| Titel: | Die Wahrheit in der Reklame. | 
| Autor: | F. A. Buchholtz | 
| Fundstelle: | Band 339, Jahrgang 1924, S. 201 | 
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                        Die Wahrheit in der Reklame.
                        Von F. A. Buchholtz.
                        BUCHHOLTZ, Die Wahrheit in der Reklame.
                        
                     
                        
                           Wer in Anzeigen oder Reklamedruckschriften Tatsachen mitteilt oder Behauptungen
                              									aufstellt, die nicht wahr sind, um dadurch Käufer heranzuholen, handelt unmoralisch.
                              									Darüber besteht kein Zweifel. Ist es auch unmoralisch, wenn man in der Reklame wahre
                              									Tatsachen und wahre Behauptungen in einer Weise verwendet, daß dadurch die zu
                              									gewinnenden Käufer zu falschen Anschauungen kommen? Es gibt Leute, die von der Moral
                              									bei jeder Gelegenheit sprechen und die meinen, in diesem Falle könne man von einer
                              									unmoralischen Handlung nicht reden. Die Hauptsache sei, daß die Reklame wahr sei,
                              									buchstäblich wahr. Für das, was jemand aus dieser wahren Reklame herauslese, könne
                              									der Urheber nicht verantwortlich gemacht werden, er brauche sich auch nicht
                              									moralisch verantwortlich zu fühlen.
                           Nehmen wir ein Beispiel: Fox & Co. kündigen an, daß sie billige Textilwaren
                              									haben. In der Anzeige ist eine ganze Reihe von Waren mit sehr niedrigen Preisen
                              									aufgeführt. Sucht jemand den Laden auf, so wird er finden, daß alles, was in der
                              									Ankündigung steht, buchstäblich wahr ist. Die angekündigten Waren sind vorhanden und
                              									werden zu den angekündigten niedrigen Preisen abgegeben. Aber sie sind minderwertig,
                              									unmodern, fehlerhaft oder sonst in irgend einer Weise nicht ganz einwandfrei.
                              									Brauchbare Waren von Durchschnittsgüte kosten ebenso viel, wenn nicht mehr, als in
                              									anderen Geschäften gleicher Art. Hat der Käufer, der erwartet hatte, einen besonders
                              									vorteilhaften Einkauf zu machen, das Recht, sich enttäuscht zu fühlen und Fox &
                              									Co. gar schwindelhafte Reklame vorzuwerfen? Nach der Ansicht gewisser, sehr
                              									moralischer Leute nicht. Denn Fox & Co. sind streng bei der Wahrheit geblieben,
                              									und wenn der Käufer sich eingebildet hat, sie würden ihm ganz besondere Vorteile
                              									bieten, so ist das seine eigene Schuld. Er handelt unmoralisch, wenn er etwa die
                              									sehr moralischen und wahrheitliebenden Herren Fox & Co. Schwindler nennt und von
                              									einer unehrlichen Reklame spricht.
                           Genau so unmoralisch handeln natürlich auch die Deutschen, wenn sie sich über die
                              									Engländer oder Amerikaner entrüsten, sobald sie aus englischen oder amerikanischen
                              									politischen Propagandabehauptungen falsche Schlüsse gezogen haben und sich zu
                              									Handlungen haben verleiten lassen, die sie bereuen. Das eine kann man ruhig zugeben,
                              									die englische Geschäftsreklame und die englisch politische Propaganda waren stets
                              									mindestens so ehrlich und wahr wie die Anzeige von Fox & Co. Sollte übrigens
                              									jemand daran gezweifelt haben, so wird er jetzt nach dem großen internationalen
                              									Kongreß von Reklamefachleuten, der im Juli im Anschluß an die allbritische
                              									Ausstellung in Wembley stattfand, eines besseren belehrt sein. Die Ausstellung ist
                              									bekanntlich eine Propaganda-Veranstaltung, die der Welt englische Leistungen und
                              									englische Leistungsfähigkeit in möglichst günstigem Licht zeigen soll. Man wollte
                              									ihr gern den Charakter einer Weltausstellung geben, auf der neben den englischen
                              									Leistungen alle anderen verschwinden. Da man das nicht durch die Ausstellung selbst
                              									erreichen konnte, veranstaltete man gleichzeitig allerlei internationale Kongresse, die natürlich so
                              									abgestimmt werden, daß die englischen Leistungen besonders in die Erscheinung
                              									treten.
                           Ein solcher internationaler Kongreß war die Tagung der Reklamefachleute, auf der
                              									Engländer und Amerikaner die Hauptrollen spielten, während die übrigen Völker die
                              									Rollen von Statisten zugewiesen erhielten. Für diese Tagung brauchte man einen Satz,
                              									ein Leitwort, das nicht nur die englische Reklame in einem guten Licht erscheinen
                              									läßt, sondern auch geeignet ist, das Vertrauen des Weltmarktes in die englische
                              									Reklame zu stärken. Nun ist, das kann man den Veranstaltern der Tagung ohne weiteres
                              									glauben, soweit englisch sprechende Länder in Betracht kommen, zuerst in London
                              									ausgesprochen worden, daß nicht nur aus Gründen der Moral, sondern auch des
                              									geschäftlichen Erfolges jede Reklame wahr sein müsse. Lügen haben eben kurze Beine,
                              									und mit lügenhaften Angaben kann man sich auf die Dauer keine Kundschaft erhalten.
                              									So wurde dann der Satz von der Wahrheit in der Reklame das Leitwort für die Tagung
                              									und die Wahrheit wurde als eine besonders bemerkenswerte Eigenschaft der englischen
                              									Reklame hingestellt.
                           Dieser Satz erinnert merklich an das eingangs erwähnte Inserat von Fox & Co. Man
                              									sagt, eine Eigenschaft, die man bei der englischen Reklame anerkennen muß, ist die,
                              									daß sie wahr ist. Man sagt nicht, daß die Reklame anderer Völker unwahr sei. Wollte
                              									jemand das aus der Behauptung von der Wahrheit der englischen Reklame herauslesen
                              									und gegen die Verbreitung solcher Behauptungen Einspruch erheben, dann würde man in
                              									England sehr erstaunt sein und sich darüber wundern, wie es möglich ist, dem Satz
                              									einen solchen Inhalt zu geben. Würden jedoch Käufer durch den starken Hinweis auf
                              									die Wahrheit der englischen Reklame veranlaßt, die Reklame anderer Völker für unwahr
                              									zu halten und im Vertrauen zu der englischen Reklame englische Ware andern
                              									vorziehen, dann würde man das als einen Erfolg der Wahrheit in der Reklame sich gern
                              									gefallen lassen.
                           Ob das der Fall sein wird, ist allerdings fraglich. Mit gutem Recht ist gesagt
                              									worden, daß ein Mensch die Tugenden, von denen er spricht, nicht habe. Wer auffällig
                              									laut für sich in Anspruch nimmt, seine Reklame sei wahr, der gerät gar leicht in den
                              									Verdacht, als ob die Wahrheit seiner Reklame von einflußreicher Stelle angezweifelt
                              									sei, und als ob er Ursache habe, sich gegen diese Anzweifelung seiner Wahrheitsliebe
                              									zu verteidigen. Möglicherweise wird gerade das starke Betonen der Wahrheit der
                              									englischen und amerikanischen Reklame die zu gewinnenden Kunden veranlassen, die
                              									Berechtigung dieses Satzes an Beispielen zu prüfen und einmal zu untersuchen, ob
                              									wirklich jene Reklamebehauptungen nicht nur buchstäblich und äußerlich wahr sind,
                              									wie die Anzeige von Fox & Co., sondern ob ihr auch die innere Wahrheit nicht
                              									fehlt, die es nicht zuläßt, daß sich bei dem Leser oder Beschauer der Reklamen
                              									falsche Vorstellungen bilden.
                           Unsere deutschen Reklamefachleute haben nicht die geringste Veranlassung, zu dem
                              									Satze von der Wahrheit der englischen Reklame Stellung zu nehmen. Wenn bei uns über
                              									Moral und Wahrheit in der Reklame auch nie viel gesprochen und geschrieben worden
                              									ist, so war doch seit langem schon z.B. allen Fachleuten der Industrie-Reklame aus
                              									der Erfahrung bekannt, daß sich durch Reklame nur dann eine dauernde Kundschaft
                              									gewinnen läßt, wenn die Käufer nicht enttäuscht werden. Sie wußten, daß sich
                              									Dauererfolge nur erringen lassen, wenn die mit Hilfe der Reklame vertriebenen
                              									Erzeugnisse gut sind und die Erwartungen erfüllen, die durch die Reklame in dem
                              									Käufer geweckt sind. Darauf haben sie bei ihren Reklamemaßnahmen stets Rücksicht
                              									genommen, und sie haben damit guten Erfolg gehabt. Sie werden auch weiter bei dem
                              									Verfahren bleiben, den zu gewinnenden Kunden nur solche Dinge zu sagen, und durch
                              									die Abfassung des Textes nur solche Erwartungen hervorzurufen, die durch die
                              									Lieferung erfüllt werden. Ausdrücklich zu versichern, daß ihre Reklame wahr sei,
                              									haben sie nicht nötig, denn ob das der Fall ist, merkt der Kunde, auch wenn man es
                              									ihm nicht sagt.