| Titel: | Die Gasfachtagung in Kassel am 14.–17. Juni 1927. | 
| Autor: | L. L. L. | 
| Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 186 | 
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                        Die Gasfachtagung in Kassel am 14.–17. Juni
                           								1927.
                        LITINSKY, Die Gasfachtagung in Kassel.
                        
                     
                        
                           Die diesjährige 68. Jahresversammlung des Deutschen Vereins von Gas- und
                                 									Wasserfachmännern E. V. stand im Zeichen der Gasfernversorgung.
                           Die Reihe der Fachvorträge eröffnete Direktor Schumacher,
                              									Frankfurt a. M., mit dem Thema: „Erzeugungs- und Verteilungskosten des
                                 										Gases.“ Er bot für die Tarifbildung der Gaswerke in organischer Anpassung an
                              									die im Werksbetrieb und Werkaußendienst erwachsenden Kosten wesentlichen Grundlagen
                              									in Anlehnung an die Arbeiten des Ausschusses für Betriebswissenschaft.
                           Direktor Dr.-Ing. Biehl, Berlin, behandelte den
                              									Fortleitungswiderstand in Gasrohrleitungen, für den es dem Röhrenausschuß des
                              									Vereins nach umfangreichen Versuchen gelungen ist, eine auch für die zukünftig sich
                              									wahrscheinlich stark ändernden Fortleitungsbedingungen (Gastransport auf große
                              									Entfernungen unter erhöhtem Druck) brauchbare Faustformel für die Praxis zu
                              									finden.
                           Professor Dr. Karl Bunte, Karlsruhe, umriß in Anlehnung an
                              									die Versuche des Gasinstituts Karlsruhe und die Verhandlungen des
                              									Chemiker-Ausschusses nochmals die Forderungen, die an die Beschaffenheit und
                              									namentlich an die Gleichmäßigkeit des Gases gestellt werden müssen, sofern ein Bezug
                              									dieses Energieträgers im großen und seine Verwendung in zahlreichen Industrien mit
                              									Erfolg aufgenommen werden soll. Nach wie vor erscheint ein Gasheizwert von 4200
                              									Wärmeeinheiten als der geeignetste.
                           Bevor die Versammlung den mit Spannung erwarteten Vortrag über den Stand der
                              									Ferngasversorgungsfrage entgegennahm, begrüßte Direktor Kühne den inzwischen im
                              									eigenen Flugzeug in Kassel eingetroffenen Professor Junkers, Dessau, der für die von Herzen kommenden Worte des Vorsitzenden
                              									in bewegter Ansprache dankte. Direktor Kühne betonte
                              									sodann einleitend, daß der Verein frühzeitig das Bedürfnis erkannt habe, die Frage
                              									der Gasfernversorgung gründlich und objektiv zu prüfen.
                              									Für die Herausgabe einer Denkschrift liege bedeutendes Material vor. Der heutige
                              									Vortrag sei das Ergebnis der Verhandlungen des erweiterten Gasausschusses und stelle
                              									– wie ausdrücklich zu betonen sei – die Meinungsäußerung des Deutschen Vereins von
                              									Gas-und Wasserfachmännern dar.
                           Direktor Müller, Hamburg, ergriff sodann das Wort und
                              									legte im Auftrage des Vereins in beinahe zweistündiger, freigehaltener Rede, die von
                              									der fast tausendköpfigen Versammlung mit gespannter Aufmerksamkeit aufgenommen
                              									wurde, die Ansichten der Gasfachmänner zu den Ferngasprojekten dar. Wir geben den
                              									Vortrag, der das Interesse der weitesten Oeffentlichkeit beanspruchen darf, mit
                              									einigen Kürzungen im folgenden wieder:
                           Die deutsche Gasindustrie steht heute an einem Wendepunkt in ihrer
                              									Entwicklungsgeschichte. War die Zeit von 1826 bis 1880 die Phase des Aufbaus und die
                              									folgende Zeit bis zum Kriege die Periode der Entwicklung von Großgasbetrieben, so
                              									eröffnen jetzt die chemische Veredelung der Kohle und die Absicht einer umfassenden
                              									Gasfernversorgung Aussichten auf eine ganz neuartige Fortentwicklung. Das Thema des
                              									Vortrags beschränkt sich jedoch auf ein Problem, das bereits zu einem gewissen
                              									Abschluß gekommen ist, nämlich auf die Gasversorgung von den Zechen und Kokereien
                              									des Ruhrgebiets aus, wobei unter Ferngas das auf weite Entfernungen und unter hohem
                              									Druck transportierte Gas verstanden werden soll. Es ergeben sich daraus für die
                              									Erörterung des Problems fünf Hauptfragen:
                           1. Welches sind die Grundlagen und Voraussetzungen einer wirtschaftlichen
                              									Gasfernversorgung?
                           2. Ist eine Großgasversorgung ganz Deutschlands vom Ruhrgebiet aus durchführbar?
                           3. Sind andere Steinkohlen- oder Braunkohlenreviere in der Lage, sich an der
                              									Fernversorgung zu beteiligen?
                           4. Wie stellt sich die Wirtschaftlichkeit der Fernversorgung für den
                              									Ruhrkohlenbergbau und für die Städte?
                           5. Welches sind die Auswirkungen der Zechengasversorgung auf die Gesamtwirtschaft
                              									Deutschlands?
                           Der Ruhrkohlenbergbau hat im Herbst 1926 den Plan zu erkennen gegeben, von seinem
                              									Bezirk aus alle günstig liegenden Städte Deutschlands mit Ferngas zu versorgen und
                              									die Gaswerke der Städte stillzulegen. Aus dem Projekt scheiden jedoch Ostpreußen und
                              									Teile Schlesiens, sowie die kleineren Werke von weniger als zwei Millionen
                              									Kubikmeter aus. Die in Betracht kommenden Städte haben eine Gesamtabnahme von zwei
                              									Milliarden Kubikmeter, zu deren Erzeugung 4,8 Millionen Tonnen Kohle notwendig sind,
                              									von denen die Hälfte aus dem Ruhrgebiet, der Rest aus Schlesien, Sachsen, Saargebiet
                              									und England geliefert wird.
                           Die Fortleitung großer Gasmengen auf weite Entfernung ist nur bei einem ganz
                              									bestimmten Verhältnis von Menge und Druck wirtschaftlich. Ueberschreitet der Preis
                              									für die Fortleitung des Gases den Betrag von 3 Pf./m3 Gas, so wird die Versorgung unwirtschaftlich. Die Leitungen müssen daher
                              									so verlegt werden, daß am Ende ein Großabnehmer angeschlossen ist.
                           Der Plan erscheint für den Ruhrbergbau günstig, da nach dem von ihm aufgestellten
                              									Hauptverteilungsnetz eine bedeutende wirtschaftliche Voraussetzung erfüllt ist,
                              									nämlich, daß am Ende jeder Leitung ein großer Abnehmer liegt. Da für den Gebrauch
                              									der Städte ein Gas mit einem Heizwert von 4200 bis 4500 Wärmeeinheiten benötigt
                              									wird, das Zechengas aber 4700 Wärmeeinheiten besitzt, müßte dieses durch Koksgas
                              									verändert werden, was die Errichtung von 45 Generatoren an den Sammelstationen Hamm
                              									und Hamborn bedingen würde. Auch die Reinigung des Kokereigases würde gewisse
                              									Schwierigkeiten bereiten. In Hamm müßten große Dampfkompressoren von 50000 bis 60000
                              									PS, in Hamborn solche von 25000 bis 30000 PS aufgestellt werden. Außerdem wären dort
                              									große Sammelbehälter zum Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch zu errichten.
                              									Die Fernleitungen würden Rohre von 500 bis 700 mm Durchmesser erhalten; das Gas wäre
                              									auf einen Druck von 20–30 Atmosphären zu bringen. Der Preis der Leitung nach Berlin
                              									würde sich ohne Verlegungskosten bei einem Rohrdurchmesser von 
                              									500 mm und 30 Atmosphären Druck auf 23,5 Millionen Mark, bei 800 mm Durchmesser
                              									und nur 12 bis 15 Atmosphären Druck auf 26,5 Millionen Mark stellen, wobei die
                              									Kompressionskosten jedoch erheblich niedriger würden.
                           Die Gesamtkosten der Rohrleitungen werden auf 325 Millionen Mark, die Kosten der
                              									außerdem erforderlichen Druck- und. Speicheranlagen usw. auf 75 Millionen Mark
                              									geschätzt. Bei einem Kapitaldienst von jährlich 10% stellen sich die
                              									Fortleitungskosten auf 2,2 Pf. je Kubikmeter und – sofern man die geforderte
                              									Reserveringleitung mit berücksichtigt – auf 2,5 Pf. Die Ferngasversorgung vom
                              									Ruhrgebiet aus erscheint technisch durchführbar, wenn auch verschiedene Punkte noch
                              									Schwierigkeiten bereiten.
                           Die übrigen Steinkohlenreviere Deutschlands haben sich in den letzten Monaten,
                              									angeregt durch die Pläne der Ruhrleute, ebenfalls mit dem Ferngasproblem
                              									beschäftigt. Ober- und Niederschlesien haben zwar erheblich weniger Ueberschußgas
                              									als das Ruhrgebiet, jedoch erscheint die Versorgung Belins von Schlesien aus
                              									möglich. Das Schwelereigas der Braunkohlenindustrie ist zwar zur unmittelbaren
                              									Verwendung in den Städten ungeeignet, aber es besteht die Aussicht, auch dieses
                              									technische Problem in der Zukunft ev. zu lösen. Die Prüfung der Braunkohlengasfrage
                              									durch eine Studiengesellschaft ist im Gange.
                           Die Verdrängung der bisher von den deutschen Gaswerken noch verwendeten englischen
                              									Kohle würde für den Ruhrbergbau einen nicht zu unterschätzenden wirtschaftlichen
                              									Vorteil bedeuten. Vor allem aber macht das Sortenproblem an der Ruhr die größten
                              									Schwierigkeiten. Die Lagerung der Feinkohle nimmt ihr einen Teil ihres Gases und
                              									ihrer Backfähigkeit. Man wünscht daher durch eine sich sofort an die Förderung
                              									anschließende Verkokung die Lösung des Sortenproblems zu erreichen. Dies dürfte
                              									jedoch nicht voll gelingen, da sich umgekehrt bei der Durchführung der
                              									Gasfernversorgung Absatzschwierigkeiten für Gaskohle ergeben dürften. Der Verdienst,
                              									den der Ruhrkohlenbergbau aus dem Ferngasverkauf erzielen könnte, berechnet sich
                              									folgendermaßen: Der durchschnittliche Selbstkostenpreis für Kokereigas kann mit 1,5
                              									Pf. je Kubikmeter angenommen werdender erhöht sich durch die Fortleitungskosten auf
                              									4 Pf. Nach dem Vertragsentwurf der A.-G. für Kohlenverwertung verlangen die Zechen
                              									von den Städten 4,8 bis 6,4 Pf. je Kubikmeter Ferngas jeweils nach der abgenommenen
                              									Menge. Bei einer Abnahme von 2 Milliarden Kubikmeter ergäbe sich also ein Gewinn von
                              									20 Millionen Mark, der bei 400 Millionen Mark Anlagekapital eine Rente von 5%
                              									bedeutet. Durch die Verwendung von Abfallkohle würde ein weiteres finanzielles Plus
                              									für den Bergbau entstehen. Ferner ergäbe der Wegfall der Gaskokserzeugung bedeutend
                              									erhöhte Absatzmöglichkeiten für den Ruhrkoks. Gegenüber einem Verdienst von 4,2
                              									Millionen Mark aus den jährlich an die Gaswerke verkauften Kohlen würde also dem
                              									Bergbau ein Jahresgewinn von etwa 25 Millionen Mark entstehen, der sich nach Ablauf
                              									der Amortisation (20 Jahre) nahezu verdoppeln würde. Die Lebensdauer der
                              									Rohrleitungen wird auf mindestens 50 Jahre berechnet. Ferner bedeutet jede über 2
                              									Milliarden Kubikmeter hinaus abgesetzte Gasmenge eine Steigerung des
                              									Gasgewinns. Die. Ferngasversorgung ist also vom Standpunkt des Ruhrbergbaus als ein
                              									Geschenk auf weite Sicht zu betrachten. Für die Städte ist die Frage der
                              									Eigenerzeugung oder des Fernbezugs nur rein wirtschaftlich zu beurteilen. Die
                              									Gaswerke großer Städte haben wie die übrige Industrie an intensiven Bemühungen um
                              									die Rationalisierung ihres Betriebes, an Stilllegung unwirtschaftlich arbeitender
                              									und am Ausbau vorteilhaft wirtschaftender Werke es nicht fehlen lassen. Sie haben
                              									durch rechtliche Umformung und verwandte Maßnahmen einen der Privatindustrie
                              									durchaus ebenbürtigen beweglichen Geschäftsbetrieb erreicht in ihrer
                              									wirtschaftlichen Vereinigung förderliche Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer
                              									Erträgnisse erschlossen, durch den Gasverbrauch und die Zentrale für Gasverwertung,
                              									eine vorzügliche und erfolgreiche Propaganda entfaltet, so daß sie nicht nur den
                              									Verlust gewisser Abgabegebiete an die Elektrizität auszugleichen, sondern darüber
                              									hinaus auch eine angemessene regelmäßige Absatzsteigerung zu erzielen vermögen,
                              									trotzdem sie vielerorts einer Mentalität begegneten, die binnen wenigen Jahren das
                              									Ende der Gaswirtschaft voraussagen wollte. Die Erzeugungskosten des Gases haben
                              									gerade in den letzten Jahren scharfe Herabsetzung erfahren und werden auch in diesem
                              									Jahre weiter heruntergedrückt werden können. In kleineren und kleinsten Werken
                              									kommen allerdings recht hohe Gestehungskosten in Frage; diese Werke bilden die
                              									Achillesferse der Gasindustrie.
                           Die A.-G. für Kohlenverwertung hat zur Beseitigung dieses Zustandes Ferngasbezug
                              									vorgeschlagen; sie bietet in ihrem Vertragsentwurf solches Gas für 4,8 bis 6,4 Pf.
                              									an, dazu aber stellt sie u.a. folgende Forderungen:
                           1. Das Vesorgungsgebiet der Städte wird von der A.-G. genau abgegrenzt; über dieses
                              									Gebiet hinaus darf kein Gas von der Stadt abgegeben werden.
                           2. Die Stadt muß sich zur Abnahme einer bestimmten Gasmenge verpflichten; auch bei
                              									größerem Bedarf darf nur Zechengas entnommen werden.
                           3. Die großen Abnehmer in den städtischen Versorgungsgebieten sollen von der A.-G.
                              									unmittelbar beliefert werden.
                           4. Die Verwendung zu anderen als den üblichen Zwecken darf nur nach vorheriger
                              									Vereinbarung mit der A.-G. geschehen.
                           Diese Bedingungen sind nach der Ansicht des Vereins gänzlich unannehmbar (lebhafte
                              									Zustimmung aus der Versammlung); auch andere Teile des Vertrages bedürfen
                              									wesentlicher Verbesserungen zugunsten der Gaswerke. Gegenüber dem Vorhandensein
                              									dieser untragbaren Bedingungen fehlen jedoch genügende Sicherungen mit Bezug auf
                              									Gleichmäßigkeit von Gewicht und Heizwert des Gases, Garantie der Lieferung usw.
                           Die Stellungnahme der deutschen Gaswerke kann in folgende Sätze zusammengefaßt
                              									werden:
                           1. Die Gaserzeugungskosten sind in den großen Werken teilweise gleich, teilweise
                              									niedriger als das Angebot der A.-G. für Kohlenverwertung, zumal man zu dem Preis des
                              									Ferngases vor den Behälter noch die Kosten für die künftigen Gasverteilungsstationen
                              									hinzurechnen muß. Die Sicherheit erfordert außerdem die Aufrechterhaltung von
                              									Einrichtungen, 
                              									um die Eigenerzeugung bei einem Versagen der Fernversorgung aufnehmen zu
                              									können. Für kleinere Werke würden sich allerdings sehr erhebliche Vorteile
                              									ergeben.
                           2. Die Sicherheit der Versorgung der Städte ist bei der Fernversorgung nicht in so
                              									hohem Umfang gewährleistet wie bisher. Auf die Sicherheit legen die Gasfachmänner
                              									jedoch den größten Wert.
                           3. Bei der Beschaffung der Nebenerzeugnisse können unter Umständen Schwierigkeiten
                              									entstehen. Vor allen Dingen ist zu befürchten, daß die Bewohner der Städte den Koks
                              									teurer als bisher bezahlen müssen.
                           4. Durch die Zusammenfassung der wichtigsten Brennstoffe, Steinkohle und Gas, bei dem
                              									Ruhrbergbau entsteht eine überaus starke Vereinigung lebensnotwendiger
                              									Gebrauchsgegenstände in einer Hand, die den deutschen Städten unerwünscht
                              									erscheint.
                           Wie wirkt sich die Zechengasversorgung nun auf die deutsche Gesamt Wirtschaft aus?
                              									Etwa 15000 Angestellte und Arbeiter würden frei und nach den bisherigen Erfahrungen
                              									bei Werkumstellungen zum großen Teil der Erwerbslosenfürsorge zur Last fallen
                              									müssen. Die Gasöfen- und Gaswerksapparate bauende Industrie mit ihren rd. 3000
                              									Arbeitern und einem Umsatz von rd. 50 Millionen Mark jährlich würde durch die
                              									Stilllegung der kommunalen Werke schwerstens geschädigt. Die Reichsbahn wird einen
                              									Verlust von rd. 25 Millionen Mark jährlich dadurch erleiden, daß an Stelle
                              									Frachteinnahme für 4,8 Millionen Tonnen Kohle von 40 Millionen Mark nur etwa 15
                              									Millionen Einnahme für den frachtausgebenden Zechenkoks; träten. Zum Teil würde
                              									diese Einnahme allerdings durch die vermehrte Steuerabgabe und Umlagen der
                              									Ruhrindustrie wieder ausgeglichen.
                           Für die großen deutschen Städte ergibt sich also durch Zechengasversorgung im
                              									allgemeinen keine Verbilligung des Gaspreises, vor allem nicht für die, die es
                              									ebenso billig darstellen, wie sie es erhalten würden. Der Verlust der rd. 700000
                              									Tonnen Kohle, der bei der Verarbeitung des Rohstoffes in diesen kleineren Werken
                              									eintrete, und einer Geldeinbuße von etwa 14 Millionen Mark entspricht, würde, da die
                              									kleinen Werke durch Fernleitungen nicht alle erfaßt werden können, und in den
                              									Fernleitungen bei einer Annahme von nur 2% Leitungsverlust doch ein Geldverlust von
                              									6 Millionen Mark einträte, um nur etwa 1 Million Mark Geldwert verringert werden
                              									können. Auf Grund dieser Zahlen ist es sehr genau zu überlegen, ob der Aufwand von
                              									400 Millionen Mark für die Zechengasfernversorgung zurzeit wünschenswert sei. Im
                              									Laufe der Verhandlungen haben die Vertreter deutscher Großgaswerke erklärt,
                              									nicht daran zu denken, die Eigengaserzeugung aufzugeben. Die Kommunen Frankfurt und
                              									Köln haben das durch den Ankauf eigener Kohlenfelder sogar noch drastisch
                              									bekräftigt. Angesichts dieser Verhältnisse müssen die Verhandlungen mit der A.-G.
                              									für Kohlenverwertung in letzter Zeit eine neue Richtung annehmen und das
                              									ursprüngliche große Projekt hat sehr wichtige Einschränkungen erfahren, da es bei
                              									Ausfall der Großstädte zur Unwirtschaftlichkeit verurteilt gewesen wäre.
                           Die Verhandlungen bewegen sich zurzeit in der Richtung, festzustellen, ob durch
                              									Gründung gemischt-wirtschaftlicher Betriebe, die zu etwa 50% in der Hand der
                              									Kommunen und der A.-G. für Kohlenverwertung sich befinden, eine Verhandlungsbasis
                              									gefunden werden kann. Diese großen Werke würden dann entweder Ruhrkohle verarbeiten
                              									oder für ihre Absatzgebiete Ruhrgas beziehen. Diese Verhandlungen sind noch nicht so
                              									weit gediehen, um dazu heute Stellung nehmen zu können, zumal da die Industrie in
                              									Verbindung mit den chemischen Errungenschaften der letzten Zeit neue Wege zur
                              									Umwandlung von Kokereigas in flüssige Brennstoffe gewiesen hat, die im Leuna werk
                              									bereits praktisch begangen werden.
                           Die deutsche Gasversorgung soll weiterhin Aufgabe der Gaswerke bleiben. Um der
                              									Kohlenverschwendung vorzubeugen, erscheint es im volkswirtschaftlichen Interesse
                              									zweckmäßiger, die Gasversorgung der Bevölkerung den kommunalen Werken zu überlassen,
                              									die auf dem Wege der Gruppengasversorgung von größeren
                              									Zentren aus, nach Möglichkeit die umliegenden kleinen Werke anschließen und durch
                              									ihre Stilllegung die bisherigen Verluste am Rohstoff Kohle auf ein möglichst
                              									geringes Maß herabzudrücken. Es steht zu hoffen, daß Reich und Länder bei der
                              									Unterstützung dieser Bemühungen auch alle Reservate mit Bezug auf Wegerecht und
                              									Landesgrenzen zugunsten des hohen volkswirtschaftlichen Zieles fallen zu lassen und
                              									in positiver Mitarbeit die ungeheure Aufgabe energiewirtschaftlicher Verfeinerung
                              									mit fördern zu helfen.
                           Langanhaltender Beifall dankte dem Redner für seinen überaus glänzenden Vortrag, an
                              									den anschließend Diplomingenieur Ph. Borchard, München,
                              									über die Zerlegung des Koksofengases mit Bezugnahme auf die Probleme der
                              									Ferngasversorgung sprach. Auch seinen Ausführungen, die sich mit neuen Verwendungs-
                              									und Ausnutzungsmöglichkeiten des Zechengases beschäftigten, wurde reicher
                              									Beifall.
                           
                              L. L. L.