| Titel: | Die Weltvorräte an Metallen und anderen nutzbaren Lagerstätten. | 
| Autor: | W. Landgraeber | 
| Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 149 | 
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                        Die Weltvorräte an Metallen und anderen nutzbaren
                           								Lagerstätten.
                        Von W. Landgraeber,
                           								Bergwerksdirektor.
                        LANDGRAEBER, Die Weltvorräte an Metallen.
                        
                     
                        
                           Im letzten Menschenalter hat die Metall- und Rohstoffgewinnung einen ungeahnten
                              									Aufschwung erfahren. Die Eisengewinnung hat in dem Zeitraum von 1901 uns bis 1910
                              									einen Zuwachs um 68% gegen das vorausgegangene Jahrzehnt aufzuweisen, die
                              									Goldgewinnung einen solchen um 78%, die Silbergewinnung um 13% und die von Kupfer,
                              									Blei, Zink, Zinn und Aluminium zusammen einen jährlichen Zuwachs von 56%. Seit
                              									der Entdeckung Amerikas bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts sind im ganzen
                              									nur 4800000 kg Gold gewonnen. Mit der Inangriffnahme der Ausbeutung Kalifornischer
                              									Goldfelder im Jahre 1847, der bald die der reichen Fundstätten in Australien folgte,
                              									setzte ein gewaltiger Umschwung der Goldgewinnung ein. Bei Kriegsbeginn war diese
                              									etwa 
                              									viermal so groß wie im Jahre 1890, um im Jahre 1915 den Höchstpunkt zu
                              									erreichen. Der Wert der Goldgewinnung stieg von 67600000 Dollar im Jahre 1851 auf
                              									478552000 Dollar im Jahre 1915. Der Wert der Silbergewinnung in der Welt stieg von
                              									94000000 Dollar im Jahre 1881 auf rund 194000000 Dollar im Jahre 1919. Die größte
                              									Silbermenge wurde 1911 mit rund 7625000 kg gefördert während zum Beispiel in der
                              									Zeit vor 1850 nur rund 420000 kg jährlich auf den Markt kamen. Seitdem ist die
                              									Erzeugung fast aller Metalle zurückgegangen. An Kupfer wurden 1920 rund 60000000 kg
                              									weniger geliefert als 1913 und an Blei sogar rund 340000000 kg. Im wesentlichen
                              									denkt man sich den gesamten Erdkörper zusammengesetzt aus rund 40% Eisen. 27%
                              									Sauerstoff, 14% Silizium, 9% Magnesium, 3% Nickel, 2% Kalzium, 1,8% Aluminium,
                              									ferner aus Natrium, Schwefel, Kobalt, Phosphor, Mangan. Kohle (0,04%), Titanium und
                              									anderen Stoffen, deren Mengen zwischen 0,4 und 0,02% schwanken. Die erstgenannten
                              									sieben Elemente umfassen 98% des Erdkörpers. Metalle, wie Platin, Gold, Silber,
                              									Kupfer, Zinn. Blei und Zink machen im Erdkörper mehr als 0,02% aus. Die Statistiken
                              									der Metallvorräte reden eine eindringliche Sprache. Sie zeigen, daß der Verbrauch
                              									verschiedener Rohstoffe, die der Mensch benötigt, in sehr schneller, man darf sagen
                              									beunruhigender Weise zunimmt. Diese rasche Zunahme, die vor etwa 40 Jahren für die
                              									meisten der Rohstoffe einsetzte und noch immer ansteigt, läßt befürchten, daß einige
                              									der Rohstoffe, die der Mensch für seine Existenz auf Erden als unentbehrlich
                              									betrachtet, namentlich Zinn, Kupfer, Zink und sogar Eisen und von fossilen
                              									Brennstoffen hauptsächlich das Petroleum, in absehbarer Zeit erschöpft sein werden.
                              									Obwohl es gewiß voreilig sein würde, für jeden dieser Rohstoffe die Anzahl der Jahre
                              									prophezeien zu wollen, nach denen die erwähnte Erschöpfung einsetzen wird, ist es
                              									doch nicht zweifelhaft, daß bei noch zunehmendem oder auch nur bei gleichbleibendem
                              									Bedürfnis der Menschheit das Ende der Metallvorräte in nicht allzu ferner Zeit
                              									gegeben sein wird. Der Mensch wird sich natürlich gegen diese Gefahr verteidigen
                              									und, vielleicht zum Teil noch unbewußt, wappnet er sich dagegen jetzt schon. Viele
                              									Kampfmittel stehen ihm im kommenden Streit zur Verfügung, der vielleicht der
                              									heroischeste sein wird, den die Welt je gesehen hat. Und unter den Kampfmitteln ist
                              									das gründliche Studium der Bedingungen, unter denen die erwähnten Rohstoffe im
                              									Erdboden vorkommen und dort entstanden sind, eines der bedeutungsvollsten.
                           Von den wichtigen Rohstoffen wird zuerst das Erdöl zu Ende sein, das bis vor kurzem
                              									noch für unersetzlich gehalten worden war, jetzt allerdings angesichts der
                              									Möglichkeit. Kohle zu verflüssigen, unter Umständen allmählich an Bedeutung
                              									verlieren wird. Die vorhandenen Erdöllager werden in rund fünfzig Jahren erschöpft
                              									sein, vorausgesetzt, daß nicht bis dahin neue Erdölvorkommen entdeckt werden, wofür
                              									jedoch begründete Aussichten nicht bestehen.
                           Weit bedeutsamer noch erscheint die Hypothese, die ein baldiges Ende der
                              									Eisenerzvorräte der Erde voraussagt. Die Statistik will wissen, daß die vorhandenen
                              									Eisenerzlager noch vor Ende dieses Jahrhunderts abgebaut sein werden. Die
                              									Gefahr einer unter Umständen mit unerwarteter Beschleunigung eintretenden
                              									Erschöpfung der Kohlenvorräte der Erde wird, heutigem Ermessen nach, zunächst nicht
                              									in Frage kommen. Der Kohlenweltkonsum wird vermutlich progressiv zunehmen, die
                              									Erschöpfung der Lager wird beschleunigt werden, aber das Ausmaß des Konsumzuwachses
                              									ist vorerst nicht berechenbar. Ohne die durch das Kohlenöl geschaffenen neuen
                              									Verwertungsmöglichkeiten würde die Frage eines drohenden Versiegens der
                              									Kohlenvorräte der Erde erst in mehreren Jahrhunderten praktische Bedeutung erlangen.
                              									In Zukunft wird eine unmittelbare Gestaltung der Weltgeschichte durch Technik und
                              									Chemie stattfinden. Mißlingt der weißen Rasse die Erschließung der in der Natur
                              									vorhandenen, aber bis heute noch brachliegenden Energiereserven, so würden
                              									zwangsläufig die farbigen Rassen die Oberhand gewinnen, da die Natur ihnen bessere
                              									Vorbedingungen für die Nutzbarmachung der natürlichen Kraftquellen gegeben hat. Die
                              									moderne Technik wird, will die weiße Rasse nicht ihre Vormachtstellung verlieren,
                              									notgedrungen die Lösung des Problems zu versuchen haben, Energien zu gewinnen. Die
                              									Edelmetallproduktion ist sehr stark zurückgegangen. Es entsteht die Frage, ob dieser
                              									Rückgang vielleicht als Anzeichen beginnender Erschöpfung unserer wichtigsten
                              									Edelmetallagerstätten zu bewerten ist. Wenn wir diese Frage näher untersuchen
                              									wollen, müssen wir nach Dr. G. Berg zunächst darüber klar werden, daß man streng
                              									unterscheiden muß zwischen einer vorübergehenden Schwächung und einer wirklichen
                              									Erschöpfung des Edelmetallbergbaues. Es ist klar, daß, wenn ein Metall seltener
                              									wird, sein Preis steigt. Mit steigendem Metallpreis vermag der Edelmetallbergbau
                              									höhere Produktionskosten zu tragen. Erze, deren Abbau sich vorher nicht bezahlt
                              									machten, werden verwendungsfähig.
                           Natürlich gehen solche Preisänderungen, die einen tiefgreifenden Einfluß auf die
                              									Produktion auszuüben vermögen, nur ganz langsam vor sich.
                           Am übersichtlichsten liegen die Verhältnisse beim Silber. Das Silber war bis zum
                              									Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ein verhältnismäßig seltenes
                              									Metall, dessen Wert ziemlich konstant zu 1/15 des Preises einer gleichen Gewichtsmenge Gold
                              									geschätzt wurde. Die wirtschaftliche Erschließung großer Silbergänge brachte dann
                              									der Welt die Kenntnis und Ausbeutungsmöglichkeit enorm reicher Lagerstätten. Der
                              									Wert des Silbers fiel bis auf 1/35 des Goldwertes, und die Bauwürdigkeitsgrenze ging
                              									rapid in die Höhe, so daß die meisten europäischen Silbergruben ihre Bauwürdigkeit
                              									verloren. Werden nun die zurzeit betriebenen großen Gruben einmal erschöpft, wie
                              									dies bei der überaus regen Förderung natürlich einmal eintreten muß, so werden die
                              									Gruben in immer größere Tiefen vorgehen. Die Produktionskosten und der Silberpreis
                              									werden steigen, wenn in einigen Jahrzehnten die Baue die technisch mögliche Tiefe
                              									überschreiten und produktionsunfähig werden. Nun hat aber bei dem jetzigen niedrigen
                              									Silberpreis niemand ein rechtes Interesse daran, neue Silberlagerstätten
                              									aufzusuchen. Das wird sich dann ändern, und es ist zweifellos, daß man noch
                              									erhebliche neue Silberlagerstätten 
                              									finden und in Aufnahme bringen wird. Aber selbst wenn alle Silberquellen
                              									erschöpft sind, wird die Silberproduktion noch in gewissem Maßstab aufrecht erhalten
                              									werden können. Silber kommt nämlich in der Natur in der Mehrzahl der Fälle mit Blei
                              									zusammen vor, und fast alle Bleierze enthalten Bruchteile eines Prozentes Silber.
                              									Wenn der Silberpreis langsam steigt, wirkt er daher als eine Prämie auf die
                              									Bleigewinnung. Wir kennen viele bedeutende und unzählige kleinere. Vorkommen von
                              									silberhaltigem Blei in fast jedem Urgebirgsmassiv der Erde. Wird nun durch mäßige
                              									Erhöhung des Silberpreises die Bleiproduktion angeregt, so findet sich bei sinkendem
                              									Bleipreis auch weitere technische Verwendung für Blei, und der Bedarf der
                              									Weltwirtschaft an Silber kann immerhin noch gedeckt werden, zumal auch ein Teil des
                              									Zink- und Kupferbergbaues Silber als Nebenprodukt gewinnt.
                           Komplizierter liegen die Verhältnisse beim Gold, weil das Gold keinen Preis hat,
                              									sondern selbst als Wertmesser gilt. Die Goldproduktion hat enorm zugenommen. Es ist
                              									selbstverständlich, daß die Produktionssteigerung einen starken Rückgang des Wertes
                              									bedingen mußte. Amerika ist mit Geld vollgesogen, Europa zu sehr verarmt, um Gold
                              									aufzunehmen. Die Kaufkraft sinkt. Es geht überall eine Einschränkung des
                              									Goldbergbaues vor sich und statt der 96,4 Millionen Pfund Sterling des Jahres 1915
                              									wurden 1922 nur noch 63 Millionen produziert.
                           Dieser Rückgang der Produktion hat zwar, 'wie man sieht, zunächst noch nichts mit
                              									einer beginnenden Erschöpfung des Goldbergbaues zu tun. Aber`so günstig wie beim
                              									Silber ist die Zukunft der Goldproduktion nicht zu beurteilen. Entsprechend der
                              									großen Förderung schreitet der Abbau schnell in immer größere Tiefe vor, und die
                              									Zeit kommt bald heran, in der die technischen Schwierigkeiten, insbesondere die in
                              									der Tiefe zunehmende Erdwärme dem Goldbergbau ein Ziel setzen werden. Das kann noch
                              									zwei bis drei Jahrzehnte, aber kaum wesentlich länger dauern, denn die Beschränkung
                              									der Rentabilität auf eine geringere Zahl von Gruben wirkt zwar im großen Erz
                              									sparend, regt aber die übrigbleibenden Betriebe zu schnellerer Tätigkeit an. Von den
                              									amerikanischen Goldlagerstätten, die zurzeit 19% des Goldes liefern, werden viele in
                              									absehbarer Zeit erschöpft sein. Nun sind alle geographisch einigermaßen erforschten
                              									Gebiete schon auf Goldlagerstätten untersucht. Nennenswerte neue Lagerstätten harren
                              									vielleicht noch in Zentralafrika, in Ostsibirien und vielleicht im nördlichen Kanada
                              									ihrer Auffindung. Einzelne Entdeckungen, die dort nicht ausbleiben werden, können
                              									aber die Erschöpfung des Goldbergbaues nur um einige Jahrzehnte hinausschieben.
                              									Ueber den Verbrauch hat Prof. G. Cassel interessante Untersuchungen angestellt. Seit
                              									Entdeckung Amerikas dürften etwa 2000 Millionen Kilogramm Gold gefördert, worden
                              									sein, während nur etwa die Hälfte davon im Umlauf ist. Cassel kommt zu dem Ergebnis,
                              									daß der Orient, besonders Indien und China, ungeheure Mengen Gold aufsaugen. Die
                              									Bauern vergraben es vielfach und sterben oft, ohne ihr Geheimnis verraten zu haben.
                              									Die indischen Rajahs sammeln noch immer Goldschätze an – einer von ihnen hat in
                              									seinem Palast in 17000 Scheiben je einen englischen Sovereign einsetzen lassen – und
                              									die orientalischen Priester verbrauchen große Goldmengen zur regelmäßigen
                              									Neuvergoldung von Statuen und Kultgeräten.
                           Der eigentliche Rückgang der Platinproduktion (1921 noch nicht ein Sechstel
                              									derjenigen von 1911) ist auf die Zustände in Rußland zurückzuführen. Aber auch, wenn
                              									dieser Rückgang behoben ist. wird an Platin immer Mangel herrschen. Leider können
                              									wir trotz des Mangels auf eine wesentliche Steigerung der Platinproduktion für die
                              									Zukunft nicht rechnen. Wir müssen vielmehr befürchten, daß sie nach vorübergehender
                              									Neubelebung endgültig gemindert werden wird. Einmal müssen auch die uralischen und
                              									später die kolumbischen Platinschätze, über deren Größe man noch sehr wenig weiß, zu
                              									Ende gehen. Mit Aufmerksamkeit hörte man sagen, daß z.B. die gewinnbaren Mengen an
                              									Platin so zusammengeschrumpft seien, daß schon jetzt die technische Welt damit
                              									rechnen muß, auf dieses äußerst wertvolle Edelmetall mehr und mehr zu
                              									verzichten.
                           Allmählich wird es den Menschen zu Bewußtsein kommen, daß es auch, wie Dr. K.
                              									Steinitz sagt, so etwas gibt wie „aussterbende Mineralien.“ Noch schlimmer
                              									steht es mit einem für die Landwirtschaft äußerst wichtigen Material, der
                              									Phosphorsäure. Man kann noch eine große Anzahl von technisch wertvollen Substanzen
                              									nennen, die nach unserer jetzigen Kenntnis nicht lange mehr eine Steigerung, häufig
                              									sogar nicht einmal ein Gleichbleiben des gegenwärtigen Verbrauchs zulassen.
                           Ein großes Problem, das hier nur durch diese wenigen Beispiele wie durch
                              									Streiflichter beleuchtet wird, tut sich vor unseren Blicken auf: das Problem einer
                              									rationell geführten Bewirtschaftung der Naturschätze. Der Vielseitigkeit dieser für
                              									die Menschheit lebenswichtigen Frage entspricht es, daß man von sehr verschiedenen
                              									Richtungen einer Lösung nähertreten kann. Was bisher auf diesem Gebiete geschieht,
                              									ist ein meist nur tastendes Anfassen von Teilen dieses Problems. Das Gesamtproblem
                              									einer Lösung näher zu führen, dazu gehört vor allem, es in das Bewußtsein weiter
                              									Kreise der Kulturmenschheit zu bringen. Erst die Erkenntnis von der Notwendigkeit
                              									eines sorgsamen Haushaltens mit den Schätzen der Natur kann die ethischen und
                              									praktischen Kräfte wecken, die aus der gegenwärtigen ungeregelten und
                              									verschwenderischen Behandlung der Naturgaben herausführen. Zu dieser Erkenntnis
                              									gehört vor allem auch, daß man sich über das Wesen des Verbrauches klar wird.
                           Es wäre sehr schlecht um die künftigen Generationen bestellt, wenn hier einfach in
                              									der bisherigen Weise ohne jede Beschränkung der vorhandene Vorrat an
                              									Schwermetallerzen verwirtschaftet würde. Aber zum Glück weist uns auch auf diesem
                              									Gebiete die neuzeitliche Technik und Chemie die Wege, um einer vorzeitigen
                              									Erschöpfung der auf der Erde vorhandenen Mengen an Eisen und anderen Schwermetallen
                              									vorzubeugen. Die Gewinnung von Aluminium, Magnesium und anderen leichten Metallen
                              									aus Rohmaterialien, 
                              									welche in ungeheuren Massen auf der Erde vorhanden sind, gelingt schon jetzt
                              									mit Hilfe von elektrischer Energie, die zumeist von den großen Wasserkräften
                              									entnommen wird. Trotzdem rückt für die Menschheit das Ende des eisernen
                              									Zeitalters immer näher, und man muß trachten, für die Folgezeit wenigstens die
                              									unentbehrliche Mindestmenge dieses Metalls zu bewahren.