| Titel: | Ausblick auf die Fördertechnik. | 
| Autor: | Kammerer | 
| Fundstelle: | Band 335, Jahrgang 1920, S. 147 | 
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                        Ausblick auf die Fördertechnik.
                        Von Geh. Reg.-R. Prof. Dr.-Ing. Kammerer, Berlin.
                        (Abdruck aus der Festschrift zum hundertjährigen
                           								Bestehen der Zeitschrift.)
                        KAMMERER: Ausblick auf die Fördertechnik.
                        
                     
                        
                           Wirtschaftliche Bedingungen. Das Ziel der Fördertechnik
                              									ist: möglichst große Förderleistung mit einem Mindestaufwand von Eisen und Strom. Da
                              									Hebemaschinen nicht stetig laufen, so treten die Kosten für elektrischen Strom meist
                              									vollständig zurück gegen die Kosten für Verzinsung und Abschreibung. Letztere kommen
                              									um so mehr zur Geltung, je seltener die betreffende Hebemaschine benützt wird.
                           Vor dem Kriege kostete die ungelernte Arbeit durchschnittlich 1500 M jährlich für
                              									einen Arbeiter. Diese Handlangerarbeit konnte durch eine Maschine wirtschaftlich
                              									gleichwertig ersetzt werden, wenn diese nicht mehr als 7500 M kostete; denn bei 10
                              									v. H. Abschreibung, 5 v. H. Verzinsung und 5 v. H. für Strom betragen die
                              									Jahresausgaben für die Maschine nicht mehr als
                              										7500\,.\,\frac{10+5+5}{100}=1500\mbox{ M.} Für 7500 M konnte
                              									man vor dem Kriege einen Kran von etwa \frac{7500\mbox{ M}}{0,75\mbox{
                                 										M/kg}} Gewicht beschaffen.
                           Heute kostet der ungelernte Arbeiter nicht 1500 M, sondern 6000 M jährlich. Die
                              									wirtschaftliche gleichwertige Maschine darf also
                              										\frac{100}{10+5+5}=30000\mbox{ M} kosten. Für diesen Preis
                              									erhält man gegenwärtig einen Kran von etwa \frac{30000\mbox{ M}}{3\mbox{
                                 										M/kg}}=10000\mbox{ kg} Gewicht.
                           Die Erhöhung der Handarbeitslöhne und die daraus notwendig folgende Entwertung des
                              									Papiergeldes hat also – wie vorauszusehen war – keine Veränderung in dem
                              									wirtschaftlichen Verhältnis der Handarbeit zur Maschinenarbeit hervorgebracht: nach
                              									wie vor kann ein ungelernter Arbeiter durch einen Kran von etwa 10 t Gewicht
                              									wirtschaftlich gleichwertig ersetzt werden.
                           Von den 0,75 M/kg, die ein Kran vor dem Kriege kostete, trafen etwa 0,25 M/kg auf den
                              									Baustoff, d.h. auf Walzeisen, also ungefähr ein Drittel. Heute kommen von den 3 M/kg
                              									der Gesamtkosten rund 2 M auf den Baustoff, also zwei Drittel. Das Augenmerk
                              									des Ingenieurs muß gegenwärtig also mehr als früher darauf gerichtet sein, Eisen zu
                              									sparen, und zwar selbst dann, wenn die Bearbeitung dadurch etwas umständlicher wird.
                              									Der vollwandige Blechträger wird beispielsweise gegenwärtig nur ausnahmsweise mit
                              									dem Gitterträger in Wettbewerb treten können.
                           Ersparnis an Eisen muß heute nicht nur unter dem privatwirtschaftlichen, sondern
                              									auch, unter dem volkswirtschaftlichen Gesichtswinkel gesehen, die Aufgabe des
                              									Ingenieurs der Fördertechnik sein; denn Ersparnis an Eisen bedeutet nicht nur
                              									Mindereinfuhr fremder Eisenerze, sondern auch Minderaufwand von Kohlen für die
                              									Verhüttung der Eisenerze.
                           Kennzeichnende Unterschiede. Die Bauart einer Maschine für
                              									Förderzwecke wird bestimmt durch den Stoff, den sie in Bewegung zu setzen hat. Vier
                              									Hauptarten von Fördermitteln beherrschen das Gesamtbild dieser vielgestaltigen
                              									Technik:
                           
                              1. Schüttgut (Getreide, Sand, Kohle, Erz),
                              2. Blockgut (Stahlblöcke, Masseln, Träger, Schienen,
                                 										Schrottmulden, Gießpfannen),
                              3. Stückgut (Säcke, Ballen, Fässer, Kisten),
                              4. Schwergut (Gußstücke, Maschinen).
                              
                           Die Art des Fördergutes entscheidet über die grundsätzliche Bauart der Maschine
                              									(stetige oder ununterbrochene Förderung, Tragkraft, Geschwindigkeit, Leistung). Als
                              									weiterer kennzeichnender Einfluß tritt die Förderweite auf (innerhalb eines
                              									Gebäudes, innerhalb eines Lagerplatzes, innerhalb eines Bergwerks oder über Berg und
                              									Tal hinweg).
                           Schüttgut. Stoffe, die sich schütten lassen, wie Getreide
                              									oder Sand, kommen einer Flüssigkeit am nächsten: sie fließen in geneigten Rohren und
                              									Rinnen, bilden zusammenhängend fortbewegte Streifen, lassen sich in einen bewegten
                              									Strom einschalten und wieder herausnehmen, ohne den Strom zu unterbrechen. Infolge
                              									der stetigen Strömung treten Massenwirkungen nur beim Aufgeben und Abwerfen auf. Die
                              									Fördermittel (Bänder, Becher) 
                              									führen einen geschlossenen Kreislauf aus, es treten keine Rückwärtsbewegungen
                              									und infolgedessen keine Pausen auf. Der angestrebte Strömungsvorgang ist nahezu
                              									vollkommen durchgeführt; Hebemaschinen dieser Art erreichen daher größere Leistungen
                              									als alle anderen.
                           Ganz stetig ist der Förderstrom bei Förderbändern und Schüttelrinnen; erstere sind
                              									geeignet für besonders große Leistungen und darum im Speicherbetrieb, in
                              									Kesselhäusern, in Kohlenaufbereitungen unersetzlich. Sie sind in den Einzelheiten
                              									sehr vollkommen durchgebildet und vielleicht nur in den Abwurfvorrichtungen
                              									verbesserungsbedürftig. Die früher üblichen Gummigurte sind mit gutem Erfolg durch
                              									Drahtgurte und Drahtseile mit Holzfelag ersetzt worden. In trockenen Räumen haben
                              									sich auch Zellstoffbänder als brauchbar erwiesen. Die Schüttelrinnen sind besonders
                              									geeignet für mäßige Leistungen in sehr engen Querschnitten und haben darum untertags
                              									schnell allgemeine Verbreitung gefunden. Auch sind sie sehr gut in allen
                              									Einzelheiten entwickelt, und zwar sowohl für Antrieb durch Druckluft wie durch
                              									elektrischen Strom. Es liegt nur das wirtschaftliche Bedürfnis vor, sie für raschen
                              									billigen Aufbau und Wiederaufbau noch geeigneter zu gestalten.
                           Der Förderstrom wird in einzelne, sich rasch folgende Abschnitte zerlegt bei den
                              									Becherwerken; der Strömungsvorgang ähnelt dem einer Mammutpumpe. Die Becherwerke
                              									haben in den letzten Jahren ehre sehr vielseitige Durchbildung für Beweglichkeit
                              									nach allen Richtungen erhalten, wobei vielleicht nicht immer das wirkliche Bedürfnis
                              									als vielmehr Patentschranken die Entwicklung beeinflußt haben. Es liegt daher jetzt
                              									eher der Wunsch vor, die Becherwerke einfacher und billiger, zu gestalten.
                           In große Abschnitte ist der Förderstrom zerteilt bei den Kettenbahnen und Seilbahnen.
                              									Bei diesen wird das Schüttgut nicht während der Bewegung dem Strom zugeführt und
                              									wieder entnommen, sondern die Wagen werden zum Zweck des Beladens und Entleerens
                              									vorübergehend von der endlosen Kette beziehungsweise von dem endlosen Seil
                              									losgekuppelt.
                           Gegenüber einer Normalspurbahn mit Lokomotivenbetrieb bietet die Schmalspurbahn mit
                              									endlosem Drahtseil für Schüttgutförderung große Vorteile: leichte, billige Gleise,
                              									geringer Grundwert, geringe Massenwiderstände, Ausgleich verlorener Gefälle,
                              									leichtes Triebwerk, geringe Stromkosten, Ueberwindung großer Steigungen, geringe
                              									Bedienung, große Betriebssicherheit. Privatbahnen für Hüttenwerke, Spülversatz
                              									werden voraussichtlich vorteilhaft als Seilbahnen gebaut werden, und zwar als
                              									Standbahnen bei günstigem und als Schwebebahnen bei ungünstigem Gelände. Die
                              									schwerfällige Kette wird voraussichtlich durch das Seil verdrängt werden. Hier liegt
                              									noch ein weites Entwicklungsfeld offen.
                           Muß Schüttgut auf ebenem Boden gelagert werden, dann läßt es sich nicht durch die
                              									Schwerkraft zum Fließen bringen; es bleibt dann nur übrig, es durch Selbstgreifer in
                              									einzelnen Portionen aufzunehmen und in Bewegung zu setzen. Am Endpunkt des
                              									gewünschten Weges wird der Greifer entleert und kehrt leer zurück. Es tritt also
                              									keine ununterbrochene Strömung, sondern ein Pendelverkehr ein, der an sich
                              									unwirtschaftlich ist, weil die Hälfte der ganzen Zeit für den leeren Rückweg
                              									verloren geht, weil also die Hälfte des Anlagekapitals nicht ausgenutzt wird. Der
                              									Strömungsvorgang arbeitet um so unwirtschaftlicher, je länger der zurückzulegende
                              									Weg ist. So vollkommen Brückenkrane bis zu 100 m Weg und Seilkrane bis zu 300 m Weg
                              									technisch durchgebildet sind, so unwirtschaftlich sind sie in vielen Fällen. Sie
                              									würden in den meisten Fällen vorteilhaft ersetzt werden durch Krane mit
                              									Schleifenbahnen, auf denen mehrere Greifer-Laufwinden in endloser Folge fahren. Die
                              									Magnet-Kupplungen mit Fernsteuerung bieten das technische Mittel zur
                              									Verwirklichung eines wirtschaftlichen Strömungsvorganges.
                           Blockgut. Kennzeichnend hierfür ist die gleichförmige
                              									Gestalt des Fördergutes: Die Stahlblöcke, Schrottmulden, Walzeisen haben annähernd
                              									stets gleiche Form und Größe und lassen sich infolgedessen mit Zangen oder Pratzen,
                              									die ihrer Form angepaßt sind, ergreifen, ohne daß eine Handlangerhilfe nötig
                              									wäre.
                           Am vollkommensten läßt sich der erstrebenswerte Strömungsvorgang durchführen mit den
                              									Rollgängen, die Blöcke, Schienen und Träger in den Hüttenwerken von einer
                              									Walzenstraße zur anderen und schließlich zu den Richtmaschinen und Scheren fördern.
                              									Die vollkommen selbsttätige Wirkung und die große Leistung der Rollgänge hat dazu
                              									geführt, sie neuerdings auch zur Gepäckförderung in Bahnhöfen und Gepäckschuppen zu
                              									verwenden. Durch, geeignete Gestaltung der Bahn – lange Gefälle und kurze Steigungen
                              									– kann man erreichen, daß nur ein kleiner Teil der Rollen angetrieben zu werden
                              									braucht.
                           Wirtschaftlich vorteilhaft ist auch der Strömungsvorgang bei den Hängebahnen für die
                              									Laufwinden der Schrottmulden durchgebildet. Auch hier folgt eine Laufwinde der
                              									anderen ohne Zeitverlust auf einer in sich zurückkehrenden Schleifenbahn.
                           Auf den Lagerplätzen für Walzeisen herrscht noch der Laufkran vor. Der Tragmagnet
                              									gestattet Ergreifen der Blöcke und Träger, des Schrotts und der Masseln ohne
                              									Handlangerhilfe. Unwirtschaftlich aber ist der Pendelverkehr mit leerem Rückweg.
                              									Krane mit Schleifenbahn und mindestens zwei Laufwinden würden auch hier
                              									wirtschaftlicher und leistungsfähiger arbeiten.
                           Die Zangenkrane sind zu schwer und verwickelt, als daß man sie als Laufwinden bauen
                              									könnte. Die Wege sind auch hier nur kurz. Sie haben meist nur zu greifen, heben und
                              									einzusetzen, sind also mehr Sondermaschinen als Fördermittel. Sie sind auch in den
                              									Einzelheiten kaum mehr verbesserungsbedürftig.
                           Stückgut. Im Gegensatz zu dem Blockgut sind die Lasten
                              									nicht von gleicher Form und Größe, sondern von allerverschiedenster Gestalt: Fässer
                              									wechseln mit Ballen, Kisten mit Säcken; dazwischen kommen Maschinenteile, Walzeisen,
                              									Baumstämme und sonstiges Sperrgut. Es ist bisher nicht gelungen, Greifer oder Zangen
                              									für Stückgut zu bauen. Das Stückgut wird entweder auf Rollwagen oder in Tauschlingen
                              									gelegt, was natürlich nur mit großem Aufwand von Menschenkraft geschehen kann.
                           Leidlich wirtschaftlich arbeiten die Aufzüge in Speichern und Bahnhöfen, weil die
                              									Rollwagen mit Stückgut unmittelbar in die Fahrzelle gefahren werden können, so daß
                              									wenigstens keine Umladung notwendig ist. Unwirtschaftlich ist aber die meist leere
                              									Rückfahrt.
                           Sehr unwirtschaftlich arbeiten alle Krane mit Lasthaken. Eine beträchtliche Zahl von
                              									Handlangern ist im Schiffsraum notwendig, um die Säcke und Kisten in Tauschlingen zu
                              									legen und an den Lasthaken zu hängen. Eine weitere Zahl von Hilfsarbeitern muß an
                              									Land die Tauschlinge wieder lösen und das Stückgut auf Rollwagen legen. Hier ist dem
                              									Erfindungsgeist noch weiter Spielraum gegeben. Der Strömungsvorgang ist hier noch so
                              									ungeordnet, wie etwa der Geröllstrom eines Wildbaches.
                           Schwergut. Aus den Montagehallen einer Werft werden die
                              									fertigen Dampfkessel, Turbinen, Pumpen, Schiffswinden, Ankerspille und sonstigen
                              									schweren Ausrüstungsteile auf einem strahlenförmigen Bündel von Gleisen zu dem
                              									Schwerlastkran gefahren, an dessen Lastöse befestigt und in das Schiff gehoben. Als
                              									es noch keine leistungsfähigen Schwerlastkrane gab, mußten die Schiffsmaschinen im
                              									Schiffsraum zusammengebaut werden, was zeitraubend und ungenau war. Der Schiffsbau
                              										
                              									arbeitet um so wirtschaftlicher, je mehr die Montage aus dem Schiffsraum in die
                              									Montagehallen verlegt werden kann. Bisher sind Schwerlastkrane als feststehende
                              									Drehkrane gebaut worden. Wahrscheinlich wird der fahrbare Kran mit Laufwinde auf
                              									quergestelltem Ausleger infolge seines größeren Arbeitsfeldes und seiner
                              									geradlinigen Lastbewegungen in Zukunft bevorzugt werden.
                           Zukunftsaufgaben. Wirtschaftliche Vervollkommnung des
                              									Strömungsvorganges der Lastenförderung ist – wie ausgeführt – fast auf allen
                              									Gebieten möglich und wünschenswert, am meisten bei Stückgut-Verladung. Es gibt aber
                              									noch eine ganze Reihe von Aufgaben der Fördertechnik, die noch kaum in Angriff
                              									genommen sind.
                           Noch werden alle Lastkraftwagen von Hand beladen und entladen, obgleich sich die
                              									Oelmaschine des Wagens sehr gut dafür verwenden ließe. Noch immer wird nur ein
                              									winziger Bruchteil der Eisenbahnwagen mit Maschinenkraft gefüllt und entleert,
                              									obwohl elektrischer Strom überall verfügbar ist. Noch werden bei allen Umzügen alle
                              									Hausgeräte von Hand die Treppen herunter- und wieder hinaufgeschleppt. Noch wird auf
                              									allen Bahnhöfen das Gepäck auf Rollwagen mitten durch den Strom der Fahrgäste
                              									hindurch gezerrt, obwohl über dem Zug reichlich Raum frei ist. Wohin man blickt, auf
                              									die Straße, auf Fabrikhöfe, auf Bauplätze, auf Bahnhöfe: überall sieht man Lasten
                              									von Hand schleppen und tragen. Alle diese Handlangerarbeit durch Maschinenarbeit zu
                              									ersetzen, und zwar mit einem Aufwand von weniger als 10 t Eisen für einen ersparten
                              									Handlanger: das ist die Zukunftsaufgabe des Förder-Ingenieurs.