| Titel: | Die Sonne erzeugt Radioaktivität | 
| Autor: | A. Salmony | 
| Fundstelle: | Band 343, Jahrgang 1928, S. 5 | 
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                        Die Sonne erzeugt Radioaktivität
                        Von Dr. A. Salmony.
                        SALMONY, die Sonne erzeugt Radioaktivität.
                        
                     
                        
                           Ueber die seltsamen Eigenschaften radioaktiver Körper, einer Entdeckung des
                              									berühmten Franzosen Becquerel, ist heutzutage jeder Gebildete unterrichtet. Er weiß,
                              									daß besonders in der Mineralpechblende, welche in großer Menge in Johannisthal in
                              									Böhmen vorkommt, Radium enthalten ist, wenn auch nur in verschwindend kleiner Menge.
                              									Es ist das große Verdienst von Madame Curie, dieses Radium entdeckt und aus dem
                              									Mineral als Erste extrahiert zu haben. Es ist bekannt, daß das Radium
                              									verschiedenartige Strahlen, die sogenannten α-, β- und γ-Strahlen von
                              									großer Intensität und Wirkung auf den Organismus dauernd entsendet und hierdurch
                              									gleichzeitig ständig in Zerfall begriffen ist. Es stößt Heliumatome (ein sehr
                              									leichtes Gas) aus und endet schließlich in einer Art von Blei. Die Wandlung geht
                              									äußerst langsam vor sich. Man hat durch praktische Erfahrungen errechnet, daß
                              									ungefähr 1700 Jahre nötig sind, bis eine bestimmte Radiummenge auf die Hälfte
                              									zerfallen ist. Dabei ist unfaßbar die Loslösung gewaltigster Energiemengen, die bei
                              									der Umwandlung von nur 1 Gramm Radium so groß sind, wie die benötigte Arbeit zur
                              									Hebung von 100000 Tons um 15 Meter (eine Tonne gleich 1000 Kilogramm). Ganz
                              									besonders bekannt sind die hervorragenden Erfolge in der Medizin so durch
                              									Bestrahlung bei der Krebsbehandlung.
                           Bisher glaubte man, daß einige bestimmte Substanzen radioaktiv seien, daß diese es
                              									ohne äußere Einwirkungen wären und daß keine physikalische oder chemische
                              									Behandlung, sei sie auch noch so energisch, diese Radioaktivität ändern könnte.
                           Vor ganz kurzer Zeit jedoch erregte die Arbeit einer jungen rumänischen
                              									Wissenschaftlerin, Fräulein Marizeanu, welche der Akademie der Wissenschaften zu
                              									Paris durch den Professor Deslandres zugeführt wurde, großes Aufsehen. Genannte
                              									Forscherin, eine frühere Assistentin der so berühmten Radiumherstellerin Frau Curie
                              									in Paris, hat festgestellt, daß unter dem Einfluß der Sonnenstrahlen die Metalle
                              									radioaktiv werden. So hat sie eine Bleifolie, die den Sonnenstrahlen ausgesetzt
                              									wurde, im Dunkeln auf eine photographische Platte selbst mehrere Tage nach der
                              									Bestrahlung mit Erfolg einwirken lassen, während die Bleiplatte vor der Bestrahlung
                              									absolut keine Veränderung auf einer photographischen Platte hervorbrachte. Fräulein
                              									Marazineanu wies auch nach, daß das mit der Mittagssonne bestrahlte Blei das am
                              									stärksten radioaktive war; es zeigte sich auch, daß bei der Bleifolie nur die
                              									bestrahlte Seite radioaktiv war und seine Ladung an ein Elektroskop langsam abgab,
                              									während die nicht bestrahlte Seite in keiner Weise eine radioaktive Strahlung
                              									zeigte, auch kein Flimmern auf einem Röntgenschirm hervorbrachte. Dieses durch die
                              									Sonnenbestrahlung radioaktive Blei schleudert ständig Strahlen verschiedenster Art
                              									aus, von denen eine bestimmte Art selbst Panzerplatten durchdringen.
                           Die Entdeckerin hat auch Experimente in der Weise angestellt, daß sie Stücke eines
                              									alten Bleidaches sowie Teile von Zink- und Kupferdächern, die teils auf der
                              									Nordseite, teils auf der Südseite lagen, zu ihren Versuchen benutzte. Dieselben 
                              									bestätigten die Radioaktivität aller dreier Metalle, besonders derer, die auf
                              									der Südseite sich befanden. Auffallenderweise wurde bei der nicht belichteten
                              									Zinkseite auch eine Radioaktivität festgestellt; ferner hatten hier die ausgesandten
                              									Strahlen eine größere Durchschlagskraft. Nicht gelang es ihr bei Eisen- oder
                              									Gußmetallplatten, selbst bei langer Exponierung an der Sonne eine Radioaktivität
                              									festzustellen.
                           Sehr interessant sind die kurzen Ausführungen, die in der Juli-Sitzung der Akademie
                              									der Wissenschaften in Paris von dem Astronomen, Professor Deslandres, hierzu gemacht
                              									worden sind: Die radioaktiven Körper sind allen Einflüssen gegenüber, welche wir auf
                              									der Erde ins Werk setzen können, unempfindlich, z.B. den verschiedenen Drucken oder
                              									Temperaturen gegenüber. Die Sonnenstrahlung rührt von einem Körper her, welcher weit
                              									höherem Druck und Temperaturen ausgesetzt ist, zumal wenn die tiefen Schichten des
                              									Gestirnes mitwirken. Man hat Grund zur Annahme, daß die sehr durchdringende
                              									Ultra-X-Strahlung der in erster Linie wirkende Faktor ist; diese Strahlen sind schon
                              									genauer untersucht worden und nach Ansicht des Forschers Kohlhörster kosmischen
                              									Ursprungs, herrührend von der Milchstraße und den Nebelflecken.
                           Die noch sehr junge Entdeckung eröffnet eine Perspektive, die eine große Zahl von
                              									wissenschaftlichen und technischen Wundern verheißt, zumal man nunmehr imstande ist,
                              									den Rückverwandlungsprozeß des Bleies in einen radioaktiven Stoff durchzuführen und
                              									noch andere Metalle umzuwandeln; vielleicht wird es auch möglich sein, die so
                              									gewaltigen Energien einmal praktisch auszunutzen. Auch erhält die Vermutung eine
                              									Stütze, daß unser Sonnenkörper ständig Energie und Wärme in unfaßbar großen Mengen
                              									in den kalten Weltenraum zu senden vermag, ohne an Energie einzubüßen.