| Titel: | Rechts-Schau. | 
| Autor: | Werneburg | 
| Fundstelle: | Band 333, Jahrgang 1918, S. 88 | 
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                        Rechts-Schau.
                        Rechts-Schau.
                        
                     
                        
                           Maschinenindustrie und Patentrecht II. Nach der
                              									positiven Bestimmung des § 2 des Patentgesetzes gilt eine Erfindung nicht als neu,
                              									wenn sie zur Zeit der Anmeldung in öffentlichen Druckschriften aus den letzten
                              									hundert Jahren bereits derartig beschrieben oder im Inlande bereits so offenkundig
                              									benutzt ist, daß danach die Benutzung durch andere Sachverständige als möglich
                              									erscheint. Das Gesetz bestimmt also hier negativ, was nicht als neu zu gelten hat.
                              									So ist also ausschließlich neuheitsschädlich diejenige Beschreibung einer Maschine
                              									oder Maschinenkonstruktion, die in einer öffentlichen Druckschrift erfolgt. Unter
                              									Druckschrift im Sinne dieser Bestimmung sind alle Erzeugnisse der Buchdruckerpresse
                              									sowie alle anderen durch mechanische oder chemische Mittel bewirkten Vervielfältigungen von
                              									Schriften und bildlichen Darstellungen mit oder ohne Schrift zu verstehen. Demgemäß
                              									fallen hierunter, was für die Prüfung auf Neuheit der Erfindung gerade auf dem
                              									technischen Gebiet besonders wichtig ist, auch bloße Zeichnungen (Entscheidung des
                              									Patentamtes vom 15. Mai 1880, 27. Sept. 1879, 9. Juni 1881) ferner auch
                              									Photographien. Vervielfältigungsarten hingegen, die nicht der Verbreitung des
                              									Schriftwerkes dienen, wie zum Beispiel Schreibmaschinenschrift, gehören nicht zu den
                              									druckschriftlichen Wiedergaben. Ergänzend hierzu ist die Bestimmung des § 23 des
                              									Patentgesetzes zu beachten. Hiernach beschließt nämlich das Patentamt, wenn es die
                              									Anmeldung der Erfindung – also zum Beispiel der Maschinenerfindung – für gehörig
                              									erfolgt erachtet, die Bekanntmachung der Anmeldung. Die Bekanntmachung selbst
                              									erfolgt in der Weise, daß der Name des Patentsuchers und der wesentliche Inhalt des
                              									in seiner Anmeldung enthaltenen Antrages durch den Reichsanzeiger einmal
                              									veröffentlicht wird. Bei dieser öffentlichen Bekanntmachung wird nun aber nur
                              									dasjenige der öffentlichen Druckschrift, was als wesentlicher Inhalt des in der
                              									Anmeldung enthaltenen Antrages im Reichsanzeiger abgedruckt wird, nicht auch die
                              									gesamte Anmeldung hierin abgedruckt. Ihr Inhalt steht daher, auch wenn er infolge
                              									der Auslegung in weiteste Kreise gedrungen sein sollte, der Neuheit einer später
                              									angemeldeten, dasselbe betreffenden Erfindung nicht entgegen (Entscheidung des
                              									Reichsgerichts vom 20. Mai 1881). Oeffentlich im Sinne dieser Bestimmung des
                              									Gesetzes sind solche Druckschriften, die durch Verbreitung dem gesamten Publikum
                              									zugänglich gemacht worden sind, im Gegensatz zu denen, die nur einem Kreise
                              									bestimmter Personen mitgeteilt sind. Als Verbreitung ist auch das Anschlagen,
                              									Ausstellen oder Auslegen der Druckschrift an Orten, wo sie der Kenntnisnahme des
                              									Publikums zugänglich sind, anzusehen. Neben der Verbreitung im Buchhandel kommt
                              									daher namentlich die Auslegung in den öffentlichen Bibliotheken in Betracht,
                              									gleichviel ob das im Inlande oder Auslande erfolgte. Die Voraussetzung der
                              
                              									Oeffentlichkeit ist ferner erfüllt bei Versendung von Zirkularen, Prospekten,
                              									Ankündigungen unter Umständen, die auf eine Bekanntgabe an die Allgemeinheit
                              									schließen lassen, insbesondere also bei Versendung an jeden beliebigen aus dem
                              									Publikum. Geschieht jedoch die Versendung unter Umständen, die erkennen lassen, daß
                              									nur eine vertrauliche Mitteilung gemacht wird, also insbesondere an einzelne
                              									bestimmte Personen, so ist die Oeffentlichkeit in der Regel zu verneinen. Nur
                              									diejenigen Druckschriften sind aber neuheitshindernd, die aus den letzten hundert
                              									Jahren stammen. Diese Beschränkung soll vermeiden, daß die Ergebnisse der wichtigen
                              									Erfindungsperiode wie sie in der Mitte des vorigen Jahrhunderts zu Tage getreten
                              									sind, bereits jetzt zum Gegenstand neuer Erfindungen gemacht, und daß andererseits
                              									bei Prüfung der Anmeldungen auf ihre Neuheit nicht in zu weiter Ferne zurückliegende
                              									Druckschriften durchforscht würden.
                           Abgesehen von diesem besprochenen Fall der Beschreibung der Erfindung – also zum
                              									Beispiel der Maschinenkonstruktion – in öffentlichen Druckschriften gilt ferner eine
                              									Erfindung – Maschinenkonstruktion – auch dann nicht als neu, wenn sie im Inlande
                              									bereits derartig offenkundig benutzt ist, daß danach die Benutzung durch andere
                              									Sachverständige als möglich erscheint. Im Gegensatz zu der Beschreibung der
                              									Erfindung in öffentlichen Druckschriften ist also die offenkundige Benutzung der
                              									Erfindung unbedingt neuheitsschädlich, denn bei ersteren kommt ja nur die
                              									Veröffentlichung innerhalb der letzten hundert Jahre in Betracht.
                           Eine Benutzung der Erfindung – also zum Beispiel der in Frage kommenden
                              									Maschinenkonstruktion – im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung ist aber nur eine
                              									bereits fertige Erfindung. Befindet sich also die betreffende Maschinenkonstruktion
                              									erst im Stadium des Projektes, so ist sie noch nicht ins Leben getreten, also auch
                              									noch nicht offenkundig benutzt, daher auch nicht einer von anderer Seite erfolgenden
                              									Patentanmeldung neuheitsschädlich. Auch die Vornahme von Versuchen zwecks Vollendung
                              									der Erfindung ist noch keine Benutzung der Erfindung in diesem Sinne der
                              									Neuheitsschädlichkeit, wohl aber andererseits die Vornahme von Versuchen mit der
                              									vollendeten Erfindung (R. G. E. vom 18. Sept. 1897); wenn also der Erfinder der
                              									fraglichen Maschinenkonstruktion diese bereits in technisch vollendeter Form in
                              									Wirklichkeit umgesetzt hat und mit ihr die erforderlichen Versuche vornimmt, so kann
                              									eine andere Person für dieselbe von ihr hiernach erfundene und hergestellte
                              									Maschinenkonstruktion für sich nicht mehr Neuheit dieser Konstruktion in Anspruch
                              									nehmen, so daß für sie auch kein Anspruch auf Patenterteilung mehr besteht.
                              									Benutzungshandlungen im Sinne dieser Bestimmung des Patentgesetzes sind übrigens
                              									nicht nur das Herstellen, sondern auch das Inverkehrbringen, Feilhalten und
                              									Gebrauchen der betreffenden Erfindung. Benutzt wird jedenfalls aber die Erfindung in
                              									erster Linie durch die Herstellung des Gegenstandes (R. G. E. 11. Dezember 1895),
                              									also zum Beispiel der Maschine mit der erfundenen Maschinenkonstruktion oder des
                              									Dampfkessels mit der neu erfundenen Vorrichtung. Der Satz dieser gesetzlichen
                              									Bestimmung, „daß danach die Benutzung durch andere Sachverständige als möglich
                                 										erscheint“, bezieht sich auf die Beschreibung und Benutzung. Er bestimmt
                              									also mit anderen Worten das Maß der Erkennbarkeit der Erfindung und regelt dies
                              									entsprechend dem Grundprinzip des Patentgesetzes, die gewerbliche Praxis zu
                              									beherrschen, dahin, daß die Bekanntgabe an die Allgemeinheit die Möglichkeit der
                              									Nachbenutzung eröffnen soll. Es genügt hierbei, daß ein anderer, d.h. von der Person
                              									des – die technische Konstruktion – beschreibenden oder benutzenden verschiedener
                              									Sachverständiger in der Lage ist, die betreffende Erfindung – Maschinenerfindung zum
                              									Beispiel – an der Hand des Beschriebenen oder Benutzten nachzumachen. Diese
                              									Möglichkeit einer Nachmachung der Erfindung ist für den Sachverständigen nicht
                              									allein schon dann vorhanden, wenn diese ohne weiteres durch den Augenschein
                              									erkennbar ist, sondern auch dann, wenn sie durch Untersuchung ohne Aufwand
                              									erfinderischer Tätigkeit erkannt werden kann (R. G. E. vom 9. Juni 1881, 28. Juni
                              									1914). Ist eine Maschine aber zum Beispiel so kompliziert, daß ein Sachverständiger
                              									sie ohne Auseinandernehmen nicht nachmachen kann, so liegt offenkundige Benutzung im
                              									Sinne dieser Gesetzesbestimmung nicht vor, wenn ihm nur Gelegenheit zu einer äußeren
                              									Besichtigung, zum Beispiel bei einer Vorführung, geboten war (Entscheidung des
                              									Patentamtes vom 6. Januar 1881).
                           Rechtsanwalt Dr. Werneburg.