| Titel: | Polytechnische Schau. | 
| Autor: | Sander | 
| Fundstelle: | Band 337, Jahrgang 1922, S. 130 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Polytechnische
                              								Schau.
                        (Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
                           								– nur mit Quellenangabe gestattet.)
                        Polytechnische Schau.
                        
                     
                        
                           Betriebsarchive und Entwicklungskunde. Unter dieser
                              									Ueberschrift erschien in Heft 4 der „Siemenszeitschrift“ (April 1922) ein
                              									Aufsatz von A. Rotth, dessen Ausführungen besondere Beachtung verdienen. Einmal ist
                              									es nahezu Neuland, in das uns der Verfasser führt, denn die Pflege der
                              									Entwicklungskunde hat in den Fachkreisen der Technik und Industrie bislang noch
                              									wenig Aufmerksamkeit, hie und da sogar gänzliche Verständnislosigkeit oder Ablehnung
                              									gefunden. Um so mehr ist es zu begrüßen, daß hier aus berufener Feder der seelische
                              									und vor allen Dingen auch sachliche Wert der geschichtlichen Erkenntnis technischer
                              									und wirtschaftlicher Vorgänge nicht nur hervorgehoben, sondern auch an Hand
                              									praktischer Belege greifbar nachgewiesen wird. Zumal für die Leiter großer
                              									wirtschaftlicher Unternehmungen muß es von besonderem Interesse sein, Einiges über
                              									die Aufgaben und Einrichtungen von Betriebsarchiven als den Stätten der Pflege und
                              									Nutzung geschichtlicher Betrachtungsweise zu erfahren. Gibt es deren doch erst sehr
                              									wenige, unter denen das Archiv des Siemenskonzerns neben demjenigen von Krupp an
                              									erster Stelle steht. Nachfolgend seien einige Kernpunkte des Aufsatzes kurz
                              									hervorgehoben:
                           Das Archiv eines gewerblichen Unternehmens soll alle erheblicheren geschäftlichen
                              									Vorgänge, die um einen gewissen Zeitraum zurückliegen, so festhalten, daß bei Bedarf
                              									auf sie zurückgegriffen werden kann. Neben der ersten, sozusagen mechanischen
                              									Bestimmung, die die Sammlung und übersichtliche Ordnung der Archivalien umschließt,
                              									muß es weiter die Geschichte des Unternehmens pflegen, für die der bescheidenere
                              									Ausdruck „Entwicklungskunde“ statt „Entwicklungsgeschichte“ gewählt
                              									ist, da es sich nicht nur um die Erfassung abgeschlossener geschichtlicher Vorgänge
                              									handelt, sondern allgemein um die Festhaltung aller Spuren, die über das Werden und
                              									Wandeln eines bestimmten Gebietes, über Erfolge und Mißerfolge, über Wachsen und
                              									Handeln der die Entwicklung tragenden Menschen Aufschluß geben können, also um die
                              									Erfahrungen und Ueberlieferungen, die im Laufe der Jahre gesammelt werden.
                           Hiernach wird das Wesen und die Bedeutung der Entwicklungskunde gekennzeichnet, die
                              									einmal ein hohes seelisches Gewicht hat, indem sie die Ehrfurcht vor Arbeit und
                              									Leistung einflößt und zur Nacheiferung anspornt, andererseits aber auch von
                              									greifbarem praktischem Nutzen ist, indem sie inmitten des Schwankenden und
                              									Wechselnden den inneren Zusammenhang der Dinge, das Suchen und Tasten, die Irrtümer
                              									und Abwege bloßlegt. Eine unsichtbare Stütze für den Wagemutigen, erzieht sie
                              									so in dem Empfänglichen die Fähigkeit, den künftigen Entwicklungsgang einer Sache
                              									gleichsam voraus zu fühlen, die Gründe für Fehlgriffe zu erkennen und schlummernde
                              									Vorarbeiten wieder nutzbar zu machen. Das alles wird an der Hand von praktischen
                              									Beispielen aus dem Gebiete der Technik belegt und über den Rahmen technischer und
                              									wirtschaftlicher Vorgänge hinaus auch durch die Heranziehung der geschichtlichen
                              									Betrachtungsweise auf anderen Gebieten erläutert.
                           Die systematische Ausnutzung der Entwicklungskunde durch Betriebsarchive zum Besten
                              									ihrer Betriebe selbst wie für die Wissenschaft überhaupt wird anschließend durch
                              									Hinweis auf die Aufgaben und Einrichtungen solcher Archive vor Augen geführt. Es ist
                              									zu wünschen, daß der Aufsatz zu seinem Teil dazu beitragen möge, die Erkenntnis für
                              									den Wert der Entwicklungskunde mehr und mehr zu verbreiten und die Leiter großer
                              									Betriebe zur Einrichtung von Archiven anzuregen.
                           H.
                           Verfahren zur Gewinnung von verdichtetem aus verflüssigtem
                                 										Sauerstoff. In zahlreichen Bergwerken sind während des Krieges bekanntlich
                              									Anlagen zur Erzeugung von verflüssigtem Sauerstoff für Sprengzwecke eingerichtet
                              									worden. In den Bergwerken wird in der Regel aber auch gasförmiger verdichteter
                              									Sauerstoff in großer Menge benötigt zum autogenen Schweißen und Schneiden, zum
                              									Aufschmelzen der Abstichlöcher der Hochöfen, für Rettungsapparate und noch andere
                              									Zwecke. Dieser Sauerstoff muß entweder von auswärts bezogen oder in einer besonderen
                              									Anlage auf dem Werke erzeugt werden, da die Anlagen zur Herstellung von
                              									verflüssigtem Sauerstoff für Sprengzwecke keine Vorrichtungen besitzen, um
                              									gleichzeitig auch gasförmigen Sauerstoff zu gewinnen. Um diesem Mangel abzuhelfen,
                              									hat die Maschinenfabrik Messer & Co., G. m. b. H. in Frankfurt a. M. eine
                              									Vorrichtung angegeben (D. R. P. 337942), die in einfacher Weise die Gewinnung von
                              									gasförmigem verdichtetem Sauerstoff aus dem verflüssigten Gas gestattet.
                           Die Vorrichtung besteht aus einem Vakuumgefäß, das zur Aufnahme des verflüssigten
                              									Sauerstoffs bestimmt ist, einer als Verdampfer wirkenden Rohrschlange, deren eines
                              									Ende in das Vakuumgefäß eintaucht, während das andere Ende mit einem Kompressor
                              									verbunden ist. Dieser saugt das verflüssigte Gas in die Rohrschlange, die von der
                              									warmen Außenluft umspült wird, bei Bedarf aber auch künstlich erwärmt werden kann.
                              									Hierdurch verdampft der verflüssigte Sauerstoff und gelangt in gasförmigem Zustand
                              									an das Saugventil
                              									des Kompressors, der ihn auf 150 at verdichtet und ihn durch das Druckventil in eine
                              									angeschlossene Stahlflasche drückt. Man kann den verdichteten Sauerstoff natürlich
                              									auch, statt ihn in Stahlflaschen abzufüllen, durch eine Verteilungsleitung
                              									unmittelbar an eine beliebige Verwendungsstelle drücken. Das beschriebene Verfahren
                              									läßt sich ebenso auch auf andere verflüssigte Gase anwenden.
                           Sander.
                           Binderkonstruktion für ein Kohlenschuppendach von besonderer
                                 										Bauart. Zum Fördern von Massengütern aller Art (Getreide, Kohlen, Salze
                              									usw.) werden vielfach Bandtransporte verwendet. Die konstruktive Ausführung solcher
                              									Anlagen dürfte allgemein bekannt sein. Meistens werden diese Bandtransporte durch
                              									Arbeits-, Lagerräume und dergl. oder über eigene Brücken geführt; daß aber
                              									Bandtransportanlagen zu gewissen Zwecken mitunter auch durch Dachkonstruktionen
                              									hindurch laufend angelegt werden müssen, zeigt nachfolgend näher erläuterter
                              									Fall.
                           Für den Kohlenschuppen eines städtischen Gaswerks wurde eine Bandtransportanlage mit
                              									fahrbarem Abwurfwagen ausgeführt, durch welche die Füllung des Schuppens auf der
                              									ganzen Strecke ermöglicht wird. Diese mechanische Transportanlage mußte im Dachraum
                              									untergebracht werden, weshalb den für die Ueberdachung des Kohlenschuppens
                              									erforderlichen Bindern eine eigenartige Form gegeben werden mußte.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 337, S. 130
                              
                           Die nebenstehende Abb. zeigt die für die Ausführung gewählte Binderform und sind aus
                              									derselben auch die verwendeten Profile ersichtlich.
                           Es besitzen die so konstruierten Binder eine Spannweite von 15 m und mußten dieselben
                              									nicht nur allein für Eigengewicht, Deckung, Schnee und Wind, sondern auch noch für
                              									die Belastung durch die Bandtransporte berechnet werden. Der Binderberechnung wurden
                              									folgende Belastungen zugrunde gelegt:
                           
                              
                                 BindereigengewichtHolzpfettenDachpappe auf
                                    											Holzschalung
                                 =   25=   10=   35
                                 kg„„
                                 pro qm Dach-grundfläche
                                 
                              
                                 Schnee
                                 =   75
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 Wind horizontal wirkend
                                 = 125
                                 „
                                 pro qm
                                 
                              
                                 Gewicht des Bandtransports
                                 = 100
                                 „
                                 pro m lfd.
                                 
                              
                                 Achsdrücke des Abwurfwagens
                                 = 800
                                 „
                                 und 1200 kg
                                 
                              
                           (bei 2,70 m Achsenabstand).
                           Für die Ueberdachung des 25,5 m langen Kohlen-Schuppens kamen 5 Stück dieser
                              									Binder in Abständen von 4,25 m zur Ausführung. Das Gewicht eines solchen Binders
                              									beträgt rund 1300 kg. Für Fälle ähnlicher Art möge die vorstehend geschilderte
                              									Binderform entsprechende Anhaltspunkte geben.
                           
                              von Teng, Hannover.
                              
                           Verwertung von Karbidschlamm. Bei großen Azetylenanlagen,
                              									wie sie auf Werften, in Maschinenfabriken und chemischen Betrieben heute recht
                              									verbreitet sind, fallen täglich erhebliche Mengen von Karbidschlamm an, deren
                              									nutzbringende Verwertung eine recht wichtige Frage ist. Der Karbidschlamm würde,
                              									wenn das verwendete Karbid chemisch rein wäre, lediglich aus Kalziumhydroxyd und
                              									Wasser bestehen, da das technische Karbid aber etwa 20% Verunreinigungen enthält, so
                              									geht ein großer Teil davon mit in den Schlamm über. Der Schlamm enthält in völlig
                              									wasserfreiem Zustand daher in der Regel nur 70–75% Kalk, und zwar vorwiegend in Form
                              									von Hydroxyd, das jedoch bei längerem Lagern des Karbidschlamms an der Luft mehr und
                              									mehr in kohlensauren Kalk übergeht. Für die Verwertung des Karbidschlamms ist die
                              									erste Voraussetzung, daß er nicht zu viel Wasser enthält und stichfest ist; dies
                              									erreicht man durch sorgfältiges Absetzenlassen des Schlamms und Nachtrocknen an der
                              									Luft. In stichfestem Zustand enthält der Schlamm immer noch 45–50% Wasser, was im
                              									Falle der Verfrachtung zu beachten ist. Man hat bereits früher den Karbidschlamm als
                              									Dünger zu verwenden gesucht und hat der Zeitschrift „Karbid und Azetylen“
                              									zufolge namentlich bei der Düngung von Wiesen gute Erfolge erzielt; hierbei muß der
                              									Schlamm aber so weit getrocknet sein, daß er sich zu haselnußgroßen Körnern
                              									zerstoßen läßt. Noch besser wäre es natürlich, wenn man ihn in Form von feinem
                              									Pulver auf den Acker brächte; eine so weitgehende Trocknung des Schlamms ist aber
                              									nur unter Anwendung von künstlicher Wärme möglich, die in Form von Abwärme kostenlos
                              									zur Verfügung stehen muß, weil sonst die Kosten der Trocknung den Düngewert des
                              									Kalks übersteigen würden.
                           Von ungleich größerer Bedeutung ist die Verwendung des Karbidschlamms zur
                              									Mörtelbereitung, da sein Kalkgehalt, wie zahlreiche Versuche gezeigt haben, ebenso
                              									gut bindet wie irgend ein Kalkmörtel bester Beschaffenheit. Das früher gegen die
                              									Verwendung von Karbidkalk zu Bauzwecken vielfach gehegte Mißtrauen ist in den
                              									letzten Jahren infolge des Mangels an gebranntem Stückkalk vollkommen geschwunden
                              									und auch von amtlichen Stellen wurde wiederholt auf die Bedeutung des Karbidschlamms
                              									als kohlesparenden Baustoff hingewiesen.
                           
                           
                           
                           Ueber die Brauchbarkeit des Karbidkalks zur
                              									Mörtelbereitung hat das staatliche Materialprüfamt in Berlin-Dahlem eingehende
                              									Versuche ausgeführt, die feststellen sollten, ob das Material hinsichtlich seiner
                              									Bindekraft den „Leitsätzen für einheitliche Prüfung von Kalk“ entspricht. Zu
                              									diesem Zweck wurden Mischungen von Karbidschlamm und Kalknormensand bzw. Berliner
                              									Mauersand in verschiedenem Verhältnis in einem mechanischen Mischer gut
                              									durchgearbeitet und von dem so erhaltenen Mörtel, dessen Wassergehalt rund 10%
                              									betrug, in üblicher Weise mit dem Hammerapparat unter Anwendung von 150 Schlägen
                              									Probekörper hergestellt, die nach mehrwöchigem Lagern in der Luft bei
                              									Zimmertemperatur auf ihre Zug- und Druckfestigkeit geprüft wurden. Hierbei wurden
                              									mit einem aus 1 Gewichtteil Karbidschlamm und 3 Gewichtteilen Kalknormensand
                              									hergestellten Mörtel folgende Werte erhalten: Zugfestigkeit nach 28 Tagen 2,2,
                              									nach 56 Tagen 3,0 kg/qcm; Druckfestigkeit nach 28 Tagen 8,8, nach 56 Tagen 11,6
                              									kg/qcm. Diese Werte übertreffen nicht unwesentlich die vom Verein Deutscher
                              									Kalkwerke aufgestellten Festigkeitsnormen, zumal das unter Verwendung von Mauersand
                              									erzielte Ergebnis noch weit besser war (bis zu 3,7 kg Zugfestigkeit und 15 kg
                              									Druckfestigkeit nach 56tägiger Lagerung). Hiernach eignet sich der Karbidschlamm für
                              									die Mörtelbereitung sehr gut, und es sind für diesen Zweck denn auch in den letzten
                              									Jahren erhebliche Mengen Karbidschlamm bereits verwendet worden, zumal infolge der
                              									Kohlennot die Erzeugung an gebranntem Stückkalk die Nachfrage bei weitem nicht zu
                              									decken vermochte.
                           Sander.