| Titel: | Neue Richtungen in der Kraftwagentechnik. | 
| Autor: | v. Löw | 
| Fundstelle: | Band 334, Jahrgang 1919, S. 106 | 
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                        Neue Richtungen in der
                           								Kraftwagentechnik.
                        Von Dipl.-Ing. Freiherrn v. Löw, Dozent für Kraftwagenbau an der Techn. Hochschule zu
                              								Darmstadt.
                        Neue Richtungen in der Kraftwagentechnik.
                        
                     
                        
                           Es ist natürlich, daß man bei dem Kraftwagen danach strebt, einen möglichst
                              									leichten Motor zu verwenden, um die Kosten für die Beförderung des Eigengewichts
                              									tunlichst niedrig zu bekommen. Wir brauchen also einen Motor, der im Verhältnis zu
                              									seinem Gewicht eine möglichst hohe Leistung erzielt. Für die hohe Leistung ist
                              									es gut, den Füllungsverlust der Zylinder, der durch Drosselung in der
                              									Saugleitung und dem Vergaser entsteht, tunlichst zu vermindern. Dies führt dazu, die
                              									Motoren mit großen, weiten Vergasern anszurüsten.
                           Schon bei den ortfesten Gasmaschinen, die doch nur mit ganz geringen Veränderungen
                              									der Drehzahl arbeiten, bereiteten Belastungsänderungen Schwierigkeiten und zeigten die unangenehme
                              									Eigenschaft der Gasmaschine, bei Ueberlastung sofort stehen zu bleiben. Bei der
                              									Regelung durch Aussetzerhube ward die Ungleichförmigkeit der Winkelgeschwindigkeit
                              									des Schwungrades störend, und wenn man den Regler auf die Zylinderfüllung oder die
                              									Gemischzusammensetzung einwirken ließ, verlor die Zylinderfüllung leicht ihre
                              									Entzündbarkeit.
                           Die Dampflokomotive und die elektrische Lokomotive haben Motoren, deren Zugkräfte und
                              									Drehmomente in der willkommensten Weise verändert werden können, aber bei Kraftwagen
                              									haben wir ein besonderes Zahnradwechselgetriebe nötig, um bei dem früher meist nur
                              									wenig veränderlichen Drehmoment des Motors eine so stark veränderliche Zugkraft an
                              									den Wagenrädern zu erzeugen, wie sie von den mehr oder weniger starken
                              									Straßensteigungen verlangt werden. Diese Zahnrad-Wechselgetriebe werden bei uns in
                              									Deutschland seit ungefähr sechs Jahren fast bei allen Wagen mit vier Stufen für die
                              									Vorwärtsfahrt und einer Stufe für die Rückwärtsfahrt ausgerüstet. Wie leicht
                              									einzusehen ist, erzeugt das Wechseln dieser Schaltgänge während der Fahrt sehr
                              									unangenehme Beanspruchungen in den Antriebsorganen des Kraftwagens, und es gehört zu
                              									den wichtigsten Geschicklichkeiten des Führers, das Wechseln der Zahnräder bei
                              									gleichzeitiger Unterbrechung einer Reibungskuppelung und Gasabstellung des Motors so
                              									auszuführen, daß die Antriebsorgane möglichst wenig leiden. Diese ungünstigen
                              									Erscheinungen bei dem Wechseln der Zahnradübersetzungen haben das Streben gezeitigt,
                              									den Motor selbst für ein tunlichst veränderbares Drehmoment auszubilden.
                           Die Hauptschwierigkeit bei der Lösung dieser Aufgabe bildete früher die Auffassung,
                              									daß der Unterdruck in der Saugleitung etwas Schädliches sei, das man tunlichst
                              									bekämpfen müsse. Dies führte zu sehr weiten Saugleitungen und sehr großen Vergasern,
                              									wie sie tatsächlich zum Erzielen einer möglichst hohen Leistung des Motors gut sind.
                              									Sinkt aber bei solch großen Vergasern mit weiter Luftdüse die Drehzahl des Motors
                              									nur wenig, so versagt sofort die Gemischbildung. Es hat sich daher bei
                              									Kraftwagenmotoren für zweckmäßig erwiesen, den Vergaser etwas kleiner zu wählen.
                              									Dadurch wird die Höchstleistung des Motors zwar um ein weniges beschränkt, aber die
                              									Durchzugsfähigkeit der Schaltgänge bei zunehmender Steigung und das
                              									Beschleunigungsvermögen des Wagens bei wachsender Geschwindigkeit nach dem Anfahren
                              									in willkommenster Weise vermehrt.
                           Man darf also für die gute Lösung dieser Aufgabe den Unterdruck in der Saugleitung
                              									nicht lediglich als Drosselung – als etwas Schädliches – auffassen, sondern als
                              									etwas, das für die Gemischbildung förderlich ist.
                           Aber nicht nur für die Erhöhung des Beschleunigungsvermögens und der
                              									Durchzugsfähigkeit bei Beibehaltung desselben Schaltganges ist die Verengung des
                              									Vergasers förderlich, sondern auch für den Betrieb mit schwer vergasenden
                              									Brennstoffen.
                           Für die Verwendung von Spiritus als Treibstoff für Kraftwagen hat sich die
                              									Verengung des Vergasers als ganz vorzüglich erwiesen. Bei zahlreichen Versuchen, die
                              									auf diesem Gebiete gemacht worden sind, zeigte sich zum Beispiel, daß bei dem
                              									Uebergang vom Benzin zum Spiritus an einem gewissen Motor eine Verminderung des
                              									Durchmessers der Luftdüse von 25 min auf 19 mm die besten Ergebnisse einbrachte; so
                              									daß dann der Motor fast genau die gleiche Leistung hatte wie vorher bei Benzin. In
                              									Anbetracht des geringen Heizwertes von Spiritus gegenüber Benzin ist das zunächst
                              									etwas überraschend, läßt sich aber in folgender Weise erklären: Da Spiritus viel
                              									weniger Luft zu seiner Verbrennung braucht als Benzin, so erhält die Zylinderfüllung
                              									doch nahezu die gleiche Energie, einerlei, ob der Zylinder mit dem günstigsten
                              									Spiritus-Luftgemisch oder Benzin-Luftgemisch gefüllt ist. Und weiter kommt noch
                              									hinzu, daß Spiritus selbst in dem gewöhnlichen für Benzinbetrieb gebauten
                              									Kraftwagenmotor einen viel höheren thermischen Wirkungsgrad erzielt, wie sich
                              									ebenfalls aus zahlreichen Versuchen ergeben hat.Vgl.
                                    											Kraftwagenbetrieb mit Inlandbrennstoffen, Kreidels Verlag,
                                    										Wiesbaden. Daß Spiritus in einem Motor mit höherem Verdichtungsdruck
                              									einen besonders günstigen thermischen Wirkungsgrad erzielt, war schon lange bekannt.
                              									Daß aber auch bei dem niederen für Benzin geeigneten Verdichtungsdruck so gute
                              									Ergebnisse resultieren, waren neue Ueberraschungen, die zu den schönsten Hoffnungen
                              									berechtigen, wenn wir weiter auf diesem Wege fortschreitend bei unseren
                              									Kraftwagenmotoren denselben hohen Verdichtungsdruck einführen, wie er bei ortfesten
                              									Benzolmotoren üblich ist. Bisher war dies aus Rücksicht auf das Benzin nicht
                              									möglich. Benzin neigt bei höherem Verdichtungsdruck zu gefährlichen Selbstzündungen.
                              									Bei dem großen Mangel an Benzin auf der ganzen Welt aber wird doch nicht mehr viel
                              									Benzin zu uns hereinkommen. Schon vor dem Kriege mußte man sich mit sogenanntem
                              									Automobilbenzin, Autonapht, Schwerbenzin und anderen Erdöldestillaten an Stelle des
                              									richtigen Benzins behelfen. Die wenigen bei uns etwa noch hereinkommenden
                              									benzinähnlichen Erdöldestillate können wir viel besser in Mischung mit Benzol
                              									verwenden, denn als reinen Treibstoff.
                           Wir sind in Deutschland mit unserem Benzol, Spiritus und Mischungen jetzt sehr
                              									günstig daran, denn wir können unsere schon so hoch vollendete Gemischmaschine mit
                              									elektrischer Zündung für diese Brennstoffe leicht weiter vervollkommnen. Für die
                              									Erdöldestillate aber läßt sich die Gemischmaschine nicht weiter vervollkommnen, wie
                              									vom Petroleummotor her bekannt ist, sondern hier müßte jetzt der Uebergang zum
                              									Glühkopf- oder Dieselmotor kommen. Dies wäre aber ein bedenklicher Schritt, weil
                              									diesen Motoren das hohe Eigengewicht grundsätzlich anhaftet. Der Kraftwagen verdankt
                              									seine Entwicklung dem leichten Motor.