| Titel: | Bau-Versuchs- und Betriebserfahrungen mit den Kesseln der amerikanischen Hilfsflotte. | 
| Autor: | Carl Commentz | 
| Fundstelle: | Band 335, Jahrgang 1920, S. 235 | 
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                        Bau-Versuchs- und Betriebserfahrungen mit den
                           								Kesseln der amerikanischen Hilfsflotte.Auszug aus Aufsätzen von Nelis in International Marine
                                       										Engineering, Januar 1920 und von Dean und Kreisinger im Engineering vom 27. 2.
                                    								1920.
                        Von Dr.-Ing. Carl
                                 									Commentz, Blumenthal (Hannover).
                        COMMENTZ: Bau-Versuchs- und Betriebserfahrungen mit den Kesseln der
                           								amerik. Hilfsflotte.
                        
                     
                        
                           Als für den Bau der amerikanischen Hilfsflotte für einen Schiffspark von 14
                              									Mill. t Tragfähigkeit Kessel und Maschinen zu liefern waren, übersah der
                              									amerikanische Hilfsflottenausschuß, daß die Einhaltung der Lieferfristen der Schiffe
                              									im wesentlichen durch die rechtzeitige Lieferung von Maschinen und Kesseln bedingt
                              									wurde. Man konnte von den zum großen Teil neugebauten Werftanlagen außer der
                              									Lieferung der Schiffe nicht auch noch die Fertigstellung der maschinellen
                              									Einrichtung verlangen, sondern mußte hierzu die gesamte Industrie des Binnenlandes
                              									heranziehen. Sowohl Maschinen als Kessel wurden nach Einheitstypen gebaut, und dann
                              									je nach Fertigstellung der Schiffsrümpfe an die Bauwerften verteilt. Als wesentlich
                              									trat dabei die umfangreiche Verwendung von Wasserrohrkesseln zu Tage, die sich
                              									teilweise aus Mangel an geeignetem Material für Zylinderkessel ergab, teilweise aber
                              									auch auf Mangel an geeigneten Werkstätten zurückzuführen ist. Es wurden alle
                              									Werkstätten mit Aufträgen versehen, welche Zylinderkessel herstellen konnten,
                              									außerdem rund die Hälfte der vorhandenen Wasserrohrkesselwerkstätten. Für das
                              									obengenannte Programm des Hilfsflottenausschusses, welches nach dem Waffenstillstand
                              									um etwa 20 v. H. gekürzt wurde, sind bis jetzt ausgeführt bzw. noch fertig zu
                              									stellen: 1. 2241 Zylinderkessel, 2. 2638 Wasserrohrkessel; von diesen
                              									Wasserrohrkesseln sind 1100 Babcock-Wilcox-Kessel, 600 nach dem Modell des
                              									Hilfsflottenausschusses, 450 Foster-Kessel, 185 Heine-Kessel und der Rest
                              									verschiedener Bauart. (Gegenüber dieser Angabe von Nelis gibt Dean an, daß 1352
                              									Kessel nach dem Modell des Hilfsflottenausschusses allein für Holzschiffe gebaut
                              									seien, und zwar für rund 620 Schiffe zu je 3500 t Tragfähigkeit.)
                           Die Verwendung von Wasserrohrkesseln in der amerikanischen Handelsmarine ist nicht
                              									neu; sie waren dort seit langen Jahren in weit größerem Umfange in Gebrauch als
                              									in EuropaFairnburn: Waterstube Boilers in the American
                                    											Mercantile Marine. Transactions of the Society of Naval Architects and
                                    											Marine Engineers Newyork 1904. Bericht: Schiffbau, 5. Jahrgang, Nr. 9 bis
                                    											11.. Entscheidend war, besonders bei der Fahrt auf den großen
                              									Seen, daß Reparaturen und Reinigung an Wasserrohrkesseln in bedeutend kürzerer Zeit
                              									vorgenommen werden konnten, als bei Zylinderkesseln, so daß zur Ausführung der
                              									Reparaturen im allgemeinen keine Ueberschreitungen der außerordentlich geringen
                              									Hafenliegezeit dieser Schiffe erforderlich waren. Der Uebergang zu der umfangreichen
                              									Verwendung von Wasserrohrkesseln bei den Schiffen des Hilfsflottenausschusses war
                              									aus diesem Grunde für den Amerikaner kein so gewagter Schritt, wie er ohne
                              									bedeutende Erfahrung auf diesem Gebiete gewesen wäre.
                           Grundsätzlich wurden alle Kessel, und zwar auch die Zylinderkessel, möglichst einfach
                              									ausgeführt, um rasche Herstellung zu ermöglichen, und bei dem ungeübten Personal
                              									Sicherheit in der Bedienung zu gewährleisten. Bei den
                              										Zylinderkesseln kamen folgende Grundsätze zur
                              									Anwendung: Aus wirtschaftlichen Rücksichten wählte man etwa 0,28 m2 Heizfläche für die PS und eine Verdampfung von
                              									etwa 24,5 kg für das m2 Heizfläche und Stunde.
                              									Hierbei ergaben sich Temperaturen der Abgase von 345° C. Durch Einbau von
                              									Ueberhitzern in den Feuerzügen oberhalb des Kessels wurde die Abgastemperatur auf
                              									etwa 290° heruntergedrückt, und durch Vorwärmung der Verbrennungsluft und Anwendung
                              									künstlichen Zuges um weitere 40 bis 50° ermäßigt. Die Wirtschaftlichkeit derartiger
                              									Kesselanlagen ist nach Angaben von Nelis etwa ebenso gut
                              									wie die von Wasserrohrkesseln, welche sich im Landbetriebe allgemein den
                              									Zylinderkesseln ohne Luftvorwärmung, Ueberhitzung und künstlichen Zug wirtschaftlich
                              									überlegen gezeigt haben. Als Vorteil des Zylinderkessels wird vor allem angeführt,
                              									daß er außerordentlich zuverlässig ist, daß sein großer Wasserinhalt ein Leerdampfen
                              									des Kessels bei unaufmerksamer 
                              									Bedienung erschwert, und daß der Kessel bis zu einem gewissen Grade Speisung
                              									mit Salzwasser verträgt. Es ergaben sich aber durch die Wärmeausdehnungen sehr viel
                              									Leckagen und Reparaturen, besonders im Küstendienst, wo die Kessel häufig abkühlen.
                              									Die Zirkulation in den Kesseln ist im allgemeinen schlecht; selbst bei 13 bis 14 at
                              									Druck sind unter den Feuerrohren Temperaturen von nur etwa 40° C beobachtet worden;
                              									besonders bei schlechter Bedienung ergaben sich bei Zylinderkesseln außerordentlich
                              									viel Reparaturen. Von den Reparaturen der Kessel der amerikanischen Hilfsflotte
                              									entfallen 80 v. H. auf Zylinderkessel, trotzdem diese nur 50 v. H. des
                              									Gesamtbestandes darstellen, also auf den einzelnen Kessel viermal soviel als bei
                              									Wasserrohrkesseln. Hierbei ist allerdings in Betracht zu ziehen, daß die Bedienung
                              									beispielsweise versucht hat, Zylinderkessel in vier Stunden (!) auf vollen
                              									Dampfdruck anzufeuern.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 335, S. 236
                              Abb. 1. Babcock-Wilcox-Kessel.
                              
                           Zur Feststellung der Forcierbarkeit der Zylinderkessel hat man versuchsweise die
                              									Verdampfung auf 29 bis 34 kg für das m2 und Stunde
                              									erhöht; mit Oelfeuerung war dies möglich, aber unwirtschaftlich, da die Abgase zu
                              									heiß waren. Man hat auch Versuche mit nur 20 kg Verdampfung angestellt, ist aber
                              									hiervon abgekommen, weil sich dadurch bei einem 10000 t großen Schiffe 200 t
                              									Mehrgewicht ergibt, trotzdem die Wirtschaftlichkeit verbessert wurde und bei dieser
                              									niedrigen Verdampfung zweifellos Gewähr für längere Lebensdauer des Kessels gegeben
                              									wäre. Die gewählte Verdampfungsziffer ist niedrig, und wohl mit Recht der Vorsicht
                              									gegenüber dem ungeübten Bedienungspersonal zuzuschreiben.
                           Die Wasserrohrkessel wurden mit Rücksicht auf die
                              									Lebensdauer auch nur für eine durchschnittliche Verdampfung von 24,5 kg für das m2 Heizfläche gebaut. Sie wurden im allgemeinen für
                              									die Verwendung von Oelfeuerung vorgesehen, welche bei Zylinderkesseln nicht so
                              									gut zu verwenden war, da sich bei schlechter Bedienung leicht Forcierungen
                              									ergaben, welche die Kessel nicht ertragen. Sonst hat sich allgemein gezeigt, daß
                              									eine wirtschaftliche Bedienung der Wasserrohrkessel schwieriger ist, als die der
                              									Zylinderkessel; das ist auch der Grund, weshalb man dort, wo keine Oelfeuerung
                              									möglich war (z.B. bei den Holzschiffen) Versuche mit mechanischer Feuerung gemacht
                              									hat. Die mechanische Feuerung gewährleistet gute Ausnutzung der Kohle und verhindert
                              									die häufige Abkühlung des Feuerraumes beim Oeffnen der Feuertüren. Das am meisten
                              									verwendete Modell des Babcock-Wilcox-Kessels ist in Abb.
                                 										1 dargestellt; gegenüber der sonstigen Ausführung sind durchweg Rohre von
                              									102 mm ⌀ verwendet und besonders weite Durchgänge für die Verbrennungsgase
                              									vorgesehen, um gute Reinigung zu ermöglichen. Der Kessel hat Abgasüberhitzer und ist
                              									wirtschaftlicher als normale Zylinderkessel (d.h. solche ohne Ueberhitzer). Abb. 2 zeigt die Konstruktion des
                              									Einheitswasserrohrkessels des Hilfsflottenausschusses. Diese Kessel ähneln den
                              									Babcock-Wilcox-Kesseln sehr. Sie bestehen aus zwei annähernd senkrechten
                              									Wasserkammern, zwischen denen die außen 76 mm ⌀ messenden 388 Rohre liegen, und
                              									einem Oberkessel, der mit der hinteren Wasserkammer durch 21 Rohre verbunden ist.
                              									Die Wasserkammern sind mittels durchbohrter 19 mm starker Stehbolzen versteift.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 335, S. 236
                              Abb. 2. Einheitswasserrohrkessel des Hilfsflottenausschusses.
                              
                           Zwischen Abschlußwand und Wasserkammer befindet sich ein Luftblaseapparat für
                              									Flugasche, mit welchem durch die Stehbolzen hindurch die Reinigung des Kessels
                              									erfolgt. Ueber und neben den Feuertüren sind ständig geöffnete Lufteinlaßlöcher
                              									angebracht. An der hinteren Wand des Kessels befindet sich eine gußeiserne
                              									Feuerbrücke mit Luftschlitzen, durch welche gleichfalls oberhalb der Feuerung Luft
                              									einströmt. Der gesamte Oberluftquerschnitt beträgt 1½ v. H. der Gesamtrostfläche.
                              									Durch die Oberluftzuführung wird ein Schutz der unteren Wasserrohre erzielt, und die
                              									Verbrennung infolge besserer Mischung der Gase mit Luft verbessert. Anordnung und
                              									Größe der Oberluftzuführung wurde auf Grund von eingehenden Versuchen festgelegt.
                              									Durch die Oberluftzuführung in der Feuerbrücke (also abgesehen von der sonstigen
                              									Oberluftzuführung) wurde die Wirkung des Kessels um 2 v. H. verbessert und eine
                              									entsprechende Kohlenersparnis erzielt, außerdem ergab sich eine Rauchverminderung
                              									und weniger Verschmutzung des Kessels, so daß die Reinigungsarbeit auf die Hälfte
                              									vermindert wurde. Im Oberkessel ist vor dem Verbindungsrohr mit der hinteren
                              									Feuerkammer ein Wasserprallblech angebracht, 
                              									um das Ueberkochen zu verhindern und den Dampf zu trocknen; gleichem Zweck
                              									dient ein im Oberteil des Oberkessels angebrachtes Rohr, mit 88 Stück 10 mm großen
                              									Löchern, durch welche der Dampf abgeführt wird. Bei starker Forcierung ergibt sich
                              									durch dieses Trocknungsrohr ein Druckunterschied von 0,25 at, bei normalem Betriebe
                              									ist der Druckabfall belanglos. Die Züge des Kessels sind wagerecht angeordnet,
                              									während sie bei dem Babcock-Wilcox-Kessel senkrecht liegen. Die unteren beiden
                              									Leitflächen bestehen aus Ziegelwerk, die oberen aus Stahlblechen. Soweit nicht aus
                              									der Abbildung ersichtlich, kommen für den Kessel folgende Hauptangaben in Frage:
                           
                              
                                 Höhe der Feuerkammer in Kesselmitte
                                 1,11 m,
                                 
                              
                                 Größe der Feuertüren
                                 0,38 × 0,46 m,
                                 
                              
                                 Rostfläche ohne Feuerbrückenwand
                                 6,30 m2,
                                 
                              
                                 (mit Feuerbrückenwand
                                 7,2 m2),
                                 
                              
                                 Heizfläche auf der Feuerseite
                                 232 m2,
                                 
                              
                                 Dampfdruck
                                 14 at Ueberdruck.
                                 
                              
                           Um die Kessel möglichst wirtschaftlich zu gestalten, wurden mit den zuerst
                              									fertiggestellten umfangreiche Versuche mit verschiedenem Feuerungsmaterial, bei
                              									verschiedenartiger Luftzuführung und mit hand- und mechanischer Feuerungszuführung
                              									gemacht. Auf Grund der Versuche regulierte man die Querschnitte der Feuerzüge und
                              									die Länge der Leitflächen und stellte die zweckmäßige Art der Beschickung bei
                              									Handfeuerung fest; dadurch stieg der Wirkungsgrad von 60 auf 71 v. H. Weiterhin
                              									vermehrte man die ursprünglich vorhandenen drei Züge auf vier; bei dieser
                              									endgültigen Ausführung ergab sich bei 29 kg Verdampfung für das m2 Heizfläche ein Wirkungsgrad von 72½ v. H. Bei 38
                              									kg Verdampfung fiel der Wirkungsgrad um 3 v. H.; bei mechanischer Feuerung und einer
                              									Forcierung auf 47 kg Verdampfung konnte noch ein Wirkungsgrad von etwa 71 v. H.
                              									innegehalten werden; hierbei wurden 144 kg Kohle für das m2 Rostfläche verbrannt. Mechanische
                              									Feuerungszuführung verbesserte den Wirkungsgrad um etwa 2 v. H. Sie ist aber nicht
                              									in weitem Umfang eingeführt worden. Dean führt dies auf die umfangreiche Verwendung
                              									der Oelfeuerung zurück, scheinbar hat man sie aber auch auf den Holzschiffen nicht
                              									viel gebraucht, denn der Normalkessel wurde schließlich für Handfeuerung ausgeführt.
                              									Bei den verhältnismäßig kleinen Anlagen ist die Ersparnis an Heizerpersonal
                              									allerdings nicht von großer Bedeutung, bei größeren Anlagen spricht gerade diese
                              									Ersparnis an Heizern neben der besseren Ausnutzung der Feuerung mit am dringendsten
                              									für die Einführung der Wasserrohrkessel. Alle genannten Wirkungsgrade beziehen sich
                              									auf trockene Kohle; bezogen auf ungetrocknete Kohle sind sie bei guter Kohle ja nach
                              									Feuchtigkeitsgehalt um 2 bis 2½ v. H. schlechter; bezogen auf brennbare Stoffe unter
                              									Umständen um ½ bis 1 v. H. besser als die genannten Zahlen. Alle Erprobungen wurden
                              									mit 24stündiger Dauer durchgeführt.
                           Die besonders große Rostfläche und der hohe Heizraum wurden mit Rücksicht auf die
                              									Verwendung schlechter Kohle und auf ungeübte Bedienung vorgesehen. Der Kessel hat
                              									sich bewährt und zeichnete sich besonders durch geringe Reparaturen aus.
                           Die mit dem Kessel der Bauart des Hilfsflottenausschusses erzielten Wirkungsgrade
                              									können nicht als besonders hoch bezeichnet werden. Der Wirkungsgrad von
                              									Zylinderkesseln einfacher Bauart beträgt etwa 68 bis 72 v. H. und steigt bei
                              									Verwendung von Ueberhitzern und künstlichem Zuge auf 78 bis 80 v. H.
                              									Babcock-Wilcox-Kessel haben mit Ueberhitzern im Mittel 71 bis 75 v. H, unter
                              									günstigen Bedingungen bis 78 v. H. Wirkungsgrad. Nach einer anderen amerikanischen
                              										AngabePacific Marine Review, Dezember 1919, S. 78/79.
                              									stellte sich der mittlere Wirkungsgrad von Wasserrohrkesseln mit Ueberhitzern
                              									(anscheinend Babcock-Wilcox) bei zwölf Dauerversuchen bei Kohlenfeuerung auf 75,5 v.
                              									H. (alle Zahlen auf trockene Kohle bezogen). Bei Oelfeuerung stieg der
                              									durchschnittliche Wirkungsgrad bei 31 Probeversuchen im Mittel auf 78 v. H.
                              									Bemerkenswert ist hierbei vor allem die wirtschaftliche Ausnutzes des Brennöles, die
                              									bei Zylinderkesseln nicht so sehr in Erscheinung tritt, weil bei ihnen auch die
                              									Kohle im allgemeinen wegen der leichteren Bedienung besser verbrannt wird. Es ist
                              									aber zu bedenken, daß es sich bei allen genannten Zahlen um Probeversuche handelt.
                              									Es steht außer Zweifel, daß bei Seebetriebsbedienung der Wasserrohrkessel
                              									vergleichsweise schlechter abschneidet und außerdem schneller verschmutzt. Im
                              									Zusammenhang hiermit sei erwähnt, daß bei den Wasserrohrkesseln neuerdings fast
                              									durchweg mechanische Flugaschebläser Verwendung finden. Die Herstellungsfabriken von
                              									derartigen Vorrichtungen geben an, daß sich mit Dampfschlauch und mit
                              									Handreinigungswerkzeugen nur 50 v. H. Asche zwischen den Wasserrohren entfernen
                              									läßt, mit Luftblasapparaten dagegen 95 v. H., und daß durch diese bessere Reinigung
                              									der Wirkungsgrad der Kessel bei 4 bis 8 v. H. Brennstoffersparnis um 4 v. H.
                              									verbessert wird. Wenn auch derartige Angaben wohl als über dem
                              									Durchschnittsverhältnis stehend angenommen werden müssen, zeigen sie doch, daß die
                              									Verwendung der Apparate für die Einführung von Wasserrohrkesseln bedeutungsvoll
                              									ist.
                           Diesen Zahlen stehen Angaben aus der obenerwähnten Notiz der „Pacific Marine
                                 										Review“ entgegen, nach welchen Wasserrohrkessel etwa 10 v. H. besseren
                              									Wirkungsgrad haben sollen als Zylinderkessel. Die Morgan-Linie hat zwei sonst
                              									gleiche Schwesterschiffe versuchsweise mit Zylinder- und Babcock-Wilcox-Kesseln von
                              									New-York nach Galveston fahren lassen und dabei in fünfjährigem Betrieb bei dem mit
                              									Wasserrohrkesseln versehenen Schiff 15 v. H. weniger Kohlen verbraucht; von dieser
                              									Ersparnis ist ein Teil allerdings auf den höheren Druck des Wasserrohrkessels
                              									zurückzuführen. (Außerdem ist es wahrscheinlich, daß die Zylinderkessel keine oder
                              									nur geringe Ueberhitzung hatten.) Nach einem Vortrage von Spyer vor dem Liverpooler Ingenieurverein hat ein Dampfer mit
                              									Babcock-Wilcox-Kesseln gegenüber dem Schwesterschiff mit Zylinderkesseln eine
                              									Kohlenersparnis von 9,8 v. H. gehabt; leider ist auch hier nicht bemerkt, ob beide
                              									Anlagen gleich hohe Ueberhitzung hatten und ob der Dampfdruck gleich hoch war. Es
                              									ist nämlich ein ganz entschiedener Vorteil des Wasserrohrkessels, daß sich ein
                              									geringerer Wirkungsgrad des Kessels dadurch ausgleichen läßt, daß man ohne Schaden
                              									höheren Druck anwenden kann als beim Zylinderkessel, wo er aus Betriebsrücksichten
                              									möglichst unter 14 bis 15 at gehalten wird; dadurch wird nämlich die Ausnutzung des
                              									Dampfes in der Maschine wirtschaftlicher, so daß der Gesamtwirkungsgrad von Kessel
                              									und Maschine unter Umständen bei Anwendung voll Wasserrohrkesseln trotz geringem
                              									Kessel Wirkungsgrades doch besser ist. Abgesehen vom Kesseldruck muß für
                              									einwandfreie Vergleiche gefordert werden, daß die Kessel möglichst im Seebetriebe
                              									und auch sonst unter gleichen Bedingungen arbeiten, also mit oder ohne Ueberhitzung
                              									und natürlichen Zug sowie bei Verwendung gleichen Brennstoffes. Dabei ist denkbar,
                              									daß die umfangreiche Einführung der Oelfeuerung auch die Einführung des
                              									Wasserrohrkessels begünstigt, weil dieser bei ihr besser ausgenutzt werden kann. Im
                              									übrigen wird der im großen Maßstabe durchgeführte Versuch des amerikanischen
                              									Hilfsflottenausschusses noch manches zur Klärung der Frage der Wirtschaftlichkeit
                              									der Kessel beitragen.
                           
                           Auch sonst waren die Betriebsergebnisse der Wasserrohrkessel bisher
                              									zufriedenstellend. Man nimmt an, daß durch die vereinfachte Bauart und durch die
                              									gewählten niedrigen Verdampfungszahlen im Vergleich mit Landwasserrohrkesseln eine
                              									größere Lebensdauer erzielt wird. Trotzdem wird sich im Vergleich zu gleich niedrig
                              									beanspruchten Zylinderkesseln wohl eine kürzere Lebensdauer ergeben, wenn auch die
                              									Amerikaner sie ähnlich groß zu erreichen hoffen. Die Isolierung der
                              									Wasserrohrkessel, welche man in Anlehnung an Marinebauarten ausführte, hat sich als
                              									zu gering erwiesen. Die Bedienungsmannschaften, welche zumeist an Landbetrieb
                              									gewöhnt waren, empfanden die Verwendung weichen Wassers und die gleichmäßige
                              									Dampfentnahme im Schiffsbetriebe angenehm. Trotzdem vermißten sie die gewohnten
                              									Speisewasserregulatoren sehr, so daß man solche jetzt allgemein bei den
                              									Wasserrohrkesseln einführen will. Als günstig hat sich die gute Forcierbarkeit der
                              									Kessel erwiesen, sie soll aber mit Rücksicht auf die Abnutzung des Kessels möglichst
                              									wenig ausgenutzt werden. Im Marinebetriebe werden in Amerika bis 105 kg Wasser für
                              									das m2 verdampft. In der. Handelsschiffahrt geht
                              									man mit Rücksicht auf die Lebensdauer auch bei den Wasserrohrkesseln nicht über 25
                              									bis 29 kg für das m2 Heizfläche. Die Reparaturen
                              									der Wasserrohrkessel beschränken sich im allgemeinen auf Erneuerung der Roste und
                              									des Ziegelmauerwerks sowie der untersten Reihe der Wasserrohre.
                           Die Gewichte der amerikanischen Wasserrohrkessel stellen sich nach Nelis ohne Ueberhitzer und künstlichen Zug wie folgt:
                           
                              
                                 
                                 Zylinderkessel
                                 Wasserrohrkessel
                                 
                              
                                 Heizfläche
                                 233 m2
                                 233 m2
                                 
                              
                                 Metallgewicht
                                   54,20 t
                                   20,85 t
                                 
                              
                                 Ziegel und Leitflächen
                                 –
                                     6,87 t
                                 
                              
                                 Isolierung
                                     2,43 t
                                     0,38 t
                                 
                              
                                 Wasser
                                   20,45 t
                                     7,71 t
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                   77,08 t
                                   35,81 t.
                                 
                              
                           Das durchschnittliche Gewicht der gewählten Bauart von Zylinderkesseln stellte sich
                              									bei 14,8 at Druck auf 290 bis 340 kg für das m2
                              									Heizfläche. Für die Wasserrohrkessel der Bauart des Hilfsflottenausschusses gibt Dean für je 230 m2
                              									Heizfläche 18,65 t gegen 50 t bei entsprechenden Zylinderkesseln an, also noch
                              									wesentlich geringere Gewichte, wahrscheinlich beziehen sie sich aber auf den nackten
                              									Kessel ohne Isolierung und Wasserinhalt. Fügt man die Gewichte der Anlagen für
                              									Ueberhitzung und künstlichen Zug, evtl. noch diejenigen für Rauchfang und
                              									Schornstein hinzu, so kommt man für Wasserrohrkessel auf die sonst angegebenen
                              									Zahlen von 50 bis 55 v. H. des Gewichtes von Zylinderkesseln.; Wichtig für die
                              									Beurteilung der Kessel ist die Sicherheit gegen nachlässige Speisung. Infolge seines
                              									größeren Wasser- und Dampfraumes ist hierbei der Zylinderkessel entschieden im
                              									Vorteil. Nach Angabe von Fairburn beträgt die Zeit,
                              									während welcher die Kessel bei Mangel an Speisewasser ungefährdet in Betrieb
                              									bleiben können, vergleichsweise bei Kesseln gleicher Größe beim Zylinderkessel 35
                              									Minuten, beim Babcock-Wilcox-Kessel (der unter den verschiedenen Wasserrohrkesseln
                              									verhältnismäßig günstig dasteht) nur 25 Minuten. Mit Rücksicht auf die Sicherheit
                              									sind die Oberkessel der Wasserrohrkessel gerade bei Handelsschiffen möglichst groß
                              									zu halten. Der Kessel des amerikanischen Hilfsflottenausschusses scheint einen
                              									Oberkesser mit größerem Durchmesser aus diesem Grunde erhalten zu haben, um die
                              									Verringerung des Raumes auszugleichen, die sich daraus ergibt, daß er gegen den
                              									Unterkessel verkürzt ist. Gewichtsfragen dürfen mit Rücksicht auf die Sicherheit
                              									hierbei keine Rolle spielen.
                           Bemerkenswert sind die Angaben über die Kosten der Kessel. Fairburn gab 1904 für Zylinderkessel 36 bis 43 Dollar für das m2 Heizfläche und für Wasserrohrkessel 43 bis 47
                              									Dollar an. Vor dem Kriege behauptete die Babcock-Wilcox-Gesellschaft, daß die Preise etwa gleich seien. Nelis
                              									beziffert die Kosten von Zylinderkesseln von 14,8 at, ohne Ueberhitzer und
                              									künstlichen Zug auf 90 bis 105 Dollar für das m2
                              									Heizfläche, für Wasserrohrkessel von 15,8 at (die verglichenen Dampfspannungen sind
                              									bei den Schiffen des Hilfsflottenausschusses tatsächlich verwendet) auf 65 Dollar
                              									für das m2 Heizfläche. Dean gibt an, daß die Wasserrohrkessel etwa 23 Dollar für das m2 Heizfläche billiger sind. Während also früher
                              									kein wesentlicher Preisunterschied bestand, sind Wasserrohrkessel jetzt nur 65 bis
                              									75 v. H. so teuer wie Zylinderkessel; diese Entwicklung ist zweifellos auf die
                              									außerordentlichen Eisenpreissteigerungen zurückzuführen, außerdem aber auf
                              									Vereinfachung und Massenfabrikation der Wasserrohrkessel. Zusammenfassend folgert
                              										Nelis, daß Wasserrohrkessel ebenso zuverlässig sind.
                              									Die sonst fast allgemein übliche Verwendung des Zylinderkessels im Schiffsbetriebe
                              									führt er auf die Gewöhnung des Bedienungspersonals und auf die
                              									Herstellungsmöglichkeit von Zylinderkesseln auf den Schiffswerften zurück. Für die
                              									Einführung von Wasserrohrkesseln hält er einfache Formen, bei Kohlenfeuerung große
                              									Feuerkammern und Feuerzüge und leichte Reinigungsmöglichkeit für unbedingt
                              									notwendig.
                           Ob es dem Wasserrohrkessel gelingen wird, den Zylinderkessel zu verdrängen, hängt
                              									wohl sehr davon ab, wie die weiteren Betriebserfahrungen der Amerikner ausfallen
                              									werden. Zweifellos sind bei den Anwendungen auf den Schiffen des
                              									Hilfsflottenausschusses schon wesentliche Schritte in dieser Richtung getan, so die
                              									Regulierung der Oberluftzuführung, die Anwendung der Oelfeuerung, die weitgehende
                              									Vereinfachung, infolge welcher die Kessel in jeder Kesselschmiede gebaut werden
                              									können, und die Pressluftreinigung. Die einfache Bauart scheint reichlich weit
                              									getrieben zu sein. Künstlicher Zug und allgemeine Verwendung wirksamer Ueberhitzer
                              									würden die Kessel noch wirksamer machen, so daß die Vorteile des geringen Gewichtes
                              									und der geringeren Kosten uneingeschränkt zur Auswirkung kommen könnten.