| Titel: | Das erste Linienschiff mit elektrischem Antrieb. | 
| Autor: | Kraft | 
| Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 227 | 
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                        Das erste Linienschiff mit elektrischem
                           								Antrieb.
                        Von Dipl.-Ing. Kraft in
                           									Berlin.
                        KRAFT: Das erste Linienschiff mit elektrischem Antrieb.
                        
                     
                        
                           Die Verwendung des indirekten Turbinenantriebes gewinnt im Schiffbau immer mehr
                              									Boden. Sowohl die Turbinenanlagen mit Räderübersetzung wie die
                              									Turbotransformatoranlagen breiten ihr Arbeitsgebiet mehr und mehr aus. Sie ersetzen
                              									nicht nur in stets zunehmendem Maße die direkt wirkenden Turbinenanlagen, sondern
                              									treten auch schon vielfach an die Stelle reiner Kolbenmaschinenanlagen und der
                              									sogenannten gemischten Anlagen (Kolbenmaschinen mit Abdampfturbinen), die zeitweilig
                              									für den Handelsschiffbau eine größere Bedeutung zu gewinnen versprachen.
                           Gemessen an den Erfolgen der genannten beiden Antriebssysteme hat der
                              									turbo-elektrische Antrieb bisher wenig mehr als ein akademisches Interesse gefunden.
                              									Teils schien bei Verwendung des elektrischen Antriebes der zu erwartende
                              									Gesamtwirkungsgrad von Generator und Motor im Vergleich zu den entsprechenden Werten
                              									der anderen Zwischengetriebe nicht groß genug, um einen aussichtsreichen Wettbewerb
                              									zu ermöglichen, teils möchten auch Befürchtungen wegen mangelnder Betriebssicherheit
                              									und Erfahrung mit größeren elektrischen Bordanlagen mitsprechen. Umso größeres
                              									Interesse muß die Entscheidung der amerikanischen Marine wecken, die für eins der
                              									letztvergebenen Linienschiffe der California-Klasse turbo-elektrischen Antrieb
                              									gewählt hat. Allerdings muß zur näheren Erklärung dieser bedeutungsvollen Maßnahme
                              									darauf hingewiesen werden, daß die amerikanische Marine als erste und bisher einzige
                              									schon vor Jahren Gelegenheit nahm, Erfahrungen mit dem turbo-elektrischen Antrieb zu
                              										sammeln.Vgl. D. p. J 1913 S.
                                    											346, ferner 1913 S. 810 und 1914 S. 91. Sie hatte zu diesem
                              									Zwecke drei gleiche Fahrzeuge, die Kohlendampfer Cyclops, Neptune und Jupiter, die
                              									alle mit verschiedenen Maschinenanlagen ausgerüstet wurden, in Bau gegeben. Cyclops
                              									erhielt die normale Kolbenmaschinenanlage, Neptune eine Turbinenanlage mit
                              									Rädergetriebe und Jupiter eine turbo-elektrische Anlage. Letztere besteht aus einem
                              									zweipoligen Drehstrom-Turbogenerator von 5000 KW bei 2000 Umdrehungen i. d. Min.,
                              									und aus zwei auf den beiden Propellerwellen angeordneten Induktionsmotoren mit je 36
                              									Polen, welche die Drehzahl im Verhältnis 18 : 1 herabsetzen. Die beiden
                              									Propellermotoren geben bei 110 Umdrehungen i. d. Min. eine Leistung von je 2750 PSe
                              									an die Propellerwellen ab.
                           Der Flottenkohlendampfer Jupiter ist nach längerer Bauzeit und mehrfacher Aenderung
                              									seiner Maschinenanlage vor einigen Monaten in Dienst gestellt. Trotzdemdie sehr
                              									eingehenden Erprobungen der neuartigen Anlage infolge der Kriegsereignisse nicht
                              									völlig zum Abschluß gelangt sind, soll die amerikanische Marine durch die bisherigen
                              									Betriebsergebnisse des Schiffes, das noch im Probefahrtsverhältnis stehend eine
                              									23tägige Dauerfahrt von der amerikanischen Westküste nach der Ostküste anstandslos
                              									erledigte, völlig befriedigt sein. Die günstigen Betriebserfahrungen mit Jupiter
                              									sollen in erster Linie zu dem Entschluß, eins der neuen Linienschiffe mit einer
                              									turbo-elektrischen Anlage auszurüsten, ermutigt haben.
                           Die Schiffe der California-Klasse sind durch folgende Konstruktionsdaten
                              									gekennzeichnet:
                           
                              
                                 Größte Länge
                                 190.19
                                 m
                                 
                              
                                 Länge in CWL
                                 182.88
                                 m
                                 
                              
                                 Größte Breite
                                 29.68
                                 m
                                 
                              
                                 Probefahrtstiefgang
                                 9.14
                                 m
                                 
                              
                                 Mittlere Wasserverdrängung (Probefahrt)
                                 32500
                                 t
                                 
                              
                                 Geschwindigkeit
                                 21
                                 Kn
                                 
                              
                                 Brennstoffvorrat (normal)
                                 2235
                                 t
                                 
                              
                                             do.          (maximal)
                                 3325
                                 t
                                 
                              
                           
                              
                                 Haupt-bewaffnung
                                 12 × 35.6 cm Geschütze (Drillingstürme)22 × 12.7 cm
                                    											Schnellfeuergeschütze4 Unterwasser-Torpedorohre.
                                 
                              
                           Zwei der Schiffe, Idaho und Mississippi, sind durch Ausschreibung vergeben; Idaho
                              									erhielt die New York Shipbuilding Co. Camden, Mississippi die Newport News-Werft.
                              									Das dritte, California, wurde der Staatswerft New York übertragen. Die
                              									Maschinenanlagen der Neubauten, die bei gleicher Geschwindigkeit nur etwa 600 t
                              									größer sind als die beiden vorhergehenden Schiffe vom Pennsylvania-Typ, sollen,
                              									abgesehen vom Linienschiff California, für das die turbo-elektrische Anlage
                              									vorgesehen ist, diesen im wesentlichen gleichen. Sie erhalten danach eine auf vier
                              									Wellen verteilte, aus zwei Maschinensätzen bestehende Hauptturbinenanlage, zu der
                              									noch je zwei Marschturbinensätze mit Rädergetriebe hinzutreten, die bei Marschfahrt
                              									vor die Hauptturbinen geschaltet werden. Beim Linienschiff Idaho gelangen
                              									Parsons-Turbinen zum Einbau, bei Mississippi Turbinen vom Curtis-Typ. Die
                              									Kesselanlage der Schiffe setzt sich wie bei allen in den letzten Jahren vergebenen
                              									Neubauten der amerikanischen Marine ausschließlich aus Wasserrohrkesseln mit
                              									Oelfeuerung zusammen.
                           Welche Vorteile man von der Verwendung des turboelektrischen Antriebssystems
                              									gegenüber dem direkten Turbinenantrieb erwartet, zeigt die folgende Vergleichstafel,
                              									die nach einem von der General Electric Co. gelieferten
                           
                              
                                 
                                 Propeller-drehzahlbei 21
                                    											kn
                                 Leistunga. d. Wellebei 21
                                    											knWPS
                                 Stündl. Dampfverbrauchder
                                    											Hauptmaschinen
                                 Gewicht derHauptmasch.t
                                 
                              
                                 bei 21 knt
                                 bei 15 knt
                                 
                              
                                 a) Direktwirkende Hauptturbinen, Marschturbinen mit
                                    											Rädergetriebe
                                 222
                                 32100
                                 169,5
                                 48,1
                                 ~ 760
                                 
                              
                                 b) Turbo-elektrische Anlage
                                 160
                                 29600
                                 138,5
                                 41,3
                                 ~ 610
                                 
                              
                           
                           Projekt für ein Linienschiff vom Pennsylvania-Typ aufgestellt ists. Electric Propulsion on the M. S. Jupiter by
                                    											W. L. K. Emmett. Transactions of the Society of Naval Architects and Marine
                                    											Engineers, 1913..
                           Die nach den Zahlen dieser Tabelle recht erhebliche Gewichtsersparnis, welche der
                              									turbo-elektrische Antrieb ermöglicht, wird sich mit Berücksichtigung der
                              									Dampfersparnis von nahezu 20 v. H., die eine Verringerung der Kesselzahl von zwölf
                              									auf zehn ermöglicht, noch bis auf etwa 270 t erhöhen lassen. Wieweit die neuartige
                              									Anlage,abgesehen von der erhöhten Wirtschaftlichkeit und der erreichbaren
                              									Gewichtsersparnis, gegenüber einer direkt wirkenden Turbinenanlage Vorteile bringt,
                              									wird abzuwarten sein. Vor allem wird die Frage, ob der turbo-elektrische Antrieb die
                              									nötige Betriebssicherheit gewährleistet, einer sorgfältigen Prüfung bedürfen.
                              									Jedenfalls kennzeichnet sich der Entschluß der amerikanischen Marine als ein
                              									großzügiges Experiment, dessen Wert deswegen umso höher zu veranschlagen ist, als in
                              									den beiden Schwesterschiffen von California ein vorzügliches Vergleichsmaterial zur
                              									Verfügung steht.