| Titel: | Aufgaben der Technik der Landwirtschaftsmaschinen. | 
| Autor: | Gustav Fischer | 
| Fundstelle: | Band 335, Jahrgang 1920, S. 133 | 
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                        Aufgaben der Technik der
                           								Landwirtschaftsmaschinen.
                        Von Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Gustav Fischer, Berlin.
                        FISCHER: Aufgaben der Technik der
                           								Landwirtschaftsmaschinen.
                        
                     
                        
                           Die wirtschaftliche Entwicklung seit dem Ausbruch des Krieges hat der Technik
                              									der landwirtschaftlichen Maschinen große Aufgaben gestellt. In den meisten am Kriege
                              									beteiligten Ländern sind die Ernteerträge infolge mangelhafter Bodenbearbeitung und
                              									Düngung erheblich zurückgegangen, und da die Nahrungsmenge nicht ausreicht, müssen
                              									sie zunächst wieder auf den früheren Stand gebracht und soweit wie möglich noch
                              									darüber hinaus gesteigert werden. Das ist um so schwieriger, als die Zahl der
                              									verfügbaren Landarbeiter und Zugtiere infolge des Krieges stark vermindert ist und
                              									in absehbarer Zeit trotz aller Siedlungs- und Wohlfahrtsarbeit nicht wieder die alte
                              									Höhe erreichen wird. Die der Landwirtschaft gestellte Aufgabe besteht also darin,
                              									daß sie aus der gleichen Bodenfläche wie früher mit weniger Arbeitskräften höhere
                              									Erträge erarbeiten soll. Da sie das natürlich mit den bisherigen Hilfsmitteln nicht
                              									leisten kann, braucht sie neue, und die Technik muß ihr dazu verhelfen. Dabei soll
                              									nicht übersehen werden, daß die Maschinentechnik nicht allein die Verbesserung der
                              									landwirtschaftlichen Arbeitsverfahren übernehmen soll und kann. Die Industrie der
                              									künstlichen Düngemittel hat vielmehr schon tatkräftig mit der Ergänzung der dem
                              									Boden in den Kriegsjahren entzogenen Pflanzennährstoffe begonnen, und die
                              									Landwirtschaft selbst wird durch die bessere Züchtung und Auswahl guter Saat, durch
                              									die Anpassung der Kulturpflanzen an die Boden- und Klimabedingungen und durch
                              									entsprechende Maßnahmen in der Zucht und Fütterung des Zug- und Nutzviehes die
                              									Ausbeute verbessern. Kulturtechnische Maßnahmen werden die Schäden ungünstiger
                              									Witterung mildern, und endlich müssen sozial- und wirtschaftspolitische
                              									Staatsmaßnahmen das Ihre tun. Aber alle guten Vorschläge bleiben unfruchtbar,
                              									solange es an der Möglichkeit fehlt, den Boden intensiv zu bearbeiten und die Ernte
                              									rasch und rechtzeitig zu bergen. Hierzu braucht die Landwirtschaft mehr und bessere
                              									Maschinen, als sie bisher hat.
                           Im Anfang ihrer. Entwicklung hat die Industrie der landwirtschaftlichen
                              									Maschinen auf rein empirischen Grundlagen aufgebaut. Man suchte die Handarbeit
                              									nachzuahmen, fand durch Proben auf dem Felde manche Verbesserungen, und ermittelte
                              									auch die notwendigen Abmessungen der Maschinenteile durch praktisches Probieren im
                              									Feldbetrieb. Wesentliche Fortschritte wurden erst erzielt, als die Erfinder sich bei
                              									der Konstruktion der Maschinen von der Bewegung der mit der Hand geführten Werkzeuge
                              									freimachten und die Eigenart des maschinellen Betriebes berücksichtigten. Dazu war
                              									es nötig, die oft in Kurven höheren Grades verlaufenden Bewegungen der Handgeräte
                              									auf einfache Kreisschwingungen oder geradlinige Oszillationen zurückzuführen, und
                              									das konnte wiederum nur geschehen, wenn die Nachteile solcher Vereinfachung durch
                              									eine grundsätzliche Aenderung des Arbeitsvorganges ausgeglichen wurden. Ein Beispiel
                              									dafür bietet die Mähmaschine. Solange man glaubte, die Bewegung der Sense durch die
                              									Drehung einer mit gekrümmten Messern besetzten Welle nachahmen zu können,
                              									mißglückten alle Versuche, maschinell zu mähen. Erst durch die Uebertragung des
                              									Scherenschnittes wurden die Maschinen brauchbar, und die volle Leistungsfähigkeit
                              									wurde erst erreicht, als die notwendige, größere Zahl von nebeneinanderstehenden
                              									Scheren durch einen feststehenden, mit schmalen, vorstehenden Fingern besetzten
                              									Träger und eine hin- und herbewegte, die Klingen tragende Stange hergestellt wurde.
                              									Mit der reinen Kreisbewegung, die den geringsten Kraftverlust, den ruhigsten Gang
                              									und die einfachsten Getriebe liefern würde, kam man für die verlangte Arbeitsgüte
                              									nicht aus, deshalb mußte die weniger einfache, aber maschinell doch noch leicht
                              									ausführbare geradlinig schwingende Bewegung benutzt werden. Andererseits genügte bei
                              									den Dreschmaschinen die Nachahmung der Flegelschläge durch schwingende oder
                              									stampfende Klöppel wohl, um den technologischen Erfolg zu erreichen, aber die
                              									Leistung dieser Einrichtungen war zu 
                              									gering, als daß sie die Kosten für die Einführung des maschinellen Betriebes
                              									rechtfertigen konnten. Hier half der Uebergang zur kreisenden Bewegung der
                              									Werkzeuge, die dabei aber in ihrer Form und dem Zusammenarbeiten mit den
                              									Gegenstücken abgeändert werden mußten.
                           In anderen Fällen konnte auf verwickelte Bewegungen nicht verzichtet werden, und die
                              									Aufgäbe bestand dann in der Durchbildung vierteiliger Getriebe, die sich oft nur
                              									schwer in die Maschine einordnen ließen. Das wird bei den Knüpfvorrichtungen der
                              									Bindemähmaschinen besonders klar. Um einen Knoten zur Verbindung zweier Schnüre zu
                              									schürzen, ist ein kinematisch schwer zu erfassendes und systematisch kaum zu
                              									konstruierendes Getriebe nötig; das denn auch erst durch eine langsame Entwicklung
                              									zustande gekommen ist, und zwar als Ergebnis empirischer Versuche, an denen
                              									Techniker weit weniger beteiligt waren als geschickte und erfinderisch begabte
                              									Laien. Auch die Konstruktionen der Techniker entstanden gewöhnlich nur aus der
                              									Beobachtung der Arbeit auf dem Felde, ohne Zeichnung und Rechnung.
                           Diese Entwicklung trug zu der früheren Ueberlegenheit der englischen und
                              									amerikanischen Industrie im Landwirtschaftsmaschinenbau das Ihre bei. Die praktische
                              									Sinn, die technische Intuition, ist dort im Durchschnitt stärker als auf dem
                              									europäischen Festland, wenn damit auch keineswegs gesagt sein soll, daß dies der
                              									einzige Grund für den Vorsprung der Industrie englischer Zunge war. Große
                              									Ackerflächen übereinstimmender Beschaffenheit, hohe Arbeitslöhne und ein
                              									wagemutiges, reiches Unternehmertum begünstigten das Aufblühen der
                              									landwirtschaftlichen Maschinenindustrie, aber diese förderlichen Umstände ebneten
                              									doch nur den Boden für den frisch zugreifenden Erfindergeist. Die Ueberlegenheit des
                              									Auslandes schwand zuerst bei solchen Geräten und Maschinen, die in Deutschland unter
                              									anderen Bedingungen als in England und Amerika arbeiten müssen. Im Pflugbau haben
                              									deutsche Fabriken schon vor 50 bis 60 Jahren selbständige Formen gefunden, die sie
                              									zwar den englischen Vorbildern im gesamten Bau und im Ersatz des Holzes durch Stahl
                              									und Eisen verständig nachbauten, zugleich aber den deutschen Bodenverhältnissen
                              									besser anpaßten, als es bei jenen möglich war. Hier genügte also die Uebertragung
                              									der in England und Amerika üblichen Konstruktionsgrundsätze, die bei so einfachen
                              									Geräten keine besonderen Schwierigkeiten bot.
                           In anderen Fällen haben die wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden, die deutsche
                              									Ingenieure anwandten, die Maschinen weit über die ausländischen Vorbilder hinaus
                              									entwickeln helfen. Hierfür bieten die Wärmekraftmaschinen die besten Beispiele. An
                              									Spiritusmaschinen für landwirtschaftliche Zwecke gelang es durch die Steigerung der
                              									Kompression und gute Ausbildung der Kühlung, einen thermischen Wirkungsgrad von 32,7
                              									v. H. zu erzielen, der nicht viel unter dem des Dieselmotors liegt, und in ähnlicher
                              									Weise wurde die Ausnutzung der Kohlenwärme in Dampflokomobilen durch die deutschen
                              									Firmen Heinrich Lanz und R. Wolf so sehr gesteigert, daß keine ausländische Herstellerin damit Schritt
                              									halten kann. Es mag den Unterschied in der Arbeitsweise kennzeichnen, daß die
                              									Dampfpflüge der englischen Firma Fowler den Forderungen
                              									der Praxis voll entsprachen und auf die Eigenart des landwirtschaftlichen Betriebes
                              									ausgezeichnet Rücksicht nahmen, während sie dampftechnische grobe Fehler besaßen,
                              									die der exakten Untersuchung nicht verborgen geblieben wären. Das geschah in der
                              									Heimat des Indikators! Schon die Sicherung der richtigen Dampfverteilung und noch
                              									mehr die Einführung der Ueberhitzung haben Ersparnisse herbeigeführt, die bei
                              									Dampfpfluglokomotiven, deren Leistung bis zu 180 PSi hinaufgeht, ins Gewicht fallen,
                              									zumal da Wasser und Kohlen meistens aus größeren Entfernungen auf Feldwegen
                              									herangefahren werden müssen.
                           Die Fortschritte durch die technische Forschung sind an den Oel- und
                              									Dampfkraftmaschinen besonders groß, weil diese der Theorie am weitesten zugänglich
                              									sind. An den landwirtschaftlichen Arbeitsmaschinen ist die richtige Führung des
                              									technologischen Prozesses wichtiger, und deshalb geht hier wenigstens bei der
                              									Erfindung der Maschinen Probieren über Studieren. Aber die systematische
                              									Durcharbeitung ermöglicht doch auch bald die Berechnung von Teilen, die vordem nur
                              									gefühlsmäßig bemessen werden konnten, und sie führt auch zu manchen Vereinfachungen
                              									und Verbesserungen. Rechnerisch kann man z.B. die Beanspruchung der Holzfedern an
                              									den schwingenden Siebkästen der Dreschmaschinen ermitteln, die sicherlich noch heute
                              									vielfach nur empirisch behandelt werden. Auf die mit 900 bis 1200 Uml/min laufende
                              									Dreschtrommel können die neueren Untersuchungen über den Ausgleich von Schwungmassen
                              									angewandt werden. An Drillmaschinen haben exakte Untersuchungen wertvolle
                              									Aufschlüsse über die Arbeitsgüte der Säeorgane gegeben und Verbesserungen veranlaßt.
                              									Ferner beruht die Erfindung der Milchschleuder und die folgenreiche Verbesserung
                              									ihres Baues durch die Auflösung der durch die Trommel durchfließenden Milch in dünne
                              									Schichten auf der sorgfältigen Analyse des Entrahmungsvorganges, die durch bloße
                              									Praxis nicht zu ersetzen war.
                           Der Zwang zur Sparsamkeit mit Kohlen und Metallen, dem wir jetzt unterliegen,
                              									verlangt eine Steigerung der Werkstoffausnutzung über das bisherige Maß, Da die
                              									Preise der Maschinen weit stärker gestiegen sind als die der landwirtschaftlichen
                              									Erzeugnisse, muß der Landwirt an die Leistungsfähigkeit der Maschinen künftig sehr
                              									hohe Anforderungen stellen. Das setzt bei dem Konstrukteur eine weitgehende
                              									Erkenntnis der Arbeitsvorgänge voraus, zu der nur die systematische Forschung
                              									verhilft. Diese muß deshalb mehr als bisher gepflegt werden, aber dazu fehlt es noch
                              									teilweise an der Arbeitsmöglichkeit. An den landwirtschaftlichen Instituten und
                              									Hochschulen ist die Ausstattung der maschinentechnischen Laboratorien unzureichend,
                              									und an den Technischen Hochschulen wird die Technik der Landwirtschaftsmaschinen
                              									fast gar nicht berücksichtigt. Vor allen Dingen gehören zu den Laboratorien
                              									Versuchsfelder, auf denen Untersuchungen der Bodenbearbeitungs- und Feldmaschinen
                              									mit genauen Messungen angestellt werden können. Hier müßten zunächst die
                              									Veränderungen der Lage und des Zustandes des Bodens bei seiner Bearbeitung und bei
                              									der Belastung mit einer fahrenden Maschine festgestellt werden. Bei den Kraftpflügen
                              									sind namentlich die Wirkungen der Greiferschaufeln, die an den Triebrädern sitzen,
                              									auf den Acker noch ganz unbekannt. Boden mittlerer Festigkeit bietet kaum
                              									Schwierigkeiten, weil die Greifer ohne großen Widerstand eindringen und doch
                              									genügend Halt gegen die Verschiebung im Sinne der Raddrehung finden, aber in
                              									leichteren Böden kann man nur durch große Greiferflächen den Flächendruck so niedrig
                              									halten, daß der Zusammenhang des Bodens nicht aufgehoben wird, und in vielen
                              									Sandböden versagt schließlich auch dieses Mittel. Das andere Extrem bilden schwere
                              									Böden, hauptsächlich aus Lehm oder Ton, auf denen bei hohem Feuchtigkeitsgehalt
                              									infolge der Schlüpfrigkeit die Räder schwer haften. In beiden Fällen haben
                              									neuerdings Gleiskettenschlepper gut gearbeitet, aber ihr Getriebe wird ungünstiger
                              									beansprucht und stärker abgenutzt als das der Radschlepper. Die ganze Frage wird
                              									durch den Einfluß des Raddurchmessers, von dem die Länge des Berührungsbogens
                              									zwischen Radkranz und Acker abhängt, noch schwieriger, und sie läßt sich auch nicht
                              									von der Frage nach der Bedeutung des Schleppergewichts für die Adhäsion trennen. Bei
                              										
                              									der außerordentlichen Verschiedenheit der Ackerbodenarten sind die
                              									Untersuchungen sehr umfangreich und können naturgemäß gar nicht alle an einer Stelle
                              									vorgenommen werden. Wie groß ihre Bedeutung ist,., erhellt daraus, daß bei den
                              									Motorpflügen nur etwa 40 v. H. der Maschinenleistung in Nutzleistung umgesetzt
                              									werden, während der Rest teilweise im Getriebe, zum größeren Teil aber für die
                              									Fortbewegung der Maschine und die Pressung und Abtrennung des Bodens verloren geht.
                              									Eine Verbesserung des Wirkungsgrades ist durch die wissenschaftliche Durchforschung
                              									der Verlustquellen sicher möglich. Ob sie groß genug sein wird, um die unbestreitbar
                              									noch bestehenden Mängel der Motorpflüge zu beseitigen, oder ob ein anderes
                              									Pflugsystem besser zum Ziel führen wird, ist ungewiß, und die Entscheidung wird noch
                              									viel schwierige Untersuchungen nötig machen. Für die Landwirtschaft bedeutet jeder
                              									Fortschritt in der Motorpflugtechnik einen wirtschaftlichen Vorteil, weil eine gute
                              									Bodenbearbeitung, die Grundlage der ganzen Pflanzenproduktion, ohne Kraftpflüge auch
                              									schon in mittelgroßen Wirtschaften nicht mehr durchgeführt werden kann. Darum steht
                              									der Motorpflug jetzt im Vordergrund des Interesses und bietet eine Fülle von
                              									Problemen, von denen ich hier nur eine Gruppe herausgegriffen habe.
                           Die anderen Maschinen dürfen daneben nicht vernachlässigt werden, und sogar in
                              									scheinbar einfachen und viel benutzten schlummern noch technische Probleme. Die
                              									älteste landwirtschaftliche Maschine ist die Reihensäemaschine, die bis in kleine
                              									Wirtschaften hinein verbreitet ist. Durch Verbesserungen an ihrer Säevorrichtung
                              									würde es möglich sein, auf jedes Hektar Getreideland mindestens 20 kg Saatgetreide
                              									zu sparen. Bei der Gesamtfläche, die nach der Abtretung der verschiedenen
                              									Grenzgebiete in Deutschland noch ungefähr 12 Millionen ha betragen wird, können also
                              									etwa allein durch bessere Säemaschinen jährlich 240000 t Getreide mehr für den
                              									Verbrauch frei werden. In Wirklichkeit ist die Menge viel größer, weil auch die
                              									jetzt benutzten Maschinen noch keineswegs alle auf der Höhe des heutigen Standes der
                              									Technik stehen. Ein anderer Gewinn an Getreide kann durch sorgfältige Ausbildung der
                              									Dreschmaschinen erreicht werden, bei denen teilweise noch erhebliche Mengen Korn in
                              									dem ausgedroschenen Stroh bleiben. Bei Kartoffeln lassen sich solche Ersparnisse und
                              									Mehrgewinne nicht erzielen, aber durch die Anwendung leistungsfähiger Erntemaschinen
                              									könnte die Ernte abgekürzt und mit den knappen, im Herbst verfügbaren Arbeitermassen
                              									bewältigt werden, ohne daß der nahe Winter die Knollen mit dem Erfrieren
                              									bedroht.
                           Die Frage der Kartoffelerntemaschine kann allerdings nicht auf demselben Wege gelöst
                              									werden, den man bei den Verbesserungen der Säe- und Dreschmaschinen anwenden kann.
                              									Hier muß vielmehr noch die erfinderische Kraft das erste Wort sprechen, und das
                              									Beispiel zeigt, daß die wissenschaftliche Bearbeitung der Aufgaben allein auch heute
                              									noch nicht zum Ziele führt. Eins aber kann geschehen, um die wissenschaftliche
                              									Arbeit mit der Praxis, besser als bisher zu verbinden. Man kann nämlich dafür
                              									sorgen, daß der Erfahrungsaustausch zwischen der Technik und, der Landwirtschaft
                              									geregelt wird und dadurch zu einem besseren Ausgleich der Forderungen und Leistungen
                              									führt als bisher. Gut geleitete Fabriken haben auch bisher schon entweder auf
                              									eigenen Versuchsgütern oder bei einem erfahrenen Landwirt ihre Maschinen ausgeprobt,
                              									ehe sie sie an die Oeffentlichkeit brachten, und sie haben auf demselben Wege auch
                              									Anregungen für Verbesserungen erhalten. Aber es fehlt noch an einer Stelle, an
                              									welcher Landwirte und Ingenieure regelmäßig zusammenarbeiten, um der Lösung
                              									wichtiger Probleme nachzugehen, und an die sich sowohl die Industrie wenden
                              									kann, um in landwirtschaftlichen Fragen Auskünfte zu erhalten, wie auch die
                              									Landwirtschaft, die von der Technik neue Hilfsmittel für bestimmte Zwecke zu haben
                              									wünscht. Jetzt eben haben sich zwei große Gesellschaften zusammengeschlossen, um
                              									einen Versuch zur Gründung einer Vermittlungsstelle zu machen. Zwischen dem Verein
                              									deutscher Ingenieure und der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft schweben
                              									Verhandlungen über die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft. Kommt sie zustande, so
                              									werden zunächst; Fragen der Versorgung der Landwirtschaft mit mechanischer Kraft
                              									erörtert werden, wobei die elektrische Kraftversorgung und die vielleicht
                              									verbesserungsfähige Ausnutzung der Wind- und Wasserkräfte an erster Stelle stehen.
                              									Die Verbesserung der Wärmewirtschaft, in Trocknereien, Brennereien und anderen
                              									landwirtschaftlich-technischen Betrieben ist eine weitere wichtige Aufgabe. Daneben
                              									steht die Beförderung und Umladung der. landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf Bahnen
                              									und Landstraßen, und diesen großen Aufgabenkomplexen gesellen sich noch viele
                              									einzelne.
                           Es handelt sich dabei, wie man sieht, nicht um rein technische, sondern zugleich um
                              									wirtschaftliche Probleme, die in der Landwirtschaft viel schwieriger zu lösen sind
                              									als in der Industrie, weil die Anlagen auf dem Lande jahreszeitenweis unregelmäßig
                              									ausgenutzt werden. Aber die wirtschaftlichen Schwierigkeiten können. vielfach durch
                              									richtige technische Mittel überwunden werden. Das nächstliegende ist die
                              									Vereinfachung der Maschinenanlagen zur Erzielung niedrigerer Herstellungskosten, ein
                              									Mittel, das natürlich nur in manchen Fällen anwendbar ist, in anderen aber zu
                              									minderwertigen Konstruktionen führt. Der oft gehörte Vorwurf, daß die
                              									landwirtschaftlichen Maschinen den sonst in der Technik üblichen Ansprüchen nicht
                              									genügen, erklärt sich mindestens zum Teil aus den Bemühungen der Hersteller, den
                              									Preis der Maschinen in wirtschaftlich erlaubten Grenzen zu halten. Ein anderer, oft
                              									versuchter Weg besteht in der Schaffung einer mehrseitig ausnutzbaren Maschine oder
                              									Anlage. Wenn beispielsweise die Vorteile der motorischen Bodenbearbeitung den
                              									mittleren und kleineren Betrieben zugänglich gemacht werden sollen, so ist das bis
                              									jetzt nur dadurch möglich, daß der Kraftschlepper auch zum Ziehen von Lastwagen oder
                              									zum Antrieb von Arbeitsmaschinen mitverwendet wird. In welchen Fällen die Anpassung
                              									einer Maschine an verschiedene Aufgaben möglich ist, kann aber nur auf Grund genauer
                              									Kenntnis der landwirtschaftlichen Arbeitsbedingungen entschieden werden. Die rein
                              									technischen Erwägungen führen dabei leicht in die Irre, indem sie außer acht lassen,
                              									daß der Landwirt die meisten Arbeiten nur in ganz bestimmten und oft kurzen Zeiten
                              									ausführen darf, wenn er volle Erträge von seinen Aeckern haben will. An dieser
                              									Forderung scheiterten alle Versuche, dieselbe Kraftmaschine abwechselnd zum Antrieb
                              									der, Dreschmaschine und des Pfluges zu benutzen; denn beide Arbeiten fallen im
                              									Herbst zusammen.
                           Die vorstehenden Betrachtungen haben immer wieder auf die Versorgung der
                              									Landwirtschaft mit mechanischer Kraft geführt, und in der Tat ist das die
                              									wichtigste, aber zugleich schwierigste Aufgabe der Technik. Die von alters her
                              									gebräuchliche Kraftquelle des tierischen. Körpers hat alle Eigenschaften, die die
                              									Landwirtschaft verlangt, nämlich die beliebige Teilbarkeit, die große Anpassungs-
                              									und Ueberlastungsfähigkeit und die Beweglichkeit. Sie verlangt außerdem keine
                              									weiteren Kenntnisse in der Behandlung und Bedienung als die ohnehin jedem Ländwirt
                              									geläufigen. Jedem Ingenieur ist bei der Beurteilung der mechanischen Kraftquellen
                              									ohne weiteres 
                              									klar, daß diese den Wettbewerb mit den Zugtieren in allen angegebenen
                              									Bedingungen zugleich nicht im entferntesten aufnehmen können. Aber die Zugtiere
                              									brauchen viel Bedienungsleute, und deren schwierige Beschaffung fordert unbedingt
                              									mechanischen Ersatz. Jede mechanische Kraftquelle hat ihre besonderen Vorzüge, der
                              									Dampf den der Wohlfeilheit in großen Einheiten und den der Ueberlastbarkeit, der
                              									Oelmotor den des geringen Gewichtes und der Ausführbarkeit für kleine Einheiten, und
                              									die Elektrizität den der leichten Teilbarkeit und einfachen Bedienung, aber allen
                              									diesen Vorzügen stehen ebenso viel Nachteile gegenüber, die ich nicht aufzuzählen
                              									brauche. Um nur kurz auf die elektrische Kraftübertragung einzugehen, die für alle
                              									feststehenden oder zwischen wenigen Stellen versetzbaren Arbeitsmaschinen vorzüglich
                              									geeignet ist, wird ihre Anwendung auf dem Lande durch die geringe Ausnutzung der
                              									langen, teuren Leitungen sehr erschwert. Durch die Ausgaben für die Abschreibung und
                              									Verzinsung der Leitungen wird der Kilowattstundenpreis so hoch belastet, daß die
                              									Kraft namentlich für größere Leistungen zu teuer wird. So kommt es, daß sich
                              									vielfach die großen Güter zum Antrieb der Dreschmaschine weiter ihrer Lokomobile
                              									bedienen, obwohl ihnen elektrischer Strom geboten wird, und diese Zurückhaltung
                              									verschlechtert wieder die Einnahmen des Kraftwerkes. Aus diesem Grunde muß mit allen
                              									Mitteln versucht werden, auf dem Lande neue Abnehmer für den elektrischen Strom zu
                              									gewinnen, und es wird dabei vorzugsweise an ländliche Industrien und
                              									Hausgewerbebetriebe, aber auch an die Ausnutzung der Stromwärme in der Nacht und
                              									schlecht belasteten Tagesstunden gedacht. Wesentlich gebessert wären die Aussichten
                              									der ländlichen Elektrizitätsversorgung, wenn die Bodenbearbeitung mit elektrischen
                              									Pflügen ausgeführt werden könnte. Aber in der aussichtsvoll begonnenen Entwicklung
                              									der Elektropflüge ist durch das Aufkommen der Motorpflüge ein Stillstand
                              									eingetreten, den manche Sachkundige schon für das Ende hielten. Das ist
                              									erfreulicherweise nicht richtig, sondern es gibt viele Betriebsverhältnisse, in
                              									denen der anpassungsfähige Elektromotor in Verbindung mit dem allen
                              									Geländeschwierigkeiten gewachsenen Seilpflug dem selbstfahrenden Benzolpflug
                              									überlegen ist, wenn nur der Strompreis in angemessenen Grenzen gehalten werden kann.
                              									Technische Mängel haften dem Elektropflug allerdings noch an, und ihre Beseitigung
                              									wird wiederum eine wichtige Aufgabe der nächsten Jahre sein.
                           In der Wärmewirtschaft und der Technik der Windkraftausnutzung fehlt es vorläufig
                              									noch an den nötigen Grundlagen für die Bearbeitung der Aufgaben. Hier müssen
                              									zunächst vorhandene Anlagen genau untersucht werden, weil über die Stärke und die
                              									Häufigkeit der arbeitsfähigen Windströmungen noch keine zuverlässigen Ziffern
                              									bekannt sind und ebenso der Verlauf des Wärmeverbrauchs in Trocknereien und
                              									Brennereien noch nicht genau genug festliegt, um die Verbesserung der Einrichtungen
                              									in Angriff zu nehmen. Und wenn auch die Wärmemengen, die im einzelnen
                              									landwirtschaftlichen Betrieb verbraucht werden, im Vergleich zu industriellen
                              									Anlagen sehr klein sind, so ergibt die Summierung über die Zahl aller derartiger
                              									Betriebe doch so erhebliche Werte, daß gegenüber unserer eingepreßten
                              									Kohlenwirtschaft Ersparnisse ins Gewicht fallen.
                           Gegenüber den geschilderten umfassenden Fragen der Kraft- und Wärmeversorgung
                              									zerfallen die Aufgaben der Verbesserung der landwirtschaftlichen Abeitsmaschinen
                              									mehr in eine Reihe einzelner Teilarbeiten, von denen ich einige der wichtigeren oben
                              									gestreift habe. Als gemeinsame Probleme treten hierbei nur die Normung und
                              									Typisierung hervor, die allerdings bei den landwirtschaftlichen Maschinen eine
                              									größere Bedeutung als bei vielen anderen haben. Denn diese werden in vielen Stücken
                              									hergestellt, sollen möglichst wohlfeil sein und, da sie in ungeübte Hände kommen und
                              									oft in einfachen Werkstätten ausgebessert werden müssen, bei der Auswechselung der
                              									Ersatzteile keine Schwierigkeiten bieten. Die Erkenntnis von dem Wert der Normung
                              									und Typisierung dringt nur langsam in die beteiligten Kreise, und in den nächsten
                              									Jahren wird noch viel Arbeit auf diesem Gebiet geleistet werden müssen, bis das
                              									volkswirtschaftlich erwünschte Ziel erreicht sein wird.
                           Bei der Fülle der bevorstehenden Aufgaben auf dem besprochenen Sondergebiet ist es
                              									erfreulich, daß sich zu den alten Fabriken landwirtschaftlicher Maschinen neue
                              									gesellt haben, die Erfahrungen von anderen Gebieten einbringen und in manchen Dingen
                              									mit einer größeren Objektivität vorgehen als alte Werke. Selbstverständlich hat die
                              									mangelnde Erfahrung der jungen Fabriken in der Landwirtschaftsmaschinentechnik große
                              									Bedenken, wenn sie nicht durch die Mitwirkung von sachkundigen Ingenieuren und
                              									Landwirten ausgeglichen wird, aber es ist nicht zu leugnen, daß die neuen Werke
                              									einen frischen Zug in die Industrie hineinbringen. Hilfskräfte für die Bewältigung
                              									der Aufgaben sind also vorhanden, und es ist zu hoffen, daß sie die Gemeinsamkeit
                              									ihrer Interessen erkennen und nicht im Kampfe miteinander ihre Kräfte schwächen.