| Titel: | Rechts-Schau. | 
| Autor: | Eckstein | 
| Fundstelle: | Band 333, Jahrgang 1918, S. 52 | 
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                        Rechts-Schau.
                        Rechts-Schau.
                        
                     
                        
                           Arbeiterstreiks in fremden Betrieben. Bei dem
                              									ungemein verfeinerten und verwickelten Räderwerk der auf die Kriegsindustrie
                              									zugeschnittenen Betriebe liegt es auf der Hand, daß ein Massenstreik Wirkungen
                              									ausübt, nicht nur unmittelbar auf den betroffenen Betrieb, sondern eine Reihe von
                              									Gliedern weiter. Ein Streik auf einer Zeche eines Kohlenbergwerks zum Beispiel hat
                              									die ungenügende Belieferung von anderen Betrieben mit Kohlen zur Folge, diese
                              									wiederum das Stillstehen der Fabrikation und der Erzeugung von Halbfabrikaten, die
                              									Unmöglichkeit der Lieferung der Halbfabrikate an die weiteren Betriebe, und so kann
                              									schließlich ein Betrieb vollständig untergraben werden, obwohl alle Arbeiter dieses
                              									Betriebes arbeitswillig sind und nur weil in letzter Linie die Arbeiterschaft eines
                              									Kohlenbergwerks in Ausstand getreten ist. Zu welch ungeheuren Schäden das führen
                              									kann, bedarf natürlich nicht der Ausführung.
                           Daß eine Arbeiterschaft bei einem frivolen Streik ihrem Arbeitgeber gegenüber zum
                              									Ersatz des ihm durch den Streik verursachten Schadens verpflichtet ist, ist in der
                              									Rechtsprechung häufig entschieden worden, und zwar kann sich der Arbeitgeber in
                              									Hinsicht auf den ganzen entstandenen Schaden an jeden einzelnen der am Streik
                              									beteiligten Arbeiter halten, denn der Schaden ist von der streikenden Arbeiterschaft
                              									in ihrer Gesamtheit verursacht und daher auch in ihrer Gesamtheit zu ersetzen, und
                              									jeder der Arbeiter haftet für den ganzen Schaden.
                           Wenn jemand geschädigt wird, der nicht auch der Arbeitgeber ist, so kann sein
                              									Schadensanspruch nicht auf das vertragswidrige Verhalten der Arbeiterschaft
                              									zurückgeführt werden; für seinen Schadensanspruch ist nur maßgebend der § 826 BGB.,
                              									wonach jemand zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn er einen anderen in einer
                              									wider die guten Sitten verstoßenden Weise rechtswidrig schädigt.
                           Das bloße vorsätzliche oder fahrlässige Verhalten reicht noch nicht zum
                              									Schadensersatz aus, denn für diese Fälle kennt das Gesetz in seinem offenbaren
                              									Mangel an Großzügigkeit eine Schadenshaftung nur dann, wenn ein bestimmtes Recht,
                              									das Eigentum usw. geschädigt sind, nicht aber, wenn der Schaden das Vermögen im
                              									ganzen trifft.
                           Also nur dann haftet die streikende Arbeiterschaft für den mittelbar
                              									entstandenen Schaden, wenn dieser Schaden durch sie in einer wider die guten Sitten
                              									verstoßenden Weise verursacht ist.
                           Es gibt Streiks, die der Arbeiterschaft nur zur Erlangung von gerechtfertigten oder
                              									zum mindesten verständlichen Forderungen dienen sollen. Das Recht zum Streik ist den
                              									Arbeitern durch die Gewerbeordnung gewährleistet und man kann den Vertragsbruch mit
                              									allen seinen Folgen nicht ohne weiteres als eine wider die guten Sitten verstoßende
                              									Handlung ansehen. So hat auch die Rechtsprechung in einer Reihe von Fällen
                              									entschieden, daß der Streik nicht schlechthin zum Schadensersatz verpflichten
                              									soll.
                           In Hinsicht auf die letzten politischen Streiks erscheint die Sachlage aber doch
                              									wesentlich anders. Man mag es begreiflich finden, daß die Arbeiter gewisse Ziele
                              									verfolgen, eine bessere Lebensmittelverteilung wünschen, einen Druck ausüben wollen
                              									zur Erlangung des Wahlrechts usw., die Verfolgung dieser Interessen an sich kann
                              									darum noch nicht notwendig als sittenwidrig bezeichnet werden; ja selbst der Druck
                              									auf die Regierung, eine noch größere Friedensbereitschaft zu zeigen, mag bisher als
                              									unberechtigt und vielleicht als unklug bezeichnet werden, das ist aber schließlich
                              									Ansichtssache, und man wird auch darin noch nicht notwendig ein sittenwidriges
                              									Verhalten erblicken müssen.
                           Das Sittenwidrige liegt aber in den Mitteln, mit denen die Arbeiter vorgegangen sind.
                              									Sie müssen sich sagen, daß der Streik nicht nur eine Demonstration ist, um ihre
                              									Absicht zu zeigen, sondern daß dieser Streik, ganz abgesehen von den unberechenbaren
                              									politischen Folgen durch die Ausschlachtung im Ausland, eine Reihe von Betrieben
                              									lahmlegt und zu ungeheuren Schädigungen führt. Es handelt sich hier nicht um einen
                              									Streik, der planmäßig organisiert ist, weil die Regierung den berechtigten Wünschen
                              
                              									der Arbeiterschaft kein Gehör geschenkt hat, nicht um ein letztes Kampfmittel,
                              									sondern um einen Vorsatz der Arbeiterschaft, ihre Macht zu zeigen, mag auch das
                              									Vaterland dabei zu Grunde gehen.
                           Die Absicht der Arbeiter ist auf die Stillegung der Betriebe gerichtet, es mag ihnen
                              									die Absicht der Vermögensschädigung ferngelegen haben, zweifellos ist aber das eine an
                              									sich jedem einzelnen Arbeiter bewußt, daß die Verfolgung dieser Ziele zu jenen
                              									ungeheuren Schädigungen führt, und dieses Bewußtsein reicht aus, um den Tatbestand
                              									der sittenwidrigen Schädigung zu erfüllen.
                           Jeder geschädigte Unternehmer kann darum mit Aussicht auf Erfolg den Versuch
                              									machen, die Arbeiterschaft derjenigen Betriebe, von denen er abhängt, und die in
                              									frivoler Weise den Streik in Szene gesetzt haben, für den entstandenen Schaden
                              									haftbar machen, und kann sich nach Belieben jeden einzelnen ihm zahlungsfähigen Mann
                              									dazu herausgreifen.
                           Dr. jur. Eckstein.