, und die
                              									vorzüglichen Heilerfolge in diesem Kriege sind sicher zum Teil auf das frühzeitige
                              									Verwenden der neuesten Hilfsmittel ärztlicher Kunst zurückzuführen.
                           Etappenlazarette müssen oft und rasch verlegt werden. Das tragbare Feldröntgengerät
                              										(Abb. 2) darf diese Verlegung nicht erschweren
                              									und muß überall sofort verwendbar sein. Die erste dieser beiden Bedingungen wird
                              									dadurch erfüllt, daß die Apparate auf eine Anzahl handlicher Transportkasten
                              									verteilt werden, die bequem auf einem Lastauto (Abb.
                                 										3) unterzubringen sind. Dieses Auto wird dem Etappenlazarett noch dadurch
                              									nützlich, daß es zum Herbeischaffen von Verwundeten dient, so lange die
                              									Röntgeneinrichtung aufgestellt ist.
                           Um das Feldröntgengerät an jedem Ort benutzen zu können, muß es von einem Anschluß an
                              									ein elektrisches Leitungsnetz unabhängig sein. Deshalb erzeugt eine kleine
                              									Benzindynamo den zum Betriebe nötigen Stromselbst.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 81
                              Abb. 1. Steckschuß (altes russisches Infanteriegewehrgeschoß) im linken
                                 										Darmbein. Einschußöffnung durch Dermatol markiert
                              
                           Deswegen, und aus Gründen der Transportfähigkeit kann kein allzu großer Induktor
                              									Verwendung finden, so daß man an das tragbare Röntgengerät nicht dieselben
                              									Anforderungen stellen kann, wie an die großen feststehenden Apparaturen. Immerhin
                              									sind die Leistungen noch recht hoch. Unter Zuhilfenahme eines Verstärkungschirmes gelingen selbst
                              									schwierigere Aufnahmen in Belichtungzeiten von wenigen Sekunden. Als Unterbrecher
                              									dient ein Quecksilberunterbrecher (Abb. 4), ein
                              									Schaltkasten ermöglicht die Regulierung des Stromes; ein einfaches Röhrenstativ mit
                              									Schutzblende, eine Anzahl Röntgenröhren, ein Durchleuchtungsschirm, photographische
                              									Platten und das gesamte Zubehör zum Negativ- und Positivprozeß vervollständigen die
                              									Ausrüstung der Röntgenstation.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 82
                              Abb. 2. Tragbares Feldröntgengerät, gebrauchsfertig.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 82
                              Abb. 3. Tragbares Feldröntgengerät, auf ein Lastauto verpackt.
                              
                           Neben diesem tragbaren Röntgengerät führt die Siemens
                              									& Halske A.-G. noch die eigentlichen Feldröntgenwagen
                              									des deutschen Heeres aus (Abb. 5). Bei diesen ist ein
                              									Röntgengerät mit allemZubehör in sinnreicher und praktischer Weise in einem
                              									Wagen untergebracht, der durch ein Pferdegespann befördert wird. Der
                              									Feldröntgenwagen ist schnell gebrauchsfertig, da das Auspacken und Zusammenbauen der
                              									Apparate sehr einfach ist. Wie für die Etappenlazarette des Landheeres, so sind auch
                              									für die Lazarettschiffe eigene Röntgeneinrichtungen durchgebildet worden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 82
                              Abb. 4. Quecksilber-Gas-Unterbrecher.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 82
                              Abb. 5. Feldröntgenwagen.
                              
                           Die feststehenden Röntgeneinrichtungen unterliegen den Beschränkungen nicht, die bei
                              									dem tragbaren Röntgengerät zu beachten sind. Man hat deshalb schon im Frieden Wert
                              									darauf gelegt, die Militärlazarette mit leistungsfähigen Röntgenapparaturen
                              									auszustatten (Abb. 6). Von der Stromart, die aus
                              									einem Netz zur
                              									Verfügung steht, ist hierbei die Auswahl des Röntgenapparates abhängig. Bei
                              									Gleichstromanschluß kann z.B. ein Induktor mit Unterbrecher benutzt werden, sei es
                              									nun ein Wehnelt- oder Gasquecksilber-Unterbrecher.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 83
                              Abb. 6. Röntgeneinrichtung (Gleichrichter) in einem Garnisonlazarett.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 83
                              Abb. 7. Röntgenzimmer im Vereinslazarett Siemensstadt.
                              
                           Bei Wechselstromanschluß kann man ein kleines
                              									Umformeraggregat, bestehend aus einem Wechselstrommotor undeiner
                              									Gleichstromdynamo, aufstellen und so Gleichstrom für den Induktor erzeugen, oder
                              									einen der modernen Apparate für direkten Wechselstromanschluß, einen sogenannten
                              									Gleichrichter, benutzen. Der Gleichrichter verwandelt durch Umkehren der einen
                              									Wellenhälften den Wechselstrom, der durch einen Transformator die nötige hohe
                              									Spannung erhalten hat, in pulsierenden Gleichstrom, der dann unmittelbar durch die
                              									Röntgenröhre geschickt werden kann. Durch den Wegfall des Unterbrechers ist das
                              									Gleichrichterinstrumentarium viel leichter zu bedienen. Nicht nur kürzeste
                              									Momentaufnahmen, sondern – unter Zuhilfenahme der Einschlagvorrichtung – auch
                              									sogenannte Einschlagaufnahmen lassen sich durch ihn erreichen. Bei diesen
                              									Einschlagaufnahmen wird durch einen starken Stromstoß die Röntgenröhre zum
                              									einmaligen heftigen Aufblitzen gebracht, und so Momentaufnahmen von etwa 1/100 Sekunde
                              									Dauer erhalten, bei denen in Bewegung befindliche Organe, wie das Herz, mit scharfen
                              									Konturen abgebildet sind.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 83
                              Abb. 8. Magendurchleuchtung mit Wabenblende nach Bucky.
                              
                           Daß nicht nur Garnisonlazarette, sondern auch die Lazarette des Vereins vom Roten
                              									Kreuz über leistungsfähiges Röntgengerät verfügen, zeigt Abb. 7. Sie stammt aus dem Lazarett im Verwaltungsgebäude der Siemens-Schuckertwerke und der Siemens & Halske A.-G. in Siemensstadt, das die genannten Firmen im
                              									Zusammenwirken mit der Heeresverwaltung und dem Verein vom Roten Kreuz ins Leben
                              									gerufen haben. Der Schrank links im Bild birgt den Einzelschlaggleichrichter; rechts
                              									befindet sich ein Universalstativ nach Schmidt und davor
                              									der Untersuchungstisch nach Albers-Schönberg. Dieser
                              									Tisch ist für die Benutzung der Kompressionsblende nach Albers-Schönberg besonders eingerichtet. Das Kompressionsverfahren
                              									bedeutet einen großen Fortschritt in der Aufnahmetechnik. Die röhrenförmige Blende
                              									macht einen großen Teil der Sekundärstrahlen unschädlich, die sonst die Platte so
                              									unangenehm verschleiern und eine große Zahl feinerer Einzelheiten unsichtbar machen;
                              									dadurch, daß sie unter einigem Druck aufgesetzt wird, verringert sie den Weg der
                              									Röntgenstrahlen, was gleichfalls zur Verbesserung der erhaltenen Bilder beiträgt.
                              									Mit Hilfe der Kompressionsblende gelingen die schwierigsten Aufnahmen auch bei sehr dicken
                              									Personen einwandfrei.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 84
                              Abb. 9. Schußfraktur des Oberarmes durch russisches Gewehrspitzgeschoß, das
                                 										stark abgeplattet ist. Der Geschoßmantel ist aufgeplatzt und der Bleikern in
                                 										zahlreiche Stückchen zerspritzt. Starke Verschiebung der Fragmente
                              
                           Unter den neueren Hilfsmitteln der Röntgentechnik verdient auch die von Dr. Bucky angegebene Wabenblende (Abb. 8) Erwähnung. Sie besteht aus einem Gitter von radial zu den
                              									Röntgenstrahlen gestellten Blechstreifen; nur die vom Brennpunkt der Antikathode
                              									kommenden Strahlen können sie ungehindert passieren, die Sekundärstrahlen, besonders
                              									auch die im durchleuchteten Körper selbst entstehenden, werden aufgefangen. Wie sehr
                              									hierdurchdie Bilder aufgehellt und kontrastreicher werden, ist aus Abb. 8 zu ersehen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 84
                              Abb. 10. Derselbe Fall wie Abb. 9, in Gipsverband. Dislokation noch nicht ganz
                                 										beseitigt; Geschoß operativ entfernt
                              
                           Die Untersuchung mittels Röntgenstrahlen gibt nicht nur sofort ein klares Bild über
                              									Art und Schwere der Knochenverletzungen, sie ist auch vorzüglich geeignet zur
                              									Ueberwachung des Heilverlaufes. Dabei brauchen etwaige Gips- oder Streckverbände (s.
                              										Abb. 9 und 10)
                              									nicht abgenommen werden, so daß dem Kranken weder Belästigungen noch Schmerzen
                              									entstehen, und die Heilung ohne Störung verlaufen kann.