| Titel: | Oberflächenveredlung von Stahl | 
| Autor: | Wilhelm Buchmann | 
| Fundstelle: | Band 343, Jahrgang 1928, S. 7 | 
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                        Oberflächenveredlung von Stahl
                        Von Wilhelm
                                 								Buchmann.
                        
                           (Nachdruck verboten).
                           
                        BUCHMANN, Oberflächenveredlung von Stahl.
                        
                     
                        
                           Man hat ausgerechnet, daß jährlich mehrere Millionen Tonnen Eisen durch Rost
                              									zerstört werden. Im ganzen wird der Rostverlust für die Zeit von 1890 bis 1923 auf
                              									40 vom Hundert der in der ganzen Welt verarbeiteten 1766 Millionen Tonnen Eisen,
                              									d.h. auf rund 700 Millionen Tonnen geschätzt. Hierzu treten noch weitere ebenfalls
                              									sehr erhebliche Verluste durch Abnutzung infolge mechanischer, chemischer und
                              									Wärmebeanspruchung und unmittelbar daraus folgernd riesige Mengen unbrauchbar
                              									gewordener Maschinenteile usw. Die Bestrebungen, diese ungeheuren Werte dem
                              									Volksvermögen zu erhalten, zum mindesten aber die Verbrauchszeiten wesentlichwesentlichlich zu verlängern, haben zu einer ganzen Reihe von Verfahren geführt, die sich
                              									in zwei große Gruppen unterteilen: Veredlung der Oberfläche einerseits und Erzeugung
                              									beständiger, insbesondere nichtrostender Stahlsorten andererseits. Es ist bekanjt,
                              									daß es in den verflossenen Jahren gelungen ist, außerordentlich bestädige Stahle
                              									durch Legierung mit hochwertigen Metallen wie z.B. Chrom und Nickel zu erzeugen. Es
                              									sei nur auf die besonders rost- und säurefesten Stahle der Gruppen VA und VM der
                              									Firma Krupp hingewiesen, von denen sich der V2A-Stahl besonderer Beliebtheit in
                              									weiten Kreisen erfreut, da aus ihm unter anderem nichtrostende Messer, Scheren,
                              									Haus- und Küchengeräte aller Art hergestellt werden.
                           Für viele Zwecke würden solche Sonderstahle jedoch zu kostspielig werden, ganz
                              									abgesehen davon, daß in manchen Fällen auch noch besondere Eigenschaften gefordert
                              									werden, die mit diesen Stahlen nicht erreichbar sind. So wird z.B. bei zahlreichen
                              									Maschinenteilen, insbesondere bei Zahnrädern, Kurbelwellen u. dgl., deren
                              									Oberflächen sehr stark durch Reibung beansprucht werden, eine große äußere Härte
                              									verlangt, gleichzeitig aber auch eine gewisse Elastizität gefordert. Die Oberfläche
                              									muß also sehr hart, der Kern jedoch weich und zäh sein. Diese Forderungen lassen
                              									sich durch Oberflächenveredlung erfüllen. Hierfür sind eine ganze Reihe von
                              									Verfahren ausgearbeitet und in Anwendung, deren Grundgedanke darin besteht, auf die
                              									Oberfläche einen Stoff zu bringen, der in den Stahl bis zu einem gewissen Teil
                              									eindringt und mit ihm eine chemische oder mechanische Verbindung eingeht, die die
                              									gewünschten Eigenschaften hat.
                           Es ist bekannt, daß die Härte des Stahls stark von seinem Kohlenstoffgehalt abhängig
                              									ist, und zwar nimmt die Härte mit steigendem Gehalt zu. Der Kohlenstoff ist zwar nur
                              									in sehr geringen Mengen vorhanden, doch bestimmen Bruchteile vom Hundert bereits
                              									seine Eigenschaften ausschlaggebend. Es ist nun möglich, einen weichen Stahl an der
                              									Oberfläche durch Hinzufügen von Kohlenstoff äußerlich zu härten. Dies kann in der
                              									Weise geschehen, daß das zu härtende Werkstück zwischen Kohlepulver in einen Topf
                              									gebettet wird, der längere Zeit auf etwa 850 bis 950 Grad erhitzt wird. Nach der
                              									sich dabei bildenden Verbindung, Zementit, hat das Verfahren seinen Namen: Der Stahl
                              									wird zementiert. Nach dem Glühen im Einsatztopf muß das Werkstück abgeschreckt
                              									werden, seine Oberfläche wird dann glashart, während der Kern weich und elastisch
                              									bleibt. Allerdings haften dem Zementierverfahren verschiedene Nachteile an, die
                              									seine Anwendungsmöglichkeiten stark beschränken. Das Einsatzhärtepulver leitet die
                              									Wärme außerordentlich schlecht, so daß bei größeren Werkstücken oft eine Stunde oder
                              									mehr vergeht, ehe sich die Härtetemperatur bis ins Innere des Topfes fortgepflanzt
                              									hat, und ferner entstehen wegen der starken Erhitzung und nachfolgenden Abschreckung
                              									Spannungen, die leicht eine Formveränderung zur Folge haben. Hierdurch entsteht bei
                              									genau gearbeiteten Werkstücken, wie z.B. geschliffenen Zahnrädern, geschliffenen
                              									Wellen usw. häufig Ausschuß.
                           Einen bedeutenden Fortschritt brachte das Kruppsche Nitrier verfahren, bei dem an
                              									Stelle von Kohlenstoff Stickstoff in die Oberfläche hineindiffundiert. Dieser
                              									Vorgang vollzieht sich bereits bei Temperaturen, die unterhalb 580 Grad liegen. Im
                              									Gegensatz zum Zementieren brauchen die Werkstücke nach dem Nietrieren nicht
                              									abgeschreckt zu werden. Die auf diese Weise behandelten Stahle verziehen sich nicht
                              									und es bilden sich auch keine Risse. Dabei ergibt sich als wesentlicher Vorteil noch
                              									eine bedeutend höhere Härte, die die beim Zementierverfahren erreichbare etwa um die
                              									Hälfte übertrifft. Das Verfahren setzt allerdings Sonderstahle bestimmter
                              									Zusammensetzung voraus, ist aber gerade für Werkstücke, die sich nicht unregelmäßig
                              									verziehen dürfen, von außerordentlicher Bedeutung.
                           Die Nachteile der langen Erhitzungsdauer bei den Einsatzhärteverfahren hat man
                              									dadurch zu vermeiden versucht, daß man die zu behandelnden Werkstücke in ein
                              									glühendes Salzbad taucht, das Kohlenstoff an das Eisen abgibt. Als geeignete
                              									Salzschmelze hat man Zyanidbäder verwendet, z.B. geschmolzenes Zyankalium,
                              									Blutlaugensalz oder ähnliche Zyansalze. Diese schäumen jedoch bei Temperaturen
                              									oberhalb 850 Grad über, so daß die günstigste Zementiertemperatur, bei der der
                              									Kohlenstoff schnell eindringt, nicht erreicht werden kann. Neuerdings ist es jedoch
                              									gelungen, diese Schwierigkeit durch Verwendung einer besonderen Schmelze,
                              									Durferrit-Zyan Härtefluß III, zu beseitigen, die die Anwendung höherer Temperaturen
                              									möglich macht. Dadurch wird der Zementiervorgang außerordentlich beschleunigt, so
                              									daß ein Einsatz von einer halben bis zu einer ganzen Stunde in den meisten Fällen
                              									genügt. Bei den früheren Verfahren waren selbst bei stundenlangem Einsatz nicht
                              									annähernd die neuerdings möglichen Härtetiefen erreichbar. Das bedeutet eine
                              									beträchtliche Ersparnis an Arbeitszeit und ganz besonders an Heizung, so daß das
                              									Verfahren äußerordentlich wirtschaftlich ist. Die Schmelze zeichnet sich durch
                              									Leichtflüsigkeit aus, und die eingesetzten Werkstücke erleiden keine Verbiegung.
                              									Infolge der kurzen Einsatzdauer wird das innere Gefüge des Stahls nicht beeinflußt,
                              									während bei längerer Einsatzdauer häufig ein Wachsen der kleinen Eisenkristalle 
                              									beobachtet wurde. Hierdurch verloren die Werkstücke an Festigkeit. Die
                              									Bruchsicherheit und Zähigkeit des Kerns, die besonders bei durch Stoß beanspruchten
                              									Teilen gefordert wird, bleibt also gewährleistet. Das neue Härtemittel kann auch als
                              									Zusatz zu gewöhnlichen Salzbädern, die nur zum Ausglühen dienen, verwendet werden,
                              									um ein Auskohlen in diesen Bädern zu verhindern. Besonders günstige Erfahrungen sind
                              									gerade bei sehr empfindlichen Werkzeugen wie Feilen gemacht worden, deren feine
                              									Zacken der Auskohlung besonders leicht ausgesetzt sind. Auch wird die neue Schmelze
                              									mit Vorteil bei der Wärmebehandlung von Kupfer- und Aluminiumlegierungen benutzt, um
                              									eine Verzunderung der Oberfläche zu vermeiden.
                           Bezwecken die vorerwähnten Verfahren in erster Linie die Erhöhung der mechanischen
                              									Festigkeit, so hat man zur Verminderung der Angreifbarkeit durch chemische Stoffe
                              									und durch Wärme ebenfalls besondere Verfahren durchgebildet, unter denen das
                              									Alitierverfahren einen besonderen Platz einnimmt. Es eignet sich besonders für
                              									Schmiedeisen, für niedrige und hochwertige Stahle, Stahlguß und gewisse Arten von
                              									Temperguß, sowie für Nickel, Kupfer und seine Legierungen. Dem nichtrostenden
                              									V2A-Stahl verleiht es besondere Hitzebeständigkeit. Es besteht darin, daß man in die
                              									Oberfläche Aluminium eindringen läßt, das sich zum Teil mit dem Metall legiert
                              									und es durch Bildung einer feinen Aluminiumoxydschicht vor Zerstörung schützt.
                              									Während gewöhnliches Eisen oberhalb 600 Grad zundert, wird alitiertes Eisen bis zu
                              									1000 Grad fast überhaupt nicht angegriffen. Diese Eigenschaft weist dem Verfahren
                              									hauptsächlich das Wärmegebiet zu; so werden z.B. Pyrometerrohre, Härteeinsatzkästen,
                              									Wärmeaustauschvorrichtungen, Roste usw. immer mehr nach dem Alitierverfahren
                              									veredelt.
                           Neben diesen ganzen Verfahren, bei denen die Schutzschichten vorwiegend auf
                              									chemischem Wege erzeugt werden, hat man Versuche gemacht, auch die mechanisch oder
                              									elektrisch übertragenen Ueberzüge, wie z.B. nach dem Schoopschen
                              									Metallspritzverfahren oder auf galvanischem Wege erzeugte Niederschläge, in die
                              									Oberfläche des zu veredelnden Metalls hineindiffundieren zu lassen. Insbesondere
                              									verspricht man sich von der Verchromung sehr gute Ergebnisse, da das Chrom
                              									vorzügliche Eigenschaften, wie z.B. große Härte und chemische Unangreifbarkeit, hat.
                              									Gewisse Erfolge sind bereits erzielt worden und es wird auf diesem Weg
                              									weitergearbeitet. Die Oberflächenveredlung gewinnt immer mehr an Bedeutung, da sie
                              									eine wirtschaftliche Stoffausnutzung gewährleistet. Zweifellos werden die kommenden
                              									Jahre weitere wichtige Fortschritte bringen.