| Titel: | Neuere Erfahrungen und Fortschritte in der Behandlung des Kesselspeisewassers. | 
| Autor: | E. Gutmann | 
| Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 30 | 
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                        Neuere Erfahrungen und Fortschritte in der
                           								Behandlung des Kesselspeisewassers.
                        Von Dipl.-Ing. E. Gutmann.
                        GUTMANN, Behandlung des Kesselspeisewassers.
                        
                     
                        
                           Von den im Ingenieur-Taschenbuch „Hütte“ zur Verhütung der
                              									Kesselsteinbildung angegebenen zahlreichen Mitteln haben sich hauptsächlich in den
                              									praktischen Betrieben eingeführt und mit mehr oder weniger Erfolg behauptet: Die
                              									Reinigung des zum Speisen benützten Wassers mit Ätznatron oder mit Soda, das
                              									Kalk-Soda- und das Permutit-Verfahren.
                           Die fortschreitende Entwicklung im Kraftmaschinenbau, namentlich nach der Richtung
                              									der Anwendung wesentlich höherer Kesseldrücke und bedeutend größerer zu
                              									verdampfender Wassermengen in der Zeiteinheit, verlangt, daß der Gefahr der
                              									Kesselsteinbildung in weit schärferem Maße als bisher Beachtung geschenkt werden
                              									muß. Gleichzeitig sollte aber auch hierbei der Bedingung größerer und größter
                              									Wirtschaftlichkeit solcher Kessel- bzw. Wasserreinigungsanlagen stets Genüge
                              									geleistet werden; Forderungen, die teilweise von alther benutzten Methoden nicht
                              									immer in allgemein befriedigender Weise erfüllt werden konnten.
                           Insbesondere verdient hervorgehoben zu werden, daß Vorkehrungen zur Reinigung des
                              									Wassers, die teuer in der Anlage sind, komplizierte Hilfsapparate nötig machen und
                              									entsprechend geschultes Hilfspersonal zu deren Bedienung verlangen, gar nicht den
                              									neuesten Richtlinien entsprechen, die die Industrie in bezug auf Verbilligung und
                              									Vereinfachung 
                              									der Betriebe zu schreiten gezwungen ist. Die möglichst weitgehende
                              									Automatisierung ist in dieser Hinsicht allerorts die Forderung des Tages, in den
                              									Kesselbetrieben nicht minder gebieterisch als in der Fabrikation. Um also neue Wege
                              									einzuschlagen, muß man sich zunächst vor Augen halten, daß in der
                              									Kesselspeisewasserreinigung, wie in allen Dingen, die reine Theorie nicht mit der
                              									Praxis ohne weiteres zu verbinden ist. In der Praxis gehört eigentlich zu jeder
                              									Wasservorreinigung ein chemisches Laboratorium, welches wissenschaftlich beraten und
                              									beobachtet und außerordentlich exakt bedient werden muß, besonders bei Wassern,
                              									welche in der Zusammensetzung nicht stabil sind oder durch nicht stabile
                              									Kondensatrückgewinnungen in der chemischen Zusammensetzung variieren. Hier muß
                              
                              									sorgfältig und sehr häufig das Kesselspeisewasser untersucht werden, um die richtige
                              									notwendige Menge Chemikalien zu berechnen. Aber selbst bei ordnungsgemäßer
                              									Behandlung der Kesselspeisewasservorreinigung sind Schäden nicht ausgeschlossen. Es
                              									ist daher im praktischen Betriebe das Kesselspeisewasser nicht mehr auf Null
                              									Härtegrad zu enthärten, man beläßt vielmehr einige Härtegrade (nach Dr. Splittgerber
                              									ca. 2 Grad) und verhindert die Bindung zur Inkrustation der unlöslichen Rückstände
                              									aus dieser Verunreinigung durch kolloidal wirkende Kesselsteingegenmittel.
                           Die prozentual geringe Verschmutzung des Wassers durch die wenigen Härtegrade ist
                              									unbedenklich. Professor Blacher hat in seinem Werk „Das Wasser in der Dampf- und
                                 										Wärmetechnik“ sich auch dazu bekannt, daß es Kesselsteingegenmittel gibt,
                              									welche in der Praxis sich bewährt haben, daß es aber zu bedauern ist, daß dieselben
                              									der Wissenschaft verschlossen bleiben, weil sie nicht wissenschaftlich bearbeitet
                              									und beraten werden. –
                           Als eines der neuesten und beachtenswertesten Mittel zur Verhütung des Kesselsteins,
                              									das in den letzten Jahren bekannt wurde, und den weitgehendsten Forderungen des
                              									Kesselbetriebes entspricht, ist das „Kespurit“ hervorzuheben. Nachdem
                              									dasselbe nach einer Reihe von Jahren in zahlreichen verschiedenen Betrieben
                              									eingeführt ist, liegen nunmehr genügende Erfahrungen vor, die mit demselben gemacht
                              									wurden. Aus all den Berichten der betr. Betriebe geht zur Genüge hervor, daß
                              										„Kespurit“ in allen Fällen bei jeder vorkommenden Härte des Wassers gute
                              									Erfolge gezeitigt hat, indem es ohne Nebenschäden Kesselsteinbildung verhinderte.
                              									Wasser, die bislang starke Steinbildungen verursachten und feste Ablagerungen von
                              									hartem Kesselstein zeigten, hielten bei Anwendung des neuen Mittels nur die
                              									Kesselsteinbildner in Form leichter schlammartiger Ablagerungen im Kessel.
                              										„Kespurit“ ist ein physikalisch kolloidal wirkendes chemisches Mittel,
                              									das, wie schon an anderen Stellen der Literatur ausführlich dargelegt,Archiv für Wärmewirtschaft, Heft 3 Jahrg. 1926. dem Wasser in einer Menge, die dem betr. Härtegrad desselben entspricht,
                              									zugesetzt wird.
                           „Kespurit“ an und für sich ist ein wasserlösliches Kolloid, welches als
                              									solches die kesselsteinbildenden kleinsten Bestandteile umhüllt. Diese sind
                              									dadurch verhindert, sich zu festen Krusten zu binden und vagabundieren als
                              									unlösliche Kolloide im Kessel, welche Eigenschaft wiederum die unlöslich wirkende
                              									kolloidale „Kespurit“-Wirkung unterstützt und neue Kesselsteinmoleküle
                              									aufnimmt. Diese Moleküle bilden dann ganz feine Körperchen, welche mit Wasser
                              									durchtränkt eine eminent feine Schlammschicht bilden.
                           Wie schon oben erwähnt, hat jede Wasservorreinigung den Nachteil der Salzanreicherung
                              									im Kessel. Da diese Salze im Wasser löslich bleiben, können sie nur durch Erneuerung
                              									des Kesselwassers entfernt werden, was natürlich mit großen Wärmeverlusten verknüpft
                              									ist, abgesehen davon, daß auch im Wasservorreiniger Wärmeverluste entstehen und auch
                              									salzhaltiges Wasser schwerer verdampft wie salzfreies. Bei jeder
                              									Kesselspeisewasserbehandlung im Kessel ist der Nachteil die Verschlammung, welche
                              									selbstverständlich auftreten muß, da jedes Wasser pro Grad und cbm. ca 20 gr.
                              									unlösliche Rückstände mit sich führt und die je nach Härte des Wassers und der Menge
                              									desselben sich im Kessel anreichert. Es ist daher notwendig, daß dementsprechend
                              									Kessel mit kespuriertem Wasser wie auch alle andern Kessel kurz abgeschlämmt werden.
                              									Die Häufigkeit dieser Abschlammung wird bedingt durch die Härte des Wassers und des
                              									Wasserraums des Kessels, sie erfordert durchaus nicht größere Wärmeverluste wie sie
                              									mit der Wasservorbereitung durch Kesselwasserreinigungsanlagen verbunden sind.
                              									Größere Betriebsunterbrechungen solcher mit „Kespurit“ behandelter
                              									Kesselanlagen sind nicht zu befürchten.
                           Zu beachten ist hierbei, daß bei Reinigung des Kessels derselbe nicht heiß und
                              									trocken gelassen wird, bevor er zwecks Reinigung befahren wird, da dann, begünstigt
                              									durch das Hinzutreten von Luftsauerstoff – durch die Kesselöffnungen – der Schlamm
                              									festbrennt, was wiederum das schädigende Kesselklopfen erfordert. Das Kesselklopfen
                              									an und für sich muß im modernen Betriebe unbedingt vermieden werden, da, abgesehen
                              									von Zeitaufwand und Kosten dadurch die Wandungen porig werden und leichter zu
                              									Verschmutzung neigen als Wandungen mit glatter Oberfläche. Außerdem ist aber dabei
                              									zu bedenken, daß die molekulare Lagerung des Flußeisens dadurch Veränderungen
                              									erfahren kann, daß die Kesselwandung kalt geklopft wird, und dieselbe dann eher zu
                              									Rißbildungen Anlaß gibt.
                           Ganz besonders sind bei glaubersalzhaltigen Kesselwassern Klopfarbeiten zu vermeiden,
                              									da die alkalienhaltigen Bestandteile des Wassers in diesen Narben gern in Kristallen
                              									ausscheiden, die das Material auseinanderzutreiben bestrebt sind. Es wird überhaupt
                              									anerkannt, daß in der Fabrikation falsch behandelte Kessel und solche, welche
                              									geklopft werden, für die in Amerika beobachtete Krankheit der kaustischen
                              									Sprödigkeit in erster Linie anfällig sind, während bestritten wird, daß kaustische
                              									Sprödigkeit auftreten kann, wenn das Flußeisen beim Kesselbau und im Betriebe
                              									richtig behandelt werden würde.
                           Das im Wasser gelöste „Kespurit“ übt auf das Kesselmaterial keinerlei
                              									nachteilige Einflüsse aus, sodaß Kesselwandungen, Rohrleitungen, Armaturen 
                              									des Kessels und der Speisepumpen nicht im geringsten angegriffen und in ihrer
                              									Funktion gestört werden.
                           Im Gegensatz hierzu ist in neuester Zeit beobachtet worden, daß bei hohen Drücken
                              									durch Natronlauge, die sich bei Wasservorreinigung bildet, Kesselbleche und
                              									Nietnähte Einflüssen ausgesetzt sind, die häufig schließlich zu Rißbildungen geführt
                              									haben. Auch Abklopfen des Kesselsteins durch Hammerschläge hat ähnliche
                              									Erscheinungen zur Folge gehabt.
                           Die Vorschläge, die zur Beseitigung dieser Übelstände führen sollen, wie Verwendung
                              									besseren Materials, Bleche von höherer Festigkeit und eine größere Sorgfalt auf die
                              									Kesselschmiedearbeit würden wesentliche Verteuerung in der Herstellung der Kessel
                              									bedeuten und ist es außerdem noch nicht erprobt worden, ob sie sicheren Erfolg
                              									gewährleisten. Dagegen ist als sicher festgestellt, daß „Kespurit“ auch bei
                              									hohen Drücken und Temperaturen nicht im geringsten nachteilig auf die Kesselbauteile
                              									einwirkt und keinerlei Niederschläge an Heizröhren oder Siederohren hervorruft, auch
                              									dann nicht, wenn es in größerer Menge als dem augenblicklichen Zustand des Wassers
                              									entsprechend dem letzteren zugesetzt ist.
                           Bei stark wechselnder Härte des Wassers ist bei Verwendung von „Kespurit“
                              									nicht – wie schon oben hervorgehoben – ständige Beobachtung und chemische
                              									Untersuchung des Wassers notwendig, da in solchen Fällen „Kespurit“ in
                              									größeren Mengen zugesetzt, wie der stärkst vorliegenden Wasserhärte entsprechend
                              									notwendig wäre, nicht Schaden veranlassen kann wie Sodazusatz bei geringeren
                              									Härten.
                           Es wird vielfach behauptet, daß bei chemisch aufbereitetem Wasser ein Überkochen oder
                              									Schäumen im Kessel eintritt. Langjährige dies- bezgl. Beobachtungen und Versuche
                              									haben jedoch gezeigt, daß bei „Kespurit“ der Dampf völlig rein ist ohne
                              									irgendwelche fremden Beimengungen, die nachteilig im Dampfkraftbetrieb wirken
                              									könnten. Durch das Auflösen von „Kespurit“ im Wasser wird dessen spezifische
                              									Wärme und Wärmeleitfähigkeit in keiner Weise beeinträchtigt, sowohl die
                              									Flüssigkeitswärme als die Verdampfungswärme des Wassers bleiben unverändert, sodaß
                              									jegliche Befürchtungen auf Erhöhung der zuzuführenden Wärmemenge bzw. höheren
                              									Kohlenverbrauch ungerechtfertigt ist.
                           Das Eisenbahnzentralamt hat „Kespurit“ untersuchen lassen und ohne
                              									quantitative Bestimmung festgestellt, daß Metallstreifen in „Kespurit“-Dampf
                              									gehängt, Anfressungen erleiden. Infolge genauester Untersuchungen in Glasgefäßen
                              									unter atmosphärischem Druck, offenen Eisengefäßen und Autoklaven seitens des
                              									Polizeichemikers, Herrn Dr. Markus, wurden im Laboratorium der
                              									Reichsbahnversuchsanstalt Brandenburg-West – Kirchmöser – eingehendste gleiche
                              									Versuche gemacht, über die das Eisenbahnzentralamt berichtet, daß bei Anwendung von
                              										„Kespurit“ Kesselsteinbildungen verhindert werden und Schäden des
                              									Kesselmaterials nicht zu befürchten sind. Diese Beobachtungen decken sich mit den
                              									Erfahrungen, die in Tausenden von Kesselbetrieben seit Jahren gemacht worden
                              									sind.