| Titel: | Zur Frage nach einer Vereinheitlichung der Formate. | 
| Autor: | W. Speiser | 
| Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 366 | 
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                        Zur Frage nach einer Vereinheitlichung der
                           								Formate.
                        (Erwiderung auf die vorstehende Arbeit von
                           									Porstmann.)
                        Von Dipl.-Ing. W. Speiser in
                           									Berlin.
                        SPEISER: Zur Frage nach einer Vereinheitlichung der
                           								Formate.
                        
                     
                        
                           Die Frage nach einer Vereinheitlichung der Formate ist aus rein praktischen
                              									Bedürfnissen hervorgegangen. Willkürlich, zugestandenermaßen willkürlich sind die
                              									Grundforderungen aufgestellt, nach denen sowohl die Ostwaldsche Weltformatreihe als auch Porstmanns
                              									„metrische“ Formulare entwickelt sind. Es ist lediglich Sache der Gewohnheit
                              									und Zweckmäßigkeit, daß wir gerade das Viereck aus der
                              									Vielzahl des Möglichen herausgegriffen haben. An sich wäre ja etwa ein sechseckiges
                              									Buch, das an einer Seite des Sechsecks gebunden würde, keineswegs undenkbar. Vom
                              									Standpunkt der absoluten Voraussetzungslosigkeit wäre also kein Grund, gerade das
                              									Viereck herauszugreifen, vielmehr könnte oder sollte vielmehr in diesem Sinne mit
                              									mehr Recht das Nulleck (oder, um dem Mathematiker nicht wehe zu tun, das
                              									Unendlicheck), der Kreis gewählt werden. Ist aber einmal das Viereck
                              									herausgegriffen, so ist es die zweite Willkür, das Rechteck zu wählen – ein Trapez
                              									oder Rhombus täte es auch. Allerdings spricht die Gleichberechtigung der Winkel für
                              									das Rechteck. Sofort aber melden sich jetzt die Seiten und wollen ebenfalls
                              									gleichberechtigt sein. Warum also nicht das Quadrat?
                           Hier setzen nun gleich zwei weitere, sehr erhebliche Willkürlichkeiten gleichzeitig
                              									ein, deren eine nur aus einer Art Ordnungs- und Einheitlichkeitsbedürfnis sowie aus
                              									Schönheitsrücksichten, die andere nur aus der zwingenden Forderung der Praxis
                              									begründbar ist. Es wird verlangt, daß alle Formate der aufzustellenden Serie ein
                              									gleiches Seitenverhältnis haben – mit der bereits 1796 von Lichtenberg erhobenen Nebenforderung, daß es „bequem und schön“ sei
                              									–, ferner, daß die kleineren und größeren Formate durch jeweilige Hälftung und
                              									Verdoppelung entstehen.
                           So sehr willkürlich aber auch die bisher genannten Annahmen sind, so begegnen sie
                              									doch in der Praxis um so weniger Widerspruch, als sie eben nur das Wesendes in
                              									der Praxis bereits Geübten oder doch Erstrebten zum Ausdruck bringen. Da aber die
                              									Praxis zwingende Gründe nur für die Erfüllung dieser
                              									Grundlagen hat, dagegen unmittelbar keine für die nun noch willkürlich zu
                              									bestimmende „quantitative Größe“ der Einheitsformate, zeigte sich nunmehr die
                              									Notwendigkeit, hier die Willkür auszuschalten und den
                              									Anschluß an ein allgemein anerkanntes, neutrales Maßsystem zu gewinnen, damit nicht
                              									jederzeit jemand mit subjektiven Gründen gerade seine
                              									Formatgröße durchzusetzen suchen kann. Das allgemein anerkannte metrische System ist
                              									für einen solchen Anschluß heute unzweifelhaft selbstverständlich.
                           Daß aber über die Art der Anwendung des metrischen Systems Zweifel auftreten können,
                              									zeigt der Porstmannsche Einwand gegen die von Ostwald angenommene Grundlage. Eine Klärung, – und zu dem
                              									Ende eine eingehende Erörterung der Frage – erscheint um so wichtiger, als es
                              									natürlich unbedingt vermieden werden muß, daß eine mit Mühe gegen den passiven
                              									Widerstand der großen Menge durchgeführte Formatreform in absehbarer Zeit umgestoßen
                              									werden kann, weil in ihrer Begründung ein Denkfehler liegt.
                           Porstmann fordert den Aufbau der Flächenformate auf dem
                              									Quadratzentimeter als der Flächeneinheit, weil es sich um Flächengebilde handle. Ich
                              									habe bereits in meiner Besprechung seines Systems in Heft 14 d. J. auf das
                              									Verführerische dieses Gedankens hingewiesen, glaube aber trotzdem, daß er nicht
                              									berechtigt ist. Die Porstmannschen Flachformate würden
                              										Einheitsflächen darstellen. An deren Schaffung liegt
                              									uns jedoch garnichts. Dafür haben wir ja die Flächenmaße,
                              									Quadratzentimeter, Quadratmeter usw. Wenn die Einheitlichkeit in der Flächengröße
                              									liegen soll, wäre ja das Quadrat, der Kreis, das Dreieck, der Rhombus, jedes
                              									beliebige Vieleck mit dem gleichen, normierten Flächeninhalt wesensgleich normal.
                              									Man halte doch vielmehr den Begriff „Format“ im Auge. Nicht Form, die ist für
                              									unsere Zwecke das Rechteck, auch nicht Flächengröße, von der
                                 										ist garnicht die Rede, sondern Format, nämlich ein bestimmtes Verhältnis
                              									von Rechteckseiten bestimmter Größe, und zwar bestimmter
                              									Länge! Immer wieder sind, entgegen der Porstmannschen
                              									Auffassung, die Seitenlängen hier das Primäre, erst aus
                              									ihrem Produkt bilden wir uns ein Urteil über das Sekundäre, die Flächengröße (sofern
                              									uns diese überhaupt interessiert, und das tut sie in den meisten Fällen der Praxis
                              									nicht). Wer das Format eines Stückes Papier wissen will, fragt sicher nicht nach dem
                              									Flächeninhalt, sondern wie lang und wie breit. Durch Angabe der Seitenlängen ist ein
                              									Format unmittelbar eindeutig bestimmt, durch Angabe des Flächeninhalts erst
                              									mittelbar mit der weiteren Bedingung des Seitenverhältnisses. Wir können nicht ohne
                              									Messung von Längen die Größe einer Fläche bestimmen, dagegen die Größe eines Formats
                              									durchMessung der Seitenlängen angeben: welchen Grund haben wir, das Format auf
                              									die Flächeneinheit zu beziehen, da wir doch von der Fläche garnichts wissen
                              									wollen?
                           Einheitsformate sind eben nicht Maßeinheiten, es wird nichts danach gemessen.
                              									Insofern ist der Porstmannsche Hinweis auf Maßeinheiten
                              									wie Gramm, Erg usw. ebenso verfehlt wie die Einordnung der Einheitsformate in eine
                              									Gruppe von Normen zur Flächenmessung.
                           Ein ähnlicher, grundsätzlicher Irrtum scheint mir in der Porstmannschen Zurückführung der „Raumformatnorm“ auf die
                              										„Raumnorm“ zu liegen.
                           Zusammenfassend darf also festgestellt werden, daß durchaus kein Grund vorliegt, von
                              									der durch Ostwald eingeführten und bereits weit
                              									verbreiteten Begründung der Weltformate abzugehen, die den Anschluß an das metrische
                              									System auf der Grundlage der wissenschaftlichen Längeneinheit herstellt.