| Titel: | Die Verkehrsindustrie und der Wirtschaftsmarkt nach dem Kriege. | 
| Autor: | Paul Béjeuhr | 
| Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 465 | 
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                        Die Verkehrsindustrie und der Wirtschaftsmarkt
                           								nach dem Kriege.
                        Von Dipl.-lng. Paul Béjeuhr in
                           									Charlottenburg.
                        BÉJEUHR: Die Verkehrsindustrie und der Wirtschaftsmarkt nach dem
                           								Kriege.
                        
                     
                        
                           Es ist bereits verschiedentlich in der Fachpresse auf die kommende Gefahr
                              									hingewiesen worden, daß die amerikanische Automobil-Industrie alles daran setzen
                              									wird, den europäischen Markt sofort nach Friedensschluß mit billigen und
                              									minderwertigen Autos zu überschwemmen. Diese Gefahr darf keineswegs verkannt werden,
                              									ich fürchte im Gegenteil, sie läßt sich keineswegs so eng umgrenzen, sondern
                              									erstreckt sich für die Kraftwagen- und Flugzeug-Industrie noch auf weitere
                              									Gebiete.
                           Was zunächst die Flugzeug-Industrie anbelangt, so hat diese während des Krieges in
                              									Amerika einen ganz außergewöhnlichen Aufschwung angenommen. Wenn auch die englische
                              									Bestellung auf die transatlantischenDoppel- und Dreidecker wenigstens
                              									hinsichtlich des Abnahmefluges über den Atlantischen Ozean hinweg nicht ganz
                              									ernsthaft zu nehmen sein dürfte, so verdient die Tatsache doch Beachtung, daß
                              									Amerikas Flugzeugfabriken etwa 100 Flugzeuge (d.h. vollständige Zellen mit
                              									Maschinenanlage und Ausrüstung) wöchentlich herzustellen vermögen, die fast sämtlich
                              									an den Vierverband abgegeben werden.
                           Die größte Fabrik besitzt Glenn H. Curtiss, der noch zu Beginn des Krieges in seiner kleinen Fabrik in
                              									Hammondsport (New York) wöchentlich nur eine Maschine herstellte. Infolge der vielen
                              									Aufträge wandelte er diese Fabrik nach umfangreichen Vergrößerungen in ein Flugmotorenwerk um und
                              									baute die Flugzeuge in neu errichteten Fabriken in Buffalo, Toronto, Tonawanda,
                              									während er bei Buffalo zwei weitere Fabriken für Flugzeug-Einzelteile einrichtete.
                              									Welchen Umfang dieses Unternehmen hat. geht daraus hervor, daß das Hauptwerk in
                              									Buffalo acht zweistöckige große Bauten umfaßt. In Toronto ist der Fabrik eine
                              									Fliegerschule angegliedert, die monatlich zehn Flieger für Englands Kriegsmacht
                              									ausbildet. Toronto ist gleichzeitig die Versuchswerft, auf der zurzeit große
                              									Kampfflugzeuge für Rußland und England erprobt werden. Da diese nach dem Engineer
                              									nur 320 PS-Motorenkräfte besitzen, so werden wir sie nicht sehr zu fürchten
                              									haben.
                           In Ithaca im Staate New York befinden sich die nächstgrößten Werke von Gebrüder Thomas; sie haben sich einen Miterbauer des
                              									schnellen englischen Sopwith-Doppeldeckers (Douglas
                                 										Thomas) als Chefkonstrukteur gesichert und erzeugen hauptsächlich
                              									Großflugzeuge, die mit drei Mann Besatzung, zwei Maschinengewehren und vier Stunden
                              									Betriebsstoffen 1200 m Höhe in zehn Minuten erreichen, also nicht schlecht sind.
                              									Ihre Erzeugungsfähigkeit ist etwa vier Maschinen die Woche.
                           Als nächste Firmen sind noch die Werke zu Marblehead (Leiter W. Starling Burgess) und Los Angeles (Leiter Glenn
                              									H. Martin) zu nennen, die sämtlich Doppeldecker nach dem
                              									verbesserten Wright-Typ bauen.
                           Weiter handelt es sich um etwa 22 Flugmotorenfabriken, von denen allein Sturtevant und Curtiss je zehn
                              									Stück Motoren am Tage fertigschaffen, so daß die amerikanische Lieferungsfähigkeit
                              									keineswegs unbeachtet bleiben darf.
                           Ist nun von dieser Industrie für den deutschen und den Exportmarkt eine ernste Gefahr
                              									zu erwarten, der schon heute begegnet werden muß? Nein, denn die deutsche
                              									Luftfahrzeug-Industrie ist durch die Zwangslage des Krieges derart gekräftigt, daß
                              									sie nicht nur den Friedensbedarf im eigenen Lande voll zu decken vermag, sondern
                              									auch sofort das Exportgeschäft wieder aufnehmen kann, so daß sogar eine heute von
                              									amerikanischer Seite schon einsetzende Bearbeitung des Marktes durch die Güte
                              									deutscher Erzeugnisse, die sich ja aus den Kriegsberichten ergibt, wieder
                              									wettgemacht wird. Außerdem verschachert jetzt Amerika alles, was es erzeugt, an den
                              									Vierverband; es besitzt also überhaupt keine Luftmacht. Sowie aber bei
                              									Friedensschluß verschiedene Kräfte freiwerden, muß Amerika sich namentlich mit
                              									Rücksicht auf Mexiko auf dem Luftgebiet ebenfalls sichern und hierzu die eigene
                              									Industrie heranziehen.
                           Sehr viel ernster ist das Bild in der Kraftwagen-Industrie. Auch hier zunächst der
                              									übermächtige Einfluß Amerikas auf die Kriegslieferungen an den Vierverband. Nach
                              									einem plötzlichen Rückgange des amerikanischen Exports sofort nach Kriegsausbruch
                              									von monatlich 11,5 Mill. M auf 3,5 Mill., der schon zu großen Arbeiterentlassungen
                              									usw. führte, setzten mit einem Schlage die großen Kriegsbestellungen ein. Von 1404
                              									Kraftwagen im Werte von 13,4 Mill. M im Oktober 1914 stieg der Export im Juni 1915
                              									auf 7408 Wagen mit 56 Mill. M, wie Tab. 1 zeigt.
                           Tabelle 1.
                           Amerikas Automobil-Ausfuhr.
                           
                              
                                 1914
                                 Anzahl
                                 Wert in M
                                 
                              
                                 Oktober
                                 1404
                                 13400000
                                 
                              
                                 Dezember
                                 2576
                                 18400000
                                 
                              
                                 1915
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Februar
                                 3232
                                 20200000
                                 
                              
                                 April
                                 5345
                                 33600000
                                 
                              
                                 Juni
                                 7408
                                 56000000
                                 
                              
                           Noch deutlicher zeigt das Anwachsen die Tab. 2.
                           Zwei Tatsachen fallen auf Grund der Zusammenstellungen besonders ins Auge: Erstlich
                              									das übermäßige Anschwellen der Lastwagenlieferung um das 33-fache gegen den
                              									Juni-Export des Vorjahres im Vergleich zum Anwachsen der Personenwagenlieferung nur
                              									um etwa das Doppelte; weiter die Verteuerung des einzelnen gelieferten Wagens von
                              									5600 M auf 12000 M im gleichen Junimonat der beiden Jahre 1914 und 1915. Die
                              									Erklärung für beide Tatsachen dürfte darin liegen, daß vor dem Kriege nur kleine und
                              									billige Nutzwagen exportiert wurden, während es sich jetzt um die besten Modelle
                              									handelt. Daß aber hauptsächlich so viel mehr Lastwagen zur Lieferung kommen
                              									gegenüber den Personenwagen, beweist, daß die Heimindustrie des Vierverbandes dem
                              									Bedarfe an diesen selbst zu genügen vermag.
                           Die Tab. 3 möge noch die Verteilung des amerikanischen Exportes in Europa kurz
                              									darstellen.
                           Tabelle 2.
                           
                              
                                 
                                 
                                    Personenwagen
                                    
                                 
                                    Lastwagen
                                    
                                 
                              
                                 Ausfuhrziffern
                                 Ausfuhrziffern
                                 
                              
                                 vom 1. 7. 13 bis 30. 6. 14
                                 vom 1. 7. 14 bis 30. 6. 15
                                 vom 1. 7. 13 bis 30. 6. 14
                                 vom 1. 7. 14 bis 30. 6. 15
                                 
                              
                                 Anzahl
                                 Wert
                                 Anzahl
                                 Wert
                                 Anzahl
                                 Wert
                                 Anzahl
                                 Wert
                                 
                              
                                 Juli
                                 1720
                                 6820000
                                 1265
                                 4795000
                                 44
                                 432000
                                 50
                                 445000
                                 
                              
                                 September
                                 1711
                                 6150000
                                 646
                                 2510000
                                 48
                                 381500
                                 128
                                 1236000
                                 
                              
                                 Oktober
                                 1697
                                 7000000
                                 732
                                 2840000
                                 79
                                 541000
                                 672
                                 10560000
                                 
                              
                                 Dezember
                                 2301
                                 8600000
                                 1297
                                 4180000
                                 88
                                 420000
                                 1279
                                 14220000
                                 
                              
                                 Februar
                                 2837
                                 9960000
                                 2230
                                 7490000
                                 57
                                 350000
                                 1002
                                 12710000
                                 
                              
                                 April
                                 3239
                                 11580000
                                 3078
                                 11796000
                                 52
                                 304000
                                 2267
                                 21804000
                                 
                              
                                 Juni
                                 1982
                                 7840000
                                 4418
                                 20000000
                                 90
                                 502000
                                 2990
                                 36000000
                                 
                              
                           Ferner möge erwähnt werden, daß der Bedarf an Ersatzteilen mit 7 Mill. gegen 1,7
                              									Mill. im Julimonat 1914 auf 1915 gewachsen ist. Bei alledem ist zu beachten, daß die großen
                              									Firmen durch diese Riesenlieferungen derart die Herstellungskosten heruntersetzen
                              									konnten, daß sicher nach dem Kriege mit Preisermäßigungen von 20 bis 30 v. H.
                              									gerechnet werden muß. Natürlich kommen diese Ermäßigungen jetzt nicht zum Ausdruck,
                              									denn die amerikanische Industrie versteht sich auf Ausnutzung der Konjunktur. Gilt
                              									es aber nach dem Kriege mit einem Schlage die Kundschaft dem Deutschen zu entreißen,
                              									dann wird der Amerikaner sofort bereit sein, einen Teil seiner enormen Kriegsgewinne
                              									zur Eroberung des Marktes zu opfern, wenn dies überhaupt ein Opfer genannt werden
                              									kann.
                           Tabelle 3.
                           Ausfuhr amerikanischer Motorfahrzeuge nach
                           
                              
                                 Staat
                                 Vom 1. 7. 13 bis 30. 6. 14
                                 Vom 1. 7. 14 bis 30. 6. 15
                                 
                              
                                 Anzahl
                                 Wert
                                 Anzahl
                                 Wert
                                 
                              
                                 Frankreich
                                 1286
                                   3500000
                                   4472
                                 46500000
                                 
                              
                                 England
                                 6982
                                 23600000
                                 11688
                                 70000000
                                 
                              
                                 Italien
                                   326
                                     958000
                                     111
                                     316000
                                 
                              
                                 Deutschland
                                 1391
                                   4200000
                                       20
                                       84400
                                 
                              
                                 Uebrig. Europa
                                 2686
                                   8950000
                                   2817
                                 32500000
                                 
                              
                           So sollen schon jetzt Handelsdampfer gechartert sein, die bei den ersten Anzeichen zu
                              									Friedensverhandlungen sofort bis oben hin mit Kraftwagen beladen werden, um hierauf
                              									bei Friedensschluß eiligst nach Europa zu steuern, das also wenige Tage später den
                              									Segen spottbilliger Wagen über sich ergehen lassen muß.
                           Kann unsere einheimische Industrie sich gegen diese Gefahr erfolgreich wehren? Diese
                              									Frage kann – wenigstens bedingungsweise – bejaht werden, wenngleich die Aussichten
                              									nicht rosig sind. Eine der wichtigsten Stützen hierbei ist für die deutsche
                              									Industrie die alte Stammkundschaft, die den richtig abschätzenden Blick für
                              									Qualitätsware erworben hat. Sie wird auch durch die billigsten Angebote nicht
                              									abspenstig; wenn – sie nur überhaupt in absehbarer Zeit ihren deutschen Wagen
                              									erhält. Sache der deutschen Industrie wäre es daher, schon jetzt vorsorglich auf
                              									Vorrat zu arbeiten, wenn dies nur nicht auf fast unüberwindliche Schwierigkeiten
                              									stoßen würde. Erstlich sind fast sämtliche Fabriken mit Heereslieferungen voll
                              									beschäftigt, zumal sie mit sehr verringertem Arbeiterbestand rechnen müssen, dann
                              									aber ist auch die Materialbeschaffung zurzeit gewaltig erschwert. Aber es erwächst
                              									der Industrie noch eine weitere Hilfe durch die Tätigkeit der „Feldkraftwagen-Aktiengesellschaft“, der Feldag. Sie
                              									ist durch die weitblickende Heeresverwaltung dazu ausersehen, gewissermaßen als
                              									ausgleichender Buffer zwischen Erzeuger und Abnehmer zu stehen. Einmal wird sie
                              									verhindern, daß die Riesenmengen der jetzt im Kriege verwendeten Kraftwagen
                              									plötzlich den Markt überschwemmen, hier natürlich hauptsächlich von Zwischenhändlern
                              									aufgekauft werden, um nach oberflächlicher Reparatur und Farbauffrischung mit großem
                              									Aufgeld an den Verbraucher weiter zu gehen. Die Feldag übernimmt sämtliche
                              									Heereskraftwagen, läßt sie in eigenen Werkstätten oder unter Aufsicht
                              									ausbessernund gibt sie nur unmittelbar an den Verbraucher weiter, soweit
                              									Nachfrage vorherrscht. Dadurch gewinnt unsere Industrie Zeit, sich auf den
                              									inländischen Markt und für den Export einzurichten, zumal, wenn durch geeignete
                              									Handelsverträge, die beim Friedensschluß wohl zu erhoffen sind, und Schutzzölle eine
                              									Unterstützung von Reichswegen erfolgt. Es darf hier vielleicht angefügt werden, daß
                              									England einen Einfuhrzoll für Kraftwagen von 33,3 v. H. des Wertes erhebt,
                              									Frankreich und Amerika sogar einen von 45 v. H. des Wertes, der sich nur auf
                              									Kriegslieferungen zurzeit nicht erstreckt.
                           Es kann schon heute geschätzt werden, daß die offenen Personenwagen der Feldag am
                              									schnellsten Abnehmer finden werden, und zwar sowohl für Privatleute als auch für
                              									Droschkenunternehmungen; den Bedarf an Lastkraftwagen wird die Feldag sogar auf
                              									lange Zeit hinaus fast allein decken können, da für Kriegszwecke unverhältnismäßig
                              									viele dieser Nutzautos angefertigt sind. Allerdings muß beachtet werden, daß viele
                              									Gewerbetreibende, besonders aber die Kreise der Landwirtschaft und der
                              									landwirtschaftlichen Industrie während des Krieges mit dem Kraftwagen in Berührung
                              									gekommen sind und seine Vorzüge schätzen gelernt haben. So wird mancher, sanft
                              									gedrängt durch die geringe Zahl verfügbarer Zugtiere, zum Kraftwagenbetrieb,
                              									eventuell zum Motorenbetrieb überhaupt, übergehen.
                           Als nächster sehr wichtiger Punkt muß der „Rohgummimarkt“ betrachtet werden.
                              									Augenblicklich kontrolliert England die Rohgummieinfuhr eines jeden Landes und
                              									achtet genau darauf, daß jedes Land nur gerade so viel Rohgummi erhält, als es für
                              									den eigenen Verbrauch unbedingt bedarf. Alles natürlich zu dem Zweck, den
                              									Zentralmächten jede Möglichkeit zu nehmen, etwa auf Umwegen die dringend benötigten
                              									Rohgummimengen zu erhalten. Eine Aushungerung der Zentralmächte mit Rohgummi und
                              									Pneumatiks sowie ein Lahmlegen der Kriegsverwendung von Kraftwagen dürfte England
                              									zwar schwerlich gelingen, da durch die Beschlagnahme der Bestände und durch weise
                              									Streckung der Vorräte dieser Gefahr hinreichend vorgebeugt sein wird. Aber sicher
                              									ist, daß bei Friedensschluß ein außerordentlich hoher Bedarf an Pneumatiks für
                              									Privatautomobile vorliegen wird, wenn nur einigermaßen der allgemeine
                              									Friedensverkehr wieder einsetzt. Auch in diesem Falle wird Amerika als der
                              									hilfsbereite Lieferant in die Bresche springen. Und diese Gefahr ist weitaus die
                              									größte. Die kriegführenden Staaten des Vierverbandes haben zwar augenblicklich keine
                              									Zufuhrbeschneidung an Rohgummi, ihre Fabriken werden aber neben der Bedarfsdeckung
                              									für den Kriegsdienst nicht auf Vorrat arbeiten. Anders dagegen das „neutrale“
                              									Amerika; es wird sicher seine Leistungsfähigkeit weit über den Augenblicksbedarf
                              									gesteigert habenDie amerikanische
                                    											Jahresherstellung an Reifen betrug im Kriegsjahr für 1 Milliarde
                                    										Mark! (denn ganz so schroff wie gegen neutrale Kleinstaaten darf
                              									England hinsichtlich der Rohgummizufuhr gegen Amerika aus leicht verständlichen
                              									Gründen nicht auftreten!), es wird für diesen Pneumatikversand ebenfalls viele Handelsdampfer
                              									chartern und es wird unmittelbar nach Kriegsende diese Pneumatiks zu märchenhaften
                              									Preisen auf unserem Markt absetzen. Ist die Ware gut und geht der amerikanische
                              									Lieferant nach Befriedigung des ersten Bedarfs auf konkurrenzfähige Preise zurück,
                              									so wird er eine recht erhebliche Kundschaft für immer an sich reißen, wogegen unsere
                              									Industrie möglichst frühzeitig Abwehrmaßregeln ergreifen müßte. Es ist vorgeschlagen
                              									worden – und vielleicht ist dieser Weg gangbar – daß möglichst früh schon die
                              									benötigten Rohgummimengen für unsere Industrie in Marsch gesetzt werden, so daß sie
                              									in den nächstliegendsten neutralen Häfen den Abschluß der Friedensverhandlungen
                              									abwarten können und unmittelbar nach Friedensschluß bei uns eintreffen. Werden sie
                              									dann mit tunlichster Beschleunigung verarbeitet, so wird man zwar dem ersten
                              									amerikanischen Ansturm nicht zuvorkommen, aber doch sofort in zweiter Linie stehen.
                              									Händler und Verbraucher müssen aber weiter Hand in Hand dafür sorgen, daß der
                              									amerikanische Pneumatik nur als Lückenbüßer verwendet wird, so lange tatsächlich
                              									nichts anderes da ist, daß aber der heimischen Industrie ihr altes Absatzgebiet
                              									wieder offen steht, sobald sie wieder lieferungsfähig ist. Nur auf diese Weise wird
                              									es möglich sein, der amerikanischen Gefahr erfolgreich zu begegnen. Daß Amerikas
                              									Absichten übrigens schon von anderer Seite erkannt sind, beweist die gesteigerte
                              									Tätigkeit von Japans Reifenindustrie. Japan wendet sich naturgemäß an die Märkte des
                              									Ostens, auf denen es, wenn irgend möglich, Amerika zuvorkommen will. Es benutzt
                              									seine guten Beziehungen zu England, um seine Rohgummieinfuhr, die vor dem Kriege nur
                              									rund 900000 kg im Jahre betrug, jetzt auf etwa 1500000 kg jährlich zu steigern, die
                              									zum größten Teil für den Versand verarbeitet wird.
                           Zum Schluß muß noch auf die Motorenbetriebsstoffe
                              									hingewiesen werden, bei denen wir uns gegen eine eventuell gegen uns zu richtende
                              									Monopolisierung schützen müssen und zum Glück auch völlig hinreichend schützen
                              									können. Schon vor dem Kriege sind die Benzinpreise trotz der Erschließung weiterer
                              									Naphthaquellen und trotz aller technischen Fortschritte bei der Gewinnung ständig
                              									gestiegen. Da nun einerseits durch das barbarische Vorgehen der Russen in Galizien
                              									und Südrußland viele ergibige Quellen einfach vernichtet sind, während andererseits
                              									der Wirtschaftskampf jenseits der Grenzen ein hartnäckiger und erbitterter sein
                              									wird, so müssen wir auch nach Friedensschluß mit erheblicher Preiserhöhung für
                              									Benzin rechnen, zumal sein Bezug außerordentlich erschwert sein dürfte. Nun haben
                              									wir aber in der Not des Krieges infolge allseitiger Einkreisung zwei ausgezeichnete
                              									Ersatzmittel der heimischen Erzeugung kennen gelernt und, was das Wichtigste ist,
                              									Tausende und Abertausende unserer Motorenfachleute haben mit ihnen arbeiten müssen
                              									und haben sie – wenn auch nicht lieben – so doch achten gelernt. Das ist ein
                              									ungeheurerFortschritt, den man mit allen Belehrungen, Anpreisungen, Vorträgen
                              									und Kursen sonst in etlichen Jahren nicht erreicht hätte. Es ist hierdurch einmal
                              									erfolgreich gegen die liebe Gewohnheit und die Bequemlichkeit angekämpft worden –
                              									denn Benzin ist natürlich immer der bequemste Motorenbetriebsstoff. Jetzt handelt es
                              									sich lediglich darum, die dank der tief einschneidenden Kriegsverhältnisse gemachten
                              									guten Erfahrungen zu verbreiten und den Betriebsstoffen Benzol und Spiritus einen
                              									ständigen Abnehmerkreis zu schaffen, so daß das Leichtbenzin tatsächlich nur für
                              									Luxusautomobile und Luftfahrzeuge Verwendung findet. Da Spiritus mit nur 5500 WE
                              									sehr gegen Benzol und Benzin (10000 und 11000 WE) zurückbleibt, so ist sowohl eine
                              									höhere Anwärmung der Zusatzluft, ein feineres Zerstäuben des Brennstoffes und eine
                              									größere Betriebsstoffmenge für die Einheitsleistung nötig, das sind aber
                              									Bedingungen, welche die heutige Technik anstandslos beherrscht, so daß schon heute
                              									die Wärmeausnutzung des Spiritus 33 v. H. gegen 25 v. H. beim Benzinmotor beträgt.
                              									Auch das schlechte Anspringen der Spiritusmotoren beim kalten Wetter ist durch
                              									geeignete Vergaserkonstruktionen völlig behoben, so daß der Spiritusbetrieb sich
                              									auch nach Kriegsende erfolgreich behaupten wird. Seine Haupt Vorzüge entfaltet
                              									Spiritus aber eigentlich erst als Zusatz für Betriebsstoffe. Sehr günstig ist z.B.
                              									eine Mischung von Benzol und Spiritus, die einerseits keine Aenderung des Vergasers
                              									verlangt, andererseits den Gefrierpunkt des Gemisches erheblich erhöht. Natürlich
                              									sind weiterhin auch Mischungen von Benzin, Benzol und Spiritus möglich.
                           Was nun die Erzeugungsfähigkeit Deutschlands für diese beiden Betriebsstoffe
                              									anbelangt, so ist sie erfreulich hoch. Vor dem Kriege erzeugte die Industrie
                              									jährlich 150 bis 160000 t Benzol, welche Zahl während des Krieges trotz Beschränkung
                              									des Hüttenbetriebes infolge Arbeitermangels ganz einfach durch Erhöhung der
                              									Prozentziffer der zu verkokenden Kohlen gewaltig angewachsen ist. Noch günstiger
                              									liegen die Verhältnisse bei der Spiritusindustrie, die selbst bei völliger
                              									Unterbindung der Kohlenwasserstoffzufuhr allen Anforderungen gewachsen ist. Selbst,
                              									wenn die Kartoffelbestände zum weitaus größten Teil rein wirtschaftlich verwendet
                              									werden, ist genügende Spiritusherstellung aus den Stärkevorräten (Zucker usw.)
                              									gesichert. Das sind sehr beachtenswerte Tatsachen, zumal, wenn man bedenkt, daß der
                              									Motorenbetrieb durch die Möglichkeit, drei verschiedene Betriebsstoffe verarbeiten
                              									zu können, erheblich an Sicherheit gewinnt; während weiter die Konkurrenz der drei
                              									Brennstoffe für gerechte Preise auf dem Wirtschaftsmarkt sorgen wird.
                           Die Betrachtung hat uns einige tatsächlich drohenden Gefahren vor Augen geführt; wir
                              									haben aber gleichzeitig gesehen, daß wir uns ihrer erwehren können – wenn ein jeder
                              									an seinem Platz getreulich mithilft.