| Titel: | Die Trinkwasserversorgung im Felde. | 
| Autor: | A. Schacht | 
| Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 122 | 
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                        Die Trinkwasserversorgung im Felde.
                        Von Ingenieur A. Schacht in
                           									Berlin.
                        SCHACHT: Die Trinkwasserversorgung im Felde.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Die Wichtigkeit der Beschaffung keimfreien Wassers. – Abkochen des
                              									Wassers und Behandlung mit Chlor – Verwendung von Berkefeld- und Sucrofiltern, sowie von
                              									Ozonisierungsanlagen.
                           –––––
                           Hygienisch einwandfreies Wasser in ausreichender Menge zu haben ist eine der
                              									wichtigsten Bedingungen für das gesundheitliche Wohlbefinden unserer Armeen und der
                              									Insassen unserer Lazarette. Einerseits das große Bedürfnis unserer Soldaten nach
                              									gutem Trinkwasser und andererseits die gesundheitlichen Gefahren, die schon an und
                              									für sich durch die Anhäufung großer Truppenmassen vorhanden sind, machen es zur
                              									notwendigen Pflicht, geeignete Vorrichtungen für die reichliche
                              									Trinkwasserbeschaffung bereitzuhalten.
                           In früheren Kriegen betrugen die Verluste, die durch epidemisch auftretende
                              									Krankheiten entstanden, ein Mehrfaches derjenigen, die auf Verwundungen
                              									zurückzuführen waren. Welchen zahlenmäßigen Anteil dabei infiziertes Trinkwasser
                              									hatte, wird wohl kaum festgestellt worden sein, jedenfalls aber ist der Prozentsatz
                              									ein sehr hoher gewesen. Man braucht zum Vergleich nur die vor mehreren Jahren in
                              									verschiedenen größeren Städten, z.B. in Zürich, Prag, Hermannstadt, Petersburg usw.
                              									aufgetretenen Cholera- und Typhusepidemien heranzuziehen, bei welchen mit Sicherheit
                              									die Verbreitung und Uebertragung durch infiziertes Leitungswasser festgestellt
                              									wurde. In Amerika z.B., wo vielfach von den Wasserwerken Oberflächenwasser für die
                              									städtische Wasserversorgung benutzt wird, hat man die Bedeutung des Wassers für die
                              									Verbreitung von Bakterien voll erkannt und man geht in mehreren größeren Städten so
                              									weit, dem Leitungswasser ständig Sterilisationsmittel zuzusetzen und nicht erst beim
                              									Ausbruch einer Epidemie. In unserem Ruhrkohlenrevier liegen die Verhältnisse
                              									ähnlich.
                           Wie schon erwähnt, weiß man von der Cholera, an der weit über die Hälfte aller
                              									davon Befallenen zugrundegehen, und vom Typhus, bei dem die Sterblichkeit nicht ganz
                              									so hoch ist, bestimmt, daß das Wasser der Verbreiter der betreffenden Bakterien ist;
                              									von der Ruhr kann man es nicht mit Sicherheit sagen. Jedenfalls übt das Wasser, wenn
                              									überhaupt, so doch nur sehr langsam eine abtötende Wirkung auf die Bakterien aus,
                              									und es ist interessant, festzustellen, daß in den Gegenden, wo Grundwasser verwendet
                              									wird, epidemische Erkrankungen der erwähnten Art seltener auftreten als in Gegenden,
                              									wo Oberflächenwasser benutzt wird, welch letzteres der Verunreinigung in weit
                              									höherem Maße ausgesetzt ist als ersteres. Deshalb sollte man sich, wenn irgend
                              									angängig, im Felde auf die Verwendung von Grundwasser beschränken und nach
                              									Möglichkeit Wasser von Flüssen und Seen gänzlich vermeiden.
                           Es kommt also darauf an, den Armeen und den Lazaretten ein absolut keimfreies Wasser
                              									zu liefern. In welcher Weise z.B. die österreichische Heeresverwaltung diese
                              									Forderung erfüllt, geht aus folgendem hervor: An geeigneten Stellen werden Behälter
                              									mit gereinigtem Wasser aufgestellt, aus welchen die Mannschaften mittels einfacher
                              									Zapfhähne Wasser entnehmen können. Zur Herstellung keimfreien Wassers bestehen
                              									verschiedene Verfahren, die sich weniger durch die Qualität des erhaltenen
                              									Filtrates, als vielmehr durch die Bequemlichkeit in der Handhabung unterscheiden. Zu
                              									den einfachsten, jedoch sicher wirkenden Hilfsmitteln gehört unstreitig wohl das
                              									Erhitzen des Wassers bis zur Siedetemperatur, also das Abkochen. Dabei werden aber
                              									die Gase, die dem Wasser den frischen Geschmack verleihen, beseitigt, das Wasser
                              									schmeckt fade und abgestanden. Außerdem sollen durch die konstante Verwendung
                              									abgekochten Wassers
                              									beachtenswerte Störungen der menschlichen Gesundheit festgestellt worden sein,
                              									weshalb dieses Hilfsmittel, selbst beim Zusatz von anderen Mitteln, z.B. Alkohol,
                              									bisher nicht in dem vielleicht wünschenswerten Maße verwertet wurde. Zu den
                              									einfachsten Hilfsmitteln gehört ferner die Zufügung von flüssigem Chlor oder auch in
                              									Form von Chlorkalk. Bei Versuchen zeigte es sich, daß durch das Zusetzen einer nur
                              									ganz geringen Menge von flüssigem Chlor innerhalb kurzer Zeit sämtliche im Wasser
                              									enthaltenen Keime vernichtet wurden; es läßt sich aber mit Leichtigkeit durch den
                              									unangenehmen Geruch und Geschmack feststellen, daß das Wasser mit Chlor behandelt
                              									wurde. Dieser Nachteil kann allerdings etwas eingeschränkt werden durch das
                              									Hinzufügen von anderen chemischen Mitteln. Indessen, der Widerwille gegen gechlortes
                              									Wasser ist nun einmal vorhanden und man erreicht nicht das gewünschte Ziel, sondern
                              									eher das Gegenteil, weil nämlich die Mannschaften vom Genuß des gereinigten Wassers
                              									abgeschreckt werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 122
                              Abb. 1.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 122
                              Abb. 2.
                              
                           Anders liegen die Verhältnisse bei der Verwendung von Filtern. Man geht dabei von der
                              									Absicht aus, das Wasser in rein mechanischer Weise von den enthaltenen mehr oder
                              									weniger festen und großen Beimengungen zu trennen, indem man es durch ein geeignetes
                              									Filtersystem hindurchleitet. Die Unterschiede der einzelnen Methoden liegen zum Teil
                              									in der Qualität des erhaltenen Filtrates, in der Geschwindigkeit, mit der das Wasser
                              									das betreffende Filter passiert und in der Art des Reinigens des verschlammten
                              									Filtermaterials. Für letzteres wurden Versuche mit organischen und anorganischen
                              									Stoffen gemacht; so wurde z.B. natürlicher und Kalksandstein, Eisenerze, Koks,
                              									Koksschlacke, Asche, Knochen, Holzkohle und Faserstoffe, wie Papier, benutzt. Man
                              									hat aber die Verwendung eines Teiles dieser Materialien wieder aufgegeben, da sie
                              									sich entweder nur schwer reinigen ließen, oder durch ihre organische Zusammensetzung
                              									geradezu Herde für pathogene Keime bilden oder durch ihr schnelles Unbrauchbarwerden
                              									erhebliche Unterhaltungskostenverursachen. Von einem Filter, welches allen
                              									gerechten Anforderungen entsprechen soll, muß man verlangen, daß das erhaltene
                              									Filtrat hygienisch einwandfrei ist und auch schnell und in großen Mengen geliefert
                              									werden, daß die Reinigung des Filtermaterials für die wiederholte Verwendung leicht
                              									vorgenommen werden und daß die Handhabung auch durch ungeübte und nicht besonders
                              									vorgebildete Mannschaften erfolgen kann. Daß das erhaltene Wasser durch die
                              									Filtration weder im Geruch und Geschmack noch in der Bekömmlichkeit herabgemindert
                              									werden darf, mag als selbstverständlich nebenbei erwähnt werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 122
                              Abb. 3.
                              
                           Zu den Konstruktionen, die diesen Anforderungen entsprechen, gehören die Berkefeld-Filter (so genannt nach ihrem Erfinder W. Berkefeld), bei welchen für die Herstellung der
                              									zylindrischen Filterkörper Infusorienerde verwendet wird, welcher durch geeignete
                              									Zusätze nach patentiertem Verfahren und durch die Art des Brennens eine fast
                              									unbegrenzte Haltbarkeit, besonders auch gegen Zerbrechen gegeben wird. Abb. 1 läßt ein auseinandergezogenes Berkefeld-Filter erkennen; die einzelnen Filterkörper
                              									werden durch Abwaschen in einfachster Weise gereinigt, und zwar wird dabei eine ganz
                              									dünne Schicht der Filtermasse abgerieben, so daß die filtrierende Oberfläche stets
                              									erneuert wird. Trotzdem können solche Filterkörper jahrelang benutzt werden. Die
                              									Konstruktion der Apparate ist so gewählt, daß das Wasser die Zylinder Von außen nach
                              									innen durchdringt, wobei sich die im Wasser enthaltenen Organismen und andere
                              									Beimengungen auf der Oberfläche der Zylinder ablagern. Abb.
                                 										2 zeigt ein Berkefeld-Filter, welches mit einer
                              									kleinen Kolbenpumpe für Handbetrieb in Verbindung gebracht und eigens für den
                              									Gebrauch in Lazaretten usw. bestimmt ist. Für die Verwendung im Felde verdient das
                              									in Abb. 3 wiedergegebene Armeefilter Beachtung. Der
                              									Apparat wiegt nur wenige Kilo, kann zusammengeschnallt und auf dem Tornister leicht
                              									mitgeführt werden und ist imstande, aus jedem Wasserlauf bakterienfreies Wasser zu
                              									geben. Einen für Pferdebespannung eingerichteten Filterwagen zeigt Abb. 4. Auf dem Wagen, der auch eine recht große
                              									Truppe mit gesundem Trinkwasser versorgen kann, sind vier Berkefeld-Filter vorgesehen, die eine patentrechtlich geschützte
                              									mechanische Reinigungsvorrichtung erhalten. Der Wagen wird im Felde direkt an den
                              									Fluß oder Teich herangefahren und die Wasserlieferung kann sofort mit Hilfe der
                              									motorisch betriebenen Pumpe erfolgen. Die Filter haben sich gut bewährt und sind
                              									seinerzeit in großer Zahl von Deutschland für den China- und Südwestafrika-Feldzug,
                              									von Italien für den Tripoliskrieg und von den Vereinigten Staaten für den Kubakrieg verwendet
                              									worden. Auch die Engländer haben eine große Zahl genannter Filter im Burenkrieg
                              									verwendet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 123
                              Abb. 4.
                              
                           Die Sucro-Armeefilter nach dem System des Stabsarzt Dr. Kunow, patentrechtlich geschützt, entsprechen ebenfalls den weiter oben
                              									gestellten Bedingungen. Das Wasser wird bei diesen Apparaten durch Kupfersulfat und
                              									Kaliumpermanganat desinfiziert, sodann mit Wasserstoffsuperoxyd behandelt und
                              									schließlich durch ein sogenanntes Sucrofilter filtriert. Die Apparate können bereits
                              									nach einer Minute nach erfolgtem Einfüllen von zu reinigendem Wasser letzteres in
                              									absolut unschädlichem Zustand abgeben. Die stündliche Leistungsfähigkeit der
                              									Armeefilter beträgt durchschnittlich 40 l, jedoch können auch fahrbare Apparate für
                              									größte Trinkwassermengen geliefert werden. Der Apparat wird aus Aluminiumblech
                              									hergestellt, hat bei einer Höhe von 35 cm und einem Durchmesser von 15 cm ein
                              									Gewicht von etwa 2½ kg und kann deshalbauf den Tornister geschnallt werden. Die
                              									erforderlichen Chemikalien werden für die tragbaren Apparate in Tablettenform
                              									geliefert, so daß die Benutzung der Apparate auch ungeübten Händen unbedenklich
                              									überlassen werden kann.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 123
                              Abb. 5.
                              
                           Eine andere Art der Trinkwassersterilisation beruht auf der Behandlung des Wassers
                              									mit Ozon. Solche Ozonisierungsanlagen haben durch längeren Gebrauch bewiesen, daß
                              									sie ein vorzüglich geeignetes Mittel zur Vernichtung der im Wasser enthaltenen
                              									Bakterien sind. Bei der ältesten Anlage in Paderborn z.B. sind seit der Einführung
                              									des Ozonisierungsverfahrens Typhuserkrankungen nie wieder vorgekommen, obwohl früher
                              									wiederholt schwere Typhusepidemien durch das Trinkwasser veranlaßt wurden. Das
                              									Verfahren beruht darauf, daß die aus den Apparaten gewonnene Ozonluft im
                              									Sterilisator mit dem zu behandelnden Wasser innig vermischt wird. Erzeugt wird die
                              									Ozonluft in besonderen Apparaten, die auf zwei, eigens für den Gebrauch im Felde
                              									gebauten und für Pferdebespannung eingerichteten Wagen untergebracht werden und die
                              									sowohl einen Explosionsmotor zum Antrieb der eingebauten Rohwasserpumpe und der
                              									Dynamomaschine zur Erzeugung des Wechselstromes, als auch zwei Vor- und ein
                              									Feinfilter enthalten. Die beiden Wagen sind in Abb. 5
                              									zu erkennen, wo der auf der rechten Seite des Bildes dargestellte Wagen die
                              									eigentliche Sterilisationsanlage, Filter,Werkzeuge und Reserveteile trägt. Wie
                              									wir sehen, stehen der deutschen Heeresleitung eine ganze Reihe von Mitteln zur
                              									Verfügung, um den in Betracht kommenden Stellen einwandfreies Wasser in genügender
                              									Menge zu liefern, so daß nach menschlichem Ermessen die so gefürchteten
                              									Kriegsseuchen eine größere Bedeutung nicht erlangen dürften.