| Titel: | Die Erhöhung der Leistung von Kraftwagenmotoren. | 
| Autor: | Graffstädt | 
| Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 229 | 
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                        Die Erhöhung der Leistung von
                           								Kraftwagenmotoren.
                        Von Dipl.-Ing. Graffstädt,
                           									Strelitz (Meckl.).
                        GRAFFSTÄDT, Die Erhöhung der Leistung von
                           								Kraftwagenmotoren.
                        
                     
                        
                           Die in Deutschland gesetzlich vorgeschriebene Formel, durch welche die Bauart
                              									unserer Kraftwagenmotoren entscheidend beeinflußt wird, heißt bekanntlich für
                              									Viertakt-Maschinen:
                           N = 0,3 . i . d2 . s . . . . . .
                              									. . . . (1)
                           und für Zweitaktmaschinen
                           N = 0,45 . i . d2 . s. . . . . .
                              									. . . . . (2)
                           In diesen beiden Gleichungen ist
                           N = Leistung in Steuer-PS,
                           i = Anzahl der Zylinder,
                           d = Zylinderbohrung in cm,
                           s = Hub in m.
                           Die innere oder indizierte Leistung einer Viertaktmaschine ist:
                           N^i=\frac{F\,\cdot\,2\,\cdot\,s\,\cdot\,n}{4\,\cdot\,60\,\cdot\,75}\,\cdot\,p_i in PSi (3)
                           F = Zylinderfläche in cm2,
                              										pi = mittlerer, indizierter Druck in kg/cm2. Die Bremsleistung oder Nutzleistung Ne eines Motors wird mit
                           pe = ηm . pi
                              									= mittlerer effektiver Druck in kg/cm2
                              								
                           N_e=\frac{F\,\cdot\,2\,\cdot\,s\,\cdot\,n}{4\,\cdot\,60\,\cdot\,75}\,\cdot\,p_e\mbox{ in PS}_{eff}. (4)
                           Mit F . s = Vh = Hubvolumen in
                              										m3 wird
                           N_e=\frac{V_h\,\cdot\,2\,\cdot\,n\,\cdot\,10000\,\cdot\,p_e}{4\,\cdot\,60\,\cdot\,75}=\frac{V_h\,\cdot\,p_e\,\cdot\,n}{0,9} . (5)
                           Die Gleichungen 1 und 2 zeigen uns, daß die Höhe der Steuer mit dem Quadrate des
                              									Zylinderdurchmessers wächst. Um also eine möglichst geringe Steuer zu erhalten, ist
                              									man gezwungen, den Zylinderdurchmesser und den Hub klein auszuführen. Soll die
                              									Leistung des Motors aber, trotzdem groß sein, muß die Umdrehungszahl, wie sich aus
                              									den Gleichungen 3, 4 und 5 ergibt, sehr hoch bemessen werden. Im Gegensatz, z.B. zu
                              									den amerikanischen Kraftwagen, die einen relativ großen Zylinderdurchmesser und
                              									infolgedessen auch ein größeres Drehmoment besitzen, können die deutschen Wagen
                              									nicht so rasch anfahren. Hierin liegt ein großer Mangel für die deutsche
                              									Kraftfahrzeugindustrie, dem hoffentlich durch das in Aussicht stehende neue deutsche
                              									Steuergesetz Abhilfe geschaffen wird.
                           Im weiteren Verlauf dieser Abhandlung soll untersucht werden, welche Faktoren
                              									von Einfluß auf eine ev. weitere Leistungserhöhung der Motoren sein können. Zum
                              									leichteren Verständnis des folgenden ist in Abb. 1
                              									das Viertaktdiagramm eines Wagenmotors aufgezeichnet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 342, S. 229
                              Abb. 1.
                              
                           Beim Ansaughub 0–1 soll das Gemisch möglichst kalt angesaugt
                              									werden, da dann das Gewicht der Ladung bedeutend größer ist. Nach der
                              									Zustandsgleichung der Gase bzw. Gasmischungen ist:
                           P .V = G . R . T
                           Darin ist:
                           P = absolute Spannung in kg/m2,
                           V = Rauminhalt in m3,
                           G = Ladungsgewicht in kg,
                           R = Gaskonstante,
                           T = absolute Temperatur = t + 273° C.
                           Für Punkt 1 ist V = Vk + Vh und es gilt die Gleichung:
                           P1 . (Vk + Vh) = G . R . T1
                              								
                           und G=\frac{P_1\,(V_k+V_h)}{R\,\cdot\,T_1} in kg. (6)
                           Die Gleichung besagt, daß das Ladungsgewicht um so größer ist,
                              									je geringer die Temperatur T1 der angesaugten
                              									Gasmischung gehalten werden kann. Es wäre anzustreben, den Zylinder gut zu kühlen
                              									und ihn außerdem von Abgasresten vollkommen zu entleeren, da der Wärmeinhalt der
                              									letzteren bei der Vermengung mit dem neu angesaugten Gemisch eine Temperaturerhöhung
                              									zur Folge hätte. Von einer allzu starken Kühlung ist aber abzuraten, da aus dem
                              									Gemisch Kondensatbildungen 
                              									sich ergeben könnten, die sich in Form von Tropfen aus dem Gemisch loslösen
                              									würden. Außerdem wird der thermische Wirkungsgrad verringert.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 342, S. 230
                              Abb. 2.
                              
                           Beim Hub 0–1 wirkt der Kolben der Maschine saugend. Das Gemisch strömt nach, aber mit
                              									geringerer Geschwindigkeit als der Kolben. Es ist daher auch bei Maschinen ohne
                              									besondere Ladepumpe unmöglich, daß eine Gasmenge angesaugt wird, die den vollen
                              									Hubraum des Zylinders einnimmt. Das Gas wird aber bei seiner Strömung infolge seiner
                              									Bewegungsenergie nacheilen und den Hubraum auffüllen, aber nach einer Zeit, wo der
                              									Kolben schon aus seiner Totlage wieder zurückeilt. Auf Grund dieser Tatsache läßt
                              									man meistens das Saugventil erst nach der Kolbentotlage schließen (mitunter bis zu
                              									50°). Das Verhältnis der wirklich angesaugten Menge V1 (Ladevolumen) zum Hubvolumen Vh
                              									bezeichnet man bekanntlich als den volumetrischen Wirkungsgrad ηv. Es ist
                           \eta_v\,\cdot\,\frac{n}{2}\,\cdot\,V_h\,\cdot\,60=V_1+V_b (7)
                           V1 + Vb = Ladevolumen + Brennstoffvolumen in cbm/std.
                           Das Brennstoffvolumen Vb ist
                              									praktisch = 0.
                           Aus vorstehender Gleichung ersieht man, daß das stündliche Ladevolumen um so größer
                              									ist, je mehr sich der volumetrische Wirkungsgrad dem Werte 1 nähert. Aus diesem
                              									Grunde werden z.B. bei den Mercedes-Motoren Gebläse eingebaut, die es ermöglichen,
                              									daß ηv einen Wert erhält, der bedeutend größer ist
                              									als 1. Bekannt sind diese unter dem Namen „Mercedes-Kompressor“ geworden.
                              									Wegen des größeren Verpuffungsdruckes ergibt dieser Motor eine wesentlich stärkere
                              									Leistung, wie aus dem gestreckten Diagramm in Abb. 2
                              									auch erkennbar ist.
                           Die Kompressionskurve 1–2 (Abb. 1 und 2) ist als Polytrope mit dem Exponenten n = 1,35
                              									ungefähr richtig gekennzeichnet. Bei guter Kühlung ist n kleiner, bei schlechter
                              									größer als 1,35 zu nehmen. Die Größe der Verdichtungsspannung p2 und die des Verdichtungsraumes Vk spielen bei der Beurteilung der Leistung eines
                              									Motors eine wesentliche Rolle. Es ist:
                           p1(Vk + Vh)n
                              									= p2 . Vk
                              									n,
                           \frac{p_2}{p_1}=\left(\frac{V_k+V_h}{V_k}\right)^n. Mit \varepsilon=\frac{V_k+V_h}{V_k} wird
                           \varepsilon=\sqrt[n]{\frac{p_2}{p_1}}. (8)
                           Ferner sei \varepsilon_0=\frac{V_k}{V_h}. Dann ist
                           1+\frac{1}{\varepsilon_0}=\varepsilon und
                           \varepsilon_0=\frac{1}{\varepsilon-1} (9)
                           z.B. wird mit p1 = 1 at abs.,
                              										p2 = 9 at. abs. und n = 1,35
                           
                              
                              \varepsilon=\sqrt[1,35]{\frac{9}{1}}=5,09
                              
                           
                              \varepsilon_0=\frac{1}{5,09-1}=\frac{1}{4,09}=0,244
                              
                           Vk = 0,244 Vh.
                           Aus Gleichung 9 ergibt sich, daß der Verdichtungsraum kleiner wird, wenn der Wert ε zunimmt, und Gleichung 8 zeigt, daß ε nur
                              									mit der Verdichtungsspannung p2 zunehmen kann.
                              									Demnach ist hohe Kompression anzustreben.
                           Der thermodynamische Wirkungsgrad des verlustlosen Prozesses ist:
                           \eta_{th}=1-\left(\frac{p_1}{p_2}\right)^{\frac{k-1}{k}}=1-\left(\frac{V_k}{V_k+V_h}\right)^{k-1}=1-\left(\frac{1}{\varepsilon}\right)^{k-1} (10)
                           Gleichung 10 zeigt, daß der thermodynamische Wirkungsgrad gleichfalls mit den Werten
                              									ε und p2 steigt. Bei einer schnellaufenden von
                              									Ricardo untersuchten Maschine würden sich folgende Daten ergeben:Vergl. Heller, Motorwagenbau, 1925 Berlin, S. 222.
                              								
                           
                              
                                 
                                    \varepsilon=\frac{V_k+V_h}{V_k}=
                                    
                                 4
                                 4,5
                                 5
                                 5,5
                                 6
                                 6,5
                                 7
                                 
                                 
                              
                                 
                                    \eta_{th}=1-\left(\frac{1}{\varepsilon}\right)^{k-1}=
                                    
                                 42,56
                                 45,21
                                 47,47
                                 49,44
                                 51,16
                                 52,70
                                 53,98
                                 in v. H.
                                 
                              
                           Die Daten sind in Abb. 3 in einer Kurve
                              									aufgetragen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 342, S. 230
                              Abb. 3.
                              
                           Einen besonderen Einfluß auf die Leistung eines Motors hat die richtige Wahl der
                              									Zündung. Eine Zündung, die im Punkte 2 (Abb. 1)
                              									erfolgen würde, bezeichnet man als Spätzündung, eine Zündung vor dem Totpunkte als
                              									Vorzündung. Das Gemisch gebraucht zu seiner vollkommenen Verbrennung eine gewisse
                              									Zeit. Würde die Zündung im Punkte 2 stattfinden, so würde der maximale
                              									Verbrennungsdruck kleiner sein und später liegen und zwar um so später, je größer
                              									die Kolbengeschwindigkeit 
                              									ist (Abb. 4). Prof. Wawrziniok in Dresden hat an
                              									einem Lastwagenmotor von 35 PS sehr interessante Versuche in dieser Hinsicht
                              									unternommen. (Vgl. Mitteilungen des Instituts für Kraftfahrwesen, T. H. Dresden,
                              									Sammelband I, Seite 60.) Bei hohen Tourenzahlen und Spätzündung ist es möglich, daß
                              									die Verbrennung im Totpunkt noch nicht beendet ist, ja, daß bisweilen beim Oeffnen
                              									des Ansaugventils die Gase noch nicht vollkommen verbrannt sind. Es ist dann die
                              									Gefahr vorhanden, daß die Flamme in das neu angesaugte Gemisch schlägt und einen
                              									Vergaserbrand verursacht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 342, S. 231
                              Abb. 4.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 342, S. 231
                              Abb. 5.
                              
                           Um derartige Vorkommnisse zu vermeiden, wird häufig größtmöglichste Vorzündung
                              									empfohlen. Diese für jeden beliebigen Motor gleich zu machen, ist aber, wie sich aus
                              									obigen Darlegungen ergibt, nicht angängig, sondern dieselbe müßte der jeweiligen
                              									Umlaufzahl und damit auch der Leistung angepaßt werden. Abb. 5 zeigt ein Diagramm mit Vorzündung.
                           Es sei in diesem Zusammenhange gleichfalls darauf hingewiesen, daß eine
                              									beliebige Erhöhung der Tourenzahl zur Verbesserung der Leistung eines bestimmten
                              									Motors nicht ohne weiteres möglich ist. Für einen bestimmten Motor nimmt bei
                              									Steigerung der Tourenzahl der Widerstand der Gasströmung in den Gaskanälen und
                              									Ventilquerschnitten derart zu (Turbulenzerscheinung), daß die Leistungskurve nach
                              									Erreichung eines Maximums sehr schnell fällt. Die Widerstände in den
                              									Zuführungsleitungen bewirken eine sehr schnelle Abnahme des mechanischen
                              									Wirkungsgrades. Einer Erweiterung der Gasleitungen und Ventilquerschnitte zur
                              									Verlangsamung der Strömgeschwindigkeit stehen mitunter konstruktive Hindernisse
                              									entgegen.
                           Zusammenfassung:
                           
                              1. Das Gasgemisch soll möglichst kalt, d.h. ohne Vorwärmung dem
                                 										Zylinder zugeführt werden, damit das Gewicht der Ladung möglichst groß wird.
                                 										(Nur bei gewissen Kraftstoffen zu erreichen.)
                              2. Zur Erhöhung der Leistung ist anzustreben, den volumetrischen
                                 										Wirkungsgrad = 1 zu machen.
                              3. Die Kompressionsendspannung soll möglichst groß sein. Dadurch
                                 										wird der Verbrennungsraum kleiner und der thermodynamische Wirkungsgrad
                                 										größer.
                              4. Die Größe der Vorzündung soll für einen bestimmten Motor genau
                                 										einreguliert werden und zwar nach Tourenzahl und Leistung.
                              5. Eine Erhöhung der Umlaufzahl zur Vergrößerung der Leistung
                                 										eines bestimmten Motors kann nur erfolgen durch Verringerung der
                                 										Leitungswiderstände und Vergrößerung der Leitungs- und
                                 										Ventilquerschnitte.