| Titel: | Anschauliche Darstellung des Entropiebegriffs. | 
| Autor: | R. Vater | 
| Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 501 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Anschauliche Darstellung des
                           								Entropiebegriffs.
                        Von R. Vater, Geh. Bergrat,
                           									Berlin-Grunewald.
                        VATER: Anschauliche Darstellung des Entropiebegriffs.
                        
                     
                        
                           Entropie ist etwas sehr Schönes! Man rechnet damit, man berechnet sie sogar,
                              									benutzt auch Entropiediagramme, wird man aber gefragt, was denn eigentlich Entropie
                              									sei, so herrscht wohl meist ziemliche Verlegenheit. „Ja, das ist eben der
                                 										Ausdruck \int\,\frac{d\,Q}{T}.“ Wer's nun nicht versteht!
                              									In einem neueren, sonst recht guten Buche über technische Wärmelehre, welches
                              									besonders für Schüler bestimmt ist, denen, wie es im Vorworte heißt,
                              										„Wärmemechanik stets besondere Schwierigkeiten bereitet“, las ich sogar
                              									den Satz: „Auf ihre (der Entropie) tiefere Bedeutung soll hier nicht eingegangen
                                 										werden. Der Anfänger betrachtet sie am besten dem Gedankengange entsprechend als
                                 										eine Hilfsgröße, die eine zweckmäßige Vereinfachung der Rechnung und Darstellung
                                 										herbeiführen soll“. Eine verblüffend einfache Lösung der Schwierigkeit!
                              									Recht hübsch heißt es in dem kleinen, sehr lesenswerten Buche „Die Thermodynamik
                                 										der Dampfmaschinen“ von Krauß (Berlin 1907, J.
                              									Springer): „Für den Begriff der Entropie sind mancherlei Definitionen versucht
                                 										worden, von denen viele die Eigentümlichkeit haben, vollkommen unverständlich zu
                                 										sein, die verständlichen Definitionen sind hingegen zum großen Teil
                                 										unrichtig.“ – Der Satz ist von erfrischender Deutlichkeit, er zeigt, welche
                              									Schwierigkeiten der Begriff Entropie macht und rechtfertigt es. wie mir scheint,
                              									immer wieder zu versuchen, jenen so schwer faßbaren Begriff nach Möglichkeit klar zu
                              									stellen, selbst auf die Gefahr hin zum Teil bereits Gesagtes zu wiederholen.
                           Aus diesem Bestreben heraus sind die nachfolgenden Zeilen entstanden. Sie bilden
                              									übrigens einen Teil eines demnächst in der Teubnersehen Sammlung „Aus Natur und
                                 										Geisteswelt“ erscheinenden, von mir verfaßten Bändchens über technische
                              									Wärmelehre. Bezüglich weiterer Einzelheiten sei daher auf dieses Bändchen
                              									verwiesen.
                           
                        
                           Umwandlung von Warmeenergie in
                                 										Arbeit.
                           Die Frage, wieviel Energie allgemein ein Körper abgeben kann, läßt sich nur dann
                              									beantworten, wenn zwei Zustände des Körpers gegeben sind: nämlich erstens der
                              									Ausgangszustand, d.h. der Zustand, den der Körper indem betrachteten Augenblick
                              									besitzt, und zweitens ein Endzustand, oder, wie man ihn vielleicht nennen könnte,
                              									ein Bezugspunkt. Aendert man diesen in gewissen Grenzen willkürlich zu wählenden
                              									Endzustand oder Bezugspunkt, so ändert sich damit auch sofort die von dem Körper
                              									abzugebende Energie.
                           L Beispiel. Ein Fluß, der in der Sekunde 5 m3
                              									Wasser führt, winde sich in gebirgigem Gelände nacheinander an den drei Orten A, B und C vorbei. Durch
                              									Herstellen eines den Lauf abkürzenden Kanals von A nach
                              									dem flußabwärts zunächst gelegenen Orte B wird ein
                              									Gefälle von 3 m gewonnen. Da 1 m3 Wasser 1000 kg
                              									wiegt, ergibt dies eine theoretische Wasserkraft von
                              										N=\frac{3\,\times\,5000}{75}=200\mbox{ PS}. Nach einiger Zeit
                              									stellt sich das Bedürfnis nach einer stärkeren Wasserkraft heraus, und es gelingt
                              									durch einen Kanal von A nach dem noch weiter
                              									flußabwärts gelegenen Orte C ein Gefälle von 6 m und
                              									damit eine Leistung von N = 400 PS zu erzielen.
                              									Trotzdem sich an dem Wasserlaufe im Punkte A nichts
                              									geändert hat, der Energieinhalt dort also derselbe geblieben ist, wurde durch den
                              									Fluß das eine Mal eine Leistung von 200, das andere Mal eine solche von 400 PS
                              									erzielt, einzig und allein dadurch, daß der „Endzustand“ zweckentsprechend
                              									geändert werden konnte.
                           2. Beispiel. Wir denken uns 1 kg Wasserdampf von der Spannung P at in einem Dampfzylinder. Ausgangszustand die Spannung P. Der Endzustand kann nun verschieden gewählt werden:
                              									a) Wir lassen den Dampf sich im Zylinder bis auf 1 at ausdehnen und dann in. die
                              									freie Luft auspuffen, b) Wir lassen den Dampf sich im Zylinder bis auf 0,1 at abs.
                              									ausdehnen und dann in einen Kondensator eintreten, wo er durch Abführung der
                              									Verdampfungswärme in Wasser von etwa 45° C verwandelt wird.
                           Die in dem 1 kg Dampf steckende Energie oder Arbeitsfähigkeit ist zwar an sich
                              									offenbar in den beiden Fällen gleich groß. Trotzdem ist aber die Arbeit, welche der
                              									Dampf nutzbar abgeben kann, im Falle b größer als im Falle a, und zwar nur deswegen,
                              									weil der Endzustand oder Bezugspunkt zweckentsprechend geändert wurde.
                           
                           Als bekannt sei hier folgender Satz vorausgesetzt: Soll ein Körper durch
                              									irgendwelche Reihenfolge von Zustandsänderungen in einen gewählten Endzustand
                              									übergeführt werden, und soll dabei der Höchstwert an mechanischer Arbeit gewonnen
                              									werden, so müssen die Zustandsänderungen umkehrbar sein. Ebenso sei hier als bekannt
                              									vorausgesetzt, was man unter umkehrbarer Zustandsänderung versteht, und daß eine
                              									solche umkehrbare Zustandsänderung immer nur etwas Gedachtes ist, niemals aber
                              									praktisch verwirklicht werden kann.
                           
                        
                           Höchstwert des in Arbeit umzusetzenden
                                 										Teilbetrages der Wärmeenergie.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 330, S. 502
                              Abb. 1.
                              
                           Denken wir uns als Energie abgebenden Körper ein bestimmtes Gasgewicht, das in einem
                              									Zylinder eingeschlossen ist, in welchem sich ein Kolben bewegt. T1 sei die absolute
                              									Temperatur des Gases in dem gegebenen Anfangszustande a
                              										(Abb. 1). T sei die
                              									absolute Temperatur in dem gewählten Endzustand b. Dann
                              									lassen sich die beiden Zustände a und b bei passend gewählten Maßstäben für P und v in einem P, v-Diagramm eintragen, und es lassen sich dann
                              									offenbar durch Punkt a und b der Abbildung unter allen Umständen, wie auch die Punkte liegen mögen,
                              									je eine Adiabate und eine Isotherme (is) legen.
                              									Vervollständigt man die Abbildung noch durch zwei weitere Isothermen d e (von der Temperatur T') und g h (von der Temperatur T2), so kann man nun von a
                              									nach b z.B. auf folgenden vier verschiedenen Wegen
                              									gelangen:
                           Erster Weg: Von a nach c isothermische Verdichtung mit Abführung der
                              									Wärmemenge Q1 bei der
                              									Temperatur T1; dann
                              									adiabatische Ausdehnung c – b mit Erniedrigung der
                              									Temperatur von T1 bis
                              									auf die Temperatur des „Endzustandes“
                              									T.
                           Zweiter Weg: Von a bis e adiabatische Ausdehnung mit Erniedrigung der
                              									Temperatur von T1 auf
                              										T'. Abführung der Wärmemenge Q' isothermisch bei der Temperatur T' von e bis d. Dann adiabatische Ausdehnung von d bis b mit Erniedrigung
                              									der Temperatur T' bis auf die Temperatur des
                              										„Endzustandes“
                              									T.
                           Dritter Weg: Adiabatische Ausdehnung von a bis f mit Erniedrigung
                              									der Temperatur des Ausgangszustandes T1 bis auf die Temperatur T des Endzustandes, dann Abführung der Wärmemenge Q isothermisch bei der Temperatur T.
                           Vierter Weg: Adiabatische Ausdehnung von a bis h, Erniedrigung der
                              									Temperatur T1 des
                              									Ausgangszustandes bis auf die niedrigste, überhaupt zur Verfügung stehende
                              									Temperatur T2.
                              									Abführung der Wärmemenge Q2 isothermisch bei der niedrigsten Temperatur T2 von h bis
                              										g, dann adiabatische Verdichtung von g bis b mit Erhöhung der
                              									Temperatur T2 auf die
                              									Temperatur des Endzustandes.
                           Die dargestellten Zustandsänderungen, die um den Höchstwert an gewonnener Arbeit
                              									zu erzielen, sämtlich umkehrbar sein müssen, lassen sich
                              									nun offenbar, wie sich aus der Abbildung ergibt, als Teile von einem oder mehreren
                              										Carnotschen Kreisprozessen auffassen. Dann muß aber
                              									bekanntlich sein:
                           \frac{Q_1}{T_1}=\frac{Q'}{T'}=\frac{Q}{T}=\frac{Q_2}{T_2} .
                              									. . . . . (I)
                           oder es müssen sich verhalten
                           Q1: Q' : Q : Q2= T1:T' : T : T2.
                           Wegen der Wahl von umkehrbaren
                              									Zustandsänderungen erhalten wir bei dem Uebergange vom Anfangszustande a in den Endzustand b in
                              									jedem der vier Fälle den unter diesen betreffenden Verhältnissen höchsten
                              									erzielbaren Betrag an gewonnener Arbeit und damit natürlich gleichzeitig den
                              									verhältnismäßig geringsten Betrag an abzuführender Wärme. (Nach dem zweiten
                              									Hauptsatz muß bekanntlich bei fortlaufender Umwandlung von Wärme in Arbeit stets ein
                              									Teil der zugeführten Wärme wieder als Wärme abgeführt werden.) Da nun aber nach
                              									Voraussetzung T2 die
                              									niedrigste überhaupt zur Verfügung stehende Temperatur, z.B. die Temperatur der
                              									Außenluft, des Grundwassers oder dergleichen ist, so ist auch Q2 die geringste überhaupt denkbare Wärmemenge, die beim Uebergang von a in den Endzustand b als
                              										Wärme abgeführt werden muß. Eine noch weitere
                              									Abkühlung des Gases unter T2 hätte keinen Zweck, denn eine Wärmeabführung bei einer Temperatur, die
                              									noch geringer ist als die überhaupt zur Verfügung stehende Temperatur T2 wäre ja doch nicht
                              									möglich. Das Gas müßte dann also, wenn man etwa künstliche Kühlung angewendet hätte,
                              									erst wieder durch Wärmezuführung oder Aufwendung von Arbeit auf die Temperatur T2 gebracht werden,
                              									worauf dann die Wärmeabführung erfolgen könnte.
                           Schreibt man die Gleichung (I) in der Form:
                           Q_2=\left(\frac{Q_1}{T_1}\right)\,T_2=\left(\frac{Q'}{T'}\right)\,T_2=\left(\frac{Q}{T}\right)\,T_2
                              									. . (II)
                           so stellt sich die Wärmemenge Q2 in verschiedener Weise als ein Produkt
                              									aus zwei Faktoren dar, von denen der eine Faktor immer derselbe bleibt, nämlich T2, während der andere Faktor, der Klammerwert, je nach
                              									dem „Wege“, welcher oben eingeschlagen wurde, aus verschiedenen Bestandteilen
                              									zusammengesetzt ist, deren Quotient aber, wie man sieht, überall gleich groß ist.
                              									Man erkennt also hier schon, daß es bei Feststellung der Größe der Klammerwerte
                              									garnicht darauf ankommt, welcher Weg von a nach b eingeschlagen wurde, vorausgesetzt allerdings, daß,
                              									wie es oben geschehen ist, dieser Weg sich nur aus umkehrbaren Zustandsänderungen
                              									zusammensetzt. Das Ergebnis unserer Betrachtungen ist nunmehr folgendes:
                           Wenn ein mit Wärmeenergie begabter Körper von einem gegebenen Anfangszustande in
                              									einen gegebenen Endzustand übergeht, so ist es, wie schon aus dem eben angeführten
                              									zweiten Hauptsatze folgt, im allgemeinen selbst bei Anwendung idealer umkehrbarer
                              									Zustandsänderungen nicht möglich, die gesamte Energie in Arbeit umzusetzen, ein Teil der
                              									Energie muß vielmehr unter allen Umständen wieder als Wärme
                              									Q2 abgeführt werden.
                              									Man findet diesen Teilbetrag durch Multiplikation der niedrigsten absoluten
                              									Temperatur, die für eine Wärmeabführung überhaupt zur Verfügung steht, mit einem
                              									gewissen Faktor von der Form \left(\frac{Q}{T}\right).
                           
                        
                           Die Entropie erstens ein
                                 										Umwandlungsfaktor.
                           Der soeben erwähnte gewisse Faktor, d.h. die untereinander gleichen Klammerwerte der
                              									Formel (II) stellen offenbar sozusagen einen Umwandlungsfaktor dar, einen
                              									Zahlenwert, durch welchen man, wenn er bekannt ist, oder sich irgendwie berechnen
                              									last, sofort feststellen kann, wieviel von der in einem Körper in einem gewissen
                              									Augenblick steckenden Wärmeenergie im allergünstigsten Falle als Arbeit gewonnen
                              									werden kann. Es dürfte daher wohl einleuchten, daß gerade dieser Umwandlungsfaktor
                              									bei allen denjenigen Rechnungen in der technischen Wärmelehre eine große Rolle
                              									spielen wird, bei denen es sich um Gewinnung von Arbeit aus Wärme handelt. Er
                              									erhielt daher auch einen besonderen Namen. Man nennt ihn nach Clausius die Entropie eines Körpers und
                              									bezeichnet ihn in der Regel mit S.
                           Nehmen wir z.B. an, durch Uebergang des Körpers vom Ausgangszustand a in den Endzustand b
                              									ständen insgesamt 10000 WE an Energie zur Verfügung. Einer der obigen Klammerwerte
                              									der Formel (II), also die Entropie S, sei für den
                              									Ausgangszustand a mit bezug auf den Endzustand b irgendwie berechnet und betrage drei
                              									Entropie-Einheiten; die niedrigste zur Verfügung stehende Temperatur sei 27° C = 273
                              									+ 21 = 300° abs. Dann weiß man sofort: Von jenen 10000 WE können mindestens 3 . 300
                              									= 900 WE unter keinen Umständen für eine Arbeitsleistung gewonnen werden. Selbst im
                              									theoretisch denkbar günstigsten Falle bleiben also von jenen 10000 WE nur noch 9100
                              									WE übrig, die sich theoretisch überhaupt in Arbeit umsetzen lassen.
                           Ist der Zustand des Körpers in demselben Punkte a ein
                              									solcher, daß die Anzahl der verfügbaren Wärmeeinheiten zwar auch 10000 WE ist, die
                              									Entropie S aber mit bezug auf den Punkt b z.B. 4 beträgt, und ist 300° wieder die niedrigste
                              									zur Verfügung stehende absolute Temperatur, dann lassen
                              									sich von jenen 10000 WE beim Uebergang von a nach b selbst im günstigsten Falle 4 . 300 = 1200 WE unter
                              									keinen Umständen in Arbeit umsetzen, es bleiben also nur noch 10000 – 1200 = 8800
                              									WE. Bleibt sonst alles dasselbe, wird aber die Entropie S = 2, so bleiben für die Umsetzung in Arbeit nur noch zur Verfügung 10000
                              									– (2 . 300) = 9400 Wärmeeinheiten usw.
                           
                        
                           Die Entropie zweitens ein
                                 										Zustandskennzeichen.
                           Die Entropie ist, wie aus dem eben gesagten hervorgeht, ein besonderes Kennzeichen
                              									des Körpers in einem gewissen Augenblick. Geradeso, wie
                              									der Zustand eines Gases in einem betrachteten Augenblick dadurch gekennzeichnet
                              									wird, daß man angibt, wiegroß in diesem Augenblick sein kg-Volumen, seine
                              									Temperatur, sein Flächeneinheitsdruck ist, geradeso, wie ein weiteres Kennzeichen
                              									für den Körper die in ihm steckende Wärmeenergie ist, bezogen auf einen bestimmten
                              									gewählten Endzustand, geradeso gehört auch zur genauen Kennzeichnung des Zustandes
                              									des Körpers in dem betrachteten Augenblick jener Faktor, Entropie genannt. Die
                              									Entropie ist also, kurz gesagt, ein den Zustand eines Körpers mit bestimmender
                              									Zahlenwert, wobei jedoch wohl zu beachten ist, daß dieser Zahlenwert immer nur
                              									gültig ist mit bezug auf einen in gewisser Weise willkürlich
                                 										gewählten Endzustand, oder, wie wir ihn nannten, Bezugspunkt.
                           Hinsichtlich der Wahl des Bezugspunktes denke man hier etwa an den „Normal
                                 										Null“, auf den bei Nivellierungs-arbeiten alle Höhenangaben bezogen werden.
                              									Auch dieser „Normal Null“-Punkt ist schließlich doch ein willkürlich
                              									angenommener Punkt, der an sich ebensogut tiefer oder höher gewählt werden
                              									könnte.
                           Wählt man als Nullpunkt der Entropie nicht jenen Bezugspunkt b, sondern einen noch weiter zurückliegenden Punkt b', so daß also die Entropie in dem anfänglich gewählten Bezugspunkt b auch schon einen gewissen positiven Wert hat, so
                              									würde man bei dem Ausgangszustand a nicht von Entropie
                              									schlechthin, sondern von Entropiezuwachs sprechen müssen.
                              									Darunter wäre also derjenige Betrag zu verstehen, um welchen die Entropie vom
                              									Bezugspunkt b bis zu dem betrachteten Ausgangszustand
                              										a angewachsen ist.
                           Eine Maßeinheit wie m3, kg, WE oder dergleichen
                              									gibt es für die Entropie nicht, es ist vielmehr ein reiner Zahlenwert, der in
                              									bestimmter, hier zunächst nicht in Betracht kommender Weise aus den anderen, den
                              									Zustand des Körpers bestimmenden Größen berechnet wird. Die Entropie ist, wie wir
                              									eben sahen, nur ein bestimmendes Kennzeichen für einen ganz
                                 										bestimmten Zustand eines Körpers mit bezug auf einen
                                 										ganz bestimmten Endzustand. Sie hängt z.B. nicht etwa davon ab, auf welche
                              									Weise die Energie nun tatsächlich in Arbeit und Wärme verwandelt wird. Durch
                              									Berechnung der Entropie ist ja durchaus nicht etwa die Anzahl von Wärmeeinheiten
                              									festgelegt, welche bei irgend einem bestimmten Uebergang vom Ausgangszustand in den
                              									gewählten Endzustand tatsächlich als Wärme abgeführt werden, sondern die Entropie
                              									ist nur ein Zahlenwert, aus dem sich gewissermaßen zu Vergleichszwecken feststellen
                              									läßt, wieviel Wärmeeinheiten im denkbar günstigsten, praktisch überhaupt niemals
                              									erreichbaren Fall nicht mehr zur Arbeitsleistung
                              									ausgenutzt werden können. Erinnert sei hier vielleicht an den Carnotschen Kreisprozeß, der aus praktischen Gründen in Wirklichkeit auch
                              									unausführbar ist, und doch als Vergleichsmaßstab in der Theorie der
                              									Wärmekraftmaschinen eine hervorragende Rolle spielt.
                           
                        
                           Entropie drittens eine Wertangabe für
                                 										die Energie.
                           In dem oben gewählten Beispiel hatten wir angenommen, daß beim Uebergange eines
                              									Körpers vom Zustande a in den gewählten Endzustand b insgesamt 10000 WE an Energie verfügbar wurden. Es
                              									wurde aber an drei Sonderfällen gezeigt, daß damit der Zustand des Körpers bezüglich
                              									seiner Fähigkeit Arbeit zu leisten nicht eindeutig bestimmt war. Eindeutig bestimmt
                              									ist er vielmehr erst durch Mitangabe der Entropie (oder des Entropiezuwachses) des
                              									Körpers im Punkte a, die in den drei Sonderfällen zu 2,
                              									3 und 4 angegeben war, woraus dann berechnet wurde, daß von jenen 10000 WE nur 9400,
                              									9100 oder gar nur 8800 WE selbst im denkbar günstigsten Falle in nutzbare Arbeit
                              									umgewandelt werden könnten. Man sieht also, die Energiemenge von 10000
                              									Wärmeeinheiten hat nicht in allen Fällen den gleichen Wert. Es gibt sozusagen
                              									hochwertige und minderwertige Energie. Ihr praktischer Wert wird erst bestimmt durch
                              									Angabe der Entropie oder des Entropiezuwachses S. Ist
                              									bei einer bestimmten Energiemenge die Entropie klein, so
                              									hat man hochwertige Energie, ist sie groß, dann hat man minderwertige Energie. Will man also einem Körper Energie in Form von Wärme
                              									zuführen, um vermittelst dieser Wärme den Körper Arbeit leisten zu lassen, so wird
                              									man nach Möglichkeit darauf zu achten haben, daß nicht etwa während der
                              									Wärmezuführung durch Abnahme der Temperatur eine Entwertung dieser Energie eintritt,
                              									oder, wie wir jetzt sagen werden, es muß darauf geachtet werden, daß die Entropie
                              									sich nicht unnütz vergrößert. Ein sehr lehrreiches Beispiel einer solchen
                              									schädlichen Entropievergrößerung bietet jede Dampfkesselanlage. Die in den Kohlen
                              									steckende chemisch gebundene Energie entwickelt sich zunächst durch Verbrennung der
                              									Kohle auf dem Roste zu sehr hochwertiger Energie, deren Entropie wegen der sehr
                              									hohen Temperatur (weit über 1000° C) verhältnismäßig klein ist. Selbst wenn es nun
                              									möglich wäre, sämtliche Wärmeeinheiten, die in den Feuergasen enthalten sind, durch
                              									die Kesselwandungen hindurch in das im Innern des Kessels befindliche Wasser
                              									überzuführen, so würde bei dieser Ueberführung dennoch eine beträchtliche
                              									Vergrößerung der Entropie S und damit eine
                              									beträchtliche Entwertung der zugeführten Energie eintreten, weil in dem
                              									Klammerausdruck der Formel (II) bei gleichbleibendem Q
                              									der Wert von T stark abgenommen hat, denn die
                              									Temperatur des Kesselwassers beträgt, selbst bei hochgespanntem Dampf nur etwa 200°
                              									C. Entwertung der Energie ist aber gleichbedeutend mit Arbeitsverlust, da ja nach
                              									unseren früheren Betrachtungen durch eine solche Entwertung der Energie ein viel
                              									größerer Teil davon nicht mehr in Arbeit umgesetzt werden kann. Bezüglich
                              									zahlenmäßiger Feststellung dieser Entwertung im Dampfmaschinenbetriebe sei z.B. auf
                              									das bereits oben erwähnte Buch von F. Krauß
                              									hingewiesen.
                           
                        
                           Der Lynensche Vergleich.
                           Sehr anschaulich wird das Verhältnis von Energie zu Entropie durch einen Vergleich,
                              									der meines Wissens zuerst von Professor Lynen in München
                              									angestellt wurde.Siehe Lynen, Die Wärmeausnutzung bei der Dampfmaschine,
                                    											Berlin 1901, J. Springer.
                           Energie kann danach verglichen werden mit einer Summe Geldes. Genau wie die
                              									Ausnutzung einer Energiemenge zur Arbeitsleistung nur bis zu einer bestimmten
                              									niedrigsten Temperatur T2 herunter stattfinden kann, z.B. also bis auf die Temperatur der
                              									Außenluft, des Grundwassers und dergleichen, so könnte etwa ein Sonderling folgenden
                              									eigenartigen Einfall haben: Er übergibt jemandem einen Scheck über sagen wir 500 M
                              									mit der Weisung, sich diese Summe auf einer Bank in beliebiger, aber einheitlicher Münze auszahlen
                              									zu lassen. Der Betreffende erhält die Erlaubnis, sich von diesem Gelde irgend etwas
                              									Beliebiges zu kaufen, muß sich aber verpflichten, von der gewählten Münze eine Rolle
                              									von ganz bestimmter Höhe, z.B. 5 cm an den Sonderling zurückzugeben.
                           Es ist sofort klar, daß in diesem Falle auch 500 M und 500 M nicht gleichwertig sind.
                              									Würde der Betreffende so dumm sein, sich auf der Bank das Geld in großer Münze, etwa
                              									in 20 M-Stücken auszahlen zu lassen, so müßte er an den Sonderling offenbar viel
                              									mehr Geld zurückzahlen, als wenn er sich den Betrag in 50 Pf.-Stücken oder in noch
                              									kleinerer Münze hätte auszahlen lassen.
                           Je kleiner er die Münze wählte, um so geringer ist die Summe, die er an den
                              									Sonderling zurückzuzahlen brauchte, um so mehr könnte er von den 500 M für sich
                              									verwenden.
                           Wir hatten oben gesehen: die nicht in Arbeit umwandelbare, sondern in Form von Wärme
                              									abzuführende Energie hatte die Form Q2
                              									= Q/T . T2 = S . T2. Es entspräche also in unserem Vergleich der Wert
                              										S = Q/T der Münze,
                              									dagegen T2 der Höhe der zurückzuliefernden Geldrolle. Je kleiner die
                              									Entropie S (die Münze) ist, um so größer ist bei
                              									gegebener Endtemperatur T2 (Höhe der abzuliefernden Geldrolle) die Energiemenge (Geldsumme), die
                              									zur Umwandlung in Arbeit (zu Anschaffungen beliebiger Art) zur Verfügung steht. Ob diese Energie (Geldsumme) aber auch wirklich zur Arbeitsleistung (zu nutzbaren Anschaffungen)
                              									verwendet wird, oder ob sie sonst irgendwie nutzlos verbraucht (durchgebracht oder
                              									fortgeworfen) wird, ist (dem Sonderling) völlig gleichgültig. Die Entropie (Münze)
                              									ist also kein Maßstab dafür, wieviel Energie (Geld) zur
                              									Gewinnung mechanischer Arbeit (zu Anschaffungen) verwendet wird, vielmehr ist sie nur bestimmend – und zwar durch
                              									Multiplikation mit T2;
                              									der niedrigsten Temperatur (der Höhe der abzuliefernden Geldrolle) – dafür, wieviel
                              									Wärme (Geld) unter keinen Umständen zur Gewinnung
                              									mechanischer Arbeit (zu Anschaffungen) verwendet werden kann.
                           
                        
                           Berechnung der Entropie.
                           Ausführliche Angaben darüber, wie die Entropie in jedem Falle berechnet werden kann,
                              									würden hier zu weit führen, nur einige Grundlagen für solche Berechnungen seien im
                              									Folgenden kurz behandelt.
                           Es war oben dargelegt worden, daß die Entropie ein Faktor ist von der allgemeinen Form Q/T, d.h.
                           
                           in Worten: „Wärme, die von einem gewählten Zustand aus zugeführt wird,
                                 										geteilt durch die absolute Temperatur, bei welcher diese Wärme jeweilig
                                 										zugeführt wird“. Bleibt nun die Temperatur während der Wärmezuführung
                              									unverändert, so ist Q/T in der Tat der Ausdruck für die
                              									hier sehr einfach zu berechnende Entropie, Ein solcher Fall liegt z.B. vor, wenn
                              									Wasser, welches auf eine bestimmte Temperatur erhitzt ist, durch weitere
                              									Wärmezuführung bei gleichbleibendem Druck in Dampf verwandelt wird: In einem mit
                              									einem Kolben verschlossenen Zylinder befinde sich 1 kg Wasser von rund 120° C = 393°
                              									abs., entsprechend einer Temperatur von gesättigtem Wasserdampf von 2 at abs. Um
                              									dieses Wasser bei gleichbleibendem Druck in Dampf zu verwandeln, sind, wie aus
                              									Dampftabellen zu entnehmen ist, rund Q = 527 WE
                              									erforderlich. Wählt man als Bezugspunkt Wasser von 120° C, so ist in dem Augenblick,
                              									wo sämtliches Wasser in Dampf verwandelt ist, die Entropie (oder der
                              									Entropiezuwachs) S = Q/T = 527/393 = 1,34, In dem
                              									Augenblick, wo z.B. erst 0,9 kg Wasser verdampft sind, wäre S' = 0,9 . 527/393 = 1,209. Wenn erst 0,8 kg Wasser verdampft sind, ist
                              										S'' = 0,8 . 1,34 = 1,072 usw. Soll die Entropie
                              									angegeben werden mit Wasser von 0° C als Bezugspunkt, so wäre diesem jeweiligen 5
                              									hinzuzufügen die Entropie von Wasser von 120° C mit
                              									Wasser von 0° C als Bezugspunkt. Dieser Wert, der z.B. aus Dampftabellen entnommen
                              									werden kann, beträgt S0
                              									= 0,365, und somit wäre die Entropie gesättigten Wasserdampfes bezogen auf Wasser
                              									von 0° C: SD = S0 +S = 0,365 + 1,34 = 1,70. Ist erst 0,9 kg Wasser in
                              									Dampf verwandelt, oder, wie man sich ausdrückt, ist die spezifische Dampfmenge x = 0,9, so wäre SD = S0 + S' = 0,365+ 1,209 =
                              									1,574. Für x = 0,8 wäre SD'' = 0,365 + 1,072 = 1,437 usw.
                           Weniger einfach wird die Berechnung, wenn, wie es meist der Fall ist, während der
                              									Wärmezuführung die Temperatur zunimmt. In diesem Falle denkt man sich die
                              									Wärmezuführung in der Weise zerlegt, daß man stets nur einen unendlich kleinen Teil
                              									der Wärme zuführt, wobeiwährend dieser unendlich kleinen Wärmezuführung die
                              									Temperatur als unveränderlich angenommen werden kann. Ein unendlich kleiner
                              									Entropiezuwachs ist dann d\,S=\frac{d\,Q}{T} und der ganze
                              									Entropiezuwachs S=\int\,\frac{d\,Q}{T}. Um auch hierfür ein
                              									einfaches Beispiel anzuführen, wählen wir 1 kg gesättigten Wasserdampfes von 8 at
                              									abs., entsprechend einer (Dampftabellen entnommenen) Dampftemperatur von rund t1 = 170° C, oder T1 = 443° abs. Es soll
                              									die Entropie dieses Dampfes berechnet werden, wenn er auf t2 = 200° C entsprechend T2 = 473° abs.
                              									überhitzt wird. Um 1 kg irgend eines Stoffes um d T zu
                              									erwärmen sind bekanntlich c . d T WE erforderlich,
                              									wobei c die spezifische Wärme des betreffenden Körpers
                              									ist. Kann c als unveränderlich angesehen werden, z.B.
                              									bei überhitztem Dampf innerhalb nicht zu weiter Grenzen, dann ist der
                              									Entropiezuwachs vom Sättigungszustande aus
                              										S_{\mbox{u}}=c\,\int_{\mbox{T}_1}^{\mbox{T}_2}\,\frac{d\,T}{T}=c\,.\,ln\,\frac{T_2}{T_1}.
                              									Wird also 1 kg gesättigter Dampf von 8 at abs. (oder 443° abs.) um 30° überhitzt, so
                              									ist, da in diesem Zwischenraum bei gleichbleibendem Dampfdruck ein unveränderlicher
                              									Mittelwert von c = 0,56 angenommen werden kann, Su = 0,56 . ln 473/443 = 0,037. Aus Dampftabellen kann entnommen
                              									werden, daß die Entropie gesättigten Wasserdampfes von 8 at abs., bezogen auf Wasser
                              									von 0° C, SD = 1,6 ist.
                              									Daher ist die Entropie des auf 200° C (= 473° abs.) überhitzten Dampfes von 8 at
                              									abs. mit Wasser von 0°C als Bezugspunkt S = 1,6 + 0,037
                              									= 1,637. Das heißt also, um es hier noch einmal zu wiederholen: Eine
                              									Wärmekraftmaschine, die mit Dampf, und zwar zwischen den Temperaturen 0° und 200°
                              									arbeitet, kann die in dem Dampf steckende Wärme auch unter Anwendung des günstigsten
                              									Kreisprozesses niemals vollständig in Arbeit verwandeln. Selbst im theoretisch
                              									günstigsten, praktisch niemals erreichbaren Falle, müßten von der in 1 kg Dampf
                              									steckenden Wärme stets 1,637 . 237 = 388 Wärmeeinheiten in Gestalt von Wärme aus der Maschine wieder abgeführt werden.