| Titel: | Das Abhorchen von Ferngesprächen und die Erdtelegraphie im Felde. | 
| Autor: | Hans Schäfer | 
| Fundstelle: | Band 334, Jahrgang 1919, S. 94 | 
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                        Das Abhorchen von Ferngesprächen und die
                           								Erdtelegraphie im Felde.
                        Von Hans Schäfer,
                           								München.
                        SCHÄFER: Das Abhorchen von Ferngesprächen und die Erdtelegraphie im
                           								Felde.
                        
                     
                        
                           Sehr bald im Kriege erkannte man die Gefahr, daß auf Fernsprechleitungen
                              									geführte Gespräche auf unterirdische Kabel induziert und durch diese zum Feinde
                              									geleitet werden können. Durch Aufsuchen der unterirdischen feindlichen Kabel, deren
                              									Lage ja zum großen Teil schon vorher bekannt war, suchte man dieser Gefahr zu
                              									begegnen.
                           Nachdem man in den Stellungskrieg eingetreten war, merkte man 1915 an auffälligen
                              									Kennzeichen, daß es dem Feind anscheinend möglich war, die deutschen Gespräche
                              									mitzuhören. So wurde z.B. die Beobachtung gemacht, daß die feindliche Infanterie zu
                              									arbeiten aufhörte und in den Gräben verschwand, sobald unsere Infanterie oder unsere
                              									Artilleriebeobachter durch Fernsprecher Artilleriefeuer auf die feindlichen
                              									Stellungsarbeiten anforderten. Es mußte also dem Feind möglich sein, unsere
                              									Ferngespräche mitzuhören. Unterirdische Kabel kamen nicht in Frage. Von Gefangenen
                              									aber hörte man, daß der Feind tatsächlich einen Apparat besitze, der ihm das
                              									Mithören der deutschen Ferngespräche erlaube. Vorfeld-Patrouillen stellten zudem
                              									fest, daß vor der deutschen Stellung Pfähle in die Erde getrieben waren, von denen
                              									Drähte zur feindlichen Stellung führten. Die feindliche Abhorchtätigkeit war somit
                              									erkannt und festgestellt.
                           Dies gab den Anstoß einerseits zur Schaffung und Ausbildung eigener Abhorchtätigkeit,
                              									andererseits zur Einführung von Maßnahmen, um dem Feind das Abhorchen zu erschweren
                              									oder unmöglich zu machen. Aus der Abhorchtätigkeit ging dann die Erdtelegraphie
                              									hervor.
                           Wir können die einzelnen Stadien der Entwicklung von Gerät und Organisation hier
                              									nicht verfolgen. An dieser Stelle soll hauptsächlich die Technik des Geräts
                              									besprochen, die Organisation und der Einsatz kurz gestreift werden.
                           Wir gehen bei der technischen Betrachtung von einer Einfachleitung aus, bei der also
                              									die Erde die Rückleitung des Stromes darstellt. Der Strom fließt dann von einem
                              									zum andern Erdungspunkt in einem System von Stromfäden, das sich sowohl in der
                              									Breite wie in der Tiefe in die Erde erstreckt. Bei homogener Beschaffenheit der Erde
                              									erhalten wir dabei regelmäßige Kurven, die von dem einen Erdungspunkt zum andern
                              									laufen. Verbindet man nun die Punkte gleicher Stromspannung auf den verschiedenen
                              									Stromfäden, so erhält man senkrecht dazu verlaufende Kurvenscharen, die Linien
                              									gleicher Spannung oder die Aequipotentiallinien.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 334, S. 93
                              Abb. 1.Einbau einer Abhorchstation.
                              
                           Werden zwei Punkte verschiedener Aequipotentiallinien oder
                              									verschiedener Spannung durch einen Leiter miteinander verbunden, so fließt
                              									bekanntlich ein elektrischer Strom von dem Punkt höherer Spannung zu dem niederer
                              									Spannung, also mit dem Stromgefälle. Der Strom besitzt eine um so größere Stärke, je
                              									größer das Stromgefälle ist, mit andern Worten, je mehr Aequipotentiallinien durch
                              									den verbindenden Leiter geschnitten werden. Der Strom, der zwischen den beiden
                              									verbundenen Punkten fließt, ist ein Teil und damit selbstverständlich ein getreues
                              									Abbild des zwischen
                              									den beiden Erdungspunkten der Fernsprechleitung fließenden Stromes mit all seinen
                              									Schwankungen. Legt man daher in die Verbindungsleitung zwischen den beiden Punkten
                              									verschiedener Spannung einen Fernhöhrer, so kann man in diesem die auf der
                              									Einfachleitung geführten Gespräche hören. Da jedoch nur ein Teil des zwischen den
                              									beiden Erdungspunkten fließenden elektrischen Stromes aufgefangen wird, ist im
                              									allgemeinen der aufgefangene Strom zu schwach, als daß er ohne weiteres die
                              									Gespräche vernehmbar machen würde. Der Strom muß daher noch durch einen
                              									Lautverstärker verstärkt werden. Bei einer Doppelleitung werden Fehler in der
                              									Isolation, die einen Uebertritt des Stromes aus der Leitung in die Erde ermöglichen,
                              									natürlich auch das Abhorchen möglich machen. Schließlich ist auch noch zu beachten,
                              									daß die auf den eigenen Fernsprechleitungen geführten Gespräche auf die eigenen
                              									Horchleitungen induziert und durch diese in die Erde geleitet werden können.
                           Neben dem unmittelbaren Abfangen von elektrischem Strom aus der Erde ist noch das
                              									mittelbare Abfangen durch Induktion zu verwenden, bei dem die Horchleitung so in das
                              									elektromagnetische Feld der abzuhorchenden Fernsprechleitung gebracht wird, daß die
                              									auf dieser geführten Gespräche auf die Horchleitung induziert werden. Wie die
                              									gutisolierte Doppelleitung der Einfachleitung in bezug auf den Schutz gegen das
                              									unmittelbare Abhorchen bei weitem überlegen ist, so auch in bezug auf das mittelbare
                              									Abfangen; das elektromagnetische Feld einer Einfachleitung reicht viel weiter als
                              									das einer Doppelleitung, bei der die Kraftlinien zum großen Teil zwischen den beiden
                              									Leitungszweigen verlaufen und zwar um so mehr, je näher sich diese liegen.
                           Soll nun eine feindliche Fernsprechleitung abgehorcht werden, so ist zunächst die
                              									Auffangvorrichtung zu schaffen. Dies ist natürlich dadurch erschwert, daß man nicht
                              									wie bei der obigen theoretischen Einführung die Lage der feindlichen
                              									Fernsprechleitungen und ihrer Erdungspunkte, somit den Verlauf der
                              									Aequipotentiallinien kennt, daß man daher die günstigste Lage der Punkte möglichst
                              									verschieden großer Spannung, an denen die Horchleitungen der Abhorchstation in die
                              									Erde zu führen sind, nicht ohne weiteres weiß, sondern durch den praktischen Versuch
                              									bestimmen muß.
                           Man muß daher Suchleitungen in größerer Anzahl in den verschiedensten Richtungen
                              									strecken, wobei man einerseits dafür sorgen muß, daß die Suchleitungen möglichst
                              									nahe an die feindlichen Stellungen herankommen – nahe beieinanderliegende
                              									Stellungsteile, Sappen, Wasserläufe, Eisenbahnschienen, alte Kabel- und
                              									Drahtleitungen leisten dabei häufig gute Dienste –, andererseits wird man aber auch
                              									in der Nähe der eigenen Station Sucherden anbringen, da die richtige Kombination von
                              									Erdungspunkten, die das beste Stromgefälle ergeben, häufig nur unter Benutzung in
                              									der Nähe der Station gelegener Stellen gefunden wird. Die Verbesserung der Erden,
                              									ihre Vermehrung, ihr weiterer Ausbau sind Aufgaben, die nie als abgeschlossen gelten
                              									können. Insbesondere ist auch dafür zu sorgen, daß die Erdung selbst in
                              									bestmöglicher Weise ausgeführt wird. Die Suchleitung, die von dem Erdungspunkt zu
                              									dem Apparat führt, ist gut zu isolieren. Bei ihrer Verlegung muß auch stets auf die
                              									Lage der eigenen Fernsprechleitungen Rücksicht genommen werden, da sonst die
                              									Aufnahme feindlicher Gespräche durch das Mithören eigener induzierter Gespräche
                              									unmöglich wird. Die sämtlichen Suchleitungen laufen am Apparat in einem Suchschalter
                              									zusammen, der die wahlweise Kombination der verschiedenen Erden ermöglicht.
                           Der Apparat selbst wurde in einem trockenen, schußsicheren Unterstand ungefähr
                              									in der Hauptwiderstandslinie eingebaut. Dies entsprach den beiden Forderungen,
                              									einmal, daß eine Ueberrumpelung durch den Feind nicht ohne weiteres möglich sein
                              									soll, zum andern, daß die Suchleitungen nicht zu lang werden, was die
                              									Induktionsmöglichkeit durch eigene Leitungen erhöht und außerdem die Instandhaltung
                              									erschwert.
                           Haben wir den elektrischen Strom durch die Erden und die Suchleitungen zum Apparat
                              									geleitet, so beginnt nunmehr die Aufgabe des Verstärkers, die angekommenen schwachen
                              									Sprech- und Summerströme nach Bedarf zu verstärken. Dazu benutzt man die
                              									Verstärkerröhren, wie sie auch auf langen Fernsprechleitungen bei der Post zur
                              									Verstärkung schwach ankommender Ströme Verwendung finden; auch die Funkentelegraphie
                              									wendet diese Verstärker an und zwar nicht nur als Lautverstärker, sondern auch als
                              									Detektoren und in neuerer Zeit vor allem auch zur Erzeugung ungedämpfter
                              									Schwingungen mit Hilfe der Rückkoppelung. Das Prinzip des Verstärkers sei kurz
                              									besprochen, wobei ich für genauere Angaben auf „Die Telegraphentechnik“ von
                              									Dr. K. Strecker, S. 79, und vor allem auf das
                              										„Lehrbuch der drahtlosen Telegraphie“ von Dr. J. Zenneck, 4. Aufl. S. 338 und 510 verweise.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 334, S. 94
                              Abb. 2.Verstärkerröhre.
                              
                           Grundlegend gilt dabei: Gase leiten an sich die Elektrizität schlecht, praktisch so
                              									gut wie garnicht; sie werden aber leitend bei starker Erhitzung, bei starker
                              									Druckverminderung und durch Bestrahlung mit gewissen Strahlen. Wird nun in einer
                              									luftleeren Röhre, in der sich Anode und Kathode eines Stromkreises befinden, die
                              									Kathode bis zur Weißglut erhitzt, so sendet die Kathode negativ geladene Elektronen
                              									aus, die sich zur Anode bewegen. Solche luftleeren Röhren wurden auch bei den
                              									Feldapparaten verwendet. Eine andere Art der Verstärkerröhren ist z.B. die
                              									Lieben-Röhre nach Lieben und Reiß, bei der die Röhre mit einer geringen Menge von
                              									Quecksilberdampf gefüllt ist. Es eilen dann nicht nur negativ geladene Elektronen
                              									von der Kathode zur Anode, sondern das Gas wird ionisiert, und es wandern
                              									gleichzeitig auch positiv geladene Jonen von der Anode zur Kathode.
                           Ueber die im Feld verwandten Röhren gibt uns Abb. 2
                              									und die nachstehende Beschreibung Aufschluß. Wir haben zunächst die Anodenbatterie
                              										A von 90 V, von deren + Pol eine Leitung über den
                              									Uebertrager Üt II zur Anode An führt, während von dem – Pol eine Leitung über den Uebertrager Üt I zum sogenannten Gitter G geht. Im Punkt x führt weiter eine
                              									Abzweigung zu der Kathode Ka, die durch einen Glühfaden
                              									gebildet wird. Dieser Glühfaden liegt nun mit einem Widerstand im Heizstromkreis,
                              									der von der Heizbatterie H von 6 V gespeist wird; er bringt die
                              									Kathode zum Glühen. Da das Gitter mit dem Abzweigungspunkt die gleiche Spannung hat,
                              									andererseits aber die Kathode noch im Heizstromkreis liegt, so besteht zwischen dem
                              									Gitter und der Kathode ein Spannungsunterschied von rund 2 V. Werden nun von der
                              									glühenden Kathode negative Elektronen ausgestrahlt, so eilen diese der Anode An zu, machen dadurch die Strecke zwischen Kathode Ka und Anode An leitend
                              									und schließen so den Strom der Anodenbatterie A. Dieser
                              									Strom wird also um so stärker fließen, je besser leitend die Verbindung zwischenzwiscken
                              									Ka und An ist. Das
                              									Ueberströmen der negativen Elektronen von Ka zu An wird aber behindert durch das negativ höher geladene
                              									Gitter G, und zwar um so mehr, je größer diese
                              									Spannungsdifferenz ist. Stromschwankungen am Gitter werden sich also durch größere
                              									oder kleinere Leitungsfähigkeit der Strecke Ka–An
                              									bemerkbar machen, was nun wiederum auf die Stärke des Anodenstromes einwirkt.
                              									Wesentlich ist nunmehr, zu untersuchen, wie sich die Beziehungen zwischen der
                              									Gitterspannung und dem durchfließenden Strom gestalten. Beim graphischen Auftragen
                              									dieser Beziehung entsteht eine Kurve, wie sie Abb. 3
                              									zeigt. In einem bestimmten Bereich der Kurve übt die geringste Spannungsveränderung
                              									des Gitters einen erheblichen Einfluß auf den Anodenstrom aus; Spannungsänderungen
                              									von wenigen Volt rufen Stromänderungen von bis zu 1 Milliampere hervor. Die
                              									Stromänderungen sind den Aenderungen der Gitterspannung proportional. Die
                              									Spannungsänderungen des Gitters werden also verstärkt und vergrößert in den
                              									Stromänderungen des Anodenstromes wiedergegeben.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 334, S. 95
                              Abb. 3.Abhängigkeit des Stromes von den Spannungen des Gitters gegen die
                                 										Kathode.
                              
                           Dies wird nun ausgenutzt, indem wir den ankommenden Fernsprechstrom, den wir
                              									verstärken wollen, dem Anodenstromkreis zwischen – Pol der Anodenbatterie und dem
                              
                              									Gitter mitteilen, und zwar geschieht dies über einen Uebertrager, wodurch die
                              									Mitteilung nur bei Wechselströmen (Sprech- oder Summerströmen) erfolgt. Der schwache
                              									ankommende Fernsprechstrom verändert die Gitterspannung nur in geringem Umfange;
                              									richtet man aber, was man durch den Bau der Lampe in der Hand hat, den Prozeß so
                              									ein, daß man mit der Gitterspannung in den Arbeitsbereich der Lampe kommt, so
                              									erhalten wir erhebliche Veränderungen des Anodenstromes. Ueber einen Uebertrager
                              									nehmen wir diesen Strom wieder ab und vernehmen nun in einem eingeschalteten
                              									Fernhörer einen wesentlich verstärkten Strom. Genügt die Verstärkung durch eine
                              									Lampe nicht, so nimmt man eine 2., 3. oder 4., bis man die abzuhorchenden Gespräche
                              									deutlich im Fernhörer vernehmen kann. Eine Lampe gibt eine Verstärkung auf das 6-
                              									bis 9-fache; bei Anwendung mehrerer Lampen potenziert sich die Wirkung.
                           Im praktischen Betriebe sind die Verhältnisse natürlich nicht so einfach gelagert,
                              									wie es eben geschildert ist. Es ergeben sich hier mancherlei Störungen, vor allem
                              									durch Erdgeräusche und Starkstrom. Die Apparate sind gegen die Erde gut isoliert
                              									aufzustellen. Erdgeräusche, die auf Spannungsunterschiede in der Erde
                              									zurückzuführen sind und so stark werden können, daß sie das Aufnehmen von
                              									Ferngesprächen unmöglich machen, können durch den Nebenschlußwiderstand und den
                              									Nebenschlußkondensator, sowie durch besondere Anlage und Schaltung der Suchleitungen
                              									bekämpft werden. Durch Nebenschlußwiderstand und Nebenschlußkondensator werden
                              									natürlich auch die Gespräche selbst geschwächt, trotzdem aber wird dadurch häufig
                              									eine Besserung erzielt.
                           Störungen durch Starkstrom können zwar ebenfalls durch die obenerwähnten Maßnahmen
                              									gemildert werden; eine völlige Ausschaltung ergibt aber nur das Ausschalten des
                              									Starkstromes. Für den eigenen Abhorchbetrieb sind daher stets im Benehmen mit dem
                              									Starkstrom Offizier die Betriebsstunden so einzurichten, daß man durch den
                              									Starkstrom nicht behindert wird. Andererseits bietet aber auch das Abhorchen
                              									feindlicher Starkstromtätigkeit wertvolle Einblickmöglichkeiten in die feindlichen
                              									Absichten. Der geübte Hörer- kann das Starkstromgeräusch einer Lichtleitung von dem
                              									eines Motors genau unterscheiden, er erkennt, ob das Geräusch von einer Bohranlage
                              									oder von einer Pumpe oder von einem Ventilator stammt. Vor allem in Gegenden, wo
                              									sich die Gegner im Minenkrieg bekämpfen, ist es von außerordentlicher Bedeutung,
                              									rechtzeitig Kenntnis von feindlichen Minierabsichten zu besitzen.
                           Auch die Wellen der Funkentelegraphie verursachen Störungen, deren Wirkung ebenfalls
                              									durch die erwähnten Hilfsmittel gemindert werden kann. Erwähnt seien schließlich
                              									noch die Gewitterstörungen.
                           Begreiflicherweise war es das lebhafteste Bestreben, dem Feinde das Mithören zu
                              									erschweren und unmöglich zu machen. Dazu standen drei Wege zur Verfügung: 1. der Bau
                              									besonderer Fernsprechapparate, 2. besondere Maßnahmen beim Bau der
                              									Fernsprechleitungen, 3. Vorsichtsmaßregeln beim Fernsprechbetrieb.
                           Der Bau besonderer Fernsprechapparate hat wieder verschiedene Richtungen
                              									eingeschlagen: zum Teil wollte man mit Gleichstrom arbeiten, der im Abhorchapparat,
                              									wie oben ausgeführt, nicht mitgehört wird; andere Lösungen suchen, durch Störströme
                              									– Starkstrom oder Summerstrom – dem Abhorchenden durch das Uebertönen der
                              									aufgefangenen Fernsprechströme das Mithören unmöglich zu machen. Jedenfalls war es
                              									bis zum Schluß des Krieges nicht gelungen, einen abhörsicheren Fernsprechapparat zu
                              									schaffen. Wohl aber besaßen wir einen abhörsicheren Summerapparat, den sogenannten
                              									Utel.
                           Bezüglich des Fernsprechleitungsbaues ist zu bemerken, daß vor allem für guten, von
                              									Isolationsfehlern freien Bau von Doppelleitungen mit nahe beieinanderliegenden
                              									Leitungszweigen gesorgt wurde. Die Leitungen waren dann weiterhin sorgfältig
                              									instandzuhalten, was mit dem zunehmenden Mangel an brauchbaren Isolationsmaterialien
                              									immer schwieriger wurde. Vorwärts der Bataillone wurden Fernsprechleitungen nicht
                              									mehr geduldet; vor Großkampf Unternehmungen ging man sogar noch weiter und ließ
                              									keine Fernsprechleitungen von den Regimentsgefechtsständen nach vorne mehr zu.
                              									Querverbindungen in dem vorderen 2 bis 3 km tiefen Raum, der sogenannten Gefahrzone,
                              									waren verboten. Eine weitere Baumaßnahme bestand in der völligen Trennung des
                              									Fernsprechnetzes in Höhe der Regimentsgefechtsstände der Infanterie bzw. der
                              									Untergruppengefechtstände der Artillerie, um auf diese Weise das Sprechen von
                              									rückwärts in die Gefahrzone hinein zu verhindern. Schließlich war auch ein
                              									besonderes Augenmerk darauf zu richten, daß keine ober- oder unterirdischen
                              									Leitungen zum Feinde führen. Dazu mußten vor allem die unterirdischen Kabel
                              									aufgesucht und unschädlich gemacht werden. Dies taten besondere Kabelsuchtrupps; mit Hilfe eines
                              									mittleren Funkengeräts wurde gesendet, mit einem Rahmen mit Detektor und
                              									Kopffernhörer wurde aufgenommen; wanderte man mit dem Empfangsrahmen über einem
                              									unterirdischen Kabel hinweg, so diente das unterirdische Kabel zur Herstellung einer
                              									mehr oder weniger engen Koppelung zwischen Sender und Empfänger, was sich im
                              									Kopffernhörer durch mehr oder weniger starkes Hören der gesendeten Zeichen bemerkbar
                              									machte. Auf andere Weise ergibt sich bei der Erdung zweier Pole einer
                              									Wechselstrommaschine eine feststellbare, durch den unterirdischen Leiter
                              									hervorgerufene Verzerrung der Aequipotentiallinien.
                           Da aber alle Maßnahmen der erwähnten Art einen sicheren Schutz nicht verbürgten, war
                              									im Fernsprechbetrieb darauf zu achten, daß der Fernsprechverkehr in der Gefahrzone
                              									auf das notwendigste Mindestmaß beschränkt wurde, daß ferner durch Anwendung von
                              									Deckworten, durch Chiffrieren mit Hilfe des Schlüsselheftes und durch ähnliche
                              									Maßnahmen dem Feind, auch wenn ihm das Abhorchen technisch gelingt, doch der Inhalt
                              									des abgehorchten Gesprächs verborgen bleibt. Die kleinste Unvorsichtigkeit kann zu
                              									den schwerwiegendsten Folgen führen. Die Abhorchstationen werden daher zur
                              									Sicherstellung der vorsichtigen Handhabung des Fernsprechers auch zur Ueberwachung
                              									des eigenen Sprechverkehrs herangezogen.
                           Wie wichtig diese Vorsicht ist, soll uns ein kurzer Blick auf die taktische
                              									Auswertung der Abhorchergebnisse zeigen. Die Abhorchstationen werden im allgemeinen
                              									in einem durchschnittlichen Abstand von 4 km voneinander eingesetzt, so daß sie also
                              									ungefähr 2 km nach jeder Seite zu überwachen haben. Zu jeder Abhorchstation gehört
                              									ein der Nachrichtentruppen angehöriger besonderer Trupp ausgebildeter Mannschaften,
                              									unter denen sich gleichzeitig Dolmetscher befinden. Die Ergebnisse wurden
                              									beschleunigt zur Gruppe (Generalkommando) übermittelt; erforderlichenfalls wurden
                              									wichtige und dringliche Ergebnisse, wie unmittelbar bevorstehende feindliche
                              									Angriffsabsichten, der beteiligten Truppe sofort unmittelbar mitgeteilt. Bei der
                              									Gruppe befand sich beim Gruppennachrichtenkommandeur eine Auswertungsstelle für den
                              									gesamten Beobachtungsdienst der Abhorchstationen, Funkenbeobachtungsstationen und
                              									Funkenrichtempfänger. Von hier werden die Ergebnisse, soweit es von Wert ist, der
                              									Truppe zugeführt, gleichzeit laufen alle Ergebnisse zur Auswertungsstelle beim
                              									Armeenachrichtenkommandeur weiter und von hier wieder weiter, bis sie dann für das
                              									Ganze nutzbar gemacht werden. Die Auswertungsstellen waren bodenständig.
                           Die geringste Unvorsichtigkeit kann die schwersten Folgen nach sich ziehen, und das
                              									Leben von tausenden Kameraden aufs Spiel setzen. Eigene Angriffsabsichten,
                              									Ablösungen usw. werden verraten, Geschützstellungen, Befehlsstände,
                              									Fernsprechstationen werden dem Feind bekannt, auch aus den Namen der Telegraphisten
                              									und ihrem etwaigen gemeinsamen Verschwinden kann er Schlüsse auf Ablösung ziehen.
                              									Die Abhorchtätigkeit des Feindes birgt also schwere Gefahren in sich. Der
                              									Abhorchgewinn war natürlich beim Aufkommen der Apparate am besten, als noch keine
                              									Vorsichtsmaßnahmen beim Gegner getroffen waren; er war insbesondere gut bei dem
                              									Engländer, der zunächst hauptsächlich mit Summer arbeitete. Späterhin, als der Feind
                              									vorsichtiger wurde, wurde die Ausbeute wesentlich geringer; sie war jedoch immer
                              									noch von erheblicher Bedeutung.
                           Aus der Abhorchtätigkeit nun ist die Erdtelegraphie hervorgegangen. Gelangt beim
                              									Abhorchen der abgehorchte Strom nur zufällig und sogar gegen den Willen des den
                              									Strom Aussendenden in die Erde, so wird bei der Erdtelegraphie gerade bezweckt,
                              									einen Strom in die Erde zu senden, der auf der Gegenstation abgefangen werden kann.
                              									Ein Erdtelegraphenapparat besteht daher aus Sender und Empfänger; da sich auf jeder
                              									Station diese beiden Teile befinden, so ist Wechselverkehr zwischen den Stationen
                              									möglich. Die Zeichen werden durch Summer nach dem Morsealphabet gegeben. Nur kurz
                              									sei an dieser Stelle auch an die Versuche mit Unterwassertelegraphie
                              									hingewiesen.
                           Auf der Sendestation befindet sich als primäre Stromquelle ein 12 - V - Sammler; als
                              									Summer wird ein Pendelumformer verwendet, der den Gleichstrom des Sammlers in einen
                              									Wechselstrom von ungefähr 600 Perioden verwandelt. Das Prinzip des Pendelumformers
                              									wird als bekannt vorausgesetzt.
                           Bei der Erdtelegraphie kann nun natürlich wieder für die Anlage der Erdungspunkte mit
                              									ihren Verbindungsleitungen zum Apparat eine möglichst günstige Lage gewählt werden.
                              									Man verwendet zum Senden 2 Erdungspunkte und nennt deren Verbindungslinie die Basis.
                              									Die Basisrichtungen der beiden miteinander in Verkehr stehenden Stationen müssen nun
                              									so zueinander liegen, daß auf der Empfangsstation die Erdungspunkte ein möglichst
                              									großes Stromgefälle in sich schließen. Ihre Verbindungslinie muß möglichst viele
                              									Aequipotentiallinien schneiden, die Stromlinien der Sendestation müssen daher die
                              									Basis der Empfangsstation unter möglichst kleinem Winkel schneiden oder berühren;
                              									dies wird, gleichartige Geländeverhältnisse zwischen den beiden Stationen
                              									vorausgesetzt, am besten erreicht, wenn die beiden Basisrichtungen einander parallel
                              									sind. Mit dem Kompaß wird dies zu erreichen versucht. Es liegen aber immerhin in den
                              									Verschiedenheiten des Bodens zwischen den beiden Stationen so viele
                              									Ablenkungsmöglichkeiten, daß es zweckmäßig ist, auf der Empfangsstation die
                              									günstigste Lage der Horcherden wieder durch Versuch zu bestimmen. Die Länge der
                              									Basis selbst ist ebenfalls von wesentlichem Einfluß auf die Wirkung; je länger die
                              									Basis ist, desto besser. Im allgemeinen wird wohl eine Basislänge von ungefähr 50 m
                              									gewählt. Unter sonst gleichen Verhältnissen steigt die Reichweite bei einer Zunahme
                              									der Basislänge von ungefähr 40 auf 300 m, von 600 auf 3000 m.
                           Weiter sind von Einfluß der Uebergangswiderstand zwischen Erdleitung und Erde, der
                              									durch möglichst gute Erdung auf ein Mindestmaß zu verringern ist, der
                              									Leitungswiderstand der Erde selbst, für den insbesondere der Feuchtigkeitsgehalt,
                              									die Dichte des Bodens (vorhandene Hohlräume) und die Lagerung und Ausbreitung der
                              									Schichten wesentlich ist, und vor allem die geologische Beschaffenheit der Erde.
                              									Beim Ausgang unserer Betrachtungen über das Abhorchen haben wir die Verteilung der
                              									Stromfäden im Boden gesehen; wir haben dabei bemerkt, daß die Stromfäden sich im
                              									Boden nach allen Richtungen verbreiten und auch in die Tiefe eindringen. Am
                              									günstigsten ist es nun zweifellos, wenn dieses Eindringen in die Tiefe auf ein
                              									Mindestmaß beschränkt wird, wenn also die Stromfäden gewissermaßen in einer Rinne
                              									verlaufen. Dies ist der Fall bei einer dünnen gutleitenden Schicht auf einer
                              									schlecht leitenden, zum Beispiel bei einer dünnen Humus- oder Verwitterungsschicht
                              									auf Fels (günstige Verhältnisse in den Vogesen). Umgekehrt ist natürlich eine
                              									schlecht leitende Schicht ungünstig, ebenso eine tiefe gut leitende Schicht. Wird
                              									mit voller Verstärkung gearbeitet, so kann je nach den Verhältnissen mit Reichweiten
                              									von 1200 bis 4000 m und darüber gerechnet werden. Im allgemeinen wissenschaftlichen
                              									Interesse wäre es erwünscht, wenn die Ergebnisse der im Kriege seitens der
                              									Nachrichtentruppe und seitens der Vermessungstruppe angestellten Versuche der
                              									Oeffentlichkeit zugänglich gemacht würden. Dabei wäre auch die Frage der Beeinflussung durch
                              									Wasserläufe zu klären. Die praktischen Bedürfnisse des Krieges erforderten
                              									begreiflicherweise immer, daß die Erdtelegraphenstation sich den taktischen
                              									Erfordernissen anpaßte und in der Nähe der zugehörigen Befehlsstelle lag; es konnte
                              									dabei auf die geologischen Verhältnisse im allgemeinen wenig geachtet werden.
                           Neben den schon für das Abhorchen erwähnten Störungen sind für die Erdtelegraphie
                              									noch zu beachten: Störungen durch in der Nähe befindliche Fernsprechleitungen, durch
                              									andere Erdtelegraphenstationen, schließlich Störungen durch den Gegner. Die
                              									Fernsprechleitungen müssen auch aus diesem Grunde als Doppelleitungen ausgebaut und
                              									sorgfältig unterhalten werden. Erdtelegraphen- und Fernsprechstationen dürfen nicht
                              									im gleichen Stollen untergebracht werden, da sie sich sonst gegenseitig beim Betrieb
                              									stören; geschieht es doch, so muß die Erdtelegraphie ruhen, so lange die
                              									Fernsprechleitungen noch arbeiten. Die Störungen durch andere Sender lassen sich
                              									durch richtige Wahl der Basisrichtungen vermindern; die Störungen sind übrigens nur
                              									dann wesentlich, wenn zahlreichere Stationen auf engem Raum beisammen untergebracht
                              									sind, so daß sich die Sendebereiche der Stationen überdecken; Abhilfe gegen solche
                              									Störungen schaffen die Sender mit verschiedener Tonhöhe, die eine Unterscheidung
                              									ermöglichen. Der Gegner kann hauptsächlich die vorderen Stationen stören; Abhilfe
                              									dagegen kann nur in sehr beschränktem Umfange geschaffen werden. Bemerkenswert ist
                              									eine Erfahrung, die man mit Betonunterständen gemacht hat; sie waren für
                              									Erdtelegraphenstationen außerordentlich ungünstig, da die akustischen
                              									Verhältnisse sehr schlecht waren. Das Geschützfeuer in der Nähe stehender Geschütze
                              									machte sich in solchen Unterständen als lebhaftes Dröhnen bemerkbar, daß die
                              									erdtelegraphischen Zeichen sehr schlecht zu vernehmen waren.
                           Die Erdtelegraphie ist natürlich vom Feinde ohne weiteres mitzuhören; es muß deshalb
                              									stets verschlüsselt gegeben werden. Da das Durchgeben eines Spruches bei der
                              									Erdtelegraphie an sich schon verhältnismäßig lange Zeit erfordert, wurden besondere
                              									Meldungen fertig vorbereitet und im ganzen durch kurze Zeichen gegeben oder es wurde
                              									die Kurzschrift des Schlüsselheftes verwendet. Der Betrieb vollzog sich nach
                              									ähnlichen Grundsätzen wie bei der Funkentelegraphie. Die Erdtelegraphie hat dieser
                              									gegenüber in der vorderen Kampfzone den Vorzug der größeren Zuverlässigkeit und des
                              									geringeren Raumbedarfs. Schwierigkeiten ergaben sich bei Großkampfhandlungen vor
                              									allem dadurch, daß die empfindlichen Sammler im Artilleriefeuer über unwegsames
                              									Gelände nach vorne gebracht werden mußten. Für den Einsatz ergab sich häufig eine
                              									Verbindung der Erdtelegraphen- und Funkenstationen zu zusammenhängenden Netzen,
                              									seltener eine Verbindung zwischen Erdtelegraphen- und Blinkstationen. Die ersten
                              									praktischen Einsatzversuche wurden 1916 gemacht; in der Sommeschlacht wurde zum
                              									ersten Male allerdings zunächst nur einseitige Erdtelegraphie verwendet. In den
                              									großen Schlachten der folgenden Zeiten bis in den Sommer 1918 hinein hat sie dann
                              									vorzügliche Dienste geleistet und den Einsatz manchen Menschenlebens zum
                              									Störungssuchen und zum Ueberbringen von Meldungen erspart.