| Titel: | Rechts-Schau. | 
| Autor: | Eckstein | 
| Fundstelle: | Band 332, Jahrgang 1917, S. 336 | 
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                        Rechts-Schau.
                        Rechts-Schau.
                        
                     
                        
                           Die Zulässigkeit des Lohnabzuges für Pensionskassen.
                              									Die Rechtsgültigkeit der Pensionskassen ist, nachdem das Reichsgericht in dem
                              									bekannten Fall der Kruppschen Kasse die Richtlinien dafür
                              									in dem Urteil vom 24. Oktober 1911 (Deutsche Juristenzeitung 17 S. 161) niedergelegt
                              									und zugunsten der Pensionskassen entschieden hat, heute so gut wie unbestritten,
                              									wenngleich im Einzelfall sich Schwierigkeiten ergeben können.
                           Ist die Einrichtung einer Pensionskasse gültig und der Arbeitnehmer mit der Bedingung
                              									des Zwangsbeitritts eingestellt, so ist auch die Beitragspflicht ohne Zweifel, und
                              									die Kasse kann selbst nach dem Austritt des Arbeitnehmers ihre Beitragsansprüche
                              									gegen ihn geltend machen, obwohl er keine Gegenleistungen mehr zu erwarten hat.
                           Da die freiwillige Zahlung auf Grund der übernommenen Verpflichtung aber oft nicht
                              									erfolgt, ist in vielen Betrieben die Einrichtung eingeführt, daß der Beitrag von dem
                              									auszuzahlenden Lohn zurückbehalten und an die Kasse unmittelbar abgeführt wird, so
                              									daß der Arbeitnehmer erst garnicht die Möglichkeit einer Verfügung über diesen Teil
                              									des Lohnes hat.
                           Durch das Lohnbeschlagnahmegesetz ist aber die Aufrechnung mit Lohnforderungen
                              									ausgeschlossen und nach herrschender Rechtsprechung steht die Zurückbehaltung der
                              									Aufrechnung gleich. Ob es sich hier um eine eigentliche Aufrechnung oder
                              									Zurückbehaltung handelt oder um ein Rechtsverhältnis besonderer Art, nämlich der
                              									Verfügung über den Lohn durch den Arbeitgeber, ist übrigens nicht erheblich und mit
                              									Recht hat die Rechtsprechung den Gedanken, auf Grund des Lohnbeschlagnahmegesetzes
                              									die Rechte der Pensionskassen zu beschränken, verneint (vgl. Reichsgericht vom 3.
                              									Februar 1913, das Recht 17, Nr. 8).
                           Die Rechtsfrage hat ihren entscheidenden Punkt auf einem anderen Gebiet: Nach § 117
                              									Gewerbeordnung sind Verabredungen, die auf die Nichtauszahlung des verdienten Lohnes
                              									gehen, nichtig außer so weit die Abzüge der Beteiligung an Einrichtungen zur
                              									Verbesserung der Lage der Arbeiter oder ihrer Familien dienen. Es ist also zu
                              									prüfen, ob die Pensionskassen immer Wohlfahrtseinrichtungen in diesem Sinne sind
                              									oder nicht.
                           Reine Wohlfahrtseinrichtungen sind sie insofern niemals, als stets sich mit dem
                              									Wohlfahrtsinteresse das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers verbindet, durch
                              									die Leistungen der Pensionskasse die Arbeitnehmer an den Betrieb zu binden und sich
                              									einen Stamm von zuverlässigen, treuen Arbeitern zu sichern. Aber daß die
                              									Pensionskassen nach dieser Richtung hin einem weiteren Interesse dienen, nimmt ihnen
                              									keineswegs ihren Charakter als einer Wohlfahrtseinrichtung, wenn er ihnen an
                              									sich zukäme. Das ist in jener erwähnten Reichsgerichtsentscheidung auch mit Recht
                              									hervorgehoben worden.
                           Trotzdem kann nicht jede Pensionskasse als Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des § 117
                              									Gewerbeordnung gelten. Es kommt nicht darauf an, daß sie zugunsten der Arbeiter
                              									einem gemeinnützigen Zweck dient, es muß vielmehr hinzukommen, daß dieser Zweck
                              									nicht nur gegenüber einzelnen Arbeitern verwirklicht wird, sondern gegenüber allen,
                              									denn wenn für jeden Arbeitsvertrag der § 117 gilt, muß für jeden Arbeitsvertrag auch
                              									im besonderen die Voraussetzung des § 117 erfüllt sein, der abgezogene Lohn muß dem
                              									Arbeiter oder seiner Familie, nicht anderen Arbeitern und anderen Familien zugute
                              
                              									kommen.
                           Selbstverständlich hat hier der einzelne Fall auszuscheiden, nur die Gesamtheit der
                              									Arbeitsverträge ist maßgebend. Der einzelne Arbeiter kann sehr wohl seinen Anspruch
                              									auf Bezüge aus der Pensionskasse verwirken, ohne daß damit die Kasse aufhört, auch
                              										„für ihn“ eine Wohlfahrtseinrichtung zu sein, es muß aber jeder Arbeiter
                              									im normalen Fall mit einer gewissen Sicherheit darauf rechnen können, daß die
                              									Wohltaten der Pensionskasse ihm auch wirklich zu gute kommen.
                           Wird zum Beispiel das Recht auf Bezüge aus der Pensionskasse an eine verhältnismäßig
                              									lange Mitgliedschaft geknüpft und gibt nicht etwa der besondere Betrieb Anlaß dazu,
                              									von vorne herein bei jedem geschlossenen Dienstvertrag mit einer langen Dauer zu
                              									rechnen, so ist der Inhalt der Pensionskassenvereinbarung, daß der eintretende
                              									Arbeitnehmer einen Beitrag zu Leistungen an die besonders lange im Dienst gewesenen
                              									anderen Arbeitnehmer zu zahlen hat.
                           Die bloße Möglichkeit, daß er durch langes Aushalten auch einmal zu diesen
                              									Begünstigten gehören kann, tritt zurück hinter der Wahrscheinlichkeit, daß er zu
                              									diesen nicht gehören wird, ganz gleichgültig, ob sein Austritt auf freiem Entschluß
                              									beruhen sollte oder nicht. In einem solchen Falle ist die Pensionskasse zwar eine
                              									Wohlfahrtseinrichtung, nicht aber eine Einrichtung zur Verbesserung der Lage der
                              									Arbeitnehmer und ihrer Familien in ihrer Gesamtheit, und gerade darauf käme es
                              									an.
                           Das ist nur ein Punkt, der bei der Beurteilung entscheidend ist. Allgemeine
                              									Grundsätze lassen sich nicht aufstellen, höchstens einige Richtlinien für die
                              									Beurteilung des einzelnen Falles, auf den doch stets zurückgegangen werden muß.
                           In vorzüglicher Weise hat das Landgericht Stuttgart in einer im Gewerbearchiv,
                              									Ergänzungsband I S. 287 veröffentlichten Entscheidung für einen einzelnen Fall eine Berechnung
                              									aufgestellt, wieviel Arbeitnehmer erfahrungsgemäß in den Genuß der Vergünstigungen
                              									der Pensionskassen kommen und hat, da nur 11 v. H. aller Angestellten das
                              									pensionsberechtigte Dienstalter erreichen, die Lohneinbehaltung für unzulässig
                              									erklärt und gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, daß auch die Nichtrückzahlung
                              									der Beiträge oder eines Teiles derselben an die austretenden Arbeiter dazu beiträgt,
                              									in den Lohnabzügen bloße Opfer zugunsten weniger zu erblicken, nicht aber Abzüge
                              									zugunsten der Arbeiter und ihrer Familien.
                           Dr. jur. Eckstein.