| Titel: | Rechts-Schau. | 
| Autor: | E. Bierreth | 
| Fundstelle: | Band 334, Jahrgang 1919, S. 254 | 
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                        Rechts-Schau.
                        Rechts-Schau.
                        
                     
                        
                           Der gewerbliche Rechtsschutz im Friedensvertrag. Die
                              									Bestimmungen, die wir auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes im
                              									Friedensvertrag von Ver sailles durchgesetzt haben, sind verhältnismäßig günstig. In
                              									dem ursprünglich überreichten Vertragsentwurf waren zwar Bedingungen gestellt
                              									worden, bei deren Annahme die gewerblichen Schutzrechte der deutschen
                              									Staatsangehörigen im bisher feindlichen Auslande dauernd gefährdet gewesen wären.
                              									Durch die nachträglichen Aenderungen des Vertrages sind aber wesentliche
                              									Verbesserungen erzielt worden.
                           Im folgenden seien zunächst die für die Anmeldung und Aufrechterhaltung der
                              									gewerblichen Schutzrechte wichtigsten Bestimmungen genannt.
                           Durch Artikel 286 des Friedensvertrages ist das Pariser Abkommen zum Schutz des
                              									industriellen Eigentums vom 20. März 1883, revidiert in Washington am 2. Juni 1911,
                              									das in Deutschland kurz als Internat. Unionsvertrag bezeichnet wird, zwischen den
                              									beteiligten Mächten wieder in Kraft gesetzt worden. Die wesentlichste Bestimmung
                              									dieses Abkommens besteht darin, daß die Anmelder von Patenten, Muster und
                              									Warenzeichen auf Grund ihrer Anmeldung im Heimatland ein Prioritätsrecht von 12
                              									Monaten bei Patenten und Gebrauchsmustern und von 4 Monaten bei Geschmacksmustern
                              									und Warenzeichen für die Anmeldung im Auslande genießen. Ferner ist durch den
                              									Friedensvertrag auch die internationale Vereinbarung von Bern für den Schutz von
                              									Literatur- und Kunstwerken vom 9. September 1886, revidiert in Berlin am 13.
                              									November 1908 und vervollständigt durch das Zusatzprotokoll, unterzeichnet in Bern
                              									am 20. März 1914, wieder in Kraft gesetzt worden. Allerdings ist in beiden Fällen
                              									der Vorbehalt gemacht, daß die Verträge nur insoweit wirksam werden, als sie nicht
                              									durch Ausnahmen und Einschränkungen, die aus dem Friedensvertrag herrühren,
                              									beeinflußt werden. Diese Ausnahmen und Einschränkungen ergeben sich aus den
                              									folgenden Bestimmungen.
                           Gemäß Artikel 306 des Vertrages werden die Rechte des gewerblichen, literarischen
                              									oder künstlerischen Eigentums von dem Augenblick an, mit dem der Friedensvertrag in
                              									Kraft tritt, wieder zugunsten der Personen oder deren Rechtsnachfolger hergestellt,
                              									die bei Beginn des Kriegszustandes auf Grund des Pariser und Berner Abkommens
                              									Anspruch auf ihren' Genuß hatten. Ebenso sollen die Rechte, welche während der Dauer
                              									des Krieges infolge eines Antrages auf Schutz des gewerblichen Eigentums oder der
                              									Veröffentlichung eines literarischen oder künstlerischen Werkes hätten erworben
                              									werden können, wenn der Kriegszustand nicht bestanden hätte, mit dem Inkrafttreten
                              									des Friedensvertrages zugunsten der Personen, die einen Rechtsanspruch hierauf haben, anerkannt und
                              									festgesetzt worden.
                           Alle Handlungen aber, die auf Grund der von den bisher feindlichen Mächten während
                              									des Krieges erlassenen Gesetze und Verordnungen in bezug auf die erwähnten Rechte
                              									erfolgt sind, bleiben weiterhin gültig. Dahin gehört insbesondere die
                              									Inbenutzungnahme der von deutschen Staatsangehörigen im feindlichen Auslande
                              									erworbenen Schutzrechte, die seitens der feindlichen Regierungen und auf Antrag auch
                              									seitens der feindlichen Staatsangehörigen erfolgen konnte. Ein Ersatzanspruch oder
                              									Klagerecht wird den deutschen Reichsangehörigen wegen der Nutznießung dieser Rechte
                              									während der Kriegsdauer nicht zuerkannt.
                           Jede der alliierten und assoziierten Mächte behält sich ferner das Recht vor, die
                              									gewerblichen, literarischen oder künstlerischen Schutzrechte der deutschen
                              									Staatsangehörigen, die vor dem Kriege oder während des
                              									Krieges erworben worden sind, selbst oder durch Vergebung von Lizenzen auszubeuten
                              									oder in anderer Weise zu beschränken, wenn das
                           
                              1. für die Bedürfnisse der nationalen Verteidigung, oder
                              2. im öffentlichen Interesse, oder
                              3. zur Sicherung einer gerechten Behandlung der auf deutschem
                                 										Reichsgebiete durch feindliche Staatsangehörige innegehabten Rechte
                                 										gewerblichen, literarischen oder künstlerischen Eigentums, oder
                              4. zur Verbürgung der vollständigen Erfüllung aller von
                                 										Deutschland auf Grund des Friedensvertrages eingegangenen Verpflichtungen
                              
                           für notwendig erachtet wird. Eine Ausnahme hiervon machen nur
                              									die Fabrik- und Handelsmarken, die in keiner Weise belastet werden sollen. Von
                              									diesen Bedingungen ist hauptsächlich die unter 4. genannte sehr lästig, da die
                              									deutschen Inhaber von Auslandsschutzrechten gewissermaßen für die vollständige
                              									Erfüllung der Friedensbedingungen seitens der deutschen Regierung haften sollen.
                           Ursprünglich war diese harte Bestimmung sogar auch für die künftig von deutschen
                              									Staatsangehörigen zu erwerbenden Schutzrechte gedacht. In der abgeänderten
                              									endgültigen Fassung des Friedensvertrages ist aber der wesentliche Zusatz
                              									aufgenommen worden, daß die alliierten und assoziierten Mächte bezüglich der nach Inkrafttreten des Friedensvertrages erworbenen
                              									industriellen, literarischen oder künstlerischen Eigentumsrechte nur in solchen
                              									Fällen die oben erwähnten Beschränkungen oder Vorbehalte ausüben können, wenn
                              									sie
                           
                              1. für die nationale Verteidigung, oder
                              2. für das öffentliche Interesse
                              
                           erforderlich erachtet werden. Für den Fall, daß die alliierten
                              									und assoziierten Mächte von diesem Rechte Gebrauch machen, sollen angemessene
                              									Entschädigungen oder Abgaben gezahlt werden, die gemäß den Bestimmungen des
                              									Vertrages in gleicher Weise verwendet werden, wie alle anderen, deutschen Untertanen
                              									geschuldeten Summen.
                           Diese für die künftigen Schutzrechte vorgesehenen Beschränkungen sind nicht erheblich
                              									und waren schon vor dem Kriege in den Patentgesetzen der meisten Länder enthalten.
                              									Auch das deutsche Patentgesetz enthält in § 5 Abs. 2 die Bestimmung, daß die Wirkung
                              									des Patentes insoweit nicht eintritt, als die Erfindung nach Bestimmung des
                              									Reichskanzlers für das Heer oder für die Flotte oder sonst im Interesse der
                              									öffentlichen Wohlfahrt benutzt werden soll. Der Patentinhaber hat in diesem Falle
                              									nur gegenüber dem Reiche oder dem Staate, der in seinem besonderen Interesse die
                              									Beschränkung des Patentes beantragt hat, Anspruch auf angemessene Vergütung,
                              									die in Ermangelung einer Verständigung im Rechtswege festgesetzt wird.
                           Zu beachten ist noch, daß die gegnerischen Mächte sich die Befugnis vorbehalten
                              									haben, alle seit dem 1. August 1914 bewirkten und in Zukunft etwa noch erfolgenden
                              									Abtretungen gewerblicher, literarischer oder künstlerischer Eigentumsrechte für null
                              									und nichtig und als wirkungslos zu betrachten, wenn sie ein Hindernis für die
                              									Anwendung der obengenannten Bestimmungen bilden.
                           Artikel 307 des Vertrages gewährt für die Staatsangehörigen jeder der vertragschließenden Mächte das Recht zur Nachholung aller
                              									Handlungen, die in bezug auf die gewerblichen Eigentumsrechte seit dem 1. August
                              									1914 nicht erfolgen konnten oder versäumt worden sind. Es können also alle
                              									Schutzanmeldungen, Gebührenzahlungen, Einsprüche usw. nachgeholt werden.
                              									Ausgeschlossen hiervon ist nur die Wiederaufnahme eines Einspruchsverfahrens in den
                              									Vereinigten Staaten von Amerika, in welchem die Schlußverhandlung stattgefunden hat.
                              									Die Nachholung aller Handlungen ist indessen an eine Frist von einem Jahr, von dem Inkrafttreten des Friedensvertrages an gerechnet,
                              									gebunden.
                           Die gewerblichen Eigentumsrechte, die während des Krieges infolge der Nichtvornahme
                              									einer Handlung, der Nichtausführung einer Formalität oder der Nichtzahlung einer
                              									Gebühr verfallen sind, treten wieder in Kraft, jedoch haben die gegnerischen Mächte
                              									hinsichtlich der Patente und Muster daran den Vorbehalt geknüpft, daß sie die
                              									Maßregeln treffen können, die sie billigerweise zur Wahrung des Rechts von Dritten
                              									für notwendig erachten, welche die Patente oder Muster während der Zeit, in der sie
                              									verfallen waren, ausgebeutet oder verwendet haben sollten.
                           Der Zeitraum zwischen dem 1. August 1914 und dem Datum des Inkrafttretens des
                              									Friedensvertrages soll für die Berechnung der in den Patentgesetzen der meisten
                              									Länder vorgesehenem Ausübungsfristen oder für den Gebrauch der Fabrik- und
                              									Handelsmarken oder Mustern nicht in Betracht kommen. Kein Patent, keine Fabrik- oder
                              									Handelsmarke und kein Muster, das am 1. August 1914 noch in Kraft war, soll überdies
                              									von Ablauf einer zweijährigen Frist, vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des
                              									Friedensvertrages ab gerechnet, wegen Nichtausbeutung oder Nichtbenutzung für
                              									hinfällig oder nichtig erklärt werden können.
                           Die Prioritätsfristen, die für die Nachsuchung von Auslandsschutzrechten durch den
                              									oben im Absatz 2 erwähnten Unionsvertrag festgesetzt sind, werden gemäß Artikel 308
                              									für die Staatsangehörigen aller vertragsschließenden Mächte bis zum Ablauf einer
                              									sechsmonatlichen Frist, vom Inkrafttreten des Friedensvertrages an gerechnet,
                              									verlängert, soweit diese Fristen am 1. August 1914 noch nicht abgelaufen waren oder
                              									erst später begonnen haben. Gegen jene Personen oder vertragsschließenden Mächte,
                              									die inzwischen in gutem Glauben in den Besitz von Rechten des gewerblichen Eigentums
                              									gelangt sind, tritt die Wirkung der auf Grund dieser Prioritätsfristenverlängerung
                              									von Dritten nachträglich erworbenen Rechte nicht ein.
                           Ueber die weiteren Bestimmungen des Friedensvertrages, besonders wegen der während
                              									des Krieges stattgefundenen Patentverletzungen und der mit feindlichen
                              									Staatsangehörigen abgeschlossenen Lizenzverträge, wird in einem folgenden Artikel
                              									die Rede sein.
                           Berlin-Wilmersdorf.
                           Dipl.-Ing. E. Bierreth.