| Titel: | Alkoholgewinnung aus Sulfitzellstofflauge. | 
| Autor: | Bruno Simmersbach | 
| Fundstelle: | Band 339, Jahrgang 1924, S. 109 | 
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                        Alkoholgewinnung aus
                           								Sulfitzellstofflauge.
                        Von Ingenieur Bruno
                                 									Simmersbach, Wiesbaden.
                        SIMMERSBACH, Alkoholgewinnung aus Sulfidzellstofflauge.
                        
                     
                        
                           Die Entwicklung der Zellstoffindustrie in Schweden in
                              									verhältnismäßig kurzer Zeit zu einer Großindustrie, auf der ein beträchtlicher Teil
                              									der Oekonomie des Landes beruht, ließ mehr und mehr die Notwendigkeit erkennen,
                              									durch die vermehrte Erzeugung einer hochwertigen Qualitätsware, und durch die
                              									Nutzbarmachung der Nebenprodukte in möglichst hohem Grade
                              									die zwar reichen, aber immerhin doch begrenzten Materialvorräte des Landes zu
                              									verwerten. Grundlegende Arbeiten, die auf die Aufklärung der chemischen Vorgänge bei
                              									der Zellstoffherstellung und auf die Nutzbarmachung der Nebenprodukte abzielen,
                              									rühren von Klason, Bergström, Fagerlind, Köhler, Rinman, Sandberg, Henry Person,
                              									Segerfeldt und anderen her. Außer Terpentin und Harzseife, die man bei verschiedenen
                              									schwedischen Fabriken verwertet, wird bei drei Sulfitzellulosefabriken Alkohol aus der Sulfitablauge nach der Methode der
                              									schwedischen Ingenieure Ekström und Wallin gewonnen. Im Jahre 1911 betrug die Menge
                              									des aus Sulfitablauge erzeugten Alkohols in Schweden 4346622 Liter 50prozentige
                              									Ware.
                           Trotz wiederholter Versuche, Holzfasern in irgend einer Form, sei es von Sägespänen
                              									oder von Torf zur Herstellung von Branntwein anzuwenden, ist man bis jetzt noch zu
                              									keinem nennenswerten Resultat auf diesem Wege Branntwein aus Holz zu bereiten,
                              									gelangt. Dagegen ist es zwei schwedischen Ingenieuren, J. H. Wallin und G. Ekström,
                              									gelungen, aus der Abfallauge von Sulfitzellulosefabriken Branntwein herzustellen.
                              									Sie fanden nämlich, daß diese Abfallauge ungefähr 2 % vergärbaren Zucker enthält,
                              									der auf gewöhnliche Weise mittels Hefe zum Gären gebracht werden kann. Hierdurch
                              									erhält man eine Spritlösung, die allerdings nur 1 Volumenprozent Alkohol enthält.
                              									Durch die neuzeitlichen Destillierkolonnen ist es jedoch leicht, daraus 95- bis
                              									96prozentigen Sprit zu erhalten. Diese Herstellungsart hat in Schweden schon seit
                              									einigen Jahren vor dem Kriege bestanden und wurde 1912 in drei Sulfitfabriken
                              									betrieben, nämlich Skutskär im Lön Uppland, Kvarnsveden im Lön Kopperberg und
                              									Bergvik im Lön Gävle. Der während des Jahres 1912 hergestellte Sulfitspiritus belief
                              									sich auf etwas mehr als 40000 hl von 50 % Stärke, oder auf mehr als 10 % der
                              									Gesamterzeugung des Landes. Würde der größere Teil der Sulfitfabriken Schwedens
                              									Sulfitsprit herstellen, so könnte der Branntweinbedarf des ganzen Landes damit
                              									gedeckt werden. Der Sulfitbranntwein kann nämlich nach zweckmäßiger Reinigung und
                              									Umdestillierung sehr wohl genossen werden. Bislang wurde aller Sulfitbranntwein in
                              									Schweden denaturiert oder ausgeführt.
                           Die Gewinnung von Spiritus aus Ablaugen der Sulfitzellulosefabrikation wird seit
                              									etwa 1908 in Schweden nach dem Verfahren von Ekström und dem Verfahren von Wallin
                              									mit Erfolg betrieben. Die heiße Sulfitlauge wird mit Kalkschlamm neutralisiert,
                              									filtriert, auf einem Gradierwerke gekühlt und etwas konzentriert. Darauf wird, nach
                              									Zusatz von Hefe, vergoren, und im Kolonnenapparat der Spiritus abdestilliert. Der so
                              									gewonnene Alkohol ist durch seinen Gehalt an Methylalkohol, Aceton usw. schon co
                              									ipso denaturiert. Die Ausbeute beträgt pro 1 cbm Ablauge oder für 1 t Zellstoff 50
                              									bis 70 Liter 100prozentigen Alkohol, bei 9,5 Oere ( = 10 Pfennig Parität)
                              									Herstellungskosten (vor dem Kriege!) pro Liter nach dem Verfahren J. H. Wallin. Im
                              									Jahre 1912 hat Wallin sein Verfahren zur Herstellung von Alkohol aus den Ablaugen
                              									der Sulfitfabriken dann etwas abgeändert (D.R.P. 246 708) derart, daß die Lauge
                              									durch direktes Neutralisieren und Lüften, ohne vorbereitende Behandlung gärbar
                              									gemacht und dann vergoren wird. (Vergl. C. G. Schwalbe, Ztschr. angew. Chem. 1910,
                              									33; W. Kiby Chem. Ztg. 1910: 1077, 1091; Schmidt-Nielsen Chem. Ztg. 1910, 1238).
                           Die Herstellung von Spiritus aus Sulfitlaugen hat somit innerhalb des letzten
                              									Jahrhunderts vor dem Ausbruch des großen Krieges ihre praktische Verwirklichung
                              									gefunden. Allerdings hatte schon im Jahre 1891 Mitscherlich auf die Gewinnung von
                              									Spiritus aus Sulfitlaugen ein Patent erhalten, (D.R.P. 72 161), das jedoch eine
                              									praktische Verwertung nicht gefunden hat.
                           Allgemein wird Sulfitzellulose bekanntlich in der Weise
                              									hergestellt, daß man gemahlenes Holz mit einer Lösung von Calciumbisulfit und freier
                              									schwefliger Säure längere Zeit bei etwa 135 bis 140 Grad Cels. behandelt. Das Liguin
                              									des Holzes und ein Teil der Zellulose gehen hierbei in Lösung, während der größte
                              									Teil der Zellulose nicht angegriffen wird und mit dem Sulfitablaugen verloren geht.
                              									Die Sulfitablauge enthält in einem Liter 80 bis 125 g Trockensubstanz, die
                              									großenteils aus organischen Stoffen besteht, während der Gehalt an Mineralstoffen
                              									ein nur verhältnismäßig geringer ist. Für die Verarbeitung der Sulfitablaugen auf
                              									Spiritus kommen vorwiegend drei verschiedene Verfahren in Frage, die nach ihren
                              									Erfindern Ekström, Wallin und Smart ihren Namen tragen. Von diesen Methoden hat
                              									bisher die Ekströmsche die größte Bedeutung gewonnen; nach ihr sind in der Zeit vom
                              									1. Oktober 1911 bis zum 30. September 1912 in den drei schwedischen
                              									Sulfitzellstoff-Fabriken in Skjutskjär, Kvarnsveden und Bergvik 2129826,5 Liter und
                              									in der Zeit vom 1. Oktober 1912 bis zum 31. März 1913 884093,5 Liter Spiritus zu
                              									100 % im Großbetrieb hergestellt werden. (Ztschr. f. Spiritusind. 1913 Nr. 30). Im
                              									Skjutskjär werden etwa seit Ende 1908 nach dem Patent Ekström monatlich 50 980 Liter
                              									Alkohol gewonnen. Würde man alle Sulfitlauge des Landes verarbeiten, so könnte man
                              									jährlich 21 bis 31 Millionen Liter Alkohol in Schweden herstellen. – In Deutschland
                              									wurden vergleichsweise um 1910 jährlich etwa 550000 t Zellstoff hergestellt, also
                              									täglich 1500 t mit 15 Millionen Liter Ablaugemenge, woraus 90000 Liter 100proz.
                              									Alkohol gewonnen werden können. Pro Jahr mithin etwa 33 Millionen Liter.– Von der
                              									Umwandlung der Kohlehydrate der Ablauge in Sprit erhofft man aber nicht nur eine
                              									teilweise Verwertung der Lauge, sondern auch eine Lösung der Abwässerfrage. Nach Ekström wird nämlich die Ablauge durch Vergärung der
                              									Kohlehydrate unschädlich, doch vertritt Schwalbe (loc. cit) die Ansicht, daß nur
                              									etwa 1/3 der vorhandenen Kohlehydrate vergoren wird, wie auch die Ablauge der
                              									Kolonnenapparate beträchtliche Mengen abgetöteter Hefe enthalten werden. Ob diese
                              									Mengen nun harmlos sind, ist noch fraglich; wir werden noch darauf zurückkommen. An
                              									der Hand ausführlicher Berechnungen hielt Kiby (Chem. Ztg. 1910, 1077, 1091) die
                              									Sulfitspiritusgewinnung in Deutschland solange für ausgeschlossen, als das damals
                              									geltende Spiritussteuergesetz in Kraft steht, und nicht von Sachverständigen
                              									festgestellt ist, daß nach der Verarbeitung auf Spiritus die Ablaugen anstandslos
                              									den Vorflutern zugeführt werden können.
                           Die Herstellungskosten von 1 Liter Alkohol zu 100 % sollen bei dem Ekströmschen
                              									Verfahren sich vor dem Kriege auf 12,35 Pfennig bemessen haben. Inhaberin dieser
                              									Ekströmschen Patente ist eine besondere Gesellschaft, die Aktiebolaget
                              										„Aethyl“ in Stockholm, welche für die Anwendung ihres Verfahrens eine
                              									bestimmte Lizenz verlangt., Nähere, ausführliche Angaben über das Ekströmsche
                              									Verfahren brachte die Svensk Kemisk Tidskrift 1909 in Nr. 7: „Die Herstellung von
                                 										Spiritus aus Sulfitlaugen“ von Gösta Ekström. Schweden verkaufte vor dem
                              									Kriege 1 Liter 100proz. Spiritus im Inlande zu 25 Oere ab Fabrik, und bei der
                              									Ausfuhr erzielte man 25 Pfg. cif. Hamburg.
                           Nach einem Berichte des norwegischen Generalkonsuls in Stockholm halten die
                              									Hersteller solchen Sulfitspiritus die Stora Kopparbergs Bergslags Aktiebolaget in
                              									Falun und die Bergvik & Ala Nja AB. bei Ljusne diese Industrie für sehr lohnend.
                              									Sie verkauften in den letzten Friedensjahren zu 25 Oere für 1 Liter an den
                              									sogenannten „Spritring“, die Reymersholms Gamla Spritförädlingd A. B. und
                              									Stockholm im Jahre 1911/12 4 Millionen Liter und für 1912/13 3,4 Millionen Liter 50
                              									proz. Sulfitsprit. (Papierztg. Bd. 38, 1911.).... Wie die Untersuchungen von E. L.
                              									Rinmann in Upsala ergeben haben, können auch die Ablaugen der nach dem
                              									Sulfatverfahren, einer älteren, aber auch heute noch, neben dem Sulfitverfahren,
                              									häufig angewandten Art der Zellstoffgewinnung, arbeitenden Zellstoff-Fabriken für
                              									die Erzeugung von Alkohol nutzbar gemacht werden. Bei dem von Rinmann angegebenen
                              									Verfahren wird der Alkohol durch Trocken-Destillation der beim Eindampfen der Laugen
                              									verbleibenden Trockenrückstände gewonnen. Außer dem Aethylalkohol entsteht auch
                              									Methylalkohol und der Hauptsache nach Aceton (Ztschr. f. Spiritus ind. 1913 Nr. 37,
                              									40, 41.)
                           Die Versuche schwedischer und anderer Industrieller, im Benzinmotor, zunächst an
                              									Lastwagen und schweren Automobilen, Benzin durch Sulfitsprit zu ersetzen,
                              									führten schon in den letzten Vorkriegsjahren zu guten Ergebnissen, konnten aber
                              									damals noch nicht abgeschlossen werden. Der Sprit muß nämlich erst denaturiert und
                              									der Vergaser des Benzinmotors mit etwa 750 Kronen (anno 1913!) Kosten abgeändert
                              									werden. Die größte schwedische Automobilfabrik, die A. B. – Scania-Vabis in
                              									Södertälje stand jedoch Anfang 1914 schon im Begriff, eine neue Motorart für diese
                              									moderne Spiritusheizung herzustellen. Nachdem dies gelungen ist, will die
                              									schwedische Regierung zugeben, daß dann Sprit zu Motorzwecken auf eine andere Art
                              									und Weise und mit anderen als den bisher in Schweden gesetzlich zulässigen Mitteln
                              									vergällt werde. Sie erlaubte schon Ende 1913 der oben genannten Reymersholm-Firma
                              									versuchsweise Benzol zur Vergällung anzuwenden. Bei einer solchen Vergällung und bei
                              									Anwendung eines geeignet konstruierten Sulfitspritmotors, der sich nicht teurer
                              									stellen darf als ein gewöhnlicher Benzinmotor, sollen in Schweden noch mehr
                              									Sulfitzellstoff-Fabriken sich damit befassen wollen Sulfitspiritus herzustellen
                              									(Papierztg. loc. cit.). Außer den drei schon genannten Fabriken zu Skjutskjär,
                              									Kvarnsveden und Bergvik standen jedoch bis 1915/16 keine weiteren
                              									Sulfitspiritusfabriken in Schweden in Bau.
                           Als in Schweden in den Jahren bis 1914 diese aufsehenerregenden Erfolge erzielt
                              									wurden, hat man diese Frage natürlich auch in und für Deutschland studiert. Nach
                              									ungefähren Schätzungen bemaß man für 1913 die jährliche Gesamtproduktion
                              									Deutschlands an Sulfitzellulose zu ~ 600000 t. Es könnten also, wenn sämtliche
                              									entstehenden Ablaugen auf Spiritus verarbeitet würden, damals jährlich etwa 34
                              									Millionen Liter Spiritus produziert werden. Der Spiritus der Zellstoff-Fabriken – so
                              									hieß es – kann jedoch mit dem Kartoffel- und Getreidespiritus nicht mit Erfolg in
                              									Wettbewerb treten, da er einer besonders hohen Betriebsauflage unterliegt, die neben
                              									der nicht unbedeutenden Lizenzgebühr, welche Schweden verlangt, das Verfahren
                              									vorläufig noch als praktisch undurchführbar erscheinen läßt. (Ztschr. für
                              									Spiritusind. 1914 Nr. 26.), Wie schnell sollte sich mit dem Kriege diese Anschauung
                              									doch wandeln! Man hat von gegnerischer Seite auch darauf hinzuweisen nicht
                              									unterlassen können, es sei noch gar nicht entschieden, ob der Sulfitspiritus
                              									unbedenklich als Trinkbranntwein verwandt werden könne. Die Sulfatablaugen enthalten
                              									nicht unbedeutende Mengen giftig wirkenden Methylalkohols und es erscheine zunächst
                              									doch noch fraglich, ob es gelinge, den bei der Destillation mit übergehenden
                              									Methylalkohol durch spätere Ratifikation vollständig von dem trinkbaren Athylalkohol
                              									zu trennen.
                           Im März 1917 hielt R. Sieber einen Vortrag vor der Oesterreichischen Gesellschaft zur
                              									Förderung der chem. Industrie über „Die Gewinnung von Spiritus aus den Ablaugen
                                 										der Sulfitzellulosefabriken und über die wirtschaftliche Bedeutung einer solchen
                                 										Industrie“. Seine Ausführungen, die wir in folgendem kurz wiedergeben,
                              									befaßten sich naturgemäß mit den Aussichten für Oesterreich, dessen Erzeugung an
                              									Sulfitzellstoff Sieber damals zu 300000 t schätzte, während er gleichzeitig für
                              									Deutschland die Menge auf das Doppelte ansetzt. Auf 1 t Zellstoff entfallen, nach
                              									Sieber, 10 cbm Ablauge, von der allerdings fast die Hälfte von Zellstoff
                              									zurückgehalten wird. Bei der Neutralisation vor der Gärung ist selbst ein
                              									geringfügiger Kalküberschuß von Schaden, da durch ihn erhebliche Mengen Zucker,
                              									Sieber schätzt sie auf 5–10 %, zerstört werden können. Zweckmäßig zur Erzielung
                              									blanker, klarer Flüssigkeit ist die Neutralisation zunächst mit Aetzkalk und darauf
                              									die Vollendung der Neutralisation mit kohlensaurem Kalk. Die durchschnittliche
                              									Ausbeute an Sprit beträgt 1 Vol.-Proz. Da der Sprit organische Säuren enthält,
                              									müssen Sodafilter bei der Destillation eingeschaltet, oder es müssen die
                              									Kolonnenapparate mit Sodalauge beschickt werden. Im Vorlauf finden sich Ucetaldehyd,
                              									Aceton, Aether und Aetherarten; im Nachlauf Butylalkohol und ebenso auch
                              									Amylalkohol, die zusammen 1 % der Spritmenge ausmachen. Der destillierte Sprit
                              									selbst enthält nach den Untersuchungen Siebers noch ¼ % Fuselöl und 3 %
                              									Methylalkohol. Die Erzeugungskosten für 1 Liter Spiritus aus Sulfitlauge stellte
                              									sich 1917 auf rund 17 Heller; bei Annahme einer Ausbeute von 10 Liter 100proz. Sprit
                              									aus 1 cbm Maische bei Großanlagen kann der Erzeugerpreis auf 13 Heller sinken.
                              									Demgegenüber kostete 1917 in Oesterreich Melassesprit 28–32 Heller pro Liter. In
                              									Oesterreich-Ungarn, alten Gebietsumfanges, könnten nach Sieber 11 Millionen Liter,
                              									in Deutschland 22 Millionen Liter 100proz. Sprits aus Sulfitlaugen gewonnen
                              									werden.
                           Ueber sein in Schweden angewandtes Verfahren der Alkoholerzeugung aus Sulfitlaugen
                              									machte Gösta Ekström in der schon zitierten Svensk Kemisk Tidskrift 1909 Nr. 7
                              									nähere technische Angaben. Die Sulfitlauge entsteht, kurz gesagt, dadurch, daß
                              									gemahlenes Holz mit einer Lösung von Calciumbisulfit und freier schwefliger Säure
                              									etwa 18 Stunden lang bei 135 bis 140 Grad Cels. behandelt wird. Hierbei geht das
                              									Lignin und ein Teil der Zellulose in Lösung, der größte Teil jedoch wird nicht
                              									angegriffen. Aus 24000 kg absolut trockener Holzsubstanz 100 cbm Sulfitabtaugen und
                              									11800 kg Sulfitzellulose. Die Sulfitlauge besitzt das spez. Gew. 1,05 und enthält,
                              									nach den Ekströmschen Angaben im Liter 100–115 g organische Stoffe, darunter 2 ½ %
                              									Zucker und 12–15 g mineralische Bestandteile. Von den 2 ½ % Zucker sind 1,6 %
                              									vergärbar, 0,5 % nicht vergärbar. Nach den Untersuchungen von Stutzer (Ztschr. f.
                              									angew. Chemie 1909, 1999.) enthält die Sulfitlauge 120 g organische Stoffe und 15 g
                              									Mineralstoffe.
                           Die Sulfitlaugen wurden früher in die Wasserläufe abgelassen und verunreinigten sie
                              									in hohem Maße. Es war daher schon lange das Bestreben vorhanden, diese Ablaugen
                              									irgend einer Verwertung zuzuführen. Bereits 1891 erhielt der schon genannte
                              									Mitscherlich ein Patent auf die Gewinnung von Spiritus aus Sulfitlaugen (D. R. P. 72
                              									161) doch fand dieses Verfahren keinen allgemeinen Anklang. Dann trat H. Wallin 1907
                              									mit einem schwedischen Patent hervor (Nr. 26 825). Er verwendete als Hefennährmittel
                              									Malz, worauf wahrscheinlich seine etwas höhere Ausbeute zurückzuführen bleibt. Bei
                              									dem Ekströmschen Verfahren, dessen Anwendung in Schweden wohl die größte Verbreitung
                              									gefunden hat, wird die schweflige Säure durch einen Ueberschuß an Kalkzusatz
                              									entfernt, und dann führt man der Lauge organische sowie anorganische Hefenährstoffe
                              									zu. Das beim Neutralisieren sich bildende Calcium monosulfit wird nun abfiltriert und zur Erzeugung von Calcium bisulfit verwendet. Ein Zehntel der bei der Gärung sich
                              									bildenden Hefe benutzt Ekström zur Weiterzucht, während er aus der übrigen Menge ein
                              									Hefenährmittel bereitet. Die vergorene Sulfitlauge enthält nach Ekström's Bericht
                              									1,15 % Alkohol. Auf 1000 kg Sulfitzelluse entfallen 8,3 cbm Sulfitlauge, wovon
                              									jedoch nur 6 cbm Verwendung finden. Auf die Erzeugung von 1000 kg Sulfitzellulose
                              									entfallen daher nach der Ekströmschen Methode etwa 60 Liter reiner Aethylalkohol,
                              									die aus den Sulfitablaugen gewonnen werden können. Zur Destillation werden
                              									kontinuierliche eiserne, innen emaillierte Apparate verwendet. Der Spiritus aus
                              									diesen Sulfitlaugen ist stark verunreinigt, was seine Verwendung zu
                              									Trinkzwecken ausschließt, sofern er nicht mit mäßigen Kosten völlig rektifiziert
                              									werden kann.
                           Es ermöglicht also heute der technische Fortschritt bei der Erzeugung von Spiritus
                              									aus Sulfitzellstoff alles zu ersparen, was für die menschliche Ernährung von
                              									Bedeutung ist. Die chemische Industrie ist heute so weit entwickelt, daß zur
                              									Erzeugung von Spiritus keine Kartoffel, kein Getreide, keine Zuckerrüben mehr
                              									verarbeitet zu werden brauchen. Es genügen allein schon die Ablaugen der
                              									Zellulosefabriken, um den ganzen Bedarf an Spiritus zu decken. Daneben gibt es noch
                              									neuere Verfahren, besonders Carbidspiritus und Holzspiritus, deren Schilderung einer
                              									weiteren Abhandlung vorbehalten bleiben mag; hier sei nur kurz darauf
                              									hingewiesen.... In Schweden hat man dem neuen Verfahren
                              									der Spirituserzeugung aus Sulfitablauge die Wege schon längst ganz anders geebnet
                              									als dies bei uns der Fall war, wo wir an dem Widerstreit der Interessen scheitern.
                              									Die agrarischen Kartoffelspiritus-Fabrikanten fühlen sich durch diese Fortschritte
                              									der modernen Chemie in ihrer Existenz bedroht und darum bekämpfte man, selbst im
                              									Kriege noch, die Sulfitspirituserzeugung in Deutschland mit allen möglichen
                              									Einwänden. In Schweden dagegen standen Mitte 1918 – als bei uns das
                              									Branntwein-Monopol beraten wurde – bereits 6 Fabriken in Betrieb, die sich mit der
                              									Herstellung von Sulfitspiritus beschäftigten. Die Jahreserzeugung betrug damals
                              									schon 4 Millionen Liter. Um Schweden nun auch völlig unabhängig von der
                              									Welterzeugung an Alkohol zu machen, wurden im Jahre 1918 noch weitere elf Fabriken
                              									für Sulfitspiritus gebaut. Davon nahmen noch im Laufe desselben Jahres 1918 sechs
                              									Fabriken den Betrieb auf mit einer Jahreserzeugung von rund 11 Millionen Liter. In
                              										Norwegen wurde Mitte 1918 eine Sulfitspritfabrik
                              									erbaut, die aus den Ueberständen der Zellulosefabriken 900000 Liter Sulfitspiritus
                              									erzeugen soll... Das heißt also, mit anderen Worten, Schweden und Norwegen werden
                              									billigen Spiritus haben, die Industrien dieser Länder werden, soweit sie Spiritus
                              									verarbeiten, geringere Preise aufzuwenden haben als die deutsche Industrie. Dadurch
                              									verschwinden die Ausfuhrmöglichkeiten für deutschen Spiritus, soweit solche noch
                              									bestanden, vollständig. Weiter noch: Der deutschen Industrie, welche Spiritus und
                              									Essigsäure verwendet, entsteht jedenfalls eine ernst zu nehmende, um nicht zu sagen,
                              									erbitterte Konkurrenz. Es mußten erst mehrere Kriegsjahre über Deutschland hingehen,
                              									ehe man diesem unseligen Widerspruch der Agrarier gegen den Sulfitspiritus ein Ende
                              									bereitete. Der Entwurf eines Gesetzes über das Branntweinmonopol, wie er im Sommer
                              									1918 vom Reichstag angenommen wurde, brachte weiteren Kreisen zum ersten Male
                              									Einblick in die neu entstandene Industrie der Spiritusgewinnung auf chemischem
                              									Wege.
                           Bis zum Kriege war die Erzeugung von Spiritus auf Grund der deutschen Gesetzgebung
                              									fast allein der Landwirtschaft vorbehalten gewesen, die hierzu Kartoffeln, Getreide
                              									und auch Zuckerrüben als Rohstoffe benutzte, deren Wert für die menschliche
                              									Ernährung jedenfalls ein höherer gewesen wäre. Aber die Brennerei von Kartoffeln,
                              									und in wesentlich kleinerem Umfange auch die von Getreide, war von jeher von unserer
                              									Regierung unterstützt worden, und zwar deshalb, weil angeblich nur auf diese Weise
                              									die leichten Böden in den östlichen Provinzen für die landwirtschaftliche Produktion
                              									rentabel wären. Denn die Verarbeitung von Kartoffeln zu Branntwein läßt als
                              									wichtigen Nebenertrag die Gewinnung der Schlempe, die ihrerseits wiederum ein
                              									recht wertvolles Düngemittel und Viehfutter darstellt. Die Vertreter großagrarischer
                              									Interessen behaupteten bei der Beratung des Branntweinmonopols und auch früher
                              									schon, immer wieder, daß ohne diese Nebenbetriebe auch heute noch weite Strecken
                              									deutschen Landes lediglich als Kiefernholzungen zu verwerten seien. Wie
                              									unverständlich aber diese Behauptung sich erweist, zeigt sich daran, daß wir im
                              									Deutschen Reich, alten Umfanges an 5 ½ Millionen landwirtschaftlicher Betriebe
                              									zählten, aber nur 14000 Brennereien. Trotzdem war aus fiskalischen Gründen und aus
                              									Rücksicht auf jene agrarischen Interessen der Kartoffelspiritusbrenner in
                              									Deutschland, im Gegensatz zu anderen Ländern eine Branntweingewinnung auf anderem,
                              									nämlich chemisch-industriellem Wege künstlich unmöglich gemacht worden durch
                              									übermäßige steuerliche Belastung des nicht-agrarisch gewonnenen Spiritus. Die Not
                              									des Krieges, der sehr starke Bedarf der Sprengstoff-Fabriken haben in diesem Punkte
                              									dann endlich zwangsmäßig Wandel geschafft. Die längst bekannte Tatsache, daß man aus
                              									der Sulfitablauge technisch vorteilhaft Alkohol gewinnen könne, wie Schwedens
                              									Beispiel schon seit 1908 zeigte, konnte bei uns endlich im Kriege, im Jahre 1918,
                              									praktisch verwertet werden. Unter Aufwendung recht ansehnlicher Geldmittel seitens
                              									des Reiches sind in jener Zeit von zwölf Zellstoff-Fabriken Deutschlands derartige
                              									Sulfitlaugen-Brennereien errichtet worden. Die Produktionsfähigkeit, sowie die
                              									Geldaufwendungen für diese Sulfitspiritusfabriken ist in folgender Uebersicht bei
                              									den Verhandlungen des Reichstages zum Branntweinmonopol im Juli 1918 vorgelegt
                              									worden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 339, S. 112
                              Beginn des Betriebes; Bewilligte Darlehn in Mark davon; Gesamtbetrag;
                                 										Preußen; Bayern; Sachsen; Jahreserzeugung an; Zellstoff trocken; Alkohol;
                                 										Ausbeute an Alkohol; für 1 t Trocken-Zellstoff; für 1 cbm
                                 										Sulfitlauge;Königsberger Zellstoffabrik, Königsberg i. Pr.; Zellstoff-Fabrik
                                 										Waldhof, Mannheim-Waldhof; Norddeutsche Cellulosefabrik Akt.-Ges., Königsberg i.
                                 										Pr.; Simoniussche Cellulosefabrik Akt.-Ges., Kelheim a. Donau; Ober bayerische
                                 										Zellstoff-Fabrik, Redenfelden; Akt.-Ges. für Zellstoff- und Papierfabrikaton,
                                 										Aschaffenburg; Akt.-Ges. Feldmühle, Cosel-Oderhafen; Feldmühle Akt.-Ges.,
                                 										Odermünde; Zellstoff-Fabrik Ragnit i. Ostpr.; Zellstoff-Fabrik Tilsit in Tilsit;
                                 										A.-G. für Zellstoff- u. Papierfabrikation Memel; Hoesch & Co., Pirna i.
                                 										Sa.
                              
                           Dabei wurden von den deutschen Fabriken verschiedentlich Alkoholausbeuten von über
                              									0,9 % beobachtet; so z.B. bei Cosel-Oderhofen ein Wochendurchschnitt von 0,95 %. Die
                              									Fabrik Attisholz in der Schweiz rechnete damals schon mit einer Alkoholerzeugung von
                              									1,1 %, so daß also sehr wohl mit fortschreitender Erfahrung und gewisser
                              									Betriebsverbesserung eine höhere Durchschnittsausbeute als 0,9 % = 9 Liter Alkohol
                              									pro 1 cbm Sulfitlauge erwartet werden kann.
                           Zudem standen die deutschen Zellstoff-Fabriken im Kriege unter dem Zwang der
                              									Kontingentierung. In Kontingentierung mit dem Anfall erheblich größerer
                              									Friedenszeiten ist nun zwar bei Aufhebung diesem Kontigentierung mit dem Anfall
                              									erheblich großer Mengen von Sulfitlauge zu rechnen, doch sind die Fabriken doch
                              									immerhin nur auf die Verarbeitung einer beschränkten Menge von Sulfitlauge
                              									eingerichtet. Diese Menge entspricht den Größenverhältnissen der Gärbottiche,
                              									Destillationsapparate, Pumpen u.a.m. Andererseits steht doch auch wiederum eine
                              									Verkürzung der Gärdauer zu erwarten, so daß doch mit einer vermehrten Erzeugung von
                              									Sulfitablauge gerechnet werden kann, dementsprechend auch mit einer größeren
                              									Alkoholerzeugung.... Wie diese Alkoholerzeugung der deutschen
                              									Sulfitablauge-Brennereien sich anfänglich stellte, gibt folgende Tabelle an
                              									(Reichstag-Verhandlungen Bd. 325. Akte 1770, Seite 2929):
                           Die Liefermengen Alkohol sind in Hektoliter angegegeben.
                           
                              
                                 
                                 KönigsbergerZellstoff-FabrikKönigsberg
                                 NorddeutscheZellulosefabrikKönigsberg
                                 FeldmühleA.-G
                                 Redenfelden
                                 Ragnit
                                 Zusammenhl Alkohol
                                 
                              
                                 Oder-hafen-Cosel
                                 Oder-münde
                                 
                              
                                 April
                                    											1917MaiJuniJuliAugustSeptemberOktoberNovemberDezbr.
                                    											1917Januar 1918FebruarMärzAprilMai
                                     246    495    372    720    720    466  1523    676  1172  1295  1031    562  1400  1210
                                 250475284434433501434312530529909128916
                                 235  304  734  436  131  401  532  632  237  622
                                 683182
                                   240  500  620
                                 109223
                                     246    745    847  1004  1389  1203  2785  1546  1298  2408  2092  2343  2374  3581
                                 
                              
                                 Zusammen hl
                                 11888
                                 6025
                                 4264
                                 865
                                 1360
                                 332
                                 24861
                                 
                              
                           Würden sämtliche nach dem Sulfitverfahren überhaupt
                              									arbeitenden Zellstoff-Fabriken in Deutschland ihre Ablaugen auf Alkohol
                              									weiterverarbeiten, so könnte man eine Jahreserzeugung von rund 243000 Hektoliter
                              									Alkohol erzielen. Für dieselbe Menge solchergestalt industriell gewonnenen Alkohols
                              									aber, der aus einem Nebenprodukt hergestellt wird, welches man früher zwangsweise in
                              									die Vorfluter leiten mußte als verunreinigende Abwässer, würde die Landwirtschaft in
                              									ihre Brennereien 2,19 Millionen Doppelzentner Kartoffeln verarbeiten müssen.
                              									Die große Menge Kartoffeln kann teilweise also heute auf chemisch-industriellem Wege
                              									erspart und der Bevölkerung als Nahrungsmittel zugeführt werden, wenn man der
                              									Sulfitspirituserzeugung alle hemmenden steuerlichen und sonstigen beschränkenden
                              									gesetzlichen Maßnahmen aus dem Wege räumt, wie die andere, einsichtsvollere Länder
                              									schon längst getan haben.