| Titel: | Zum hundertjährigen Bestehen der Gasindustrie in Deutschland. | 
| Autor: | A. Sander | 
| Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 73 | 
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                        Zum hundertjährigen Bestehen der Gasindustrie in
                           								Deutschland.
                        Von Dr.-Ing. A. Sander,
                           									Berlin.
                        SANDER, Zum hundertjährigen Bestehen der Gasindustrie.
                        
                     
                        
                           Im September 1826 nahm die von der Imperial Continental Gas Association in der
                              									Nähe des Halleschen Tores in Berlin errichtete erste Gasanstalt Deutschlands ihren
                              									Betrieb auf. Auf Grund eines am 21. April 1825 zwischen dem Kgl. Ministerium des
                              									Innern und der Polizei mit der genannten englischen Gesellschaft abgeschlossenen
                              									Vertrages war ihr auf die Dauer von 21 Jahren die gesamte Beleuchtung der Straßen
                              									Berlins, die bis dahin ausschließlich durch Oellampen erfolgte, übertragen worden.
                              									Das Abkommen sah vor, daß alle wichtigeren Straßen und Plätze innerhalb der
                              									Ringmauern mit Gaslaternen beleuchtet werden sollten, während in den kleineren
                              									Straßen und Gassen die Oellampen beibehalten wurden, doch mußten auch diese von der
                              									Gasgesellschaft mit unterhalten werden. Als Entschädigung erhielt die Gesellschaft
                              									jährlich den Betrag von 31000 Talern, die Kosten der Rohrverlegung und der
                              									Anbringung der Gaslaternen gingen dabei zu ihren Lasten. Diese erste Berliner
                              									Gasanstalt verfügte nach einem aus dem Jahre 1833 stammenden Bericht von Spiker über
                              									180 bis 190 Retorten und verarbeitete etwa 50000 preußische Tonnen Steinkohle im
                              									Jahre. Obwohl die Einrichtung ursprünglich nur öffentlichen Zwecken zu dienen
                              									bestimmt war, so gingen doch auch die Bürger offenbar bald dazu über, die
                              									Gasbeleuchtung in ihren Häusern einzuführen, denn in dem oben erwähnten Bericht
                              									heißt es, daß im Jahre 1833 neben 1789 öffentlichen bereits 4500 private Gasflammen
                              									vorhanden waren.
                           Daß die erste Gasanstalt in Deutschland von einer englischen Gesellschaft errichtet
                              									wurde, ist kein Zufall, sondern darauf zurückzuführen, daß man in England zu jener
                              									Zeit auf diesem Gebiete bereits viel weiter war. Schon im Jahre 1810 war in London
                              									die Gas Light and Coke Co. gegründet worden, die im Jahre 1812 durch „Royal
                                 										Charter“ inkorporiert wurde und heute noch in hoher Blüte steht. So ist es
                              									denn begreiflich, daß man angesichts der Fortschritte, die die Gasbeleuchtung in
                              									England machte, dort bald den Plan faßte, diese neue Industrie auch auf dem
                              									Kontinent einzuführen und zu diesem Zweck ein eigenes Unternehmen, die Imperial
                              									Continental Gas Association in London, gründete. Diese errichtete zu gleicher Zeit
                              									wie in Berlin auch eine Gasanstalt in Hannover, einige Jahre danach folgten die
                              									englischen Gasanstalten in Frankfurt a. M., Aachen, Köln und Wien sowie in mehreren
                              									Städten Belgiens, Hollands und Frankreichs.
                           In diesem Zusammenhang muß darauf hingewiesen werden, daß auch in Deutschland schon
                              									lange vor dem Auftreten der englischen Gasingenieure an verschiedenen Orten in
                              									kleinerem Umfang die Gasbeleuchtung eingerichtet worden ist. So hat schon im Jahre
                              									1811 Professor Lampadius in Freiberg i. Sa. einen Teil der Fischergasse durch sechs
                              									Gaslaternen beleuchtet und im Jahre 1816 auf den dortigen Kgl. Amalgamierwerken iu
                              									einigen Räumen Gasbeleuchtung eingeführt. Im März 1817 errichtete der Hamburger
                              									Kaufmann Joh. Gg. Heise in seinem Hause, in dessen Keller sich eine Weinhandlung
                              									befand, Gasbeleuchtung ein. In den Gastzimmern sowie im Flur brannten 15 Gasflammen,
                              									und der zur Gaserzeugung: dienende Apparat wurde dem Publikum „gegen einen
                                 										freiwilligen Beitrag für die Armen“ vorgeführt. Im April 1817 hat dann Heise
                              									an den Rat der Stadt Hamburg ein Gesuch gerichtet, in dem er um die Genehmigung zum
                              									Bau einer Gasanstalt, die die ganze Stadt versorgen sollte, bat, doch wurde dieses
                              									Gesuch abgelehnt. Auch in anderen Städten Deutschlands wurden derartige Versuche in
                              									kleinerem Maßstabe mit mehr oder weniger Erfolg angestellt, doch blieb die
                              									Gasversorgung einer ganzen Stadt, wie erwähnt, den englischen Unternehmern
                              									vorbehalten.
                           Welch tiefen Eindruck der Ersatz der armseligen Oellämpchen durch die wesentlich
                              									heller brennenden Gaslaternen auf unsere Vorfahren vor 100 Jahren gemacht hat, zeigt
                              									deutlich der nachfolgende Bericht, den die „Vossische Zeitung“ vom 20.
                              									September 1826 enthielt:
                           
                           
                              
                              „Gestern abend sahen wir zum ersten Mal die schönste Straße der Hauptstadt, die
                                 										zugleich unser angenehmster Spaziergang ist, die Linden, im hellsten Schimmer
                                 										der Gasbeleuchtung. Eine große Menge Neugieriger war durch dies Schauspiel
                                 										herbeigelockt worden und alle schienen davon überrascht; denn heller haben wir
                                 										selbst bei glänzenden Illuminationen die Linden nicht gesehen. Nicht in
                                 										dürftigen Flämmchen, sondern in handbreiten Strömen schießt das blendende Licht
                                 										hervor, das so rein ist, daß man in einer Entfernung von 20 bis 25 Schritten von
                                 										den größeren Laternen einen Brief recht gut lesen konnte. Einige Privathäuser
                                 										haben schon Gebrauch von der Gasbeleuchtung gemacht; vor dem Hotel de Rome
                                 										stehen zwei helle Fackelträger und vor Beiermann Caffé Royal hängt ein
                                 										Feuerzeichen, wie auf einem Leuchtthurme, so daß man den Hafen nicht verfehlen
                                 										kann. – Bald werden auch die anderen Hauptstraßen auf gleiche Weise erleuchtet
                                 										werden, und Berlin, das wegen seines erfreulichen Eindrucks, den es bei Tage
                                 										macht, berühmt ist, wird auch zur Nachtzeit den Fremden angenehm
                                 										überraschen.“
                              
                           Mit nicht geringerer Begeisterung wurden die ersten Gaslaternen in Hannover begrüßt,
                              									wo bereits am 2. September 1826 das von zwei jungen englischen Ingenieuren, den
                              									Brüdern Drory, erbaute Gaswerk seinen Betrieb aufnahm. Es ist bemerkenswert, daß das
                              									Gaswerk in Hannover bis zum 1. Dezember 1917 in ununterbrochenem Besitz der
                              									englischen Gesellschaft verblieb und damals erst an die Stadt überging. Ganz anders
                              									entwickelten sich die Verhältnisse in Berlin. Der Vertrag, den die preußische
                              									Regierung im Jahre 1825 mit der englischen Gesellschaft über den Kopf der Berliner
                              									Stadtverwaltung hinweg hinsichtlich der Straßenbeleuchtung abgeschlossen hatte, lief
                              									zwar bis zum 1. Januar 1847, doch schon im Jahre 1836 trat die Stadtverwaltung in
                              									Erwägungen ein, die Gasbeleuchtung der Straßen selbst in die Hand zu nehmen.
                              									Immerhin vergingen noch einige Jahre, bis dieser Plan eine festere Gestalt annahm.
                              									Nachdem ein im Jahre 1842 von der Stadtverwaltung eingereichtes Gesuch, ihr vom 1.
                              									Januar 1847 ab die ausschließliche Berechtigung zur Versorgung von Privatpersonen
                              									und öffentlichen Gebäuden mit Gas durch Rohrleitungen zu erteilen, die königliche
                              									Genehmigung gefunden hatte, wurde mit der Ausarbeitung der Pläne Rudolf Blochmann,
                              									ein bekannter Fachmann, betraut, der bereits die Gaswerke in Dresden und Leipzig
                              									erbaut hatte. Dieser sah zwei Gasanstalten mit je einer Gasbehälter-Filiale vor,
                              									entsprechend der durch die Spree verursachten Teilung der Stadt in eine nördliche
                              									und eine südliche Hälfte. Als Höchstleistung war die Gaslieferung für 5140
                              									öffentliche und etwa 20000 Privatflammen vorgesehen. Nachdem in den Jähren 1841 bis
                              									1844 mehrfach, jedoch stets ohne Erfolg versucht worden war, mit der englischen
                              									Gesellschaft eine Einigung über die Ausgestaltung und Verbesserung der
                              									Gasbeleuchtung herbeizuführen, ging man im Jahre 1845 an die Verwirklichung des von
                              									Blochman ausgearbeiteten Projektes, so daß die beiden ersten städtischen
                              									Gasanstalten Berlins pünktlich am 1. Januar 1847 ihren Betrieb aufnehmen konnten.
                              									Der Ausbau der beiden Gasanstalten, die sich in der Gitschinerstraße bzw. am
                              									Stralauer Platz befanden, auf die oben angegebene Leistung wurde allerdings
                              									erst 1849 vollendet.
                           Zu den Abnehmern der städtischen Gasanstalt zählte auch das Kgl. Opernhaus, das bis
                              									zum Jahre 1847 mit Oelgas aus einer sog. Portativ-Gasanstalt versorgt worden war.
                              									Derartige private Unternehmungen befanden sich bis in die fünfziger Jahre des
                              									vorigen Jahrhunderts hinein in zahlreichen Städten. Sie lieferten ihren Abnehmern
                              									das Gas täglich mit Hilfe eines fahrbaren Gasbehälters, eines auf Rädern befestigten
                              									eisernen Kastens mit blasebalgartig ausziehbarer Decke aus gummierter Leinwand, ins
                              									Haus, wo ein zweiter Gasbehälter aufgestellt war, der aus dem fahrbaren Behälter
                              									täglich frisch gefüllt wurde. Das Ueberfüllen des Gases aus dem fahrbaren
                              									Gasbehälter in den Behälter des Gasabnehmers erfolgte in der Weise, daß beide
                              									Behälter durch einen Schlauch miteinander verbunden und die Hähne geöffnet wurden,
                              									worauf der gefüllte Balg mit einer an dem Wagen angebrachten Winde zusammengedrückt
                              									wurde, bis der Hausbehälter gefüllt war. Die gelieferte Gasmenge wurde im Beisein
                              									des Abnehmers an einer an dem Behälter angebrachten Meßlatte abgelesen, so daß also
                              									Gasmesser hierbei entbehrlich waren.
                           Alsbald nach der Eröffnung der städtischen Gasanstalten in Berlin begann ein scharfer
                              									Konkurrenzkampf zwischen diesen und der englischen Gasanstalt, die den Gaspreis, der
                              									bis dahin 10 Mk. für 1000 engl. cbf. (= 35,3 Pfg. für 1 cbm) betragen hatte, auf die
                              									Hälfte herabsetzte und, als die städtischen Anstalten diesem Beispiel folgten, ihren
                              									Abnehmern überdies 5% Rabatt einräumte. So kam es, daß die Gaspreise in Berlin
                              									weitaus niedriger waren als in irgend einer anderen Stadt Deutschlands, und dieser
                              									Umstand hatte wiederum zur Folge, daß der Gasbeleuchtung zahlreiche neue Abnehmer
                              									gewonnen wurden. Infolgedessen war bereits im Jahre 1856 die Errichtung einer
                              									dritten städtischen Gasanstalt notwendig, die im Norden Berlins erbaut wurde und mit
                              									ihrem ersten Teile Ende 1859 in Betrieb kam. Diese sowie die beiden älteren
                              									Gasanstalten mußten im Laufe der sechziger Jahre erheblich erweitert werden, um den
                              									immer wachsenden Ansprüchen zu genügen. Trotzdem mußte schon zu Beginn der siebziger
                              									Jahre eine vierte Gasanstalt im Nordosten der Stadt (Danziger Straße) erbaut werden,
                              									die 1873 in Betrieb kam. Die Gaserzeugung im südlichen Stadtgebiete erfuhr dagegen
                              									erst verhältnismäßig spät die so notwendige Verstärkung, und zwar durch die
                              									Errichtung des Gaswerks Schmargendorf, das 1893 den Betrieb aufnahm. Den Abschluß
                              									dieser Entwicklung bildet im Jahre 1902 die Errichtung des riesigen Gaswerks in
                              									Tegel, das heute den Schwerpunkt der von der Stadt Berlin betriebenen Gaswerke
                              									darstellt. Im Jahre 1925 erreichte die Gaserzeugung der acht städtischen Werke,
                              									deren Einrichtungen in den letzten Jahren einer durchgreifenden Erneuerung
                              									unterzogen worden sind, den Betrag von 427 Mill. cbm, das ist genau das Hundertfache
                              									der Gaserzeugung im Jahre 1850.
                           Neben den städtischen Gaswerken entwickelten sich aber auch die Betriebe der
                              									englischen Gasgesellschaft recht erfolgreiche Dieses Unternehmen hatte auf Grund des
                              									Vertrages aus dem Jahre 1825 
                              									das Recht, das von ihm versorgte Stadtgebiet, soweit es innerhalb der alten
                              									Ringmauern lag, auch nach Ablauf des Vertrages weiter mit Gas zu beliefern. Ferner
                              									schloß die Imperial Continental Gas Association klugerweise schon frühzeitig mit
                              									verschiedenen westlichen und südlichen Vororten Berlins Gaslieferverträge ab,
                              									wodurch sie sich bei dem raschen Wachstum dieser Gemeinden ein umfangreiches neues
                              									Absatzgebiet schuf, dessen Bedeutung im Laufe der Jahre weitaus größer wurde als der
                              									heiß umstrittene Bezirk im Zentrum Berlins.
                           Zu dem ersten Gaswerk Berlins, das am Landwehrkanal vor dem Halleschen Tor lag, kam
                              									bereits im Jahre 1837 ein zweites hinzu, das auch heute noch bestehende Gaswerk in
                              									der Holzmarktstraße, das in der Folge zweimal erweitert – wurde. Im Jahre 1871 wurde
                              									das Gaswerk Schöneberg erbaut, 1888 folgte Weißensee, 1889 Grünau, 1898
                              									Oberschöneweide und im Jahre 1901 Marlendorf, das heute eines der größten Gaswerke
                              									von ganz Europa ist. Diese sieben Werke der I.C.G.A. wurden im Weltkriege als
                              									englische Unternehmungen unter Zwangsverwaltung gestellt und die Gesellschaft selbst
                              									wurde im Jahre 1918 von der Regierung liquidiert. Zur Uebernahme der Werke der
                              									englischen Gesellschaft wurde dann die Deutsche Gas-A.-G. unter Beteiligung der
                              									Städte Schöneberg und Wilmersdorf, des Kreises Teltow sowie der Deutschen
                              									Continental-Gasgesellschaft in Dessau gegründet; das Aktienkapital dieser
                              									Gesellschaft beträgt heute 100 Mill. RM. Zum Betrieb der Werke sowie zum Vertrieb
                              									ihrer Erzeugnisse wurde eine besondere Untergesellschaft, die
                              									Gasbetriebsgesellschaft, errichtet, deren Aktien im Besitz der Deutschen Gas-A.-G.
                              									und der Deutschen Continental-Gas-Gesellschaft sich befinden; das Aktienkapital
                              									dieses Unternehmens beträgt 8 Mill. RM.
                           Die Schaffung der Gemeinde „Groß-Berlin“ im Jahre 1920 war auch im Hinblick
                              									auf die Gasversorgung sowie auf die Besitzverhältnisse der beiden Parteien,
                              									städtische Werke einerseits und Deutsche Gasgesellschaft anderseits, von großer
                              									Bedeutung. Die Stadt Berlin gelangte hierdurch in den Besitz der Gaswerke
                              									Charlottenburg, Spandau und einiger weiterer Vorortwerke, so daß sich die Zahl der
                              									in städtischem Besitz befindlichen Gaswerke auf insgesamt 17 erhöhte, von denen in
                              									der Folge aber im Interesse einer möglichst wirtschaftlichen Betriebszusammenfassung
                              									9 kleinere Werke stillgelegt wurden, so daß heute nur noch die folgenden 8
                              									städtischen Gaswerke in Betrieb sind: Danziger Straße, Charlottenburg, Tegel,
                              									Lichtenberg, Neukölln, Weißensee, Oberschöneweide und Spandau. Diesen stehen
                              									gegenüber 7 Gaswerke der Deutschen Gas-A.-G., an welcher die Stadt Berlin als
                              									Rechtsnachfolgerin der Gemeinden Schöneberg und Wilmersdorf nunmehr aber ebenfalls
                              									mit einem erheblichen Aktienbesitz beteiligt ist. Hierdurch war endlich eine
                              									Grundlage geschaffen, um den erwähnten, jahrzehntelang währenden Kampf der beiden
                              									Unternehmungen gegeneinander zu beenden und eine abschließende, großzügige
                              									Auseinandersetzung über die gesamte Gasversorgung von Groß-Berlin herbeizuführen. Im
                              									Jahre 1925 kam endlich ein Vertrag zustande, wonach das Gaswerk Holzmarktstraße am
                              									1. April 1929 käuflich in den Besitz der Stadt Berlin übergeht; von diesem Termin ab
                              									stellt die Deutsche Gasgesellschaft die Gaslieferung im Stadtgebiet innerhalb der
                              									früheren Ringmauern ein und überläßt die Gasversorgung dieses Teiles den städtischen
                              									Werken allein. In den Vororten dagegen, die bisher von den Werken der Deutschen
                              									Gasgesellschaft beliefert worden sind, bleibt der derzeitige Zustand bis zum Ende
                              									des Jahres 1975 bestellen, zu welchem Zeitpunkt die Stadt Berlin berechtigt ist, die
                              									gesamten Anlagen zu bestimmten Bedingungen zu erwerben. Somit wird die Stadt Berlin
                              									erst nach 49 Jahren die gesamte Gasversorgung in eigene Hände bekommen; in diesem
                              									Zusammenhang muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß heute bereits etwa 82% aller
                              									Einwohner aus den städtischen Werken und nur 18% aus den Werken der Gasgesellschaft
                              									mit Gas versorgt werden.
                           Weitaus langsamer als in Berlin vollzog sich begreiflicherweise die Einführung der
                              									Gasbeleuchtung in den anderen Städten Deutschlands. Nach Berlin und Hannover waren
                              									Dresden und Frankfurt a. M. die nächsten beiden Städte, die Gaswerke errichteten,
                              									und zwar schon im Jahre 1828. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, daß diese beiden
                              									Gasanstalten bereits von deutschen Ingenieuren erbaut worden sind. Es folgten
                              									Leipzig 1837, Aachen und Elberfeld 1839, Köln 1840, Deutz 1844, Stuttgart 1845,
                              									Hamburg und Karlsruhe 1846, Nürnberg und Breslau 1847, Augsburg 1848 und München
                              									1850.
                           Eine lebhaftere Entwicklung setzte erst in den fünfziger und sechziger Jahren ein,
                              									als durch die Eröffnung zahlreicher neuer Eisenbahnlinien die Beschaffung geeigneter
                              									Steinkohlen für die Gaserzeugung erleichtert wurde. Heute sind in ganz Deutschland
                              									ungefähr 1400 Steinkohlengaswerke in Betrieb, deren Gaserzeugung etwa 3200 Millionen
                              									cbm jährlich beträgt. Durch das überall zutage tretende Streben, die Gaserzeugung
                              									weiter Gebiete zu zentralisieren und die kleineren, weniger wirtschaftlichen
                              									Betriebe stillzulegen, ferner durch die in letzter Zeit mit besonderem Nachdruck
                              									betriebenen Bemühungen, die überschüssige Gaserzeugung der Kokereien durch
                              									Fernleitungen noch mehr als bisher an die Großstädte abzugeben, wird zwar die Zahl
                              									der Gaswerke in den nächsten Jahren eine Abnahme erfahren, dagegen ist mit
                              									Sicherheit zu erwarten, daß der Gasverbrauch in Zukunft noch beträchtlich wachsen
                              									wird, da namentlich der gewerblichen und industriellen Gasheizung, wie das Beispiel
                              									Englands und Amerikas zeigt, noch weite Gebiete offen stehen. So darf man denn der
                              									schon so oft totgesagten deutschen Gasindustrie, die mit ihren wertvollen
                              									Nebenerzeugnissen einen starken Pfeiler unserer gesamten Wirtschaft bildet, auch in
                              									den kommenden Jahrzehnten eine erfolgreiche Entwicklung voraussagen.