| Titel: | Neuere Arbeiten und Aufgaben der Chemisch-Technischen Reichsanstalt. | 
| Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 26 | 
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                        Neuere Arbeiten und Aufgaben der Chemisch-Technischen Reichsanstalt.
                        Von Dr. J. Hausen, Berlin-Friedenau.
                        HAUSEN, Arbeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt.
                        
                     
                        
                           Die Chemisch-Technische Reichsanstalt ist aus dem früheren Militärversuchsamt hervorgegangen, das dem preußischen Kriegsministerium
                              unterstellt war und im wesentlichen schieß- und sprengtechnische, mechanisch-technische und metallurgische Fragen bearbeitete.
                              Infolge des Friedensvertrages mußte das Amt als militärisches Institut aufgelöst werden. Um aber den Behörden eine beratende
                              Stelle zu geben, welche mit den zahlreichen in das Arbeitsgebiet des Amtes fallenden Fragen insbesondere im Hinblick auf ihre
                              Bedeutung für die Volkswohlfahrt (Unfallverhütung und Arbeiterschutz) und die Volkswirtschaft (Metallschutz) vertraut war,
                              wurden die Beamten und Angestellten des Amtes nebst den Gebäuden und Einrichtungen vom Reich übernommen und als Chemisch-Technische
                              Reichsanstalt dem Reichsinnenministerium unterstellt (1920). Hiermit erfuhr der Aufgabenkreis der Anstalt eine Umstellung
                              und Erweiterung, die sich indes infolge der Nachkriegsverhältnisse nur langsam vollziehen konnte. Die Arbeiten für die Heeresverwaltung
                              wurden auf das im Rahmen des Friedensvertrages zulässige Maß eingeschränkt; dafür nahm die Anstalt in größerem Maßstabe die
                              Bearbeitung sicherheitstechnischer Fragen (Grubensicherheitsamt), und die Durchführung von Untersuchungen, die im allgemeinen
                              volkswirtschaftlichen Interesse liegen, auf. Sie wurde die maßgebende Instanz für die Abgabe von Gutachten und die Bearbeitung
                              von chemisch-technischen Fragen, die sich im Reichsinnenministerium, im Reichswehrministerium, im Reichsverkehrsministerium
                              (Transportfragen), ferner beim Reichsarbeitsministerium und beim preuß. Ministerium für Handel und Gewerbe ergaben. Nebenher
                              laufen Untersuchungen über Fragen, an deren Lösung industrielle Kreise besonders interessiert sind und zu denen die Aufträge
                              von der Industrie herrühren.
                           Die folgenden Ausführungen, welche einen Ueberblick über die neueren Arbeiten der vier fachtechnischen Abteilungen der Anstalt,
                              denen ein Referat für mechanisch-technische Untersuchungen und Arbeiten angegliedert ist, geben, ermöglichen einen Einblick in den Aufgabenkreis
                              der Anstalt.
                           Die Abteilung für allgemeine Chemie unter Leitung von Oberreg.-Rat Dr. Rimarski beschäftigte sich in den letzten Jahren vorwiegend
                              mit Arbeiten und Untersuchungen gastechnischer Natur. Die sicherheits-technischen Fragen, die sich im Zusammenhang mit der
                              anwachsenden Verwendung des Acetylen-Sauerstoffgebläses zum Schweißen und Schneiden ergaben, wurden einer eingehenden Bearbeitung
                              unterzogen. Insbesondere ist die Abteilung bei der Klarstellung der Gefahrenfrage und der Aufstellung von Richtlinien für
                              Füllung und Transport gelösten Acetylens bahnbrechend vorgegangen. Sie besitzt heute eine umfassende Prüfanlage für alle das
                              Acetylen und seine Handhabung betreffenden Fragen und ist die anerkannte Prüfstelle sowohl für die im Handel befindlichen
                              wie für die neu zuzulassenden Füllmassen für Acetylenflaschen. Bekanntlich kann das in Aceton gelöste Acetylen infolge seiner
                              Neigung zum Zerfall nicht ohne weiteres in Form der Lösung aufbewahrt und befördert werden. Die für die Aufnahme der Lösung
                              bestimmten Stahlflaschen müssen vielmehr mit einer Masse gefüllt werden, die imstande ist, eine lokale explosionsartige Zersetzung
                              des Acetylens aufzuhalten d.h. ihre Uebertragung zu verhindern. Die Prüfung dieser Massen auf ihre Brauchbarkeit erfolgt durch
                              Zündungsversuche verschiedener Art, ferner durch Rüttel- und Stoßversuche usw.
                           Weitere Untersuchungen der Abteilung betrafen die Reinigungsmassen für das auf Flaschen zu füllende Acetylen (Chlorkalk-,
                              Bichromat- und Regenerationsmassen).
                           Acetylenentwickler müssen bekanntlich gegen Flammenrückschläge durch eine Sicherheitsvorrichtung geschützt werden. Als solche
                              wird meist eine Wasservorlage benutzt. Zur Prüfung derartiger Wasservorlagen auf ihre Wirksamkeit hat
                              									
                              									
                              									die gen. Abteilung eine Prüfanlage geschaffen, die aus einem Rohrsystem
                              									besteht, das an die Vorlage angesetzt wird und in dem ein
                              									Acetylen-Sauerstoff-Gemisch durch Funken gezündet wird. Pflanzt sich die Zündung
                              									durch die Vorlage fort, so wird eine hinter dieser als Rohrverschluß angeordnete
                              									Zinnfoliensicherung herausgeschleudert: die Vorlage ist in diesem Falle nicht
                              									brauchbar. Neuerdings wurde eine Prüfanlage hergerichtet, bei der die Prüfung im
                              									strömenden Gas erfolgt, um die Versuchsbedingungen den praktisch vorliegenden
                              									Verhältnissen weitgehendst anzugleichen. – Versuche, die Wasservorlage durch
                              									mechanische Sicherungen zu ersetzen, haben bisher nicht zu brauchbaren Ergebnissen
                              									geführt.
                           Durch eine geeignete Versuchsanlage konnte gezeigt werden, daß der Zerfall des
                              									Acetylens durch Zündung durch steigenden Druck begünstigt wird. Der deutsche
                              									Acetylenverein hat daraufhin den für die Hochdruckentwickler zulässigen Höchstdruck
                              									vorläufig von 1,5 auf 1 atü herabgesetzt.
                           Ferner wurden von der gen. Abteilung die Sicherheitsfragen, die sich im Zusammenhang
                              									mit der Anwendung besonders reinen Acetylens (Narcylen) als Betäubungsmittel für
                              									chirurgische Zwecke ergaben, bearbeitet. Da das Lachgas für die gleichen Zwecke
                              									neuerdings auch in Deutschland zunehmendes Interesse findet, hat die Abteilung
                              									Versuche zur Klarstellung des Fabrikationsganges und Klärung der Sicherheitsfragen
                              									bei der Verwendung dieses Gases begonnen.
                           Einem Antrage des Grubensicherheitsamtes entsprechend wird neuerdings die Frage der
                              									Verwendung von Tetrachlorkohlenstoff als Feuerlöschmittel unter Tage im Hinblick auf
                              									Menge und Art der pyrogenen Zerfallsprodukte einer Untersuchung unterzogen.
                           Auf dem Gebiete der Schweißtechnik werden durch den auf Anregung des deutschen
                              									Acetylenvereins im Verein Deutscher Ingenieure ins Leben gerufenen Fachausschuß für
                              									Schweißtechnik Untersuchungen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und Güte des
                              									Schweißens und Schneidens ausgeführt. Die erste der gen. Abteilung zur Bearbeitung
                              									zugefallene Frage betraf den Einfluß der Reinheit der verwendeten Gase und wurde
                              									zusammen mit der schweißtechnischen Versuchsabteilung der Reichsbahngesellschaft
                              									untersucht. Es ergab sich dabei, daß die Qualität der Arbeitsausführung einen
                              									bedeutend größeren Einfluß auf die Wirtschaftlichkeit und Güte der Schweißnaht
                              									ausübt, als die Verunreinigungen der Gase innerhalb der Grenzen, in denen sie
                              									praktisch vorzukommen pflegen.
                           Auf Grund einer Anregung seitens des Reichsverkehrsministeriums wurden die Fragen der
                              									Transport- und Handhabungssicherheit von konzentrierter Blausäure untersucht. Es
                              									stellte sich heraus, daß konzentrierte Blausäure unter praktisch möglichen
                              									Verhältnissen nicht als Sprengstoff zu betrachten ist und daß die Zertrümmerungen
                              									von Blausäurebehältern auf Polymerisationsvorgänge zurückzuführen sind, die durch
                              									Wasser und (bei wasserfreier Säure) durch Stoffe basischen Charakters hervorgerufen
                              									werden. Durch Säurezusatz wird im letzteren Falle eine genügende Stabilisierung
                              									erreicht. Die Abteilung hat weiterhin Richtlinien für den zweckmäßigen
                              									Transport von aufgesaugter Blausäure angegeben.
                           Auf einen Antrag des Reichswehrministeriums wurde eine Untersuchung über den
                              									Fußbodenbelag Triolin im Vergleich zu Linoleum durchgeführt. An Hand von
                              									technologischen Prüfungen war geltend gemacht worden, daß dieses Material, das neben
                              									den üblichen Füllstoffen gewisse Mengen von Kollodiumwolle enthält, die durch einen
                              									organischen Phosphorsäureester stabilisiert und gelatiniert ist, explosiv und
                              									brennbar sei und schon bei mittleren Temperaturen physiologisch wirksame Gase
                              									abspalte. Die von der gen. Abteilung z. T. gemeinsam mit dem Reichsgesundheitsamt
                              									und dem preuß. Feuerwehrbeirat ausgeführten Untersuchungen ergaben indes, daß
                              									Triolin ein dem Linoleum durchaus ebenbürtiger Belag ist, dessen Anwendung keine
                              									Bedenken entgegenstehen.
                           Die Abteilung war ferner mit Fragen der Handhabungssicherheit von Zelluloid- und
                              									Filmmaterial und mit Untersuchungen und Begutachtungen von Rohstoffen
                              									verschiedenster Art beschäftigt.
                           Die Abteilung für Sprengstoffe unter Leitung von Oberreg.-Rat Prof. Dr. Käst hatte in
                              									den letzten Jahren in erster Linie die Feststellung der Ursachen von Explosionen
                              									(Oppau, Zeche Dorstfeld, Reinsdorf usw.), die Untersuchung von Sprengstoffen und
                              									explosionsgefährlichen chemischen Produkten im Hinblick auf ihre Beförderungs- und
                              									Handhabungssicherheit, die Ausstellung von Gutachten für Behörden und richterlichen
                              									Instanzen und die Mitarbeit bei der Aufstellung gesetzlicher Bestimmungen zum
                              									Gegenstand ihrer Tätigkeit.
                           Umfangreiche wissenschaftliche Forschungen sind auf dem Gebiet der
                              									Initialsprengstoffe ausgeführt worden. Dabei ergab sich die interessante Tatsache,
                              									daß abgesehen von der schnellen Erreichung des Druckmaximums die Brisanz eines
                              									Sprengstoffes der ausschlaggebende Faktor für seine Zündwirkung ist und daß die
                              									eingeleitete Detonation um so besser übertragen wird, je größer das Produkt aus
                              									Dichte, Detonationsgeschwindigkeit und spezifischem Gasdruck des
                              									Initialsprengstoffes ist. In Fortsetzung dieser Untersuchungen wurden die
                              									Bildungswärmen vieler Sprengstoffe bestimmt, deren Kenntnis zur Beurteilung ihrer
                              									thermodynamischen und sprengtechnischen Eigenschaften von großer Bedeutung ist.
                           In eingehender Weise wurden die Flüssigluftsprengstoffe auf ihre sprengtechnischen
                              									Eigenschaften untersucht. Es stellte sich dabei heraus, daß sie in ihrer Wirkung
                              									etwa den Ammonsalpetersprengstoffen gleichkommen und bei entsprechender
                              									Zusammensetzung die Wirkung von Dynamiten annähernd erreichen können. Ihre
                              									Detonationsgeschwindigkeit liegt zwischen 3000 und 5000 m/sek., ihre Dichte etwa bei
                              									1, während ihre Explosionstemperatur bis auf 6000° ansteigen kann. Die Frage, ob der
                              									Sicherheitsgrad von Rußpatronen durch einen Oelgehalt beeinträchtigt wird, konnte
                              									verneint werden. Weitere Versuche sind über die Handhabungssicherheit von
                              									Flüssigluftsprengstoffen im Gange, die durch gewisse Vorkommnisse und Unfälle beim
                              									Gebrauch dieser Sprengstoffe veranlaßt wurden, nachdem mehrfach 
                              									Selbstentzündung bei der Bohrlochbesetzung, sei es in den Transport- und
                              									Tränkgefäßen, sei es im Bohrloch selbst, beobachtet worden waren.
                           Neuerdings hat die Abteilung umfangreiche Untersuchungen für das Grubensicherheitsamt
                              									begonnen, deren Ziel die Unfallverhütung im Bergbau ist. Die im Bergbau
                              									gebräuchlichen Sprengstoffe wurden im Hinblick auf ihre Transport- und
                              									Lagersicherheit studiert. Gegenwärtig im Gange befindliche Untersuchungen betreffen
                              									die Frage der Zündung von Schlagwettern und von Kohlenstaub durch Sprengschüsse,
                              									soweit chemische und physikalisch-chemische Gesichtspunkte in Frage kommen. Die
                              									Errechnung der aus den Bildungswärmen und der Zerfallsgleichung auf
                              									thermodynamischem Wege zu ermittelnden Explosionstemperatur gibt von vornherein
                              									gewisse Anhaltspunkte für die Beurteilung der Schlagwettersicherheit eines
                              									Sprengstoffes. Zur Schaffung der erforderlichen Unterlagen werden einerseits die
                              									Bildungswärmen bestimmt und andrerseits die Zersetzungsgase analytisch untersucht,
                              									um aus diesen Ermittlungen die Zerfallsgleichung aufstellen zu können. Natürlich
                              									spielen hierbei auch noch andere Faktoren eine Rolle, wie z.B. die Flammdauer, die
                              									neuerdings von der gen. Abteilung durch photographische Aufzeichnung des Vorganges
                              									auf einem Filmband ermittelt wird. Das Filmband befindet sich auf einer schnell
                              									rotierenden Trommel, die mit einer Umfangsgeschwindigkeit von 40–80 m/sec läuft. Das
                              									Licht der Detonationsflamme wird durch einen schmalen Schlitz auf den Film geworfen,
                              									so daß man bei stillstehender Trommel einen geraden Strich, bei sich drehender
                              									Trommel aber ein auseinander gezerrtes Bild erhält. Aus der Höhe und Zerrung des
                              									Bildes und der gemessenen Umfangsgeschwindigkeit der Trommel ergibt sich die Dauer
                              									und Länge der Explosionsflamme.
                           Die Explosionsschwaden der Sprengstoffe können bis über 60% Kohlenoxyd enthalten, das
                              									sich sofort mit der Luft vermengt. Bei der großen Giftigkeit dieses Gases – bereits
                              									½% Beimengung in Luft wirken nach kurzer Zeit tödlich – sind geeignete
                              									Nachweismittel von großer Wichtigkeit. Die bekannten Methoden zum chemischen
                              									Nachweis von Kohlenoxyd wurden daher einer vergleichenden Prüfung unterzogen und
                              									eine von Prof. Thiele vorgeschlagene Methode (ammoniakalische Silberlösung) in einer
                              									einfachen Vorrichtung untergebracht, so daß auch ungeübte Personen schon
                              									Beimengungen von 1/20% Kohlenoxyd in der Luft innerhalb einiger Minuten erkennen können.
                           Weitere Untersuchungen der Abteilung betrafen die Zuverlässigkeit von Prüfmethoden
                              									für Sprengstoffe, die Feststellung der Empfindlichkeitsgrenze geladener Zündhütchen
                              									usw. Umfangreiche Untersuchungen über die Lagerbeständigkeit und Stabilität von
                              									Nitrozellulose und rauchschwachem Pulver sollen mit Hilfe von
                              									Wasserstoffionenmessungen durchgeführt werden.
                           Schließlich beschäftigte sich die gen. Abteilung mit der Zersetzungs- und
                              									Explosionsfähigkeit von technischem Chlorkalk und dem neuerdings an dessen Stelle
                              									vielfach verwendeten unterchlorigsauern Kalk (Perchloron). Es ergab sich, daß beide
                              									Stoffe in keiner Weise als Sprengstoffe anzusehen sind. Sie verhalten sich
                              									sprengtechnisch wie Salpeter, mit dem Unterschied, daß sich ihre Energie infolge
                              									stetiger langsamer Zersetzung nicht aufspeichern läßt. Die Ermittlung der
                              									Zersetzungsgeschwindigkeiten ergab, daß reiner unterchlorigsaurer Kalk (Perchloron)
                              									alle technischen Chlorkalksorten mit Ausnahme der kalkreichen (60°) an Beständigkeit
                              									übertrifft. – Eine Anzahl von Mischungen oxydaler Substanzen, wie Holzkohle,
                              									Holzmehl, Benzin, Mineralöl usw., mit Perchloron bezw. Chlorkalk wurden auf ihr
                              									sprengtechnisches Verhalten untersucht. Es zeigte sich, daß nur dem Gemisch von
                              									Perchloron mit Mineralöl ein schwacher Sprengstoffcharakter zukommt. In anderen
                              									Fällen wurde zwar Zersetzung beobachtet, doch handelte es sich dabei nur um
                              									Gasdruckreaktion ohne Flammen- und Explosionswirkung.
                           Die Abteilung für Metallchemie und Metallschutz unter Leitung von Reg.-Rat Prof. Dr.
                              									Maaß hat den Schutz der metallischen Werkstoffe gegen die Einflüsse chemischer und
                              									physikalisch-chemischer Natur zum Gegenstand ihrer Tätigkeit. Die hier ausgeführten
                              									Arbeiten betreffen einerseits die wissenschaftliche Aufklärung des
                              									Korrosionsvorganges und andererseits die Beurteilung der Wirksamkeit und
                              									Wirtschaftlichkeit von Schutzmaßnahmen.
                           Ausgehend von der Erkenntnis, daß sich eine generelle Schutzmaßnahme gegen die
                              									Metallkorrosion auf absehbare Zeit kaum wird angeben lassen, hat man eine
                              									individuelle, von Metall zu Metall schreitende Korrosionsforschung begonnen, welche
                              									die Grundlagen für eine den jeweiligen korrosiven Einflüssen entsprechende
                              									zweckmäßige Auswahl der Metalle liefern soll. – In diesem Zusammenhang wurde eine
                              									umfangreiche Untersuchung über den allgemeinen Angriff korrodierender Flüssigkeiten
                              									auf Aluminium und seine Legierungen durchgeführt, deren bisherige Ergebnisse darauf
                              									hinweisen, daß die thermische und mechanische Behandlung des Aluminiums seine
                              									Korrosionsbeständigkeit wesentlich beeinflußt. Als ungünstig erwies es sich in jedem
                              									Falle, wenn die Verunreinigungen des Aluminiums oder die Zusätze, die ihm zur
                              									Steigerung seiner physikalischen Eigenschaften gegeben werden, nicht in Form von
                              									Mischkristallen vorliegen, da alsdann die Bildung von Lokalelementen wesentlich
                              									begünstigt ist, wodurch die Auflösungsgeschwindigkeit stark erhöht wird. Bei den
                              									magnesiumfreien Aluminiumlegierungen tritt z.B. bereits beim Erhitzen auf 100–130°
                              									ein Zerfall der Mischkristalle ein, der eine`beträchtliche Herabsetzung der
                              									Korrosionsbeständigkeit zur Folge hat. Angesichts der zunehmenden Verwendung des
                              									Aluminiums und seiner Legierungen in der Technik kommt den Arbeiten der Abteilung
                              									eine große praktische Bedeutung zu.
                           Zur Aufklärung des Korrosionsvorganges wurden Stromspannungskurven an Metallen im
                              									Gebiet der Restströme aufgenommen. Um nämlich das elektrochemische Verhalten eines
                              									Metalles im spannungslosen Zustand kennen zu lernen, ist es notwendig, diesen
                              									Zustand sowohl nach der anodischen, wie nach der kathodischen Seite zu
                              									überschreiten. Die erhaltenen Stromspannungskurven zeigen im Gebiet schwacher
                              									kathodischer Polarisation einen Bereich mit schwankenden Potentialen, 
                              									innerhalb dessen das kathodisch polarisierte Metall in Lösung geht, während
                              									sich seine Oberfläche gleichzeitig mit einer Deckschicht basischen Charakters
                              									bedeckt, welche offenbar den während des natürlichen Korrosionsvorganges in längeren
                              									Zeiten entstehenden Deckschichten wesensähnlich ist. Sie ist es offenbar, welche dem
                              									Metall seinen passiven Charakter verleiht und es ist wahrscheinlich, daß die
                              									Berücksichtigung des Teiles des kathodisch abgeschiedenen Wasserstoffs, welchen sie
                              									zu ihrer Reduktion in Anspruch nimmt, eine wenigstens teilweise Erklärung für die
                              									Ueberspannung liefert, mit welcher der Wasserstoff bekanntlich an Metallen
                              									abgeschieden wird.
                           Weitere Versuche der Abteilung hatten den Zweck, Vergleiche über die Geschwindigkeit
                              									und Art der Rostbildung an Eisenblechen anzustellen, die in einem Falle mittels
                              									Sandstrahlgebläses gereinigt, im anderen mit Drahtbürsten entrostet worden waren.
                              									Dabei ergab es sich, daß der Walzzunder, dem man gewöhnlich die Eigenschaft
                              									zuschreibt, rostschützend zu wirken, keine derartige Wirkung ausübt, da die
                              									Zunderschicht porös ist.
                           Die wichtigste Schutzmaßnahme gegen die Korrosion durch atmosphärische Einflüsse
                              									stellt heute immer noch der Oelfarbenanstrich dar. Das gilt insbesondere für
                              									ausgedehnte Eisenkonstruktionen. An den Bestrebungen, die Beurteilungen von
                              									Anstrichfarben und von Anstrichen sowohl hinsichtlich ihrer allgemeinen
                              									Eigenschaften wie auch in spezieller Hinsicht auf ihre Rostschutzwirkung von der
                              									subjektiven Schätzung hinweg auf eine breite, zahlenmäßig erfaßbare Grundlage zu
                              									stellen, ist die Abteilung rege beteiligt. Die in dieser Richtung ausgeführten
                              									Arbeiten haben bereits einige Methoden geliefert, mit Hilfe deren die Prüfung von
                              									Anstrichfarben von der individuellen Schätzung unabhängig gemacht werden kann.
                              									Schwieriger gestaltet sich die Prüfung des fertigen Anstriches. Man versucht hier
                              									die Verhältnisse der Praxis mit Hilfe geeigneter Laboratoriumsvorrichtungen zu
                              									reproduzieren. Inwieweit sich durch derartige Kurzprüfungen ein zuverlässiges Urteil
                              									über die Bewährung eines Anstrichs in der Praxis erhalten läßt, ist eine heute noch
                              									sehr umstrittene Frage. Um zweifelsfreie Prüfungsergebnisse zu erhalten, hilft man
                              									sich gegenwärtig noch in der Weise, daß gestrichene Bleche längere Zeit hindurch
                              									(bis zu 2 Jahren) den atmosphärischen Einflüssen im Freien ausgesetzt und nach
                              									Ablauf dieser Zeit untersucht werden.
                           Weitere Arbeiten der Abteilung betreffen die Lichtempfindlichkeit der Lithopone (d.h.
                              									ihres eigentlich lichtempfindlichen Bestandteile Zinksulfid), die in Anbetracht der
                              									sonstigen günstigen Eigenschaften dieses Pigments (billiger als Bleiweiß und
                              									ungiftig) einer Aufklärung bedarf. Vorläufig gehen die Meinungen über diese Frage
                              									noch sehr auseinander. Zur Normung der Lithopone hinsichtlich ihrer Lichtechtheit
                              									hat die gen. Abteilung eine Standardmethode augearbeitet.
                           Weitere Arbeiten der Abteilung betrafen den Glanz von Anstrichen und seine
                              									Bestimmung.
                           Ferner war die Abteilung mit Untersuchungen und Gutachten über Metalle,
                              									Korrosionsfälle, Rostschutzmittel verschiedener Art usw. beschäftigt. Erwähnt sei,
                              									daß sie eine der Prüfstellen für die bei der Reichsbahn und Reichspost
                              									zuzulassenden Anstrichmittel ist.
                           Die Abteilung für Physik unter Leitung von Oberreg.-Rat Dr. Ritter hatte Fragen der
                              									Unfallverhütung insbesondere auf dem Gebiete der Gas- und Benzinexplosionen und in
                              									letzter Zeit auch das Studium der Fern Wirkung von Explosionen und Fragen der
                              									inneren Ballistik zum Gegenstand ihrer Tätigkeit. Die Untersuchungen über die
                              									Fernwirkung von Explosionen, die mit Unterstützung der Notgemeinschaft der deutschen
                              									Wissenschaft und in Gemeinschaft mit anderen wissenschaftlichen Instituten
                              									ausgeführt wurden, haben zu interessanten Ergebnissen geführt. Die Schallstrahlen
                              									gelangen bekanntlich in große Höhen hinauf, die sich aus Laufzeitmessungen ermitteln
                              									lassen. Beobachtet man nun die Reflektion, welche sie in der Atmosphäre an
                              									leichteren Gasen erleiden, so gewinnt man hieraus Anhaltspunkte über die
                              									Zusammensetzung der Atmosphäre in diesen Höhen. Die hier erhaltenen Resultate werden
                              									wahrscheinlich unsere Annahmen über die Zusammensetzung der Atmosphäre in großen
                              									Höhen wesentlich berichtigen. – Von praktischer Bedeutung verspricht die Beobachtung
                              									der Wellenfortbewegung im Erdinnern zu werden. Die durch Sprengungen erzeugten
                              									Erdwellen durchlaufen Erdschichten verschiedener Beschaffenheit mit verschiedenen
                              									Geschwindigkeiten und werden an Grenzschichten unter der Erdoberfläche reflektiert.
                              									Man kann auf diese Weise aus Seismogrammen Auskunft über die geologischen
                              									Verhältnisse der untersuchten Erdschicht erhalten.
                           Weitere Untersuchungen der Abteilung betrafen die bei Explosionen entstehende
                              									Stoßwelle, ihre Geschwindigkeit und der Verlauf ihrer Ausbreitung. Die
                              									Geschwindigkeit wurde in der unmittelbaren Nähe des Sprengherdes zu mehreren tausend
                              									Metern/sek. ermittelt; sie geht erst in Abstand von 2–300 m auf die
                              									Schallgeschwindigkeit zurück. Eingehende Aufzeichnungen über die Höhe und den
                              									zeitlichen Verlauf des Luftdrucks in wechselnden Entfernungen vom Sprengherd
                              									zeigten, daß die erst sehr unregelmäßige Wellenform sich mit wachsendem Abstand vom
                              									Sprengherd verflacht und sinusförmig wird. Der Kurvenverlauf erklärt die
                              									Saugwirkungen, die bei manchen Explosionen beobachtet werden. Reicht nämlich der
                              									positive Teil der Druckwelle eben zur Zertrümmerung eines Hindernisses
                              									(Fensterscheibe) aus, so erteilt der negative Teil dem Hindernis eine Beschleunigung
                              									zum Sprengherd hin (die Scheibe fliegt aus dem Zimmer heraus). – Am meisten Energie
                              									nehmen solche Hindernisse aus der Schallwelle auf, deren Eigenschwingungsdauer der
                              									der Welle am nächsten kommt. Wälle vermögen die Nahwirkung einer Explosion
                              									abzuschwächen, für die Fernwirkung sind sie dagegen belanglos. In geschlossenen
                              									Räumen oder röhrenartigen Gängen, z.B. im Bergwerk, liegen die Dinge ganz anders.
                              									Hier erfolgt die Druckabnahme nicht so schnell wie auf der Erdoberfläche, ja es
                              									können entferntere Stellen durch Reflektion der Wellen einem höheren Druck
                              									ausgesetzt werden, als er in unmittelbarer Nähe des Sprengherdes herrscht. Die in
                              									dieser Richtung ausgeführten Messungen erklären die oft beobachtete Erscheinung, daß
                              									eine Stoßwelle, nachdem sie 
                              									weite Strecken eines Bergwerks wirkungslos durchlaufen hat, stellenweise wieder
                              									Zerstörungen und Brandwirkungen hervorruft. Sie geben wertvolle Anhaltspunkte für
                              									die Anlage von Sprengstofflagerräumen unter Tage. – Die quantitative Erfassung des
                              									Verlaufs der Explosionswelle ergibt die Möglichkeit, die Sicherheitsgrenze für
                              									Sprengstoffabriken und -läger und insbesondere auch für bestimmte Baukonstruktionen
                              									mit viel größerer Genauigkeit festzulegen, als dies bisher möglich war. Ferner wird
                              									man aber auch in Fällen von Schadenersatzansprüchen an Hand von Form und
                              									Schwingungsdauer der Luftdruckwelle viel zuverlässiger beurteilen können, ob
                              									bestimmte Beschädigungen durch Fernwirkung einer Explosion hervorgerufen sind, oder
                              									nicht.
                           Weitere Arbeiten der Abteilung hatten die Schaffung von Grundlagen für die
                              									Neuregelung der gesetzlichen Bestimmungen über den Beschuß von Handfeuerwaffen zum
                              									Gegenstand.
                           Zur Klärung der Frage, inwieweit in Tankanlagen eine Selbstentzündung des Benzins
                              									durch elektrische Erregung eintreten kann, wurden zwei Großversuche in Tankanlagen
                              									ausgeführt. Laboratoriumsversuche hatten gezeigt, daß bei gesteigerter
                              									Strömungsgeschwindigkeit des Benzins Spennungsdifferenzen bis zu 20000 Volt
                              									auftreten können. Da Zweifel bestanden, ob im praktischen Betrieb ähnlich hohe
                              									Elektrisierungen stattfinden können, wurden im Auftrage der Technischen Deputation
                              									beim Preuß. Ministerium für Handel und Gewerbe Messungen in Tankanlagen selbst
                              									vorgenommen. Es ergab sich, daß die elektrische Erregung des Benzins in Tankanlagen
                              									bei guter Erdung aller Teile der Anlage praktisch bedeutungslos ist.
                           Von Interesse ist ferner die von der gen. Abteilung gemachte Feststellung, daß ein
                              									Ammoniak-Luftgemisch in den Grenzen von 17–27 Vol.-% Ammoniak durch eine Flamme zur
                              									Explosion gebracht werden kann. Diese Tatsache ist früheren Forschern offenbar
                              									deshalb entgangen, weil sie mit zu kleinen Gefäßen arbeiteten. Es wurden Drucke bis
                              									zu 6,5 kg/qcm beobachtet.
                           Neben diesen Arbeiten liefen eine Reihe von Untersuchungen und Begutachtungen einher,
                              									welche die Prüfung von Zündschnüren mit Hilfe von Röntgenstrahlen, den
                              									Blitzschutz explosionsgefährlicher Gebäude, die Lichtstärke von Signalkörpern und
                              									andere Fragen betrafen.
                           Dem Referat für mechanisch-technische Untersuchungen unter der Leitung von Reg.-Rat
                              									Lieber fielen in erster Linie Materialprüfungen verschiedener Art für behördliche
                              									und amtliche Stellen zu. Im Jahre 1925 wurden mehr als 500 Einzeluntersuchungen
                              									ausgeführt, wobei es sich meist um Abnahmeprüfungen handelte. Das Referat beteiligte
                              									sich an der Neuaufstellung von Lieferungsbedingungen der Inspektion für Waffen und
                              									Geräte, an der Aufstellung von Normen und Lieferungsbedingungen durch den Ausschuß
                              									für wirtschaftliche Fertigung usw.
                           Die dem Referat angegliederten Werkstätten haben die Abteilungen der Anstalt durch
                              									ihre Mitarbeit in apparativer Hinsicht unterstützt. Besondere Erwähnung verdient
                              									hier der Aufbau zweier Brandhäuser für die Triolin-Linoleum-Brandversuche, bei denen
                              									das Referat den gesamten technischen Teil der Versuche übernommen hatte.
                           ––––––––––
                           Die vorstehenden Ausführungen können die Tätigkeit der einzelnen Abteilungen der
                              									Chemisch-Technischen Reichsanstalt natürlich nur in groben Umrissen und
                              									Abschnittsweise kennzeichnen. Ueber das Maß der zunehmenden Beanspruchung der
                              									Anstalt seitens der behördlichen Stellen und der Industrie geben die Zahlen der in
                              									den drei letzten Jahren in der Reichsanstalt erledigten Aufträge Auskunft:
                           
                              
                                 1923:
                                 338
                                 
                              
                                 1924:
                                 823
                                 
                              
                                 1925:
                                 1340
                                 
                              
                           Angesichts der stetigen Steigerung der Auftragszahlen, der nur
                              									eine geringe Personalvermehrung gegenübersteht, wird sich in Kürze die Notwendigkeit
                              									ergeben, die Kräfte der Anstalt entsprechend zu verstärken. Die Bedeutung der
                              									Arbeiten der Anstalt, besonders derjenigen sicherheitstechnischer Art
                              									(Grubensicherheit), läßt es wünschenswert erscheinen, daß in dieser Hinsicht
                              									Bedenken finanzieller Natur hintangestellt werden.