| Titel: | Das Röntgenhaus des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg in Hamburg. | 
| Autor: | Otto Friedrich | 
| Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 484 | 
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                        Das Röntgenhaus des Allgemeinen Krankenhauses St.
                           								Georg in Hamburg.
                        Von Ing. Otto Friedrich in
                           									Berlin-Siemensstadt.
                        FRIEDRICH: Das Röntgenhaus des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg
                           								in Hamburg.
                        
                     
                        
                           Es ist leider die Regel, daß ein Gebäude – und sollte es selbst für einen
                              									Spezialzweck bestimmt sein und ausgedehnter elektrischer Einrichtungen bedürfen –
                              									zuerst ohne Hinzuziehung des Elektrotechnikers vollkommen fertiggestellt wird.
                              									Diesem bleibt es dann überlassen, sich mit den gegebenen Räumen abzufinden, so gut
                              									es eben geht. Stört aber dann seine Leitungsführung den architektonischen Eindruck,
                              									wird die Einrichtung umständlich und erreicht sie ihren Zweck nur mit kostspieligen
                              									Hilfseinrichtungen, nun, dann hat der Elektrotechniker die Schuld, und beileibe
                              									nicht der Architekt oder Bauherr, die ihn nicht zu Rate gezogen haben.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 484
                              Abb. 1. Grundriß des 1. Erdgeschosses.
                              
                           Was sich jedoch durch rechtzeitiges Zusammenarbeiten der beteiligten Fachleute
                              									erreichen läßt, ist an dem Neubau des Röntgenhauses im Allgemeinen Krankenhause St.
                              									Georg in Hamburg zu erkennen. Es war hier der bekannten Autorität auf dem Gebiete
                              									des Röntgenwesens, Prof. Albers-Schönberg, Gelegenheit
                              									gegeben, die Erfahrungen in langjähriger, röntgenologischer Tätigkeit an einem
                              									großen Krankenhause in der Einrichtung und Benutzung von Röntgenanlagen zu
                              									verwerten. Er arbeitete aber dabei von Anfang mit dem Architekten und dem
                              									Röntgeningenieur zusammen. Das Ergebnis ausdiesem Zusammenarbeiten – es ist in
                              									einer kürzlich erschienenen SchriftDas
                                    											Röntgenhaus des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg in Hamburg, errichtet
                                    											1914/1915, von Prof. Albers-Schönberg,
                                    											Regierungsbaumeister a. D. Seeger, Ingenieur Lasser. Verlag von F. Leineweber in
                                    										Leipzig. zusammengefaßt – ist einer allgemeinen Beachtung wert.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 484
                              Abb. 2. Grundriß des 1. Obergeschosses.
                              
                           Das Röntgenhaus stellt gewissermaßen den Gipfel einer Entwicklung vor, die vom
                              									kleinen Röntgenlaboratorium zum Röntgeninstitut und schließlich zum eigenen Gebäude
                              									führte. Das Röntgenhaus des Hamburger Krankenhauses ist nicht das erste, aber wohl
                              									das vollkommenste und größte Gebäude dieser Art. Neu in ihm ist in erster Linie die
                              									Art der Kraftversorgung. In den Mittelpunkt des Hauses, das ist die Mitte des ersten
                              									Stockes, ist die Kraftzentrale (s. Abb. 2) gelegt, ein Raum mit zwei
                              									Hochspannungs-Gleichrichtern und zwei Induktoren, die die erforderliche Hochspannung
                              									erzeugen. Von hier aus wird der Strom den einzelnen Arbeitsplätzen zugeführt.
                              									Während in den Röntgeninstituten sonst meist lose hängende Zuleitungen benutzt
                              									werden, sind hier die Hochspannungsleitungen fest verlegt. Es werden hier nicht nur
                              									die Energieverluste auf das äußerste beschränkt, sondern es wird auch eine
                              									erhöhte Sicherheit gewonnen, zumal da die ganze Anlage – Zuleitungen, Decken- und
                              									Wanddurchbrüche – nach den Sicherheitsvorschriften des Verbandes deutscher
                              									Elektrotechniker ausgeführt ist. Die Hochspannungsleitungen müssen in ungefährlichem
                              									Abstande von den in den Räumen befindlichen Personen bleiben: es wurde deshalb aus
                              									der Leitungsführung die Geschoßhöhe bestimmt. Um lange Zuleitungen zu vermeiden,
                              									sind die Arbeitsplätze rings um die Kraftzentrale angeordnet. Diese Art der
                              									Grundrißeinteilung hat vor dem Flursystem nicht nur den Vorzug kurzer Leitungen,
                              									sodern auch den der bequemen Zugänglichkeit der einzelnen Räume.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 485
                              Abb. 3. Raum für Diagnostik.
                              
                           Da der Plan der elektrischen Einrichtung frühzeitig entworfen war, konnte der
                              									Architekt rechtzeitig die Aussparungen, Kanäle, Wand- und Deckendurchbrüche
                              									vorsehen. Auch konnte er die Lichtdichtheit der einzelnen Räume gebührend
                              									berücksichtigen. Es wurden hierbei die verschiedensten Mittel angewandt. An den
                              									Fenstern sind Verdunkelungsvorrichtungen angebracht; die Fugen der Türen sind gegen
                              									durchfallendes Licht gesichert; Lichtschleusen verschiedener Art ermöglichen ein
                              									Betreten des verdunkelten Arbeitsraumes ohne Störung der Arbeiten. Auch die
                              									Schutzvorrichtungen gegen die schädlichen Wirkungen der Röntgenstrahlen wurden schon
                              									beim inneren Ausbau angebracht. Die Wände und Decken sind mit Walzblei
                              									strahlenundurchlässig gemacht, wo es wegen zu geringer Wandstärke nötig wurde. Die
                              									Aerzte und das Personal finden Schutz in den großen Schutzhäusern, von wo aus die
                              									Apparate bedient werden; nur bei Durchleuchtungen wird die Röhre durch eine
                              									Bleikistenblende verdeckt, während sich der Arzt durch Bleigummischürze und
                              									Handschuhe schützt. Längere Bestrahlungen zu therapeutischen Zwecken können auch in
                              									strahlensicheren Boxen vorgenommen werden, die der Arzt während der Bestrahlung
                              									nicht betritt.
                           Ein Schutzhaus befindet sich z.B. im Erdgeschoß (Abb.
                                 										1) in dem großen Raume für Diagnostik, der vier Arbeitsplätze besitzt
                              										(Abb. 3). Außerdem enthält das Erdgeschoß noch
                              									den Warteraum und das Museum, einen größeren Raum, der gleichzeitig zu
                              									Besprechungen, Vorträgenund repräsentativen Zwecken dient. Im ersten
                              									Obergeschoß liegen rings um die Kraftzentrale zwei Therapieräume und eine
                              									Dunkelkammer; hier ist auch das Zimmer des Oberarztes sowie das Archiv, das die
                              									große, ständig wachsende Plattensammlung beherbergt. Im zweiten Stockwerk befindet
                              									sich das große photographische Atelier und die Wohnung des ständig anwesenden
                              									Photographen; ferner sind hier für Assistenzärzte zwei Wohnungen, die jedoch gleich
                              									auf eine spätere Benutzung als weitere Arbeitsräume zugeschnitten sind. Im
                              									Dachgeschoß endlich findet sich ein besonderer ventilierter Raum für die
                              									Wehneltunterbrecher, so daß ihre Säuredämpfe unschädlich werden und ihr Geräusch
                              									nicht störend wirkt. Die Haupttreppe umschließt einen Aufzug für die Betten.
                              									Sämtliche Räume, die nicht unmittelbar zu Röntgenzwecken dienen, können bei einer
                              									Erweiterung dazu eingerichtet werden; sowohl in baulicher Hinsicht, wie auch mit
                              									Rücksicht auf die spätere Leitungsführung, sind sie dazu geeignet.
                           Wenn die gewöhnlich im Dunkel liegenden Arbeitsplätze beleuchtet werden sollen, so
                              									muß diese Beleuchtung ganz allmählich anwachsen. Schroffe Uebergänge vom Dunkeln ins
                              									Helle sind zu vermeiden. Ebenso ist blendendes Licht überhaupt unzulässig, die
                              									Beleuchtung soll möglichst schattenfrei und dem Tageslicht ähnlich sein. Es wurden
                              									daher schwachkerzige, versteckt angeordnete Lampen für das Licht bei den
                              									Vorbereitungen benutzt. Die hellere Beleuchtung erfolgt indirekt durch Leuchtkörper
                              									aus durchscheinenden Marmortafeln, dem sogenannten Marmorlicht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 485
                              Abb. 4. Raum für Tiefentherapie.
                              
                           Die einzelnen Arbeitsplätze können mit einem Handgriff von einem der
                              									stromversorgenden Apparate in der Zentrale auf den anderen geschaltet werden.
                              									Dadurch ist selbst bei einer Störung in einem dieser Apparate vollkommene
                              									Betriebssicherheit erreicht. Außer den schon erwähnten Apparaten in der
                              									Kraftzentrale befindet sich ein weiterer großer Röntgenapparat im Therapiezimmer
                              										(Abb. 4), ein Triplexapparat von Siemens & Halske
                              									für Tiefentherapie.
                              									Mit diesem können drei Röntgenröhren gleichzeitig betrieben werden, also drei
                              									Patienten zugleich oder einer von mehreren Seiten (Kreuzfeuerbestrahlung) bestrahlt
                              									werden. Das Therapiezimmer II ist nicht an die Kraftzentrale angeschlossen, sondern
                              									es enthält zur Erzeugung der Hochspannung zwei eigene Induktoren.
                           Das Röntgenhaus des Hamburger Krankenhauses ist für einen dreifachen Zweck bestimmt.
                              									Einmal soll es den Ansprüchen eines großen Krankenhauses an die Röntgentechnik
                              									genügen, dann soll es der Fachausbildung von Aerzten und Röntgenschwestern dienen,
                              									und schließlich soll es ein Forschungsinstitut für alle Zweige
                              									derRöntgentechnik bilden. Aus diesem Grunde sind auch die verschiedenen Arten
                              									von Stromerzeugern und Unterbrechern vorhanden; zugleich sind alle Vorkehrungen
                              									getroffen, um neue Hilfsmittel, wie etwa die Coolidge-Röhre ohne viele Umstände in
                              									Betrieb nehmen zu können. Das Röntgenhaus, das für friedliche Arbeit gedacht ist,
                              									wurde zu Beginn des Krieges fertiggestellt, und seine erste umfangreiche Verwendung
                              									stand im Dienste der verwundeten Krieger. Möge es bald friedlicher Arbeit und
                              									Forschung wiedergegeben werden und dann die Hoffnung der Erbauer, als Typ 1914/15 in
                              									der Entwicklungsgeschichte der Röntgeninstitute bekannt zu werden, erfüllen!